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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 20.09.2006
Aktenzeichen: 19 U 111/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 767
Die Vollstreckungsgegenklage kann wegen der Sperrwirkung des Abs. 2 dieser Vorschrift auf Aufrechnung nur gestützt werden, wenn die aufzurechnende Forderung erst nachträglich vom Schuldner erworben oder erst nachträglich fällig geworden ist.
Gründe:

I.

Der Kläger begehrt mit seiner Klage, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 04.07.2002 - Az.: 2/20 O 226/01 - für unzulässig zu erklären und den Beklagten zu verurteilen, die diesem erteilte vollstreckbare Ausfertigung des Urteils vom 04.07.2002 an den Kläger herauszugeben.

Der Kläger wurde im Vorprozess (2/20 O 226/01) vor dem Landgericht Frankfurt am Main durch rechtskräftiges Urteil vom 04.07.2002 verurteilt, an den Beklagten 357.904,31 EUR zuzüglich 5,84 % Zinsen hieraus seit dem 30.05.2001 zu zahlen. Hiergegen hat der Kläger die Aufrechnung erklärt mit behaupteten Schadensersatzforderungen nach dem Aktiengesetz sowie aus dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung.

- Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils des Landgerichts vom 03.05.2005 gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO verwiesen. -

Das Landgericht hat durch Urteil vom 03.05.2005 die Klage abgewiesen.

Gegen dieses ihm am 06.05.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 01.06.2005 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 06.08.2005 am 25.07.2005 begründet.

Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Er rügt zudem eine unzureichende und falsche Tatsachenfeststellung sowie eine fehlerhafte Rechtsanwendung. Er macht ferner geltend, soweit das Landgericht aus dem Umstand, dass er, widerklagend, in einem anderen Rechtsstreit seine Gehaltsansprüche durchsetze, geschlossen habe, er gehe selbst nicht davon aus, dass von der A AG keine Befriedigung zu erlangen sei, so stelle diese vom Landgericht gezogene Schlussfolgerung einen nicht gerechtfertigten Erfahrungssatz auf. Er gehe nach wie vor davon aus, von der A AG keine Befriedigung mehr erlangen zu können, wie sich aus den vorgetragenen fruchtlosen Vollstreckungsversuchen ergebe. Außerdem folge aus der gerichtlichen Geltendmachung seiner Gehaltsansprüche nicht, dass er von der Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft ausgehe; vielmehr könne für ihn der Zahlungstitel wegen der verlängerten Verjährung von Bedeutung sein.

Zu Unrecht sei das Landgericht auch von einer Präklusion seiner Einwendungen ausgegangen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 03.05.2005 - Az.: 2/20 O 102/04 -

1.

die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 04.07.2002 - Az.: 2/20 O 226/01 - für unzulässig zu erklären,

2.

den Beklagten zu verurteilen, die ihm erteilte vollstreckbare Ausfertigung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 04.07.2002 - Az. 2/20 O 226/01 - an den Kläger herauszugeben,

3.

das Urteil ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Er verteidigt das Urteil des Landgerichts und macht weiter geltend, die A Holding AG i.L. sei nicht zahlungsunfähig. Dies ergebe sich daraus, dass der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens - unstreitig - im Herbst 2003 zurückgenommen worden sei, das Amtsgericht habe dem zugestimmt. Nicht der Kläger sei Gläubiger der Gesellschaft, sondern aufgrund einer Vielzahl von Zahlungstiteln sei er deren Schuldner.

Wegen weiterer Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens im übrigen wird ergänzend auf den vorgetragenen Inhalt der in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

In der Sache konnte die Berufung jedoch keinen Erfolg haben.

Der Kläger kann weder im Wege der Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) gegenüber der im Rechtsstreit 2/20 O 226/01 Landgericht Frankfurt am Main durch Urteil vom 04.07.2002 titulierten Forderung des Beklagten gegen ihn in Höhe von 357.904,31 EUR zuzüglich 5,84 % Zinsen hieraus seit dem 30.05.2001 mit gegen den Beklagten persönlich aus dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung gerichteten noch mit aktienrechtlichen Schadensersatzansprüchen aufrechnen; auch kann er von dem Beklagten nicht die Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 04.07.2002 in dem Verfahren 2/20 O 226/01 verlangen.

