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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 15.02.2007
Aktenzeichen: 16 U 70/06
Rechtsgebiete: BGB, PflVG


Vorschriften:

BGB § 823
BGB § 843
BGB § 847
PflVG § 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin macht Schadensersatz und Schmerzensgeldansprüche sowie Schmerzensgeldrentenansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend.

Die zum Zeitpunkt des Unfalls 39jährige Klägerin befuhr am 30. September 1997 im Beisein ihrer damals 8-jährigen Tochter die K ... aus Richtung A kommend in Richtung B. In Höhe des Kilometers 1,8 überholte der Beklagte zu 1), der mit seinem Pkw X, haftpflichtversichert bei der Beklagten zu 2), entgegenkam, ein vor ihm fahrendes Fahrzeug, ohne die für ihn gut sichtbar entgegenkommende Klägerin wahrzunehmen, so dass es zu einer Frontalkollision beider Fahrzeuge kam.

Die Klägerin wurde aufgrund des Verkehrsunfalls schwer verletzt. Sie ist auf Dauer schwerbehindert (Pflegestufe II), zu 100 % arbeitsunfähig, des Geruchs- und Geschmackssinns verlustig sowie - bis auf die Unterscheidung hell-dunkel sowie der gelegentlichen schattenhaften Wahrnehmung größerer Gegenstände - blind.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten der Verletzungen der Klägerin, des Heilungsverlaufs, der verbliebenen Unfallfolgen und der heutigen Lebenssituation der Klägerin wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 1388 - 1398 d. A.) Bezug genommen sowie auf den Berichtigungsbeschluss des Landgerichts vom 4. Juli 2006 (Bl. 1609 ff. d.A.).

Durch Teilurteil und Teilanerkenntnisurteil des Landgerichts Wiesbaden vom 27. Januar 2006 sind die Beklagten verurteilt worden, als Gesamtschuldner an die Klägerin 613,20 € zu zahlen. Daneben sind die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt worden, an die Klägerin weitere 50.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 15. Dezember 2000 als Schmerzensgeld zu zahlen. Einen darüber hinausgehenden Antrag auf Schmerzensgeldkapital und Schmerzensgeldrente hat das Landgericht abgewiesen, ebenfalls einen Antrag auf monatliche Rente für eine Begleitperson.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass angesichts der schweren Verletzungen und Verletzungsfolgen ein über das bereits vorprozessual gezahlte Schmerzensgeld in Höhe von 400.000,00 DM hinausgehendes weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 50.000,00 € angemessen sei, dies jedoch unter Einbeziehung der von der Beklagten zu 2) bereits gezahlten monatlichen Schmerzensgeldrente von 153,38 € ausreichend sei. Hinsichtlich des zurückgewiesenen Begehrens auf Zahlung einer Geldrente für eine Begleitperson hat das Landgericht zur Begründung vorgetragen, es fehle an einer konkreten Darlegung der verletzungsbedingten Mehraufwendungen im Vergleich zu einem gesunden Menschen.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten der Begründung der landgerichtlichen Entscheidung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils (Bl. 1399 - 1406 d. A.) Bezug genommen.

Gegen das ihr am 10. März 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einer am 10. April 2006 bei Gericht eingegangenen Schrift Berufung eingelegt, die mit einer am 8. Mai 2006 bei Gericht eingegangenen Schrift begründet worden ist.

Die Beklagten ihrerseits haben gegen das ihnen am 6. März 2006 zugestellte Urteil mit einer am 6. April 2006 bei Gericht eingegangenen Schrift Berufung eingelegt, die - nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist - mit einer am 6. Juni 2006 bei Gericht eingegangenen Schrift begründet worden ist.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin eine Erhöhung des zugebilligten Schmerzensgeldanspruchs sowie die Zubilligung einer Schmerzensgeldrente und einer Rente für die Begleitperson. Die Beklagten begehren die Ermäßigung des zuerkannten Schmerzensgeldanspruchs.

