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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 21.02.2007
Aktenzeichen: 17 U 180/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 278
BGB § 280
Zum Umfang der Aufklärungspflichten einer Bank bei dem Vertrieb von Anteilen eines geschlossenen Immobilienfonds.
Gründe:

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Kauf von Anteilen an einem geschlossenen Immobilienfonds in der ...straße in O3 im Jahr 1993 in Anspruch. Der Kläger ist Rechtsanwalt und Notar und Dozent für Bankrecht sowie Mitglied im Aufsichtsrat einer ...bank und eines Prüfungsausschusses der IHK O1 mit dem Tätigkeitsschwerpunkt des Bank-Finanzierungs- und Immobilienrechtes. Die Beklagte ist Mitherausgeberin des dem Kauf zu Grunde liegenden Prospektes und vertrieb die Fondsanteile im größerem Umfang über ihr eigenes Filialnetz.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger Zug um Zug gegen Abtretung seines Kommanditanteils an der Erste "..." Immobilienfonds Kommanditgesellschaft A & B (GmbH & Co.) "Fonds", sowie etwaiger Schadensersatzansprüche des Klägers wegen seiner Beteiligung an dem Fonds an die Beklagte

1. abzüglich etwaiger Steuervorteile aus dem Erwerb des Kommanditanteils, die dem Kläger nach Übertragung seines Kommanditanteils an die Beklagte verbleiben, folgende Zahlungen zu leisten:

54.457,01 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils geltend Basiszinssatz seit 1.1.2005;

2. dem Kläger einen künftigen Schaden, der ihm aus einer Beteiligung am Fonds erwächst, zu erstatten.

Das Landgericht hat die Klage durch das angefochtene Urteil, auf dessen Tatbestand und Gründe im vollem Umfang Bezug genommen wird, abgewiesen.

Hiergegen richt sich die Berufung, mit der der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens weiterverfolgt. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf den Inhalt der in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze, insbesondere die Berufungsschrift und die Berufungserwiderungsschrift Bezug genommen.

Die Berufung ist zwar zulässig, insbesondere fristgemäß eingelegt und begründet worden.

Das Rechtsmittel hat aber aus den auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung keinen Erfolg.

Ansprüche aus dem Gesichtspunkt der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung im eigentlichen, engeren Sinne, sind innerhalb der insoweit anerkannten "absoluten" Verjährungsfrist von 3 Jahren nach der im Jahre 1993 getätigten Anlage verjährt (vgl. BGH 83, 222; Palandt-Heinrichs, BGB, 66. Auflage, § 280 Rn. 55 a), wie auch der Kläger nicht mehr in Abrede stellt.

Aber auch eine Haftung der Beklagten für den Leiter ihrer O2er Bankfiliale als Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) auf Grund des von diesem in Anspruch genommenen persönlichen Vertrauens unter Verwendung des Prospektes der Beklagten kommt nicht in Frage. Insoweit kann zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen werden. Weiter Bezug genommen wird auf das den Parteien bekannte Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 28.4.2006 (Bl. 332 f.), das ebenfalls den streitgegenständlichen geschlossenen Immobilienfonds betrifft und mit gleichen, zutreffenden Argumenten zur Abweisung der Klage des Anlegers gelangt.

Mit der Übergabe des Prospektes hat die Beklagte ihren Aufklärungspflichten in ausreichendem Umfange Genüge getan.

Der Beklagte kann nicht geltend machen, ihm sei durch Prospektangaben vorgespiegelt worden, der geschlossene Immobilienfonds weise eine identische Sicherheit wie Spareinlagen, festverzinsliche Wertpapiere oder offene Immobilien- oder Investmentfonds auf. Die Erwähnung dieser anderen Anlagemöglichkeiten erfolgt nämlich eindeutig erkennbar lediglich im Hinblick auf die nur beim geschlossen Immobilienfonds erzielbaren besonderen Steuervorteile. Dass ein geschlossener Immobilienfonds schon deshalb nicht die gleiche Sicherheit aufweist, wie ein offener Immobilienfonds, ist einem nicht unerfahrenen Anleger, insbesondere einem Anleger, der bereits in einem geschlossenen Immobilienfonds investiert hat, geläufig. Auf die auch nach Auffassung des Senats beim Beklagten gegebenen überdurchschnittlichen Kenntnisse muss insoweit nicht abgestellt werden.