Die Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) kann wegen der Sperrwirkung des Abs. 2 dieser Vorschrift auf Aufrechnung nur gestützt werden, wenn die aufzurechnende Forderung erst nachträglich vom Schuldner erworben oder erst nachträglich fällig geworden ist (OLG Düsseldorf MDR 1987 S. 682; Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., Rn. 12). Der Schluss der mündlichen Verhandlung im Vorprozess 2/20 O 226/01 war der 26.11.2002. Der geltend gemachte Anspruch in Form von Vorstandsvergütung für die Zeit vom 01.11.2002 bis 30.11.2003 und auf Zahlung einer Abfindung besteht in erst nach dem 26.11.2002 fällig gewordenem Entgelt für Leistungen des Klägers in seiner Eigenschaft als Vorstand der A AG und auf Zahlung einer Abfindung nach Ablauf seines Dienstvertrages. Mit diesen Ansprüchen ist der Kläger mithin nicht wegen der zeitlichen Schranke des § 767 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen.

Zur Aufrechnung im Wege der Vollstreckungsgegenklage geeignete Gegenansprüche können dem Kläger nur in Höhe von insgesamt 40.588,05 EUR zustehen. In dieser Höhe hat der Kläger Anspruch gegen die A AG auf Zahlung restlicher Vergütung als Vorstand für die Zeit vom 01.11.2002 bis 10.01.2003 einschließlich anteiliger Entschädigung für die Nichtbenutzbarkeit eines ihm nach dem Dienstvertrag vom 13.11.1998 zustehenden Dienstwagens. Weitere zur Aufrechnung geeignete Ansprüche sind nach dem dem Senat vorgetragenen Sachverhalt jedoch nicht gegeben.

Der Vergütungsanspruch des Klägers gegen die A AG bestand nur für die Zeit vom 01.11.2002 bis 10.01.2003, weil nach diesem Zeitpunkt das Dienstverhältnis aufgrund außerordentlicher Kündigung mit Schreiben vom 08.01.2003 (Bl. 778 d.A.) zum 10.01.2003 wirksam beendet worden war. Da der Dienstvertrag auf Zeit geschlossen worden war, konnte sich die Gesellschaft nur durch außerordentliche Kündigung vom Vertrag lösen. Der Dienstvertrag wurde aufgrund Beschlusses des Aufsichtsrats vom 07.01.2003 (Bl. 780 d.A.), den der Kläger nicht beanstandet hat, gekündigt. Gemäß § 112 AktienG ist der Aufsichtsrat zur Vertretung der Gesellschaft gegenüber dem Vorstand und damit auch zur Kündigung von Dienstverträgen mit Vorstandsmitgliedern berechtigt. Die außerordentliche Kündigung ist auch begründet, weil der Kläger Ansprüche der Gesellschaft gegen den Beklagten unter Ausnutzung seiner Stellung als Liquidator der Gesellschaft am 17.12.2002 an sich selbst abgetreten hat (Bl. 186, 187 d.A.). Durch dieses Verhalten hat der Kläger die ihm eingeräumte Stellung als Liquidator missbraucht, um sich einen Vermögensvorteil zu verschaffen. Damit ist der Gesellschaft eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger als Vorstand bzw. Abwickler der Gesellschaft nicht länger zumutbar gewesen. Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auf zwei Entscheidungen des BGH (NJW 1993 S. 63 f., betrifft eine Sonderzahlung, NJW 2003 S. 431 f., 432 betrifft Spesen eines GmbH-Geschäftsführers). In diesen Entscheidungen hat der BGH ausgeführt, dass eine außerordentliche Kündigung wegen Entnahme von Spesen bzw. einer Sonderzahlung durch den Geschäftsführer einer GmbH letzterer keinen Grund zur außerordentlichen Kündigung biete, weil der Geschäftsführer offen vorgegangen sei und er sich offen das genommen habe, worauf einen Anspruch zu haben er glaubte. Im Unterschied zu den zitierten Entscheidungen des BGH, bei denen dem Geschäftsführer nach seinem Geschäftsführervertrag gestattet war, sich selbst Spesen anweisen zu lassen bzw. in dem im vorangegangenen Jahr die Gesellschaft es unbeanstandet gelassen hatte, dass der Geschäftsführer sich eine ihm nach dem Vertrag zustehende Sonderzahlung zur Hälfte selbst entnommen hatte, steht jedoch dem Kläger im vorliegenden Falle nach seinem Dienstvertrag nicht die Berechtigung zu, sein Geschäftsführergehalt sich selbst zu überweisen. Hinzu kommt, dass sein Geschäftsführergehalt bereits seit dem Ende 1999 nicht mehr gezahlt wurde und es Streit zwischen dem Kläger und der Gesellschaft gab, ob ihm dieses Gehalt noch zustand. Unter diesen Umständen durfte sich der Kläger nicht im Wege der Abtretung von Ansprüchen der Gesellschaft gegen den Beklagten selbst eine Befriedigung seiner Vergütungsansprüche verschaffen bzw. versuchen, Befriedung zu erlangen. Dass die Abtretung ohne Mitwirkung der beiden übrigen Liquidatoren unwirksam war, ändert an der Beurteilung des Verhaltens des Klägers gegenüber der Gesellschaft nichts.