Die Klägerin ist der Ansicht, angesichts der erheblichen Verletzungsfolgen, unter denen sie bis zu ihrem Lebensende leiden müsse, und angesichts des als rücksichtslos einzustufenden Fahrverhaltens des Beklagten zu 1) sei eine deutliche Anhebung des Schmerzensgeldanspruchs sowie die Zubilligung einer Schmerzensgeldrente gerechtfertigt. Da sie zeitlebens auf Begleitpersonen angewiesen sei, wenn sie das Haus verlassen wolle, sei auch die Zubilligung einer monatlichen Rente für eine Begleitperson angemessen.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein in das Ermessen des Gerichts zu stellendes Schmerzensgeld zu zahlen, abzüglich des bereits außergerichtlich anerkannten und gezahlten Schmerzensgeldes in Höhe von 204.516,75 € und abzüglich des in dem angefochtenen Urteil weiter zugesprochenen Schmerzensgeldes in Höhe von 50.000,00 € nebst 4 % Zinsen seit 17.09.1999 bis 31.12.2001 sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.01.2002;

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ab 01.11.2000 eine in das Ermessen des Gerichts gestellte lebenslängliche monatliche Schmerzensgeldrente zu zahlen, abzüglich der bereits anerkannten außergerichtlich bezahlten Schmerzensgeldrente in Höhe von monatlich 153,38 € nebst 4 % Zinsen aus dem jeweiligen monatlich ausgeurteilten Betrag seit 01.11.2000, 01.12.2000, 01.01.2001, 01.02.2001, 01.03.2001, 01.04.2001, 01.05.2001, 01.06.2001, 01.07.2001, 01.08.2001, 01.09.2001,01.10.2001, 01.11.2001, 10.12.2001 sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem jeweiligen monatlich auszuurteilenden Betrag seit 01.01.2002, 01.02.2002, 01.03.2002, 01.04.2002, 01.05.2002, 01.06.2002, 01.07.2002, 01.08.2002, 01.09.2002, 01.10.2002, 01.11.2002, 01.12.2002, 01.01.2003, 01.02.2003, 01.03.2003, 01.04.2003, 01.05.2003, 01.06.2003, 01.07.2003, 01.08.2003, 01.09.2003, 01.10.2003, 01.11.2003, 01.12.2003, 01.01.2004, 01.02.2004, 01.03.2004, 01.04.2004, 01.05.2004, 01.06.2004, 01.07.2004, 01.08.2004, 01.09.2004, 01.10.2004, 01.11.2004, 01.12.2004, 01.01.2005, 01.02.2005, 01.03.2005, 01.04.2005, 01.05.2005, 01.06.2005, 01.07.2005, 01.08.2005, 01.09.2005, 01.10.2005, 01.11.2005, 01.12.2005, 01.01.2006, 01.02.2006, 01.03.2006, 01.04.2006;

3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie jeweils im voraus zum 1. eines Monats ab dem 01.11.2000 fortlaufend eine monatliche Rente für die Begleitperson zu zahlen in Höhe von 1.500,00 DM = 766,94 € nebst Zinsen in Höhe von 4 % aus jeweils 766,94 € seit 01.11.2000, 01.12.2000, 01.01.2001, 01.02.2001, 01.03.2001, 01.04.2001, 01.05.2001, 01.06.2001, 01.07.2001, 01.08.2001, 01.09.2001,01.10.2001, 01.11.2001, 10.12.2001 sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins aus jeweils 766,94 € ab 01.01.2002, 01.02.2002, 01.03.2002, 01.04.2002, 01.05.2002, 01.06.2002, 01.07.2002, 01.08.2002, 01.09.2002, 01.10.2002, 01.11.2002, 01.12.2002, 01.01.2003, 01.02.2003, 01.03.2003, 01.04.2003, 01.05.2003, 01.06.2003, 01.07.2003, 01.08.2003, 01.09.2003, 01.10.2003, 01.11.2003, 01.12.2003, 01.01.2004, 01.02.2004, 01.03.2004, 01.04.2004, 01.05.2004, 01.06.2004, 01.07.2004, 01.08.2004, 01.09.2004, 01.10.2004, 01.11.2004, 01.12.2004, 01.01.2005, 01.02.2005, 01.03.2005, 01.04.2005, 01.05.2005, 01.06.2005, 01.07.2005, 01.08.2005, 01.09.2005, 01.10.2005, 01.11.2005, 01.12.2005, 01.01.2006, 01.02.2006, 01.03.2006, 01.04.2006.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten sind der Auffassung, dass die von ihnen vorprozessual gezahlten 400.000,00 DM vor dem Hintergrund der von der Rechtsprechung zugebilligten Schmerzensgeldbeträge bei noch gravierenderen Verletzungsfolgen angemessen und ausreichend seien, so dass auch die vom Landgericht zugebilligten weiteren 50.000,00 € unverhältnismäßig seien.

