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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 22.03.2000
Aktenzeichen: 19 U 168/99
Rechtsgebiete: StVO, StVG, BGB, PflVG, GG
Vorschriften:
StVO § 2 Abs. 5 | |
StVO § 3 Abs. 2 a | |
StVO § 35 Abs. 6 | |
StVG § 7 Abs. 1 | |
StVG § 9 | |
StVG § 18 Abs. 1 | |
BGB § 249 S. 2 | |
BGB § 254 | |
BGB § 284 | |
BGB § 288 | |
BGB § 823 Abs. 1 | |
BGB § 839 | |
BGB § 847 | |
PflVG § 3 Nr. 1 | |
PflVG § 3 Nr. 2 | |
GG Art. 34 |
Tatbestand:
Der Kläger, ein 10 Jahre alter Junge, begehrt von der Beklagten Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalles, der sich am ...05.1997 gegen 11.35 in der ...vor dem Anwesen Nr. ...Ortsteil ... ereignete.
Der Kläger, zu diesem Zeitpunkt 7 Jahre alt, befuhr mit einem Kinderfahrrad den Gehweg vor dem o. a. Anwesen. Der Beklagte zu 1 fuhr mit einem Müllfahrzeug ..., zulässiges Gesamtgewicht 24 Tonnen, die aus Richtung ... kommend auf der linken Straßenseite (in Fahrtrichtung des Lkws gesehen). Der Beklagte zu 2 ist der Halter des unfallbeteiligten Fahrzeuges, die Beklagte zu 3 dessen Haftpflichtversicherer.
Die ... befindet sich in einem Wohngebiet. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit für Fahrzeuge ist auf 30 km/h beschränkt. Zum Zweck der Verkehrsberuhigung sind dort Fahrbahnverengungen, auch durch Blumentröge, hergestellt worden. Eine solche befindet sich auch auf der rechten Fahrbahn (in Fahrtrichtung des Müllfahrzeuges gesehen) unmittelbar an der Unfallstelle.
Der Kläger fuhr auf dem rechten Gehweg (in Fahrtrichtung des Klägers) an dem ihm entgegenkommenden Müllfahrzeug vorbei. Das Müllfahrzeug befuhr nicht die rechte Straßenseite, sondern hielt für die einzelnen Entleerungsvorgängen jeweils am linken Straßenrand (in Fahrtrichtung des Müllfahrzeugs), also unmittelbar an dem von dem Kläger benutzten Gehweg. Dieser Gehweg ist an der Unfallstelle zwischen 1,40 m und 1,47 m breit und mit abgerundeten Bordsteinen zur Fahrbahn abgegrenzt. Der Kläger geriet aus zwischen den Parteien im einzelnen streitigen Gründen vor den linken Einzelreifen der vorderen Hinterachse und wurde von diesem überrollt.
Der Kläger wurde infolge des Unfalls schwer verletzt. Er erlitt ein Überrolltrauma beider Unterschenkel mit schwersten Weichteilverletzungen und drittgradig offener Tibiafraktur links sowie einen Volumenmangelschock mit disseminierter intravasaler Gerinnung. Der rechte Unterschenkel des Klägers wurde in Kniemitte amputiert. Hinsichtlich der weiteren Verletzungen und der Behandlung wird auf den fachärztlichen Bericht des ... Direktor der Klinik für Unfallchirurgie des Klinikums der ...vom 29.09.1997 Bezug genommen (Bl. 15 ff).
Der Kläger macht folgende Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten geltend:
1. Schmerzensgeld gegen die Beklagten zu 1 und 3, das mindestens 100.000, - DM betragen sollte,
2. Schmerzensgeldrente gegen die Beklagten zu 1 und 3 von 400, - DM monatlich,
3. Feststellung der Eintrittspflicht der Beklagten für zukünftige materielle Schäden, bezüglich der Beklagten zu 1 und 3 auch hinsichtlich zukünftiger immaterieller Schäden.
