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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 11.12.2001
Aktenzeichen: 17 U 128/00
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 295 Abs. 1 | |
ZPO § 531 |
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am 11.12.2001
In dem Rechtsstreit ...
hat der 17. Zivilsenat des Oberlandsgerichts Frankfurt am Main durch Richter am Oberlandesgericht ...als Einzelrichter auf die mündliche Verhandlung vom 11.12.2001 für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Limburg vom 04.07.2000 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Wert der Beschwer: DM 17.500,00
Entscheidungsgründe:
(abgekürzt gemäß § 543 ZPO)
Der Kläger nimmt die Beklagten aus dem Verkehrsunfall vom 15.10.1996 auf weiteres Schmerzensgeld über die außergerichtlich bereits gezahlten 6.000,00 DM hinaus in Anspruch. Die volle Einstandspflicht der Beklagten dem Grunde nach steht außer Streit. Das Landgericht Limburg hat die Klage mit Urteil vom 4.7.2000 abgewiesen. Der Kläger verfolgt mit seiner zulässigen Berufung sein erstinstanzliches Begehren auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes weiter.
Der Kläger ist der Auffassung, dass sich das ihm zustehende Schmerzensgeld wegen zögerlicher Regulierung seiner Ansprüche erhöhen müsse. Daneben greift er das erstinstanzlich eingeholte Sachverständigengutachten an. Er bemängelt, dass der vom Gericht bestellte Gutachter den Kläger nicht selbst begutachtet habe, dass der tatsächlich begutachtende Oberarzt Dr. H. ihm gegenüber voreingenommen gewesen sei und dass das Gutachten auch an einer Vielzahl von inhaltlichen Mängeln leide.
Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil.
Die Berufung ist nicht begründet. Der Kläger kann von den Beklagten aus den zwar knappen, aber insoweit zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils, auf die der Senat Bezug nimmt und die er sich zu eigen macht, kein höheres Schmerzensgeld als insgesamt 6.000,00 DM verlangen.
Die Beklagten haben die Schmerzensgeldansprüche des Klägers nicht unangemessen zögerlich reguliert. Denn wie sich aus den beigezogenen Akten des Amtsgerichts Hadamar (3 C 4/97) und der Staatsanwaltschaft Limburg (6 Js 12664.6/96) ergibt, war der Hergang des Unfalls und damit auch die Haftungsquote zwischen den Parteien zunächst streitig. Erst mit Erlass des Strafurteils am 27.8.1997 gegen den Beklagten zu 1) und mit Verkündung des erstinstanzlichen Urteils des Amtsgerichts Hadamar vom 23.12.1997 im Zivilrechtsstreit entstand für die Beklagten Klarheit über die Haftungsquote, also über ihre volle Einstandsverpflichtung. Weil sie diese vorgreiflichen Entscheidungen zum Haftungsgrund abwarten durften, gereicht es ihnen nicht zum Nachteil, dass sie auf die Schmerzensgeldansprüche des Klägers zunächst einen Abschlag in Höhe von 2.000,00 DM und später, nicht all zu lange nach Erlass des Strafurteils und sogar noch vor Erlass des erstinstanzlichen Zivilurteils, den aus ihrer Sicht angemessenen Schlussbetrag von weiteren 4.000,00 DM gezahlt haben.
Die Angriffe des Klägers gegen das erstinstanzlich eingeholte Sachverständigengutachten gehen ebenfalls fehl.