Der Beklagte kann nicht mit Erfolg einwenden, der Dienstvertrag habe bereits aufgrund des Kündigungsschreibens vom 04.12.2002 (Bl. 122 d.A.) sein Ende gefunden. Der in diesem Schreiben angegebene Kündigungsgrund - das Schreiben des Klägers vom 20.11.2002 (Bl. 179 d.A.) u.a. an den Beklagten und das weitere Aufsichtsratsmitglied B - tragen eine außerordentliche fristlose Kündigung nicht. Nachdem das Oberlandesgericht in seinem Urteil vom 08.11.2002 in dem Rechtsstreit 10 U 247/00 festgestellt hatte, dass sowohl der Beklagte als auch das weitere Aufsichtsratsmitglied B eine unglaubhafte Aussage gemacht hatten (Bl. 111 d.A.), konnte der Kläger im Schreiben vom 20.11.2002 erklären, dass die Gesellschaft unter Verletzung der Wahrheitspflicht im Prozess vorgetragen habe, es sich hierbei um bewusst wahrheitswidrigen Vortrag - der einem Prozessbetrug gleichzusetzen sei - gehandelt habe und dass ihm, dem Kläger, hierdurch ein Verlust entstanden sei. Wenn dann der Kläger für die Unterbreitung eines konstruktiven Vorschlages eine Frist von neun Tagen setzt und nach fruchtlosem Ablauf straf- und zivilrechtliche Konsequenzen in Aussicht stellt, so handelt es sich hierbei nicht um eine Drohung mit einem empfindlichen Übel, zu der der Kläger nicht berechtigt gewesen wäre. Auch stellt das Schreiben des Klägers vom 27.11.2002 an die Anwaltskanzlei RA1, die Prozessbevollmächtigten eines früheren Prozessgegners der A AG, die Korrespondenz in dieser Sache ausschließlich über den Kläger und seine Privatanschrift zu führen, keinen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar. Eine derartige einmalige Anmaßung von Aufgaben durch ein Mitglied des Vorstandes ist zwar beanstandungswürdig, jedoch kein Grund, um eine Zusammenarbeit zwischen der Gesellschaft und ihrem Vorstand bzw. Abwickler bis zum vertragsgemäßen Ende des Dienstverhältnisses als unzumutbar erscheinen zu lassen.

Aus dem Dienstvertrag vom 13.11.1998 mit der Firma A (Bl. 97 f. d.A.) steht dem Kläger gegen die Gesellschaft für die Zeit vom 01.11.2002 bis 10.01.2003 ein Vergütungsanspruch in Höhe von insgesamt 39.395,04 EUR zu. Das Jahresgehalt des Klägers betrug nach § 2 402.000,-- DM brutto = 205.539,39 EUR brutto, zahlbar in 12 gleichen Monatsraten nachträglich zum Monatsende (Bl. 99 d.A.). Ein Monatsgehalt betrug 17.128,28 EUR, für die Zeit vom 01.11.2002 bis 10.01.2003 ergibt dies 39.395,04 EUR.

