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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 04.09.2006
Aktenzeichen: 16 U 66/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 90a
BGB § 433
BGB § 434
Zur Frage, inwieweit eine röntgenologischer Befund bei einem Pferd einen kaufrechtlichen Mangel darstellen kann.
Gründe:

A.

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über das Pferd "A", eines dreijährigen Wallach, für den der Kläger einen Kaufpreis von 8.950,00 € entrichtet hat.

In dem Kaufvertrag vom 29. Juli 2003 (Bl. 6 d.A.) vereinbarten die Parteien eine tierärztliche Ankaufuntersuchung, mit deren Durchführung die Streithelfer beauftragt werden sollten; die Kosten für die Untersuchung sollten beide Parteien je zur Hälfte tragen. Unter Ziffer 7 findet sich in dem schriftlichen Kaufvertrag ferner die folgende Bestimmung:

"Eine bestimmte Beschaffenheit im Sinne von § 434 Absatz 1 BGB ist nicht vereinbart. Die Haftung des Verkäufers wird beschränkt auf gesundheitliche Mängel, die geeignet sind, die Einsatzfähigkeit des Pferdes erheblich zu beeinträchtigen".

Unstreitig ist, dass sich der Kläger beim Ankauf des Pferdes als Reitanfänger bezeichnet hat und dass das Tier für seine Freizeitgestaltung gedacht war.

Da bei der von den Streithelfern durchgeführten Ankaufsuntersuchung das Pferd eine positive Beugeprobe vorne links zeigte, wurden Röntgenaufnahmen erstellt; die sich aus den Bildern ergebenden Verschattungen wurden von den Streithelfern in die Gruppe 1 nach dem "Leitfaden für die röntgenologische Beurteilung bei der Kaufuntersuchung des Pferdes (Röntgenleitfaden)" eingestuft.

Als der Kläger das Tier einige Monate später weiterverkaufen wollte, wurde bei einer erneuten tierärztlichen Untersuchung durch einen anderen Tierarzt das Ergebnis der erneut durchgeführten röntgenologischen Untersuchung in die Gruppe 3 nach dem genannten Leitfaden eingestuft, verbunden mit der Bemerkung, dass ein erhebliches Risiko beim Kauf des Pferdes bestehe.

Daraufhin erklärte der Kläger der Beklagten gegenüber mit Schreiben vom 12. August 2004 den Rücktritt vom Vertrag.

Er hat insbesondere geltend gemacht, dass die von den Streithelfern durchgeführte Ankaufuntersuchung fehlerhaft gewesen sei; es habe damals schon eine Einstufung in Gruppe 3 stattfinden müssen. Er hat weiterhin der Ansicht vertreten, aus dieser Einstufung folge, dass in dem fraglichen Gelenkbereich das Pferd Schmerzen empfinden müsse, es daher als Reitpferd nicht belastbar sei, weil es insbesondere nach mehrstündigem Reiten in jedem Fall lahm gehen werde.

Er hat schließlich gemeint, dass es sich bei der röntgenologischen Beurteilung und Einstufung in Gruppe 1 um eine zwischen den Parteien vereinbarte Beschaffenheit des Pferdes gehandelt habe.

Neben der Rückzahlung des Kaufpreises hat der Kläger eine Reihe weiterer Positionen geltend gemacht, wegen deren Einzelheiten auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen wird.

Die Beklagte ist dem Vorbringen des Klägers entgegengetreten. Sie hat mit Schriftsatz vom 21. November 2005 den Streithelfern den Streit verkündet, die dann auch auf ihrer Seite dem Rechtsstreit beigetreten sind.

Das Landgericht hat nach Vernehmung von Zeugen und der Einholung eines Sachverständigengutachtens der Klage überwiegend stattgegeben.

Zur Begründung hat es ausgeführt, dass zwar die im Zuge der Ankaufuntersuchung erstellten röntgenologischen Befunde keine vereinbarte Beschaffenheit des Pferdes darstellen, dass aber das Tier mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht als Reitpferd belastbar sei, sodass ein Sachmangel im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB vorliege.

