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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 12.10.2005
Aktenzeichen: 19 U 154/05
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 85 Abs. 2 | |
ZPO § 233 | |
ZPO § 234 | |
ZPO § 114 | |
ZPO § 115 | |
ZPO § 117 Abs. 4 |
2. Eine ordnungsgemäße Darlegung erfordert bei Bezugnahme auf PKH-Unterlagen aus der Vorinstanz zusätzlich die unmissverständliche Erklärung, dass sich an den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen seither nichts verändert habe.
3. § 85 Abs. 2 findet auch im PKH-Verfahren Anwendung.
Gründe:
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten aus einer Bürgschaft vom 20.08.1998 auf Zahlung in Höhe von 20.451,68 Euro in Anspruch. Mit Teilversäumnis- und Schlussurteil vom 21.3.2005 (Bl.20f. d.A.) hat das Landgericht Frankfurt am Main den Beklagten zur Zahlung des vorstehend genannten Betrages nebst Zinsen verurteilt und mit weiterem Urteil vom 21.6.2005 das Teilversäumnisurteil aufrechterhalten. Gegen dieses seinem Bevollmächtigten am 29.6.2005 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 25.7.2005, eingegangen an diesem Tag, einen Antrag auf Prozesskostenhilfe für den zweiten Rechtszug nebst Berufungsentwurf, mit dem er die Abänderung des Urteils vom 21.6.2005 begehrt, eingereicht. Zugleich hat er auf die in der ersten Instanz vorgelegte Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Bezug genommen. Darüber hinaus hat der Beklagte erklärt, er beabsichtige, nach der Entscheidung des Senats über die Prozesskosten einen Antrag auf Wiedereinsetzung hinsichtlich der Versäumung der Berufungsfrist zu stellen.
Mit Verfügung vom 13.09.2005, auf deren Inhalt Bl.83f. d.A. wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat der Senat darauf hingewiesen, dass die beantragte Prozesskostenhilfe zu versagen sein dürfte, weil die beabsichtigte Rechtsverteidigung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit weiterem Schriftsatz vom 4.10.2005, in welchem er nunmehr ausdrücklich versichert, dass sich an seinen wirtschaftlichen Verhältnissen seit der ersten Instanz nichts geändert habe. Er beantragt nunmehr auch, ihm für die vollständige Erhebung seines Prozesskostenhilfeantrages Wiedereinsetzung zu gewähren. Zur Begründung seiner Anträge macht der Beklagte geltend, er habe die Vornahme einer fristwahrenden Handlung unverschuldet versäumt und sei deshalb berechtigt, den vollständigen Antrag auf Prozesskostenhilfe noch später, nämlich innerhalb der Frist des § 234 ZPO, zu stellen. Im übrigen habe er davon ausgehen dürfen, dass die bloße Bezugnahme auf die erstinstanzlichen Prozesskostenunterlagen im Zusammenhang mit dem Hinweis auf seine nach wie vor bestehende Bedürftigkeit ausreiche.
Schließlich sei ihm ein etwaiges Verschulden seines Prozessbevollmächtigten nicht zurechenbar, da § 85 Abs.2 ZPO auf das nicht kontradiktorische Prozesskostenhilfeverfahren keine Anwendung finde.
II.
1. Der Antrag des Beklagten auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die zweite Instanz ist nicht begründet, weil die beabsichtigte Berufung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Wie der Senat in seinem Hinweis vom 13.09.2005 bereits mitgeteilt hat, ist die beabsichtigte Berufung wegen Versäumung der Berufungsfrist unzulässig.
Denn dem Beklagten wird insoweit keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sein, weil er die Berufungsfrist nicht schuldlos versäumt hat.
Einer Partei, die vor Ablauf der Rechtsmittelfrist Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Rechtsmittels beantragt, ist nach Ablehnung des Prozesskostenhilfegesuchs nur dann wegen der Versäumung der Rechtsmittelfrist Wiedereinsetzung nach § 233 ZPO zu gewähren, wenn sie vernünftigerweise nicht mit der Verweigerung der Prozesskostenhilfe wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen musste, sich also für arm halten und davon ausgehen durfte, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe genügend dargetan zu haben. Von einer ordnungsgemäßen Darlegung dieser Voraussetzungen darf eine anwaltlich vertretene Partei nicht ausgehen, die innerhalb der Rechtsmittelfrist weder den nach § 117 Abs.4 ZPO erforderlichen, ordnungsgemäß ausgefüllten Vordruck vorgelegt noch ihre Bezugnahme auf Prozesskostenhilfe-Unterlagen aus der Vorinstanz mit der unmissverständlichen Erklärung verbunden hat, dass sich an den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen seither nichts verändert habe (BGHZ 148, 66, 69; BGH NJWE-FER 2001, 57f.; BGH VersR 1997, 383; Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 119 Rdnr.53, 60a, 60b). Dieser Mitteilung kommt eine wesentliche Bedeutung zu, weil Prozesskostenhilfe nur dann gewährt werden darf, wenn die Voraussetzungen der §§ 114, 115 ZPO im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag vorliegen.
An einer ordnungsgemäßen Darlegung im dargestellten Sinne fehlt es vorliegend. Der Beklagte hat in seinem Antrag auf Prozesskostenhilfe lediglich auf sein in erster Instanz benutztes Formular verwiesen ohne zugleich unmissverständlich zu versichern, dass die Verhältnisse seitdem unverändert geblieben sind und eine neue Erklärung denselben Inhalt haben müsse. Eine derartige Mitteilung wäre umso mehr erforderlich gewesen, als dass der Beklagte - wie seiner in erster Instanz vorgelegten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse unter Pkt. E zu entnehmen ist - einen Antrag auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe (ALH) gestellt hat und nicht bekannt ist, ob diesem Antrag durch eine zwischenzeitlich getroffene Entscheidung entsprochen worden und es dadurch zu einer Veränderung seiner Einkommensverhältnisse gekommen ist.
