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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 02.03.2009
Aktenzeichen: 18 W 373/08
Rechtsgebiete: RVG, RVG-VV
Vorschriften:
RVG § 45 | |
RVG § 55 | |
RVG-VV Vorbemerkung 3 Abs. 4 |
Gründe:
I.
Die Klägerin hat den Beklagten auf Darlehensrückzahlung in Höhe von 25.000 EUR nebst Zinsen in Anspruch genommen. Mit Beschluss vom 14. April 2008 hat das Landgericht dem Beklagten ratenfreie Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug bewilligt und ihm Rechtsanwalt RA1 beigeordnet. Mit Urteil vom 12. August 2008 hat das Landgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben und dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
Unter dem 22. August 2008 hat Rechtsanwalt RA1 beantragt, seine Vergütung auf insgesamt 969,85 EUR festzusetzen. Hierin enthalten ist eine nach einem Gegenstandswert von 25.000 EUR berechnete Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG in Höhe von 413,40 EUR.
Auf Anfrage des Landgerichts hat der Antragsteller mitgeteilt, dass er in der vorliegenden Sache bereits vorgerichtlich für den Beklagten tätig gewesen sei, diesem gegenüber jedoch keine Geschäftsgebühr abgerechnet habe.
Mit Beschluss vom 5. Oktober 2008 hat die Urkundsbeamtin des Landgerichts die Vergütung des Antragstellers auf 723,88 EUR festgesetzt. Dabei hat sie eine nach § 49 RVG berechnete 0,65 Geschäftsgebühr in Höhe von 206,70 EUR auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet. Die hiergegen gerichtete Erinnerung des Antragstellers hat das Landgericht mit Beschluss vom 31. Oktober 2008, dem Antragsteller zugestellt am 3. November 2008, zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner am 4. November 2008 bei Gericht eingegangenen Beschwerde, der das Landgericht mit Beschluss vom 10. November 2008 nicht abgeholfen hat.
Der Antragsteller vertritt die Auffassung, dass die Geschäftsgebühr auf seinen Anspruch auf Prozesskostenhilfevergütung aus der Staatskasse nicht anzurechnen sei.
II.
Die Beschwerde ist gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 RVG zulässig. In der Sache selbst hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.
Der Antragsteller hat gegen die Landeskasse keinen Anspruch auf Zahlung einer höheren Vergütung, als sie in dem angefochtenen Beschluss festgesetzt worden ist.
Gemäß § 45 Abs. 1 RVG erhält der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt seine gesetzliche Vergütung aus der Staatskasse. Die für die gesetzliche Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts maßgeblichen Gebührentatbestände sind dieselben wie bei anderen Prozessbevollmächtigten (Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl., § 121 Rdn. 38). Allerdings wird die Höhe der von dem beigeordneten Rechtsanwalt verdienten Wertgebühren bei Gegenstandswerten von mehr als 3.000 EUR durch § 49 RVG begrenzt.
Durch die Tätigkeit des Antragstellers als Prozessbevollmächtigtem des Beklagten ist eine 1,3 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG angefallen, die der Antragsteller in seinem Festsetzungsantrag zutreffend berechnet hat. Da der Antragsteller jedoch, wie er mit Schreiben vom 3. September 2008 erklärt hat, wegen desselben Gegenstands bereits vorgerichtlich für den Beklagten tätig war, ist die hierdurch entstandene 1,3 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen. Dies ergibt sich, wie das Landgericht zu Recht angenommen hat, aus Vorbemerkung 3 Absatz 4 Satz 1 VV RVG.
Nach dieser Vorschrift wird eine Geschäftsgebühr anteilig auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet, wenn und soweit die außergerichtliche und die gerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts - wie hier - denselben Gegenstand betreffen. Dies gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (unter anderem Beschluss vom 29. Oktober 2007 in der Sache 18 W 275/07, Beschluss vom 30. Oktober 2007 in der Sache 18 W 282/07, Beschluss vom 14. November 2007 in der Sache 18 W 283/07 und Beschluss vom 4. Dezember 2007 in der Sache 18 W 296/07), die zwischenzeitlich auch vom Bundesgerichtshof bestätigt worden ist (Beschluss vom 22. Januar 2008 in der Sache VIII ZB 57/07, NJW 2008, 1323; Beschluss vom 30. April 2008 in der Sache III ZB 8/08; Beschluss vom 3. Juni 2008 in der Sache VIII ZB 3/08; Beschluss vom 3. Juni 2008 in der Sache VI ZB 55/07), unabhängig davon, ob die Geschäftsgebühr auf materiellrechtlicher Grundlage vom Prozessgegner zu erstatten und ob sie unstreitig, geltend gemacht, tituliert oder bereits ausgeglichen ist.
