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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 29.11.2006
Aktenzeichen: 19 U 120/06
Rechtsgebiete: EGGVG, StVollzG
Vorschriften:
EGGVG § 23 | |
StVollzG § 109 |
Gründe:
I.
Die Klägerin ist Immobilienmaklerin. Sie verlangt von der Beklagten die Zahlung von Maklerprovision für die Vermittlung des Verkaufs des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks ...Straße in O1.
Die Beklagte beauftragte die Klägerin unter dem 21./22.10.2003 mit dem Nachweis von Kaufinteressenten bzw. der Vermittlung eines Kaufvertragsabschlusses über das oben genannte Objekt. Die Beklagte war daran interessiert, vom Käufer den Kaufpreis im Wege lebenslang monatlich zu beziehender Rentenzahlungen zuzüglich einer sofort fälligen Anzahlung zu erhalten.
Demgemäss wurde im Maklervertrag für die Preisgestaltung des Kaufvertrages eine Anzahlung von 50.000,-- EUR und eine monatliche Rentenzahlung von 5.650,-- EUR vorgesehen. Nr. 9 des Maklervertrages regelt die Frage der vom Verkäufer an den Makler zu zahlenden Vergütung. Die Klausel lautet: "Der Verkäufer zahlt keine Maklercourtage. Dafür darf der Makler das Objekt mit einer Anzahlung von EUR 80.000,-- anbieten. Die eventuell über EUR 50.000,-- liegende Anzahlung ist dann die Maklercourtage und wird nach Abschluss des notariellen Kaufvertrages gezahlt". Die in diese Klausel handschriftlich eingetragenen Euro-Beträge stammen vom Ehemann der Beklagten, dem diese Beträge von einem Mitarbeiter der Klägerin auf Anfrage mitgeteilt worden waren.
Auf Vermittlung der Klägerin verkaufte die Beklagte das Grundstück gemäß notarieller Urkunde des Notars A vom 18.06.2004 zu einem Kaufpreis, der sich aus einer Anzahlung von 100.000,-- EUR und Rentenzahlungen von monatlich 5.330,-- EUR zusammensetzt. Die Klägerin verlangt unter Bezugnahme auf Nr. 9 des Maklervertrages eine Vergütung von 30.000,-- EUR.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 30.000,-- EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 02.07.2004 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet, der Zeuge Z1 habe im Rahmen der Verhandlungen zum Abschluss des Maklervertrages immer wieder darauf hingewiesen, dass sie - die Beklagte - keinerlei Courtage zu zahlen habe. Diese sei allein vom Käufer zu tragen. Mit Schriftsatz vom 17.05.2005 hat die Beklagte die Anfechtung des Maklervertrages erklärt, da sie durch die entsprechenden Äußerungen des Zeugen arglistig getäuscht worden sei.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Z1. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 20.03.2006 Bezug genommen (Bl. 95 - 104 d.A.). Das Landgericht hat der Klage durch am 09.05.2006 verkündetes Urteil stattgegeben (Bl. 129 - 137 d.A.). Gegen das ihr am 12.05.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 08.06.2006 Berufung eingelegt und das Rechtsmittel nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 14.08.2006 am 10.08.2006 begründet.
Die Beklagte macht mit der Berufung geltend, die Klausel Nr. 9 des Maklervertrages sei unwirksam, weil sie gegen das Transparenzgebot verstoße. Der Text sei widersprüchlich, zumindest aber unklar. Die Übererlösklausel gemäß Nr. 9 des Vertrages sei auch nach § 138 BGB sittenwidrig, da es sich um ein erheblich überhöhtes Entgelt handele, indem der Makler den Übererlös vollständig für sich abschöpfe. Daraus ergebe sich ein auffälliges Missverhältnis zur Leistung des Maklers. Auch sei die Beweiswürdigung des Landgerichts fehlerhaft.
Die Beklagte beantragt,
das am 09.05.2006 verkündete Urteil des Landgerichts Limburg abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil, insbesondere die Wirksamkeit der Vergütungsvereinbarung.
II.
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten keine Vergütung für ihre Maklertätigkeit beanspruchen. Denn die Regelung in Nr. 9 des Maklervertrages über die vom Verkäufer zu beanspruchende Vergütung ist unwirksam. Sie benachteiligt die Beklagte entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, weil sie nicht klar und verständlich ist (§ 307 Abs. 1 BGB).