Dies ergebe sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. C, welches darlege, dass angesichts der Befunde und der insoweit festgestellten Abweichungen von der Norm ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von klinischen Erscheinungen (Lahmheit) gegeben sei. Weiter hat das Landgericht ausgeführt, dass dann, wenn eine positive Beugeprobe und ein Röntgenbild der Gruppe 3 bedeute, dass das Pferd nach mehrstündigem Reiten in jedem Fall lahm gehen werde, ein Sachmangel vorliege.

Gegen dieses Urteil haben der Kläger, soweit das Landgericht der Höhe nach seinem Klageantrag nicht stattgegeben hat, und die Streithelfer der Beklagten form- und fristgerecht Berufung eingelegt.

Mit der ebenfalls form- und fristgerecht eingelegten Anschlussberufung wendet sich die Beklagte ebenfalls gegen das angefochtene Urteil.

Der Kläger, der im übrigen das erstinstanzliche Urteil verteidigt, beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils und unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Beklagten sowie unter Zurückweisung der Berufung der Streithelfer die Beklagte zu verurteilen, an ihn über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag hinaus weitere 3.175,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 9. September 2004 zu zahlen Zug um Zug gegen Herausgabe und Rückübereignung des Araberberbers A, geboren am ...2000, Schimmel aus der B und D, Equiden-Pass-Nr. ....

Die Streithelfer und die Beklagte beantragen,

unter Zurückweisung der Berufung des Klägers und in Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Sie wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Inhalt des angefochtenen Urteils verwiesen.

B.

Die von allen Beteiligten eingelegten Rechtsmittel sind zulässig. Die Berufung der Streithelfer sowie die Anschlussberufung der Beklagten sind begründet, die Berufung des Klägers war zurückzuweisen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts stehen nämlich dem Kläger keine Ansprüche 0gegenüber der Beklagten wegen einer Mangelhaftigkeit des Pferdes zu.

Zutreffend hat das Landgericht zunächst darauf hingewiesen, dass die bei dem Ankauf des Pferdes erhobenen röntgenologischen Befunde, die eine Einstufung in Gruppe 1 widerspiegeln, nicht eine vereinbarte Beschaffenheit des Tieres ausmachen. Das Oberlandesgericht Celle (OLGR Celle 1994, 65) hat für den Rechtszustand vor der Reform des Schuldrechts in Bezug auf Ankaufsuntersuchungen ausgeführt, dass diese im wesentlichen zur Sicherung des Käufers in Ansehung der eingeschränkten Haftung des Verkäufers für Tiermängel durchgeführt worden sind und insbesondere keine Gewährleistungshaftung des Verkäufers zu begründen geeignet sind. Dies ist vor allem für den Fall einer Ankaufsuntersuchung angenommen worden, die (auch) von dem Käufer bezahlt worden ist, bei der der Wille des Käufers zum Ausdruck kommt, sich vor dem Ankauf im Hinblick auf die - damals fehlende - Gewährleistung des Verkäufers in gewissem Umfang abzusichern. Auf diesem Hintergrund haben auch nach der Reform des Schuldrechts die Ergebnisse von Ankaufsuntersuchungen nicht die Funktion, eine bestimmte Beschaffenheit des untersuchten Tieres als vereinbart i.S.d. § 434 BGB zu begründen.

Diese Überlegungen haben auch in dem vorliegenden Fall zu gelten, denn nach dem ausdrücklich vereinbarten Inhalt des Vertrages haben die Parteien die Haftung des Verkäufers auf solche Mängel beschränkt, die die Einsatzfähigkeit des Pferdes erheblich zu beeinträchtigen geeignet sind. Allein aus der Tatsache, dass das anlässlich der Ankaufsuntersuchung von den Streithelfern gewonnene Ergebnis sich im Nachhinein als falsch herausgestellt hat, kann daher eine Haftung der Beklagten im Rahmen einer Gewährleistung nicht abgeleitet werden.

Der Senat folgt im weiteren allerdings nicht der Auffassung, dass trotzdem im vorliegenden Fall ein Mangel des streitgegenständlichen Pferdes zu bejahen ist.

