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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 30.12.2004
Aktenzeichen: 17 W 74/04
Rechtsgebiete: HGB, ArbGG, GVG


Vorschriften:

HGB §§ 84 ff.
ArbGG § 5 Abs. 1 S. 2
ArbGG § 5 Abs. 3
ArbGG § 5 Abs. 3 S. 1
GVG § 17 a Abs. 4 S. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Klägerin nimmt den Beklagten nach Beendigung des Vertragsverhältnisses auf Rückzahlung von Provisionsvorschüssen in Anspruch. Der Beklagte war vom 01.10.2001 bis zum 12.07.2002 für die Klägerin tätig, nach Auffassung des Beklagten entsprechend der in einem "Mitarbeitervertrag" getroffenen Vereinbarung als selbstständiger Handelsvertreter im Sinne der §§ 84 ff. HGB, nach Auffassung des Beklagten als abhängig angestellter Finanzdienstmakler, der während der letzten sechs Monate nicht mehr als 1.000,00 € bezogen habe und deshalb als Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 3 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) gelte.

Dem Vertrag zufolge sollten an den Beklagten 2.300,00 € monatlich als Provisionsvorschuss gezahlt werden. Davon sollten bei dem Beklagten im Falle des Ausscheidens jedenfalls 50% des noch bestehenden Vorschusssaldos verbleiben.

Durch den angefochtenen Beschluss hat das Landgericht das Fehlen seiner Zuständigkeit festgestellt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Frankfurt am Main verwiesen. Das Landgericht hat ausgeführt, es spreche schon viel dafür, dass der Beklagte materiell als abhängige und lediglich erfolgsbeteiligter Arbeitnehmer anzusehen sei. Jedenfalls ergebe sich aber die Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes aus § 5 Abs. 3 S. 1 ArbGG, weil der Beklagte während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses im Durchschnitt weniger als 1.000,00 € monatlich an Vergütung einschließlich Provision und Aufwendungsersatz bezogen habe. Dem Beklagten hätten zwar aufgrund des abgeschlossenen Vertrages (6 x 2.300,00 : 2 =) 6.900,00 € zugestanden. Tatsächlich seien ihm aber insgesamt nur 6.491,94 € ausgezahlt worden, weil für den Zeitraum vom 01.-12.07.2002 überhaupt nichts gezahlt worden sei. Abzustellen sei aber nicht auf die zustehenden, sondern auf die ausgezahlten Bezüge, weil die 1.000,00 € Grenze als Indikator für die besondere Schutzbedürftigkeit des Handelsvertreters diene. Im Übrigen müssten noch die mit 462,75 € errechneten Aufwendungen abgezogen werden, die von dem Beklagten selbst zu tragen waren.

Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist gemäß § 17 a Abs. 4 S. 3 GVG statthaft und im Übrigen auch zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Das Rechtsmittel hat auch im Ergebnis Erfolg.

Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist gegeben, weil die Voraussetzung für die ausschließliche Gerichtsbarkeit der Arbeitsgerichte nicht gegeben ist. Der Beklagte ist als Handelsvertreter bzw. Versicherungsvertreter kein Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes, weil er in den letzten sechs Monaten des Vertragsverhältnisses im Durchschnitt monatlich mehr als 1.000,00 € an Vergütungen einschließlich Provisionen und Ersatz von Aufwendungen zu beanspruchen hatte.

Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges ist von dem nur in rechtlicher Hinsicht zu überprüfenden Sachvortrag des Klägers auszugehen, da nicht die Einwendung des Beklagten, sondern der Vortrag des Klägers den Streitgegenstand bestimmt (BGHZ 67, 84; 97, 312; 102, 280; 108, 284; BAG NJW 58, 686; Zöller-Gummer, ZPO, 25 Aufl. § 13 GVG Rn. 11; Kissel, GVG, 3. Aufl. § 17 Rn. 17).

Weder dem Vortrag des Klägers, noch dem unstreitigen Vortrag des Beklagten zufolge lässt sich ein Sachverhalt feststellen, der zur Zuständigkeit der Arbeitsgerichte führen könnte.

Insbesondere kann der Beklagte nicht zu den Handelsvertretern gerechnet werden, die entsprechend der in § 5 Abs. 3 S. 1 ArbGG getroffenen Regelung als Arbeitnehmer im Sinne des ArbGG gelten, weil seine durchschnittlichen Monatsbezüge in den letzten sechs Monaten vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses über 1.000,00 € betrugen.