Dem Kläger ist zwar zuzugeben, dass der vom Landgericht bestellte Sachverständige Prof. Dr. Sch. das Gutachten nicht selbst erstellt hat. Allerdings war ihm mit Beschluss des Landgerichts Limburg vom 16.11.1998 gestattet worden, das Gutachten durch den Oberarzt Dr. H. oder durch den Oberarzt Dr. S. erstellen zu lassen. Dieser Beschluss kann dahin ausgelegt werden, dass Prof. Dr. Sch. damit von seiner persönlichen Begutachtungspflicht entbunden werden sollte. Allerdings leidet der Beschluss des Landgerichts dann immer noch an einer ungenügenden Bestimmung des Gutachters, weil eine Alternativauswahl grundsätzlich nicht zulässig ist. Dieser Verstoß gegen § 404 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann grundsätzlich eine Wiederholung der Begutachtung erfordern. Jedoch ist das hier ausnahmsweise nicht der Fall. Denn der Kläger hat diesen Verfahrensverstoß des Landgerichts in erster Instanz nicht gerügt, weshalb er sich darauf jetzt nicht mehr berufen kann, § 295 Abs. 1 ZPO, was gemäß § 531 ZPO auch für die Berufungsinstanz fortwirkt. Denn bei der Rüge dieses Verfahrensverstoßes handelt es sich um eine sogenannte verzichtbare Rüge im Sinne des § 295 ZPO (OLG Zweibrücken OLGR 1999, 374, 375; Zöller-Greger, ZPO. 22. Aufl. 2001, § 402 Rdn. 6 am Ende; Baumbach/Lauterbach, ZPO, 59. Aufl., 2001, § 407 a Rdn. 7, § 295 Rdn. 49 Sachverständiger"), auf die für den Fall ihrer Nichterhebung als verzichtet gilt.
Entsprechendes gilt für die Rüge des Klägers, dass der Gutachter Dr. H. ihm gegenüber voreingenommen gewesen sei. Die Voreingenommenheit des Sachverständigen kann durch Ablehnung gerügt werden. Die Ablehnung des Sachverständigen muss gemäß § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO unverzüglich erfolgen. Das hat der Kläger jedoch unterlassen, weshalb er mit dieser Rüge jetzt nicht mehr gehört werden kann.
Schließlich dringen auch die inhaltlichen Angriffe des Klägers gegen das Sachverständigengutachten in der zweiten Instanz nicht mehr durch. Denn gemäß § 411 Abs. 4 Satz 1 ZPO haben die Parteien dem Gericht innerhalb eines angemessenen Zeitraumes ihre Einwendungen gegen das Gutachten, die Begutachtung betreffende Anträge und Ergänzungsfragen zu dem schriftlichen Gutachten mitzuteilen. Nach dieser Vorschrift hätte der Kläger noch in der ersten Instanz und spätestens innerhalb der Schriftsatzfrist in dem dort angeordneten schriftlichen Verfahren sämtliche Einwendungen vorbringen können und müssen, die er erst jetzt in zweiter Instanz mit seiner Berufungsbegründung erhoben hat. Das hätte nach der erstinstanzlichen Prozesslage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entsprochen, § 282 Abs. 1 ZPO. Die erst in der Berufungsinstanz geführten inhaltlichen Angriffe gegen das erstinstanzlich eingeholte Sachverständigengutachten sind infolgedessen gemäß § 528 Abs. 2 ZPO in der Berufungsinstanz nicht mehr zuzulassen. Denn ihre Zulassung würde nach der freien, aber pflichtgemäßen Überzeugung des Senats die Erledigung des Rechtsstreits verzögern, wenn eine ergänzende oder neue Begutachtung oder eine Anhörung des Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens erforderlich würde. Und es sind auch keine Tatsachen vorgetragen oder sonst ersichtlich, welche die Verspätung der gegen das erstinstanzliche Gutachten geführten Angriffe entschuldigen könnten.
Letztlich kann die Verspätungsfrage aber dahinstehen. Denn die inhaltlichen Angriffe gegen das Sachverständigengutachten greifen schon in der Sache selbst nicht durch. Denn in Übereinstimmung mit der Auffassung des Landgerichts überzeugt das von ihm eingeholte Sachverständigengutachten. Der Sachverständige hat alle erforderlichen Befundtatsachen erhoben und Anknüpfungstatsachen berücksichtigt. Aus ihnen schließt er nachvollziehbar ohne Lücken und ohne innere Widersprüche auf das von ihm gefundene Ergebnis. Danach hat der Kläger bei dem Verkehrsunfall am 15.10.1996 eine unverschobene Brustbeinfraktur erlitten, welche nach längstens vier Wochen, also Mitte November 1996, ausgeheilt war. Den zweiten Brustbeinbruch vom 26.11.1996 bewertet der Sachverständige als ein neuerliches Ereignis, das nach Wertung des Senats haftungsrechtlich nicht mehr adäquat kausal auf das Unfallereignis vom 15.10.1996 zurückgeführt werden kann. Selbst wenn man hier anderer Auffassung sein sollte, würde dies im Ergebnis ein 6.000,00 DM übersteigendes Schmerzensgeld ebenfalls nicht rechtfertigen. Weiter wäre für diesen Fall zu berücksichtigen, dass der erneute Brustbeinbruch wiederum nach längstens vier Wochen ausgeheilt gewesen wäre, so dass der Senat in Übereinstimmung mit den weiteren Ausführungen des Sachverständigen jedenfalls den Schluss zieht, dass eine dritte, wie auch immer geartete, Schädigung des Brustbeins durch das Hantieren des Klägers mit dem Schachtring aus haftungsrechtlicher Sicht nicht mehr adäquat kausal dem Verkehrsunfallereignis vom 15.10.1996 zugeordnet werden kann.