Demgegenüber kann der Beklagte nicht mit Erfolg einwenden, er sei befugt, auch noch nach Ablauf der Rechtsmittelfrist die erforderliche Erklärung, dass sich gegenüber den in der Vorinstanz vorgelegten Unterlagen an seiner persönlichen wie wirtschaftlichen Situation nichts geändert habe, abzugeben. Die Nachholung der erforderlichen Erklärung ist nicht möglich. Der Beklagte lässt nämlich unberücksichtigt, dass nach der in diesem Zusammenhang zitierten Entscheidung des BGH vom 21.02.2002 (NJW 2002, 2180) dies nicht generell, sondern nur im Falle eines fehlenden Verschuldens gilt. Dieser Fall ist vorliegend nicht gegeben. Denn soweit der Beklagte, wie im Hinweis bereits im einzelnen ausgeführt, nicht von einer ordnungsgemäßen Darlegung der wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe innerhalb der Rechtsmittelfrist ausgehen durfte, hat er schuldhaft gehandelt. Im Übrigen wird er durch die vom Senat im Anschluss an die Rspr. des BGH vertretene Ansicht auch nicht im Verhältnis zu einer bemittelten Partei benachteiligt, weil das Versäumen der gebotenen Erklärung nicht auf sein wirtschaftliches Unvermögen zurückzuführen ist.
Ohne Erfolg bleibt ferner der Einwand, die gebotene Versicherung, wonach sich an seinen Verhältnissen seit der ersten Instanz nichts geändert habe, ergebe sich zumindest mittelbar bzw. konkludent aus dem Hinweis auf seine nach wie vor bestehende Bedürftigkeit. Wie im Hinweis vom 13.09.2005 bereits ausgeführt, kann der um Prozesskostenhilfe nachsuchende Antragsteller seine Bedürftigkeit nicht auf beliebige Weise darlegen. Vielmehr schreibt das Gesetz zwingend vor, zur Darlegung der Bedürftigkeit einen bestimmten Vordruck zu benutzen, damit die Erklärung in der dort geforderten Weise aufgegliedert und substantiiert wird. Abweichend von diesen strengen gesetzlichen Anforderungen hat die Rechtsprechung ausnahmsweise die Bezugnahme auf einen in der Vorinstanz vorgelegten Vordruck zugelassen, wenn der Antragsteller zugleich unmissverständlich mitteilt, dass sich seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht geändert haben. Es genügt nicht, dass sich die unveränderten Verhältnisse aus der Berufungsbegründung entnehmen lassen (BGH VersR 1997, 383; Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 119 Rdnr.53). Dies gilt vorliegend um so mehr, als dass der Beklagte in erster Instanz angegeben hatte, er habe Arbeitslosenhilfe beantragt, nicht aber mitgeteilt hat, ob dem Antrag mittlerweile entsprochen worden ist.
Schließlich hat sich der Beklagte ein etwaiges Verschulden seines Bevollmächtigten anrechnen zu lassen. Die Vorschrift des § 85 Abs.2 ZPO, wonach das Verschulden des Bevollmächtigtem demjenigen der Partei gleichsteht, findet auch im Prozesskostenhilfeverfahren Anwendung (BGHZ 148, 70ff.; BGH VersR 1997, 383; Zöller, a.a.O., § 119 Rdnr.60b).
Der Gesetzgeber hat in § 85 Abs.2 ZPO die Gleichstellung des Verschuldens eines Bevollmächtigten mit dem der Partei ohne jede Einschränkung angeordnet, diese Regelung in die allgemeinen Vorschriften des ersten Buches der ZPO eingestellt und sie dadurch mit einem umfassenden Geltungsanspruch ausgestattet. Zudem enthalten die Bestimmungen über die Prozesskostenhilfe keine hiervon abweichende Sondervorschrift. Demgegenüber greift auch nicht der Einwand, der Zweck der oben genannten Vorschrift erfasse nicht das nicht-kontradiktorische Verfahren nach den §§ 114ff. ZPO. Der Prozessgegner des Antragstellers, hier die Klägerin, ist nämlich kein unbeteiligter Außenstehender. Auch seine Interessen werden von der zu treffenden Entscheidung berührt, weshalb er im Prozesskostenhilfeverfahren grundsätzlich auch rechtliches Gehör erhält (§ 118 Abs.1 S.1 ZPO). Schließlich ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass es hier auch um die Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand geht, also um ein Verfahren, das enge Verbindungen zu dem Rechtsstreit der Parteien aufweist.
Denn im Falle einer stattgebenden Entscheidung würde dem Prozessgegner die Rechtsposition eines bereits rechtskräftigen obsiegenden Urteils entzogen werden, weshalb dieser ebenfalls schutzbedürftig ist (BGHZ 148, 72).
Die Kostenscheidung folgt aus § 118 Abs.1 S.4 ZPO.
2. Der Antrag des Beklagten, ihm wegen der Versäumung der vollständigen Erhebung seines Prozesskostenhilfeantrages Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, war ungeachtet der Frage nach der Statthaftigkeit dieses Antrages schon deshalb zurückzuweisen, weil der Beklagte, wie ausgeführt, nicht ohne Verschulden gehindert war, die vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen innerhalb der Rechtsmittelfrist einzureichen.
Ende der Entscheidung
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