Bezüglich ihrer Berufung beantragen die Beklagten,

das Teil- und Teilanerkenntnisurteil des Landgerichts Wiesbaden vom 27. Januar 2006 teilweise abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt worden sind, an die Klägerin weitere 50.000,00 € Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.12.2000 zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II. Auf die zulässige Berufung der Klägerin war das Teilurteil und Teilanerkenntnisurteil des Landgerichts Wiesbaden vom 27. Januar 2006 teilweise abzuändern; die zulässige Berufung der Beklagten war zurückzuweisen.

Nach Auffassung des Senats stehen der Klägerin gemäß §§ 823 Abs. 1, 843, 847 BGB, 3 PflVG sowohl ein Schmerzensgeldkapital als auch eine Schmerzensgeldrente zu. Unter Berücksichtigung der bereits vorprozessual gezahlten 204.516,75 € (= 400.000,00 DM) und der ab 01.10.1997 gezahlten Schmerzensgeldrente von 153,38 € (= 300,00 DM) hält es der Senat für angemessen und ausreichend, es bei dem vom Landgericht zugebilligten weiteren Schmerzensgeldkapital von 50.000,00 € zu belassen, jedoch die Schmerzensgeldrente auf 200,00 € zu erhöhen.

Eine Ermäßigung des vom Landgericht zugebilligten Schmerzensgeldkapitals kommt nach Auffassung des Senats in Anbetracht der Verletzungsfolgen und der der Klägerin bis zum Lebensende verbleibenden lebensbeeinträchtigenden Schäden nicht in Betracht. Hier kann auf die zutreffenden Ausführungen in der landgerichtlichen Entscheidung verwiesen werden.

Die Zubilligung eines höheren Schmerzensgeldkapitals hält der Senat indes für nicht angezeigt.

Zu Unrecht begründet die Klägerin ein höheres Schmerzensgeldbegehren mit der unzureichenden Regulierungspraxis der Beklagten zu 2). Die Beklagte zu 2) hat bereits vor Erhebung der Klage 400.000,00 DM gezahlt und sich damit im Vergleich zu der Regulierungspraxis anderer Versicherungen als entgegenkommend erwiesen. Bereits in der Klageschrift weist die Klägerin auf die erfolgten Zahlungen hin und berücksichtigt diese in ihrem Antrag. Der Streit zwischen den Parteien geht daher nicht um die Frage, ob überhaupt ein Schmerzensgeldbetrag zu zahlen ist, sondern nur um die Frage einer angemessenen Anhebung dieses Sockelbetrages, wobei die Beklagte zu 2) zusätzlich Rente zahlt und deshalb ihre Rechtsverteidigung, der Schmerzensgeldanspruch der Klägerin sei angemessen erfüllt, auch nicht als besonders entwürdigend oder beschämend eingestuft werden kann.

Überdies argumentiert die Klägerin ohne Erfolg mit der fortschreitenden Geldentwertung und der Tatsache, dass auch die höchstrichterliche Rechtsprechung zunehmend höhere Schmerzensgeldansprüche zubilligt.

Aufgrund des Gesamtgefüges der Schmerzensgeldrechtsprechung hält es der Senat für angemessen, den vorprozessual gezahlten Sockelbetrag von 204.516,00 € um die vom Landgericht zugebilligten 50.000,00 € anzuheben und andererseits die Schmerzensgeldrente auf 200,00 € zu erhöhen.

Darüber hinausgehende Ansprüche sind nicht gerechtfertigt.

Vergleichbar mit den Verletzungsfolgen der Klägerin ist beispielsweise nicht die von der Klägerin zitierte Entscheidung des Landgerichts Kiel vom 11. Juli 2003 (DAR 2006, 396 ff), wo einem bei einem Unfall 3 1/2jährigen Kind 500.000,00 € Schmerzensgeldkapital und 500,00 € Rente zugebilligt worden sind, da das Kind unterhalb einer Linie Ohr-Mund vollständig gelähmt ist und nur mit den Augen und ansatzweise durch Lautäußerungen mit der überschüssigen Atemluft kommunizieren kann.

Dessen Dauerschädigung ist sicher deutlich gravierender als die der Klägerin. Diese ist zwar fast vollständig erblindet und hat ihren Geruchs- und Geschmackssinn eingebüßt; auch kann sie nur kurze Strecken auf Krücken gehen und ist im übrigen auf einen Rollstuhl angewiesen. Sie kann jedoch im Gegensatz zu diesem Kind, dessen Leben kaum angefangen hatte und fast vollständig zerstört wurde, an ihr vor dem Unfall geführtes Leben wenigstens zum Teil wieder anknüpfen und in ihrem sozialen Gefüge leben und kommunizieren.