Darüber hinaus kann der Kläger für die entgangene Nutzung des ihm nach § 2 Ziff. 4 Abs. 2 des Dienstvertrags zustehenden Dienstwagens gemäß seiner - insoweit unbestritten gebliebenen - Berechnung auf S. 23 der Klageschrift (Bl. 23 d.A.), die an § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG angelehnt ist, die Zahlung von 1.193,01 EUR verlangen. Diese Nutzungsmöglichkeit war Teil seines Vergütungsanspruchs gegen die A AG aus dem Dienstvertrag.

Jedoch steht dem Kläger keine Abfindung nach Beendigung seines Dienstvertrages mit der A zu. Ein solcher Abfindungsanspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 5 Abs. 1 und Abs. 2 des Vertrages vom 13.11.1998 (Bl. 101 d.A.). Keiner der in Abs. 1 der Vertragsbestimmung vorgesehenen Gründe für ein Ausscheiden des Klägers aus der Gesellschaft liegt vor. Auch kann der Kläger einen Abfindungsanspruch nicht auf Abs. 2 der Vertragsbestimmung stützen, die einen Abfindungsanspruch in Höhe der Hälfte seines festen Jahresgehalts im Falle einer Kündigung seines Anstellungsvertrages durch die Gesellschaft regelt. Denn diese Regelung greift im hier vorliegenden Falle einer berechtigten außerordentlichen Kündigung des Vertrages durch die Gesellschaft nicht ein. Zwar unterscheidet sie nicht zwischen ordentlicher und außerordentlicher Kündigung. Wenn aber § 5 Abs. 1 c des Vertrages dem Kläger einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung bereits für den Fall versagt, dass der Vertrag nach Ablauf seiner vereinbarten Laufzeit am 30.11.2003 aus einem von ihm verschuldeten Grunde nicht verlängert wird, so ist die Bestimmung in § 5 Abs. 2 dahin auszulegen, dass dem Kläger im Falle einer vorzeitigen Beendigung seines Vertrages infolge einer berechtigten außerordentlichen Kündigung von Seiten der Gesellschaft ebenfalls kein Anspruch auf Zahlung einer Abfindung zuzubilligen ist. Hierfür spricht auch, dass gemäß § 2 Abs. 3 S. 3 des Vertrages (Bl. 99 d.A.) bei Vertragsbeendigung infolge Kündigung von Seiten der Gesellschaft aus wichtigem Grunde ein Anspruch auf Zahlung einer Tantieme ebenfalls nicht besteht.

Indessen stehen dem Kläger gegen den Beklagten aufrechenbare Ansprüche auf Ersatz seines danach auf 40.488,05 EUR begrenzten Schadens aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

Die Voraussetzungen für Ansprüche gegen den Beklagten persönlich aus dem Gesichtspunkt einer unerlaubten Handlung (§§ 823 Abs. 2 i.V.m. § 401 und § 400 Abs. 1 S. 1 AktienG sowie aus § 826 BGB) sind nicht dargetan.

Sowohl § 401 Abs. 1 als auch § 400 AktienG sind zwar Schutzgesetze im Sinne vom § 823 Abs. 2 BGB (Münchner Kommentar zum Aktiengesetz/Schaal, § 401 AktienG Rn. 7 und Palandt/Sprau, BGB, 65. Auf., § 823 BGB Rn. 61). Soweit der Kläger einen Schadensersatzanspruch darauf stützt, dass der Beklagte als Aufsichtsratvorsitzender an der Rücknahme der Insolvenzanträge der A AG am 10.02.2000 und 26.09.2003 mitgewirkt habe (§§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 401 Abs. 1 Nr. 2 AktienG, 25 StGB), kann er damit keinen Erfolg haben, weil jedenfalls nicht feststellbar ist, dass durch eine solche Handlung ein bei dem Kläger eingetretener Schaden verursacht worden wäre. Denn wäre der Insolvenzantrag nicht am 10.02.2000 zurückgenommen worden, so wäre es nach Darstellung des Klägers zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A AG gekommen. In diesem Falle aber ist es nicht ersichtlich, dass der Kläger in der Zeit von November 2002 bis 10.01.2003 eine Vergütung als Vorstand der Gesellschaft erhalten hätte.