Für die Bestimmung der Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit kommt es auf alle unbedingt entstandenen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis an, nicht aber auf die tatsächlich erfolgten Zahlungen, weil sonst durch Minder- oder Überzahlungen der Status des Handelsvertreters und die zuständige Gerichtsbarkeit willkürlich verändert werden könnten (so BGH NJW 64, 497, 498; OLG Düsseldorf, OLGR 00, 454; Röhricht/v. Westphalen/Küstner, HGB, 2. Aufl. § 92 b Rn. 6; Hopt, Handelsvertreterrecht, 3. Aufl. § 84 Rn. 46 u. HGB, 31. Aufl. § 84 Rn. 46; Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 92 a Rn. 6).

Das Landgericht kann sich für seine andere Auffassung insbesondere auch nicht auf die Entscheidungen des BGH (NJW 64, 497) und des OLG Düsseldorf (OLGR 00, 454) berufen, die beide im Ergebnis viel mehr auch darauf abstellen, was der Handelsvertreter in den letzten sechs Monaten zu beanspruchen hatte. Der Bundesgerichtshof hat in der genannten Entscheidung darauf hingewiesen, dass es gerade nicht auf die vom Unternehmer tatsächlich geleisteten Zahlungen ankommt, sondern darauf, was der Vertreter zu beanspruchen habe. In der zitierten Entscheidung des OLG Düsseldorf (OLGR 00, 454) heißt es ausdrücklich, es komme nicht auf die Beträge an, welche der Handelsvertreter tatsächlich ausgezahlt erhalten habe, sondern darauf, was er in den letzten sechs Monaten "verdient und daher als Vergütung zu beanspruchen hatte". Zu Recht wird in dieser Entscheidung darauf hingewiesen, durch die Vorenthaltung ihm zustehender Vergütungsleistungen könne für den Handelsvertreter nicht die Eigenschaft als Arbeitnehmer ähnliche Person begründet werden, noch könne er dem Anwendungsbereich der Norm dadurch entzogen werden, dass der Unternehmer ihm unberechtigter Weise überhöhte Zahlungen zukommen lasse, welche er nicht auf Dauer behalten dürfe. In gleicher Weise argumentiert Hopt in der von ihm vom Landgericht zu Unrecht für seine Auffassung zitierten Kommentierung (a. a. O. § 84 Rn. 46), dass andernfalls durch Über - oder Nichtzahlung einseitig der Status des Handelsvertreters verändert werden könne.

Da Provisionsvorschüsse bei Ermittlung des nach § 5 Abs. 3 S. 1 entscheidenden Betrages insoweit zu berücksichtigen sind, als sie bereits unbedingt entstanden waren (BGH NJW 64, 497) hat das Landgericht zu Recht festgestellt, dass der Beklagte jedenfalls einen Anspruch in Höhe der Hälfte der monatlich geleisteten Provisionsvorschüsse von 2.300,00 € hatte und damit unabhängig von den tatsächlich verdienten Provisionen einen Anspruch auf Zahlung von insgesamt 6.900,00 €.

Damit hatte der Beklagte auch dann einen über 1.000,00 € monatlich liegenden Anspruch gegen die Klägerin, wenn dem Landgericht darin gefolgt wird, dass die dem Beklagten nicht erstatteten Auslagen in Höhe von 694,93 € abzuziehen sind. Es kann daher offen bleiben ob tatsächlich von dem Bruttoverdienst Abzüge wegen der Unkosten oder Auslagen zu machen sind, die in der Regel auch streitig sein werden und deren Aufklärung einer Beweisaufnahme bedürfte, weil es gerade nicht auf einen Gewinn, sondern lediglich auf die Bezüge ankommt (vgl. Ebenroth/Boujong/Joost, a. a. O. § 92 a Rn. 6; Grunsky, ArbGG, 7. Aufl. § 5 Rn. 22).

Ist aber § 5 Abs. 3 S. 1 ArbGG wegen Überschreitens der Bezugsgrenzen unanwendbar, greift auch nicht § 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG mit einer Begründung der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit ein, sondern es ergibt sich für den Handelsvertreter die Zuständigkeit der Zivilgerichte (BAG AP (61) Nr. 1 zu § 92 a HGB; OLG Köln VersichR 01, 895; Hopt, Handelsvertreterrecht, 3. Aufl. § 84 Rn. 46 u. HGB, 31. Aufl. § 84 Rn. 47). Die Gegenansicht (vgl. Grunsky, ArbGG, § 5 Rn. 22) berücksichtigt nicht ausreichend den Wortlaut der in § 5 Abs. 3 ArbGG getroffenen Sonderregelung, der zufolge Handelsvertreter ausdrücklich nur unter den dort genannten Voraussetzungen als Arbeitnehmer gelten sollen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 3, 97 ZPO.

Ende der Entscheidung

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