Nr. 9 des Maklervertrages ist eine von der Klägerin gestellte Vertragsbedingung. Es lässt den AGB-Charakter dieser Vertragsbestimmung unberührt, dass der Ehemann der Beklagten in die Leerräume der Klausel handschriftlich die Euro-Beträge "80.000,--" und "50.000,--" eintrug. Nur dann, wenn Ergänzungen, die den wesentlichen Inhalt der Klausel festlegen, vom Vertragspartner des Verwenders des Formulars nach seiner freien Entscheidung ausgefüllt werden, ohne dass vom Verwender vorformulierte Entscheidungsvorschläge hinzugefügt wurden, stellt dieser Formularteil in der Regel keine AGB dar. Anders verhält es sich jedoch, wenn der Verwender dem Vertragspartner den Inhalt der von diesem vorzunehmenden Ergänzung mitteilt und somit einseitig von seiner Gestaltungsmacht Gebrauch macht (BGH NJW 1998, 1066, 1067 m.w.N.). So liegt es hier. Die handschriftlichen Eintragungen entsprechen den Angaben, die ein Mitarbeiter der Klägerin fernmündlich dem Ehemann der Beklagten gemacht hat.
An der wirksamen Einbeziehung der Klausel, die Bestandteil des von beiden Parteien unterzeichneten schriftlichen Maklervertrages ist, bestehen keine Bedenken. Es ist ohne Belang, dass - wie die Beklagte geltend macht - bereits vor Abschluss des schriftlichen Vertrages ein mündlicher Vertrag zwischen den Parteien ohne eine entsprechende Regelung zu Stande gekommen ist. Der später abgeschlossene schriftliche Vertrag ändert und modifiziert den Inhalt der mündlichen Vereinbarungen und ist entsprechend dem Willen der Parteien die maßgebliche Grundlage zur Bestimmung des Vertragsinhaltes.
Nr. 9 des Vertrages ist wegen mangelnder Transparenz als eine unangemessene Benachteiligung der Beklagten im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB anzusehen. Das Transparenzgebot verpflichtet den Klauselverwender, die Rechte und Pflichten seines Vertragspartners in den AGB möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei gebieten Treu und Glauben auch, dass die Klausel wirtschaftliche Nachteile und Belastungen soweit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (BGH NJW 2001, 2014, 2016 m.w.N.). Diesen Anforderungen wird die Klausel nicht gerecht.
Nr. 9 der AGB legt auch für den aufmerksamen und sorgfältigen Kunden das Verständnis einer typischen Mehrerlösklausel nahe, wonach der Makler (nur) dann, eine Maklercourtage vom Verkäufer erhält, wenn der Verkauf zu einem echten Mehrerlös führt, indem der sich aus Anzahlung und monatlichen Rentenzahlungen zusammengesetzte Gesamtkaufpreis eine höhere Anzahlung (bei gleichbleibendem Rentenanteil) als im Maklervertrag angenommen ergibt. Für eine dahingehende Auslegung spricht, dass nach S. 1 der Klausel der Verkäufer keine Maklercourtage zahlt, und dass der Makler nach S. 2 der Klausel das Objekt nur mit einer höheren Anzahlung anbieten darf, von einer Veränderung des Rentenanteils des Kaufpreises jedoch nicht die Rede ist. Hingegen soll nach S. 3 der Klausel Nr. 9 eine Maklercourtage vom Verkäufer bereits dann zu zahlen sein, wenn (allein) die Anzahlung des Käufers den im Maklervertrag vorgesehenen Betrag übersteigt.
Deshalb lässt S. 3 der Klausel Nr. 9 die Auslegung zu, dass eine Erhöhung der Anzahlung im Kaufvertrag einen Courtageanspruch des Maklers gegen den Verkäufer selbst dann begründet, wenn die höhere Anzahlung des Käufers mit einer Verringerung des Rentenanteils "erkauft" wird und der durch den Verkauf erzielte Gesamtkaufpreis - bestehend aus Anzahlung und Rentenanteil - geringer ist als nach dem Maklervertrag vorgesehen. Die Auslegung der Klausel, die für den Makler einen Courtageanspruch gegen den Verkäufer sogar dann ergibt, wenn der aus dem Verkauf erlangte Kaufpreisanspruch bei Erhöhung der Anzahlung und Verringerung des Rentenanteils einen Mindererlös ergibt, ist maßgeblich. Denn die kundenfreundlichste Auslegung im Sinne des § 305 c Abs. 2 BGB erfordert auch im Individualprozess die Prüfung, ob die Klausel bei kundenfeindlichster Auslegung unwirksam ist (Palandt/Heinrichs, 65. Aufl., BGB § 305 c Rdnr. 20 m.w.N.). Diese Auslegung ergibt die Verletzung des Transparenzgebotes, weil die Klausel für den Maklerkunden das erhebliche wirtschaftliche Risiko verschleiert, selbst bei einem Mindererlös aus dem Verkauf allein wegen einer höheren Anzahlung Maklercourtage in Höhe der Differenz zu der im Maklervertrag vorgesehenen Anzahlung zu schulden.