Soweit der Antragsteller die Auffassung vertritt, im Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe sei die Verfahrensgebühr des beigeordneten Rechtsanwalts nicht zu kürzen, findet dies im Gesetz keine Grundlage. Insbesondere enthält Vorbemerkung 3 Absatz 4 VV RVG keine Ausnahmeregelung zugunsten beigeordneter Rechtsanwälte. Eine solche Ausnahme wäre auch nach dem Zweck der Vorschrift nicht gerechtfertigt, der darin besteht, eine doppelte Honorierung des wegen desselben Gegenstands außergerichtlich und gerichtlich tätig gewordenen Rechtsanwalts für die sowohl von der Geschäftsgebühr (Vorbemerkung 2.3 Absatz 3 VV RVG) als auch von der Verfahrensgebühr (Vorbemerkung 3 Absatz 2 VV RVG) abgegoltene Informationsbeschaffung zu vermeiden. Ein Rechtsanwalt, der bereits im Rahmen seiner vorgerichtlichen Tätigkeit mit der Sache befasst war, bedarf in der Regel für die Prozessvertretung eines geringeren Einarbeitungs- und Vorbereitungsaufwands. Dies gilt unabhängig davon, ob er seinem Mandanten im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet worden ist oder nicht (OLG Oldenburg, FamRZ 2008, 1765, juris Rdn. 9; OLG Braunschweig, OLGR 2008, 837, juris Rdn. 6).
Dass der Antragsteller die Geschäftsgebühr bislang gegenüber dem Beklagten nicht abgerechnet hat, ist für die nach Vorbemerkung 3 Absatz 4 Satz 1 VV RVG vorzunehmende Anrechnung ohne Belang. Nach dieser Vorschrift kommt es allein darauf an, dass eine Geschäftsgebühr angefallen ist. Allerdings wird in der Rechtsprechung vereinzelt die Auffassung vertreten, die Staatskasse könne sich auf die Anrechnung nicht berufen, wenn der Rechtsanwalt keine Zahlungen auf die Geschäftsgebühr erhalten habe (OLG Stuttgart, FamRZ 2008, 1013). Die hierfür angeführten Gründe überzeugen jedoch nicht. Zwar wird der Rechtsanwalt seinen Anspruch auf Zahlung einer Geschäftsgebühr - auch - im Umfang der Anrechnung häufig nicht realisieren können, weil sein Mandant ausweislich der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht oder nur eingeschränkt leistungsfähig ist. Dies ist aber weder unbillig noch widerspricht dies - entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart (FamRZ 2008, 1013, juris Rdn. 18 f.) - Sinn und Zweck der Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Zum einen kann der Rechtsanwalt den für seine vorgerichtliche Tätigkeit entstehenden Vergütungsanspruch durch die Erhebung eines Vorschusses gegen einen nachträglichen Vermögensverfall seines Mandanten sichern (OLG Braunschweig, OLGR 2008, 837, juris Rdn. 12). Ist der Mandant von vornherein nicht leistungsfähig, muss ihn der Rechtsanwalt ohnehin auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Beratungshilfe hinweisen, in deren Rahmen gemäß Vorbemerkung 2.5 VV RVG eine anrechenbare Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG nicht entstehen kann. Zum anderen liefe der Ausschluss der Anrechnung darauf hinaus, dass der Rechtsanwalt den anrechenbaren Teil der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr aus der Staatskasse erhält, obwohl Prozesskostenhilfe gemäß § 114 ZPO nur für die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in gerichtlichen Verfahren gewährt wird. Dies lässt sich mit Sinn und Zweck der Prozesskostenhilfe gerade nicht vereinbaren. Schließlich lässt sich ein Ausschluss der Anrechnung auch nicht aus § 58 Abs. 2 RVG herleiten (so jedoch OLG Stuttgart, FamRZ 2008, 1013, juris Rdn. 20; vgl. auch OLG Frankfurt am Main, 6. Senat für Familiensachen, AGS 2007, 313). Dass der Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts gegen die Staatskasse nach dieser Vorschrift entfällt, soweit der Rechtsanwalt von dritter Seite Vorschüsse oder Zahlungen erhalten hat, die den Unterschiedsbetrag zwischen Wahlanwaltsvergütung und Prozesskostenhilfevergütung übersteigen, bedeutet nicht, dass eine Kürzung der Verfahrensgebühr nur unter dieser Voraussetzung erfolgen darf. Vielmehr enthält Vorbemerkung 3 Absatz 4 VV RVG eine eigenständige Anrechungsregelung, die neben § 58 Abs. 2 RVG anwendbar ist.