Zu berücksichtigen ist insoweit zunächst, dass eine bestimmte Eigenschaft des Tieres im Sinne einer zu berücksichtigenden Beschaffenheit zwischen den Parteien nicht vereinbart worden ist. Nach den unstreitigen Angaben des Klägers wollte er ein Pferd "für die Freizeitgestaltung" kaufen, sodass weder auf besondere Fähigkeiten noch auf etwaige sonstige Leistungsmöglichkeiten des Tieres abzustellen ist.

In Übereinstimmung mit einer weiteren Entscheidung des OLG Celle (RdL 2006, 209) geht der Senat davon aus, dass der bloße röntgenologische Befund, wie er von dem in erster Instanz eingeschalteten Sachverständigen gewonnen worden ist, keinen Mangel darstellt. Dieser Befund, der teilweise eine Klassifizierung in Gruppe 1, teilweise in Gruppe 2 und teilweise in Gruppe 3 vornimmt, ist nach der zwischen den Parteien unstreitigen Beschreibung dieser Gruppen dahin zu interpretieren, dass zwar im Zeitpunkt der Untersuchung gewisse röntgenologische Veränderungen vorliegen, dass aber die weitergehende Frage, ob sich daraus tatsächlich ein Mangel im landläufigen Sinne ergeben wird, derzeit noch unsicher ist, als Ergebnis der röntgenologischen Befunde je nach Gruppe als unwahrscheinlich bis wahrscheinlich zu betrachten ist.

Auch wenn man allein die Auffälligkeiten betrachtet, die der Sachverständige in Gruppe 3 eingeordnet hat, ergibt sich daraus lediglich eine Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine als Mangel zu begreifende krankhafte Veränderung zu einem (ungewissen) zukünftigen Zeitpunkt eintreten wird; sicher ist - wie der Sachverständige in seinem Gutachten durchgehend betont hat - ein solcher Eintritt jedoch nicht.

Die bloße Disposition eines Tieres, eine bestimmte Krankheit zu bekommen, kann aber nur dann selbst schon als Mangel eingestuft werden, wenn das Auftreten einer darauf beruhenden Krankheit zwingend und lediglich der Zeitpunkt ungewiss ist. Dies ist aber im vorliegenden Fall nach wie vor zu verneinen, denn selbst die Einstufung einer Auffälligkeit in Gruppe 3 führt nicht dazu, dass eine - jetzt noch nicht vorliegende - krankhafte Veränderung als zwingende Folge unterstellt werden muss.

Soweit das Landgericht in diesem Zusammenhang meint, bereits einen Sachmangel deswegen annehmen zu müssen, weil die positive Beugeprobe und ein Röntgenbild mit einer Einstufung in Gruppe 3 bedeute, dass das Pferd nach mehrstündigem Reiten in jedem Fall lahm gehen werde, lässt sich eine hinreichende tatsächliche Grundlage für diese Schlussfolgerung den Akten und insbesondere dem vom Landgericht eingeholten Sachverständigengutachten nicht entnehmen.

Der Sachverständige hat zwar ausdrücklich eine Abweichung von der Norm festgestellt, die ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von klinischen Erscheinungen Lahmheit in sich bergen. Er hat aber weiter ausgeführt, dass es ungewiss bleibe, ob tatsächlich eine Lahmheit aufgrund der bei der Röntgenuntersuchung erhobenen Befunde entsteht. Davon, dass Lahmgehen nach mehrstündigem Reiten auftrete, ist an keiner Stelle im Rahmen der Beantwortung der Beweisfrage durch den Sachverständigen die Rede. Auch dem Vortrag des Klägers bzw. den Bekundungen der vom Landgericht vernommenen Zeugen kann nicht entnommen werden, dass es bereits tatsächlich zu einer akuten krankhaften Veränderung im Sinne eines Lahmgehens des Pferdes gekommen ist.

Die Annahme des Landgerichts erweist sich damit als Unterstellung, die keine sachliche Grundlage hat.

Nach alledem war unter Zurückweisung der Berufung des Klägers auf die Berufung der Streithelfer bzw. der Anschlussberufung der Beklagten das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 101 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder eine grundsätzliche Bedeutung hat noch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erforderlich ist.

Ende der Entscheidung

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