Die Klausel Nr. 9 des Maklervertrages ist aber nicht nur hinsichtlich der Voraussetzungen, bei deren Vorliegen ein Courtageanspruch des Maklers gegen den Verkäufer entsteht, sondern auch hinsichtlich der Höhe der Courtage intransparent. Denn der Anspruch des Maklers wird der Höhe nach nicht auf die Differenz beschränkt, die sich aus den in Nr. 9 der AGB genannten Beträgen einer Anzahlung ergibt. S. 3 der Klausel Nr. 9 lässt vielmehr die Auslegung zu, dass für die Höhe der Courtage der über 50.000,-- EUR hinaus gehende Mehrbetrag einer Anzahlung in beliebiger Höhe maßgeblich ist. Hierdurch wird für den Maklerkunden der wirtschaftliche Nachteil verschleiert, der sich daraus ergibt, dass der Makler bei einem Verkauf des Grundstücks mit einer noch höheren Anzahlung als 80.000,-- EUR jeden Mehrbetrag ohne Begrenzung nach oben als Courtage beanspruchen kann.
Die Klausel Nr. 9 des Maklervertrages stellt sich auch nicht unter Berücksichtigung der den Vertragsschluss begleitenden Umstände (§ 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB) als wirksam dar. Wie die Beweisaufnahme vor dem Landgericht ergeben hat, wurden die sich aus der Klausel ergebenden Risiken nicht offen gelegt. Vielmehr hat der bei der Klägerin angestellte Zeuge Z1 ausgesagt, dass er in dem Vertragsgespräch mit der Beklagten und deren Ehemann angesprochen habe, dass der Verkäufer üblicherweise keine Courtage zahle, sondern eine sogenannte Mehrerlösklausel wie in Nr. 9 des Maklervertrages vereinbart werde, und dass der über 50.000,-- EUR hinaus gehende Anzahlungsbetrag dann die Courtage sein solle.
Die danach bei den Vertragsverhandlungen abgegebenen Erklärungen des Zeugen beseitigen die Intransparenz der Klausel Nr. 9 des Maklervertrages nicht, sondern entsprechen ihr.
Wegen der Unwirksamkeit der Klausel in Nr. 9 des Maklervertrages steht der Klägerin danach der Klageanspruch nicht zu. Er kann auch nicht auf die nach § 306 Abs. 2 geltende gesetzliche Vorschrift des § 652 Abs. 1 BGB i.V.m. § 653 Abs. 1 BGB gestützt werden. Da bei den Vertragsgesprächen zwischen den Parteien unstreitig die Rede davon war, dass die Klägerin Maklercourtage vom Käufer erhält, war die dem Makler von der Verkäuferin übertragene Leistung nicht nur gegen eine Vergütung zu erwarten.
Die Klage ist auch dann nicht begründet, wenn man die Klausel Nr. 9 des Maklervertrages zu Gunsten der Beklagten im Sinne einer echten Mehrerlösklausel dahin auslegt, dass die Klägerin von der Beklagten (nur) dann Courtage beanspruchen kann, wenn bei dem Verkauf als Kaufpreis bei unveränderter Höhe des Rentenanteils eine höhere Anzahlung vereinbart wird, und wenn man die Klausel mit diesem Inhalt als wirksam ansieht. Denn diese Voraussetzungen liegen nicht vor, da in dem Kaufvertrag Rentenzahlungen in Höhe von 5.330,-- EUR monatlich an Stelle - wie im Maklervertrag vorgesehen - 5.650,-- EUR monatlich vereinbart wurden.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen, da die Klage im Ergebnis keinen Erfolg hat (§ 91 Abs. 1 ZPO).
Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht. Das gilt auch mit Rücksicht darauf, dass die Geschäftstätigkeit der Klägerin unter Verwendung der als unwirksam erachteten Klausel auch außerhalb des Bezirks des Oberlandesgerichts Frankfurt/Main stattfindet. Es ist nicht ersichtlich, dass es sich bei der Klausel um eine typische Vereinbarung handelt, die Makler dann verwenden, wenn der Kaufpreis für eine Grundstück sich aus Anzahlung und Rentenzahlungen zusammensetzen soll.
Ende der Entscheidung
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