Der Kläger hat behauptet, aufgrund des am linken Bein eingetretenen massiven Weichteiltraumas sei wegen der Muskel - und Nervenverletzungen mit Funktionsbeeinträchtigungen des Beines zu rechnen, über deren Ausmaß erst nach Ende des Wachstums des Klägers eine endgültige Aussage möglich sei. Die Verletzungen und die sich anschließende Heilbehandlung hätten zu einer psychischen Wesensveränderung des Klägers geführt. Auch die am 16.02.1998 vorgenommene Entfernung der Gallenblase sei auf die Unfallverletzungen und die Heilbehandlung zurückzuführen.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagten zu 1 und 3 als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst 4% Zinsen seit dem ...05.1997 zu zahlen,
2. die Beklagten zu 1 und 3 als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger ab 01.06.1997 eine monatliche Schmerzensgeldrente von 400,-- DM, zahlbar bis zum 3. eines jeden Monats im voraus, zu zahlen,
3. festzustellen, dass die Beklagten zu 1 bis 3 als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtlichen zukünftigen materiellen, die Beklagten zu 1 und 3 darüber hinaus verpflichtet sind, dem Kläger sämtlichen zukünftigen immateriellen Schaden aus dem Unfallereignis vom 30.05.1997 in ... zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf den Sozialleistungsträger übergegangen sind.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und dem Kläger ein Schmerzensgeld von 150.000,-- DM sowie eine monatliche Schmerzensgeldrente von 400,-- DM ab dem 01.06.1997 zugebilligt. Ferner hat es die Eintrittspflicht antragsgemäß festgestellt. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt:
Der Beklagte zu 1 habe den Unfall schuldhaft herbeigeführt, da er gegen § 3 Abs. 2 a StVO verstoßen habe. Er habe erst dann mit dem Müllfahrzeug anfahren dürfen, wenn er sich davon überzeugt gehabt hätte, dass der Kläger das Müllfahrzeug passiert und den unmittelbaren Gefahrenbereich des Fahrzeugs verlassen hätte. Der Beklagte zu 2 habe das Sonderrecht des § 35 Abs. 6 StVO nicht in Anspruch nehmen dürfen. Den Kläger als 7 Jahre altes Kind treffe kein Mitverschulden. Wege der Verletzungen, der Schmerzen und der Beeinträchtigungen durch die monatliche Heilbehandlung sei ein Schmerzensgeld von 150.000;-- DM angemessen. Eine monatliche Rente von 400,-- DM sei wegen der lebenslangen Dauerschäden gerechtfertigt. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe verwiesen (Bl 150- 165).
Gegen das den Beklagten am 27.7.1999 zugestellte Urteil haben diese am 27.8.1999 Berufung eingelegt und diese am 27.9.1999 begründet. Mit der Berufung greifen die Beklagten das Urteil des Landgerichts in vollem Umfang an.
Die Beklagten behaupten, der Sturz des Klägers sei nicht durch das Müllfahrzeug verursacht worden. Der Kläger habe sich im Zeitpunkt des Sturzes in Fahrtrichtung des Lkws bewegt oder sei im Zuge eines Wendevorgangs zu Fall gekommen. Die Beklagten sind der Ansicht, daß der Beklagte zu 1 sich auf ein sachgerechtes Verhalten des Kindes verlassen durfte und ihn kein Verschulden treffe.
Die Beklagten beantragen,
das Urteil des Landgerichts Hanau vom 21.7.1999 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Kläger behauptet, er sei im Unfallzeitpunkt in entgegengesetzter Fahrtrichtung zu dem Müllfahrzeug gefahren und mit dem Fahrrad von dem Bürgersteig abgerutscht.
Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die Schriftsätze vom 27.9.1999 (Bl. 182 -188) und vorn 8.11.1999 (Bl. 194 - 198) verwiesen. Die Akte der Staatsanwaltschaft ... wurde beigezogen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet.
