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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 21.12.2000
Aktenzeichen: 16 U 9/00
Rechtsgebiete: BNotO, BeurkG, ZPO


Vorschriften:

BNotO § 19 Abs. 1 Satz 1
BeurkG § 17 Abs. 1
ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 2 Satz 1
Kein Amtshaftungsanspruch des übergangenen Vorkaufsberechtigten bei unterbliebenem Hinweis des Notars auf das Vorkaufsrecht. Keine Abtretung eines Freistellungsanspruchs an einen Insolvenzgläubiger.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

16 U 9/00

10 O 424/97 LG Frankfurt am Main

Verkündet am 21.12.2000

In dem Rechtsstreit ...

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. Oktober 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 15. September 1999 ­ 10 O 424/97 ­ wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschwer: DM 45.947,­. Entscheidungsgründe

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

I. Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil hält einer Überprüfung stand. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

1. Aus eigenem Recht steht der Klägerin schon deshalb kein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu, weil dieser sich keiner Amtspflichtverletzung gegenüber der Klägerin schuldig gemacht hat.

Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO hat ein Notar nur dann Schadensersatz zu leisten, wenn er eine ihm einem anderen gegenüber" obliegende Amtspflicht verletzt hat. Dabei ist anderer" nicht jeder, dessen Belange durch die Amtshandlung beeinträchtigt werden, sondern nur derjenige, dessen persönliche oder sachlichen Interessen nach der besonderen Natur des Amtsgeschäfts gerade durch die statuierte Amtspflicht gegen Beeinträchtigungen geschützt werden sollen (BGH ­ 28.9.1959 ­ DNotZ 1960, 157; Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO § 19 RN 89).

Soweit der Beklagte nach § 17 Abs. 1 BeurkG verpflichtet war, die Beteiligten" über die rechtliche Tragweite des beurkundeten Geschäfts zu belehren, bestand diese Belehrungspflicht nicht gegenüber der Klägerin. Dieser war weder unmittelbar noch mittelbar an dem beurkundeten Grundstückskaufvertrag beteiligt. Rein tatsächliche, wirtschaftliche Beziehungen, insbesondere schuldrechtliche Beziehungen zu einem Beteiligten", reichen dafür nicht aus (Arndt/Lerch/Sandkühler a.a.O.).

Es besteht hier auch kein Bedürfnis, eine Belehrungspflicht gerade auch zugunsten der Klägerin zu bejahen. Denn durch den beurkundeten Kaufvertrag wurde nicht in ihre Belange eingegriffen; vielmehr war ein wirksam zustande gekommene Kaufvertrag erst Voraussetzung für die Möglichkeit der Klägerin, ihr Vorkaufsrecht auszuüben.

Auf die Verjährungsfrage kommt es unter diesen Umständen nicht an. 2. Aber auch aus abgetretenem Recht steht der Klägerin gegen den Beklagten kein Schadensersatzanspruch zu; denn die zugrunde liegende Abtretung vom 29. April 1996 durch den Konkursverwalter über das Vermögen der früheren Wohnungseigentümerin, der Firma Sch. GmbH, ist nichtig.

Ein Konkursverwalter ist nicht berechtigt, einem der Konkursgläubiger durch Abtretung einer Forderung des Gemeinschuldners zum Nachteil der Gemeinschaft aller Konkursgläubiger eine bevorzugte Befriedigungsmöglichkeit zu verschaffen. Eine gleichwohl vorgenommene Abtretung ist nichtig. Das gilt auch dann, wenn es sich bei der abgetretenem Forderung um einen Anspruch auf Befreiung von der Verbindlichkeit des Gemeinschuldners gegenüber dem Zessionar handelt (BGH ­ 8.12.1954 ­ LM zu KO § 6 Nr. 3).

Wegen ihres nicht berücksichtigten Vorkaufsrechts hatte die Klägerin womöglich einen Schadensersatzanspruch gegen die Verkäuferin, die Firma Sch. GmbH. Diese hatte ihrerseits aufgrund der unterstellt ihr gegenüber begangenen Amtspflichtverletzung des Beklagten gegen diesen einen Anspruch auf Befreiung von ihrer Verbindlichkeit gegenüber der Klägerin. Dieser Schuldbefreiungsanspruch fiel mit der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Firma Sch. GmbH in die Konkursmasse und wandelte sich dabei in einen Anspruch auf Zahlung des der Klägerin geschuldeten Betrages um (BGH ­ 16.9.1993 ­ NJW 1994, 49 [50]). Wäre konkursgerecht verfahren worden, so hätte der Anspruch der Gemeinschuldnerin gegen den Beklagten mit in die Verwertung der Masse zur anteilmäßigen Befriedigung der Gläubiger gemäß ihrem konkursrechtlichen Rang einbezogen werden müssen. Hiergegen hat der Konkursverwalter verstoßen.

Die Klägerin war nicht berechtigt, die Abtretung dieses Anspruchs zu fordern. Ihr stand auch kein Recht zu, aus dem Anspruch abgesondert befriedigt zu werden. Sie hätte sich vielmehr mit ihrer Schadensersatzforderung in den Kreis der nicht bevorrechtigten Konkursgläubiger einreihen müssen (vgl. BGH ­ 16.9.1993 ­ a.a.O. [51]). Angesichts der Unzulänglichkeit der Konkursmasse wäre sie mit ihrer Forderung allerdings ausgefallen. Insoweit ist es nicht gerechtfertigt, ihr demgegenüber einen unberechtigten Vorteil zu verschaffen. Dem steht auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13. Januar 1983 ­ NJW 1983, 2018 ­ nicht entgegen. Soweit danach die Abtretung einer zur Konkursmasse gehörenden Forderung durch den Konkursverwalter nur dann wegen eines darin liegenden offenbaren Verstoßes gegen den Konkurszweck unwirksam sein soll, wenn dies unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten für einen verständigen Menschen offensichtlich ist (BGH a.a.O. [2019]), liegen diese Voraussetzungen hier vor. Es ist offenkundig, dass die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen den Beklagten allein der Konkursmasse zugute gekommen wäre. Ein bestehendes Kostenrisiko ändert daran nichts. Es gab und gibt keinen Grund, die Klägerin gegenüber anderen Konkursgläubigern zu bevorteilen; sie ist in derselben Situation wie alle anderen Konkursgläubiger auch.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Vollstreckungsschutz ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Beschwer war nach § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO festzusetzen.

Für eine Zulassung der Revision (vgl. § 546 Abs. 1 Satz 2 ZPO) bestand kein Anlass.



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