Auch der Fall, den das Landgericht München (NJW 2001, 263 ff) zu entscheiden hatte, ist mit dem vorliegenden nicht vergleichbar, da der dortige Kläger, dem 750.000,00 DM Schmerzensgeldkapital und 1.500,00 DM monatliche Schmerzensgeldrente zugesprochen worden waren, ein Schädelhirntrauma dritten Grades mit einem Funktionsausfall der Großhirnrinde, einer zentralen Sprachstörung, einer nahezu kompletten Lähmung aller vier Gliedmaßen, der Erblindung des linken Auges und einem völlig unzureichenden physischen und psychischen Leistungsvermögen erlitten hat, das ihm nur noch mit seiner Ehefrau zu kommunizieren ermöglichte.

Eher vergleichbar erscheint ein vom Oberlandesgericht Köln (zfs 1998, 328 ff) entschiedener Fall einer 23jährigen, durch Huftritt verletzten und vollständig erblindeten Frau, der unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens ? von 587.000,00 DM zugesprochen worden; bei diesem Fall war allerdings zu berücksichtigen, dass die Haftpflichtversicherung sehr schleppend reguliert hatte. 500.000,00 DM wurden auch bei Erblindung durch eine Limonadenflaschenexplosion durch das Oberlandesgericht Frankfurt (vgl. VersR 1996, 1509) zugesprochen. Demgegenüber ist der vom OLG Hamm (NJW-RR 2002, 1604) entschiedene Fall, wo bei einer Schwerstbehinderung mit fast vollständiger Erblindung und Bewegungsbehinderungen 500.000,00 € Schmerzensgeld zugebilligt worden sind, auch mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, da bei dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall schwerwiegendere Bewegungsbehinderungen zurückgeblieben sind. Zu berücksichtigen ist, dass die Klägerin immerhin in der Lage ist, sich innerhalb ihres Hauses auch ohne Rollstuhl zu bewegen und nur für Gänge außerhalb des Hauses auf den Rollstuhl angewiesen ist.

Insgesamt - nach Abwägung aller vergleichbaren und nicht vergleichbaren Gesichtspunkte - erscheint ein Schmerzensgeldkapital von insgesamt 254.000,00 € nicht unangemessen.

Das Landgericht hat sich mit allen Gesichtspunkten, die für die Schmerzensgeldberechnung von Bedeutung sind, auseinandergesetzt. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass das Landgericht entscheidungserhebliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen habe. Die erforderlichen Schätzungsgrundlagen wurden gesehen, so dass für eine Abweichung auch keine Veranlassung besteht.

Ohne Erfolg greift die Klägerin auch an, dass das Landgericht die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes vernachlässigt habe. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht der Genugtuungsfunktion nur eine eingeschränkte Bedeutung zugemessen hat, da es sich um keine Vorsatztat handelte; dass die Genugtuungsfunktion gar keine Rolle spielte, hat das Landgericht nicht ausgeführt. Bei der Beurteilung der Tat des Beklagten zu 1) hat sich das Landgericht am Strafurteil orientiert, welches das Verhalten als grobfahrlässig, nicht aber als rücksichtslos eingestuft hat.

Dieser Entscheidung schließt sich der Senat an. Das Verhalten des Beklagten zu 1) war nicht rücksichtlos, weil er freie Sicht auf die Gegenfahrbahn hatte, aber gleichwohl das Fahrzeug der Klägerin übersah. Er hat eben nicht gedacht, es wird schon keiner kommen, und deshalb an einer unübersichtlichen Stelle ein gewagtes Überholmanöver angestrengt, sondern an einer im Gegenteil übersichtlichen Stelle einfach die Klägerin übersehen. Deshalb lässt sich auch nicht von einem leichtfertigen Verhalten des Beklagten zu 1) sprechen; das ließe sich nur sagen, wenn der Beklagte zu 1) die Klägerin gesehen hätte, aber zum Beispiel gedacht hätte, er werde noch rechtzeitig den Überholvorgang abschließen können.

Wie bereits ausgeführt, hält es jedoch der Senat für angemessen, der Klägerin neben dem Schmerzensgeldkapital eine Schmerzensgeldrente zuzubilligen, die von den bereits gezahlten 153,38 € auf monatlich 200,00 € zu erhöhen ist.