Die Rücknahme des Insolvenzantrags vom 26.09.2003 kann bereits deshalb nicht ursächlich für einen dem Kläger entstandenen Schaden geworden sein, weil Vergütungsansprüche des Klägers - wie bereits ausgeführt - nur bis zum 10.01.2003 bestanden.

Auch soweit der Kläger einen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten darauf stützt, dass dieser in seiner Eigenschaft als Aufsichtsrat der A AG die Verhältnisse der Gesellschaft, insbesondere ihre Insolvenzreife, gegenüber der Hauptversammlung und in Darstellungen in den Jahresabschlüssen und Berichten an Vorstand und Hauptversammlung verschleiert habe (§ 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktienG) kann ihm dies nicht zum Erfolg verhelfen. Wäre der Insolvenzantrag bereits vor dem 24.12.1999 eingereicht worden, so wäre nach Darstellung des Klägers das Insolvenzverfahren daraufhin eröffnet worden. Dann aber wäre - wie bereits ausgeführt - an den Kläger für die Zeit von November 2002 bis 10.01.2003 keine Vergütung als Vorstand von der A AG entrichtet worden.

Auch ist ein Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten aus dem Gesichtspunkt der sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) nicht dargetan. Soweit der Kläger dem Beklagten vorwirft, die fristlose Kündigung seines Dienstvertrages am 25.10.1999 - wie wohl auch alle nachfolgenden außerordentlichen Kündigungen - durch den Beklagten in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender der A habe allein dem Zweck gedient, den Kläger als Vorstand zu verhindern und ihm seine Ansprüche aus dem Dienstvertrag unbefugt zu entziehen, kann dies den Vorwurf einer sittenwidrigen Schädigung nicht stützen.

Es kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob der A bei Ausspruch der Kündigungen vom 25.10.1999 jeweils ein Grund zur fristlosen Kündigung gemäß § 626 BGB zur Seite stand oder nicht. Denn das Fehlen allein eines solchen Kündigungsgrundes führt nicht zu der Annahme der Absicht einer vorsätzlichen Schadenszufügung. Es genügt insoweit nicht, dass das Verhalten des Schädigers gegen vertragliche Pflichten verstößt, als unbillig erscheint oder einen Schaden hervorruft; hinzu treten muss nach der Rechtsprechung vielmehr eine besondere Verwerflichkeit des Verhaltens, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage tretenden Gesinnung oder den eintretenden Folgen ergeben kann (BGH NJW 2004 S. 2664, 2668; Palandt/Sprau, BGB, 65. Aufl., § 826 Rn. 2). Aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich, dass Gründe für die seit Oktober 1999 zutage getretene Absicht der insoweit durch den Aufsichtsrat vertretenen A AG (§ 112 AktienG), sich von dem Kläger zu trennen, nicht eine Schädigungsabsicht, sondern Meinungsverschiedenheiten und Unstimmigkeiten in Fragen der Geschäftsführung waren. Es kann nicht als sittenwidrig bezeichnet werden, wenn sich im Hinblick auf die besondere Vertrauensstellung, die der Vorstand einer Aktiengesellschaft genießt, die Gesellschaft von diesem bei Unstimmigkeiten trennen will und hierbei zu dem Mittel der außerordentlichen Kündigung greift, wenn der Dienstvertrag mit dem Vorstandsmitglied befristet, eine ordentliche Kündigung daher nicht möglich ist und aus Sicht des Aufsichtsrats ein Grund zur außerordentlichen Kündigung des Dienstvertrages vorliegt.

Somit kommen zur Begründung eines Schadens, der bei dem Kläger in der Form nicht gezahlter Vorstandsbezüge eingetreten ist, nur noch Ansprüche nach dem Aktiengesetz in Betracht. Der Kläger stützt seine Schadenersatzansprüche zum einen auf angebliche Pflichtverletzungen des Beklagten in dessen Eigenschaft als Aufsichtsrat der A AG (§§ 116, 93 Abs. 5 AktienG), zum anderen auf verschiedene Handlungen, die eine Verletzung der Leitungsmacht des Beklagten als herrschendes Unternehmen im Sinne von § 311 AktienG beinhalten sollen (§ 317 Abs. 1, 4 i.V.m. 309 Abs. 4, 318 Abs. 2 und 4 i.V.m. § 309 Abs. 4 S. 3 AktienG).