Soweit der Beklagte rügt, der Prospekt enthalte keinen Hinweis auf kritische Pressestimmen, kann auch dieser Angriff keinen Erfolg haben. Diese Pressestimmen betrafen - anders als in der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung - nicht etwa das Objekt des geschlossenen Immobilienfonds selbst, sondern ganz allgemein die Marktsituation und diese zudem in einem Zeitpunkt, auf den es wegen der bereits erfolgten langfristigen Vermietung über einen Zeitraum von 10 Jahren nicht entscheidend ankam. Eine bei Erstellung und Verwendung des Prospektes im Jahre 1993 erkennbare negative Marktentwicklung oder Weiterwirkung einer bestehenden Marktsituation für den Zeitraum nach 2003, in dem für den Fall der Nichtausübung der Option eine Weitervermietung anstand, ist den Zeitungsberichten aus den Jahren 1993 nicht zu entnehmen und auch im übrigen nicht ersichtlich. Aus dem für das Objekt erstellten Gutachten des O4er Instituts für ..., auf das in dem Prospekt mehrfach Bezug genommen wird, ergibt sich eine eher positive Prognose.

Weder aus dem Prospekt noch aus der in Bezug genommenen Marktuntersuchung ergibt sich eine Verschleierung der Tatsache, dass der im Jahre 1993 tatsächlich erzielte Mietzins über dem für vergleichbare Objekte erzielbaren Preis lag. Entscheidender Gesichtspunkt ist auch insoweit, dass nicht der Eindruck erweckt worden ist, der zukünftig nach Ablauf des Mietvertrages im Jahre 2003 erzielbare Mietzins werde höher liegen und lasse sich aus jährlichen Steigerungen dieses tatsächlich erzielten Mietzinses errechnen. Als Grundlage der zukünftigen Marktentwicklung ist vielmehr nicht der erzielte, sondern der allgemein erzielbare Mietzins gewählt worden, wie sich sowohl aus dem Prospekt als auch aus der Marktuntersuchung bei durchschnittlicher Aufmerksamkeit ergibt. Es gibt auch keinen Hinweis darauf, dass der erzielte Mietzins zur Schaffung eines Verkaufsargumentes "subventioniert" und damit zu hoch angesetzt worden sein könnte.

In dem Prospekt wird auch mit der erforderlichen inhaltlichen Eindeutigkeit und im Gesamttext durch Fettdruck besonders hervorgehoben auf die Möglichkeit von Mindereinnahmen und sogar auf eine totale Nichtvermietbarkeit des Fondsobjektes hingewiesen, die zur Zahlungsunfähigkeit der Beteiligungsgesellschaft führen könne (Seite 14 des Prospektes).

Im Zusammenhang mit der Anschlussvermietung und ihren Risiken ist in dem Prospekt auch mit ausreichender Eindeutigkeit unmissverständlich darauf hingewiesen worden, dass im Zeitpunkt der Prospektverwendung von einem "per heute" erzielbaren Mietzins von 65,- DM/qm zuzüglich MWST auszugehen ist. Den Ausführungen kommt für jeden durchschnittlichen Prospektleser deshalb entscheidende Bedeutung zu, weil das spezielle Risiko dieser Anlage in der Weitervermietung nach dem Ablauf des langfristigen Mietvertrages im Jahre 2003 lag. Auch insoweit bedurfte es nicht besonderer Kenntnisse, um die Aufmerksamkeit auf die Chancen dieser Weitervermietung zu lenken. Jeder durchschnittliche Leser bei nur durchschnittlicher Aufmerksamkeit konnte nicht umhin, von dieser Einschätzung des Mietpreises auf 65,- DM netto pro qm im Jahre 2003 Kenntnis zu nehmen.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist auch kein Grund dafür ersichtlich, dass die Beklagte sich nicht auf die Angaben des O4er Instituts, das in seinem zusammenfassenden Ergebnis zu diesem qm-Preis gelangt, verlassen durfte. Anhaltspunkte dafür, dass von diesem Institut, das vielfach in den Presseberichten als seriöse Quelle genannt wird und ohne Vorbefassung auch vom Senat als gerichtliche Gutachterin bestellt worden wäre, ein Gefälligkeitsgutachten abgeliefert worden wäre, sind nicht dargetan oder ersichtlich. Auch im Vergleich mit anderen Prognosen für den Immobilienmarkt in O3 z.B. der Analyse der A Anlagegesellschaft aus dieser Zeit, in der für die Jahre 1993 bis 1997 für Berlin eine Mietpreistendenz von 55,- bis 56,- DM angenommen wird (Anlage B 11 Seite 38). erweist sich die dem Prospektzugrunde gelegte Einschätzung nicht als unrealistisch. Dem entspricht u. a. auch der Bericht in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 13.8.1993 (Immobilienmarkt Anlage B 18).