Das Landgericht hat der Klage zu Recht in vollem Umfang stattgegeben. Dem Kläger steht gegen die Beklagten zu 1 bis 3 ein Anspruch auf Ersatz der materiellen Unfallschäden, gegen die Beklagten zu 1 und 3 ein Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von 150.000,-- DM sowie eine Schmerzensgeldrente von monatlich 400,-- DM ab dem 01.06.1997 zu.
Die Ansprüche ergeben sich bezüglich des Beklagten zu 1 aus den §§ 18 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1, 847, 249 S. 2 BGB, bezüglich des Beklagten zu 2 aus § 7 Abs. 1 StVG (die Haftungsbegrenzung auf 500.000,-- DM folgt aus § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVG), bezüglich der Beklagten zu 3 aus § 3 Nr. 1 und 2 Pflichtversicherungsgesetz.
Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Haftung des Beklagten zu 1 nicht Wegen § 839 BGB, Artikel 34 GG entfällt. Die Aufgabe der hier ... interessierenden Müllentsorgung wurde nämlich von der Gemeinde ... auf ein privates Unternehmen übertragen und nicht als ein kommunaler Eigenbetrieb organisiert. Damit handelte der Beklagte zu 1 nicht in Ausübung eines öffentlichen Amtes, sondern als Mitarbeiter eines privaten Unternehmens.
Der Beklagte zu 1 hat den Unfall durch sein Fahrverhalten schuldhaft verursacht. Ihn trifft der Vorwurf fahrlässigen Verhaltens.
Die Sorgfaltspflichten, denen der Beklagte zu 1 in seinem Fahrverhalten genügen mußte, bestimmen sich nach § 3 Abs. 2 a StVO. Als Siebenjähriger war der Kläger noch ein Kind im Sinne dieser Vorschrift. Nach § 3 Abs. 2 a StVO muß sich ein Fahrzeugführer gegenüber Kindern so verhalten, dass eine Gefährdung dieser Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Das verlangt von dem Fahrzeugführer das Äußerste an Sorgfalt. Allerdings gilt auch gegenüber Kindern der Vertrauensgrundsatz. Danach muß der Fahrer besondere Vorkehrungen für seine Fahrweise nur dann treffen, wenn entweder das Verhalten der Kinder oder die Situation, in der sie sich befinden, Auffälligkeiten zeigt, die zu einer Gefährdung führen können (BGH NJW 1997, 2756, 2757).
Die Würdigung des Fahrverhaltens des Beklagten zu 1 ergibt auch unter Berücksichtigung des Vertrauensgrundsatzes, dass er den Sorgfaltsanforderungen des § 3 Abs. 2 a StVO nicht gerecht geworden ist.
Nach dem nachgewiesenen Sachverhalt fuhr der Kläger dem sich ihm nähernden Müllfahrzeug entgegen und an diesem - aus der Fahrtrichtung des Klägers- rechts vorbei. Damit war der Kläger für den Beklagten zu 1 als Kind erkennbar. Aus den in der Ermittlungsakte befindlichen Lichtbildem ergibt sich, dass die ... in Fahrtrichtung des Müllfahrzeugs uneingeschränkt einsichtbar war. Insbesondere da der Beklagte zu 1 in seinem Führerhaus eine erhöhte Sitzposition hatte, waren die ... und die aus Fahrtrichtung des Müllfahrzeugs von links einmündende Straße voll einsichtbar. Es bleibt unter diesen Umständen unerheblich, ob der Kläger vor dem Müllfahrzeug die Straßenseite gewechselt hat, ob er aus der links einmündenden Straße herausgekommen oder ob er auf der ... dem Müllfahrzeug von vorn entgegengekommen ist. Nach allen denkbaren Fallkonstellationen hätte der Beklagte zu 1 den Kläger sehen können und müssen. Die Einlassung des Beklagten zu 1 im Rahmen des Ermittlungsverfahrens, er habe den Kläger nicht gesehen, vermag ihn bei dieser Sachlage nicht zu entlasten. Dass der Kläger vor dem Unfall dem Müllfahrzeug von vorn entgegengekommen ist, ergibt sich auch aus den Aussagen der Zeuginnen ... und .... Beide haben übereinstimmend bekundet, dass der Kläger den Gehweg links (aus Sicht der Zeuginnen, die hinter dem Müllfahrzeug fuhren) neben dem Müllfahrzeug in ihre Richtung befuhr. Damit wird deutlich, dass der Beklagte zu 1 den Kläger ebenfalls hätte sehen können und müssen. Unter diesen Umständen besteht das Fehlverhalten des Beklagten zunächst darin, dass er mit dem Müllfahrzeug über eine Strecke von ca. 7 m anfuhr, obwohl sich der Kläger in unmittelbarer Nähe des Müllfahrzeugs und damit in dessen Gefahrenbereich befand.