Diese Ansprüche setzen jeweils voraus, dass der Gläubiger von der Gesellschaft keine Befriedigung erlangen kann. Diese Voraussetzung ist indessen nicht erfüllt. Hierzu genügt es nicht, dass der Gläubiger von der Gesellschaft trotz Fälligkeit seiner Forderung keine Zahlung erhalten hat; die Gesellschaft muss objektiv unfähig sein, wegen Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung den Anspruch zu befriedigen. Dass eine zahlungsfähige Gesellschaft nicht zahlen will, ist nicht hinreichend. Es ist aber auch nicht nötig, dass der Gläubiger bereits die Zwangsvollstreckung versucht oder gegen die Gesellschaft geklagt hat, die Zahlungsunfähigkeit kann vielmehr in jedweder Weise nachgewiesen werden. Der Gläubiger muss nachweisen, dass die Gesellschaft objektiv nicht in der Lage ist, seine fällige Forderung zu begleichen. Das ist der Fall, wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet ist, der Vorstand demnach nach § 92 Abs. 2 AktG verpflichtet ist, unverzüglich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Praktische Bedeutung kommt daher dem Zugriffsrecht der Gläubiger im wesentlichen nur dann zu, wenn der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist (Münchner Kommentar, a.a.O. Rn. 142).

Den Beweis, dass die A AG nicht zahlen kann, hat der Kläger nicht geführt. Zwar sind zwei Vollstreckungsversuche des Klägers vergeblich gewesen; in einem Falle handelte es sich um ein Konto, das nicht mehr Gesellschaftskonto war, im zweiten Fall um ein Konto, das nur ein geringes Guthaben aufwies. Auch hat der Rechtsanwalt RA2 in seinem Bericht vom 08.08.2003 (Bl. 33 f. d.A.) festgestellt, dass die Gesellschaft zahlungsunfähig und buchmäßig überschuldet ist (Bl. 34 d.A.). Indessen hat der Sonderprüfer C in seinem Schlussbericht (Anlagenband) erklärt, dass möglicherweise noch Lizenzen vorhanden seien, die zu verwerten sind. Ferner hat er auf Ansprüche hingewiesen, die der Gesellschaft gegen frühere Vorstände, Liquidatoren und Aufsichtsräte zustehen könnten. Der Kläger selbst legt auf S. 9 bis 20 der Klageschrift (Bl. 9 bis 20 d.A.) dar, dass der A AG gegen den Beklagten als Aufsichtsrat Schadenersatzansprüche in Höhe von mehr als 8,5 Mio. Euro erwachsen sind.

Schadensersatzansprüche, die der Kläger als Aktionär der A AG gegen den Beklagten geltend macht, weil es sich bei diesem um ein herrschendes Unternehmen im Sinne von § 311 AktienG handle, der Maßnahmen zum Nachteil der A AG getroffen und durch die dieser ihr einen Schaden zugefügt habe (§§ 317 Abs. 1 und 4, 309 Abs. 4 S. 1 AktienG) scheiden bereits deshalb aus, weil der Aktionär nur Leistung an die Gesellschaft fordern kann (§ 309 Abs. 4 S. 2 AktienG). Der Kläger verlangt jedoch Leistung an sich selber.

Da die Zwangsvollstreckung des Beklagten aus dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 04.07.2002 - Az.: 2/20 O 226/01 - nicht für unzulässig zu erklären war, ist der Beklagte auch nicht verpflichtet, die ihm erteilte vollstreckbare Ausfertigung dieses Urteils an den Kläger herauszugeben.

Die Kosten des Berufungsverfahrens muss der Kläger tragen, weil sein Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Der Antrag des Klägers, das Urteil ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 710 ZPO) konnte keinen Erfolg haben, weil der Kläger Schuldner des Kostenerstattungsanspruchs des Beklagten ist.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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