Soweit der Kläger erstmals in zweiter Instanz mit näherem Vortrag eine Nichtdarstellung personeller Verflechtung rügt, liegen zum einen die Voraussetzungen der Zulassung dieses neuen Vortrages nach § 531 Abs. 2 nicht vor.

Zum anderen ist der von der Beklagten ausdrücklich bestrittene neue Tatsachenvortrag nicht ausreichend, weil er zum Teil auf Vermutungen und Möglichkeiten interner vertraglichen Verflechtungen gestützt ist, überwiegend aber aus dem Inhalt des Prospektes selbst zusammengetragen ist und auf Informationen beruht, die ein durchschnittlich aufmerksamer Anleger sich bereits vor der Anlage leicht hätte verschaffen können. Abgesehen von den ausreichenden Hinweisen auf die personelle Verflechtung (Seite 27 des Prospektes) fällt die starke Position des Herrn Dr. Z in den verschiedenen, beteiligten Gesellschaften in dem Prospekt in besonders auffälliger Weise derart ins Auge, dass sie auch einem nur oberflächlichem Betrachter der Darstellung der beteiligten Gesellschafter und Personen in dem Prospekt nicht entgehen konnte (Seite 26, 27 - Bl. 71/72 GA).

Eine Inanspruchnahme der Beklagten wegen falscher Beratung durch unzutreffende, über den Prospektinhalt hinausgehende Erklärungen oder wegen falscher Auskünfte über den geschlossenen Immobilienfonds durch den Leiter ihrer Zweigstelle kommt schon deshalb nicht in Frage, weil der Kläger insoweit nicht vorgetragen hat, welche konkreten Angaben ihm zu der Anlage gemacht worden sein sollen, die über diejenigen des Prospektes hinausgehen. Aus dem Vortrag ergibt sich auch nicht, dass der als Zeuge benannte Leiter der O2er Filiale der Beklagten erkennbar über mehr Wissen verfügt hätte oder sich weitergehender Informationen gerühmt hätte, als sie auch aus dem Prospekt ersichtlich sind. Hinzu kommt, dass der Kläger allgemeine Anpreisungen als solche aus der Beratungssitiuation heraus erkennen konnte und zwar eine auf ihn persönlich zugeschnittene umfassende und zutreffende Beratung erwarten durfte, dass ihm aber durchaus bewusst war, dass die Beklagte selbst den Fonds initiiert und aufgelegt hatte und ihm gegenüber, wie sich bereits aus der ihm übersandten Kurzdarstellung (Anlage K 2) ergibt, erkennbar selbst als Anbieterin auftrat. Der Kläger hat auch nicht überzeugend darlegen können, dass der ihm übergebene Prospekt irgendwelche Lücken aufgewiesen hätte und es insoweit einer persönlichen Ergänzung von Seiten der Beklagten bedurft hätte, zumal ein allgemeiner Beratungsbedarf auf Grund der spezifischen Fachkenntnisse beim Kläger nicht vorlag, worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat. Der Kläger kann demgegenüber nicht rügen, das Landgericht habe nicht dargelegt, woraus sich seine besonderen Kenntnisse im Zeitpunkt der Anlage ergeben. Das Landgericht konnte seine zutreffende Auffassung zu Recht darauf stützen, dass der Kläger nicht nur als Rechtsanwalt und Notar tätig ist, sondern vielmehr selbst bereits Anlagen in einem geschlossenen Immobilienfonds getätigt hat und durch seine Lehr- und Prüfungstätigkeiten spezifische Bank- und Anlagekenntnisse hat, die einen Aufklärungsbedarf nicht vermuten lassen. Dass der Kläger die Sicherheit eines geschlossenen Immobilienfonds derjenigen einer Spareinlage gleichgesetzt haben könnte, wie er vorträgt, hat das Landgericht zutreffend als nicht nachvollziehbar angesehen. Dem ist der Kläger auch im Rahmen der ausführlichen Erörterung in der mündlichen Verhandlung nicht durch abweichenden Tatsachenvortrag oder eine überzeugende andere Beurteilung entgegen getreten.

Die Vernehmung des Leiters der O2er Filiale der Beklagten dazu, dass diese Anlage bzw. geschlossene Immobilienfonds insgesamt als zu sicher dargestellt worden sein könnten, hat danach nicht zu erfolgen, weil insoweit keine ausreichenden Tatsachen vorgetragen worden sind, die über die im Prospekt enthaltenen Aussagen hinausgingen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 543 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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