Der Beklagte zu 1 hätte, um jegliche Gefährdung des Klägers auszuschließen, entweder sein Müllfahrzeug anhalten müssen oder, sofern er sich anschickte loszufahren, nicht losfahren dürfen. Er mußte dafür Sorge tragen, dass eine Gefährdung des Klägers ausgeschlossen war. Dies konnte nur dadurch geschehen, dass er entweder erst losfuhr, wenn der Kläger das Müllfahrzeug gänzlich passiert und den Gefahrenbereich damit verlassen hatte, oder dass er das Müllfahrzeug anhielt, um den Kläger vorbeifahren zu lassen. Diese Verpflichtung des Beklagten zu 1 ergibt sich durch die zum Unfallzeitpunkt vorliegende besondere Situation an der Unfallstelle, wodurch eine Gefährdung des Klägers herbeigeführt werden konnte.
Der Kläger fuhr auf dem nur 1,40 bis 1,47 m breiten Gehweg zwischen dem Müllfahrzeug und der Grundstücksbegrenzung des Anwesens Nr. ... hindurch. Es war damit erkennbar, dass der Kläger in eine Art Engpaß oder - wie das Landgericht zutreffend formuliert hat in eine tunnelartige Verengung hineinfuhr (vgl. BGH VersR 1992, 890, 891). Die Verengung mußte deshalb besonders bedrohlich wirken, weil das Müllfahrzeug eine Höhe von mehreren Metern aufwies und unmittelbar am Gehweg entlangfuhr. Gleichzeitig war durch die vom Müllfahrzeug ausgehenden Geräusche, die wegen der unmittelbaren Nähe zum Gehweg noch verstärkt wahrgenommen werden mußten, eine weitere Auffälligkeit vorhanden, die Kinder auf dem Gehweg in ihrem Verhalten deutlich beeinträchtigen kann. Es bestand daher die erkennbare Gefahr, dass der Kläger als siebenjähriges Kind in dieser Situation sein Fahrzeug nicht mehr beherrschen und es zu einem Fehlverhalten kommen konnte. Unter den gegebenen Umständen hätte das Müllfahrzeug solange eine Halteposition einnehmen müssen, solange der Kläger das Fahrzeug noch nicht passiert hatte. Es ist in diesem Zusammenhang unerheblich, ob der Kläger konkret durch ein Motorengeräusch oder durch ein Abrutschen von der Bordsteinbegrenzung oder durch einen Wendevorgang zu Fall kam und vor das Rad des Müllfahrzeugs geriet. Entscheidend ist, dass der Vertrauensgrundsatz wegen der konkreten Gefahrensituation durchbrochen war und der Beklagte zu 1 sich nicht auf ein sachgerechtes Verhalten des Klägers mehr verlassen durfte.