Die Anrechnung kann auch nicht, wie der Antragsteller unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg (MDR 2008, 1006) meint, gemäß Nr. 2503 Abs. 2 VV RVG auf eine hälftige Geschäftsgebühr im Rahmen der Beratungshilfe beschränkt werden.
Da dem Beklagten Beratungshilfe nicht bewilligt worden ist, ist keine Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2503 VV RVG, sondern eine Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG angefallen, die gemäß Vorbemerkung 3 Absatz 4 Satz 1 VV RVG zwingend auf die Verfahrensgebühr angerechnet werden muss.
Problematisch ist allerdings, dass das Landgericht die für die außergerichtliche Tätigkeit des Antragstellers entstandene Geschäftsgebühr nach der Tabelle zu § 49 RVG berechnet hat. Insoweit weist der Antragsteller zutreffend darauf hin, dass für die Wahrnehmung von Rechten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht in Betracht kommt, so dass sich die Geschäftsgebühr auch nicht nach der für die Gebühren eines im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts maßgeblichen Tabelle zu § 49 RVG bestimmen kann. Dies spricht dafür, dass die anzurechnende Geschäftsgebühr nach der auch im Verhältnis des Rechtsanwalts zu seinem Mandanten maßgeblichen Tabelle zu § 13 RVG berechnet werden muss (so OLG Braunschweig, OLGR 2008, 837). Das kann - auch insoweit ist dem Antragsteller zuzustimmen - zu einem vollständigen Wegfall der Verfahrensgebühr führen, weil bei höheren Streitwerten die hälftige, nach der Tabelle zu § 13 RVG berechnete Geschäftsgebühr die volle, nach der Tabelle zu § 49 RVG berechnete Verfahrensgebühr übersteigt. Dies wäre jedoch bei der gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise (vgl. BVerfGE 70, 1, juris Rdn. 87; 101, 331, juris Rdn. 94) nicht unangemessen (so jedoch OLG Hamm, FamRZ 2008, 1764, juris Rdn. 6) und würde die Rechtmäßigkeit der Anrechnung auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht in Frage stellen. Denn in der Regel werden dann, wenn einer Partei Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung zu bewilligen ist, auch die Voraussetzungen für die Gewährung von Beratungshilfe gemäß § 1 BerHG vorliegen, worauf der Rechtsanwalt seinen Mandanten hinweisen muss (OLG Oldenburg, MDR 2008, 1006, juris Rdn. 5 m. w. Nachw.). Nimmt der Mandant daraufhin Beratungshilfe in Anspruch, ist gemäß Vorbemerkung 2.5 VV RVG die Entstehung einer Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG ausgeschlossen. Anzurechnen ist dann lediglich eine hälftige Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2503 VV RVG, was zu einer Kürzung der Verfahrensgebühr des beigeordneten Rechtsanwalts um lediglich 35 EUR zuzüglich Umsatzsteuer führt. Die Frage, ob sich die anzurechnende Geschäftsgebühr nach der Tabelle zu § 13 RVG oder nach der Tabelle zu § 49 RVG bestimmt, bedarf im vorliegenden Fall allerdings keiner endgültigen Entscheidung. Da das Landgericht die dem Antragsteller im Rahmen der Anrechnung günstigere Tabelle zu § 49 RVG herangezogen hat, ist der Antragsteller jedenfalls nicht beschwert.
Offen bleiben kann auch, welche Auswirkungen es auf die Anrechnung gemäß Vorbemerkung 3 Absatz 4 VV RVG hat, wenn der Rechtsanwalt an der Geltendmachung der angefallenen Geschäftsgebühr gegenüber seinem Mandanten gehindert ist, weil er es pflichtwidrig versäumt hat, diesen auf die tatsächlich gegebene Möglichkeit der Inanspruchnahme von Beratungshilfe hinzuweisen. Dass der Beklagte tatsächlich Anspruch auf Bewilligung von Beratungshilfe hatte, hat der Antragsteller nämlich nicht dargelegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.
Eine - weitere - Beschwerde an den Bundesgerichtshof findet gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG in Verbindung mit § 33 Abs. 4 Satz 3, Abs. 6 RVG nicht statt. Da § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG in Verbindung mit § 33 Abs. 6 RVG eine vorrangige Sonderreglung gegenüber § 574 ZPO enthält, ist auch eine Rechtsbeschwerde nicht statthaft (Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl., § 56 Rdn. 22).
Ende der Entscheidung
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