Neben einer Schmerzensgeldabfindung kann aufgrund der Umstände des Einzelfalles die Festsetzung einer Schmerzensgeldrente gerechtfertigt sein. Dies ist bei Dauerschäden der Fall, bei denen die lebenslange Beeinträchtigung immer wieder neu und immer wieder schmerzlich empfunden wird; die Rente gibt dem Geschädigten die Möglichkeit, sein beeinträchtigtes Lebensgefühl stets von Neuem durch zusätzliche Erleichterungen und Annehmlichkeiten zu heben (vgl. OLG Frankfurt VersR 1992, 329 m.w.N.). Allerdings müssen Kapital und Rente in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen und insgesamt im Rahmen der üblicherweise von den Gerichten zugebilligten Beträge liegen (vgl. BGH VersR 1976, 967 f). Das ist im vorliegenden Fall bei einer Anhebung der Rente auf 200,00 € gegeben.

Ausgehend von einem Kapitalisierungsfaktor von 24,20 %, einer restlichen Lebenserwartung der Klägerin von etwa 43 Jahren und einer durchschnittlichen Verzinsung von 3 % p.a. errechnet sich der Kapitalwert einer Rente von 200,00 € auf etwa 58.000,00 €.

Zusammen mit dem Schmerzensgeldkapital von 254.516,00 € ergibt dies einen Gesamtschmerzensgeldbetrag von fast 313.000,00 €, der angesichts der auf Dauer verbleibenden schwerwiegenden Beeinträchtigungen der Klägerin als angemessen anzusehen ist.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht der Klägerin auch ein Geldrentenanspruch in Folge vermehrter Bedürfnisse nach § 843 Abs. 1, 2. Alternative BGB in Form der Rente für eine Begleitperson zu.

Das Landgericht hat die Zubilligung einer solchen Rente an der konkreten Darlegung der verletzungsbedingten Mehraufwendungen scheitern lassen und eine pauschale Schätzung für nicht gerechtfertigt gehalten.

Nach Auffassung des Senats lässt sich der erforderliche Aufwand für eine Begleitperson allerdings gemäß § 287 ZPO schätzen.

Die Notwendigkeit einer Begleitperson hat die Klägerin durch konkrete Tatsachen untermauert. So hat sie dargelegt, dass sie täglich zu Spaziergängen, Einkäufen oder Ähnlichem ausgeführt werde und gelegentlich zum Essen, zu kulturellen Veranstaltungen, Elternabenden und Ähnlichem begleitet werden müsse; insbesondere bedarf sie aufgrund ihrer unfallbedingten Beeinträchtigungen naturgemäß fast täglich einer Begleitung, um Arztbesuche, Therapien, krankengymnastische Anwendungen oder Ähnliches wahrzunehmen.

Allerdings teilt der Senat nicht die Auffassung der Klägerin, dass eine pauschale Festsetzung von täglich 50,00 DM für 2 1/2 Stunden á 20,00 DM gerechtfertigt sei. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Klägerin selbst darlegt, dass sie im Regelfall durch ihren Lebenspartner, den Zeugen Z1, begleitet werde und nur bei dessen Arbeitszeiten durch Dritte. Problematisch ist, dass der Zeuge Z1 den Spaziergang, den Theaterbesuch, das gemeinsame Essen nicht nur zur Begleitung einer Behinderten unternimmt, sondern zwecks Begleitung seiner Lebenspartnerin.

Es müssen daher die Grenzen zwischen der personenbezogenen Fürsorge und der Wahrnehmung eigener Lebensinteressen gezogen werden. Andererseits ist angesichts der detaillierten Darlegung der Klägerin auch klar, dass regelmäßig Stunden zu ihrer Begleitung anfallen, die ausschließlich durch den Unfall bedingt sind und durch den Zeugen und durch Dritte geleistet werden müssen. Unter Berücksichtigung dieser Gesamtumstände hält es der Senat für angemessen, der Klägerin für eine Begleitperson eine monatliche Rente in Höhe von 600,00 € zuzubilligen, was einem Tagessatz von 20,00 € entspricht.

Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 286, 288 BGB gerechtfertigt. Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist der Schmerzensgeldanspruch nicht erst ab Rechtshängigkeit (15. Dezember 2000) gerechtfertigt. Vielmehr liegt bereits im Schreiben der Klägerin vom 30. März 1998 (Bl. 1669 ff. d. A.) die verzugsbegründende Mahnung. Auf Seite 4 dieses Schreibens wird ein Schmerzensgeld in Höhe von 500.000,00 DM und eine monatliche Rente von 500,00 DM reklamiert.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 709 ZPO.

Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert.

Ende der Entscheidung

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