Der Senat folgt auch der Bewertung des Sachverständigen zu der folgenlosen Ausheilung der HWS-Distorsion nach längstens zwei Wochen.
Damit gelangt der Senat zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass die körperlichen Folgen des Verkehrsunfalls vom 15.10.1996 für den Kläger mit Ausnahme der Fraktur des Brustbeins in Anbetracht der Gesamtumstände jedenfalls nicht all zu gravierend waren. Sie würden für sich allein betrachtet ein Schmerzensgeld allenfalls im unteren vierstelligen Bereich rechtfertigen. Das Hinzutreten der Brustbeinfraktur wirkt sich jedoch deutlich schmerzensgelderhöhend aus, rechtfertigt entgegen der Auffassung des Klägers aber kaum ein 6.000,00 DM übersteigendes Schmerzensgeld selbst unter Berücksichtigung der Dauer seiner Arbeitsunfähigkeit. Die von den Beklagten gezahlten 6.000,00 DM sind in der Gesamtschau aller Umstände dieses Falles bereits im oberen Bereich des Angemessenen angesiedelt. Deshalb würde der Senat selbst dann nicht ein über 6.000,00 DM hinausgehendes Schmerzensgeld zusprechen, wenn auch der zweite Brustbeinbruch am 26.11.1996 haftungsrechtlich noch dem Verkehrsunfallereignis vom 15.10.1996 zugeordnet werden könnte, zumal sich der Kläger insoweit ein nicht unerhebliches Mitverschulden zurechnen lassen müsste. Denn obwohl er nach eigenem Vortrag subjektiv noch nicht beschwerdefrei war, hat er die Arbeit wieder aufgenommen und sich ausweislich des Sachverständigengutachtens mit dem Anheben des Zementsackes für ihn vorhersehbar übernommen.
Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Der gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzende Wert der Beschwer beträgt 17.500,00 DM. Er bemisst sich gemäß den §§ 2, 3, 4 ZPO auf das wirtschaftliche Interesse des Klägers am Erfolg seines Rechtsmittels. Dieses beläuft sich nach seinem schriftlichen Vorbringen und seinem mündlichen Vorbringen zu Beginn der Berufungsverhandlung auf die 17.500,00 DM, die er über die außergerichtlich bereits gezahlten 6.000,00 DM hinaus verlangt hat. Das in derselben Berufungsverhandlung nachfolgende Abrücken des Klägers von diesem Betrag, wonach er jetzt nur noch weitere 10.000,00 DM als angemessenes Schmerzensgeld erachte, ist schon deshalb unbeachtlich, weil die Beklagten dem nicht zugestimmt haben. Die Reduzierung des als angemessen begehrten Schmerzensgeldes ist prozessual als teilweise Klagerücknahme zu behandeln, die zu ihrer Wirksamkeit einer hier nicht erteilten Einwilligung der Beklagten bedurft hätte, § 269 Abs. 1 ZPO.
Die Zulassung der Revision ist entgegen der Anregung des Klägers nicht veranlasst. Die Voraussetzungen des § 546 Abs. 1 Satz 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil ihre Entscheidung allein auf tatrichterlicher Würdigung des Sachverhaltes beruht, und die Entscheidung weicht in den Rechtsfragen auch nicht von höchstrichterlichen Entscheidungen ab.
Ende der Entscheidung
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