Den Beklagten zu 1 trifft auch deshalb ein Schuldvorwurf, weil er mit dem Müllfahrzeug auf der linken Fahrbahnseite in Gegenrichtung unmittelbar neben dem Bürgersteig - wie sich dies aus den Lichtbildern der Ermittlungsakte ergibt - gefahren ist. Für diese Fahrweise gab es keine Rechtfertigung, da das Sonderrecht des § 35 Abs. 6 StVO nicht in Anspruch genommen werden durfte. Nach § 35 Abs. 6 StVO dürfen Müllfahrzeuge nur dann in jeder Richtung fahren und halten, soweit ihr Einsatz dies erfordert. Grundsätzlich ist auch hier das Linksfahren nur dann erlaubt, wenn ganz besondere Umstände dies erfordern (Jagusch /Hentschel, Straßenverkehrsgesetz, 35. Aufl., § 35 StVO, RN 12, 13, 20). Unter den gegebenen Umständen in der konkreten Situation war es nicht erforderlich, daß das Müllfahrzeug unmittelbar neben dem Gehweg auf der linken Fahrbahn in Gegenrichtung fuhr. Die Mülltonnen hätten jederzeit geleert werden können (könne geändert: die Redaktion) wenn der Beklagte zu 1 auf der rechten Fahrbahnseite gefahren wäre. Aus den Lichtbildern in der Ermittlungsakte wird deutlich, dass die Straße genügend Platz bot, um ein Fahren auf der rechten Fahrbahnseite trotz des dort stehenden Blumenkübels zu ermöglichen. Eine sachliche Notwendigkeit, auf der linken Fahrbahnseite unmittelbar neben dem Gehweg zu fahren, bestand nicht.
Das Verschulden des Beklagten zu 1 entfällt nicht dadurch, dass er nach den Feststellungen des Sachverständigen ... im Ermittlungsverfahren auf das Umfallen des Fahrrades nicht verspätet reagiert hat und dass das Fahrrad von dem Müllauto nicht berührt wurde. Darauf beruht das dem Beklagten zu 1 vorzuwerfende Fehlverhalten nämlich nicht. Es wird ihm weder zur Last gelegt, dass er den Kläger angefahren noch dass er konkret zum Zeitpunkt des Unfalles verspätet reagiert hat.
Den Kläger trifft an dem Zustandekommen des Unfalls kein Mitverschulden, das seine Ansprüche nach den §§ 9 StVG, 254 BGB mindern könnte.
Zunächst kann dem Kläger nicht zur Last gelegt werden, dass er auf dem Gehweg in die Engstelle zwischen LKW und Hauseinfriedung hineinfuhr. Dazu war er zunächst nach § 2 Abs. 5 StVO berechtigt. Der Gehweg darf sowohl zum Radfahren als auch zum Spielen benutzt werden (Jagusch/Hentschel, aaO,. § 12 RN 29 a). Der Kläger war zudem aufgrund seines Alters und der konkret zu bewertenden Verkehrssituation nicht in der Lage, sich vor dem eingetretenen Schaden zu bewahren. Dabei muß der kindliche Spieltrieb und die kindliche Neugier und Sorglosigkeit berücksichtigt werden. Dies führt dazu, dass es dem Kläger nicht vorgeworfen werden kann, wenn es zu dem konkreten Sturz durch eigenes Fehlverhalten gekommen sein sollte, sei es durch ein Wenden auf dem Gehweg oder durch ein Abrutschen von der Bordsteinkante. Es überfordert in aller Regel die Einsichtsfähigkeit eines siebenjährigen Jungen, sich in der hier zu beurteilenden Situation so zu verhalten, dass es zu einem Unfall nicht kommen kann. Um einen solchen Unfall mit Sicherheit zu vermeiden, hätte der Kläger nämlich anhalten und an der Grundstückseinfriedung warten müssen, bis das Müllfahrzeug vorbei war. Er hätte sich also von dem unmittelbaren Gefahrenbereich des Müllfahrzeugs fernhalten müssen Diese Einsichtsfähigkeit kann von einem siebenjährigen Jungen nicht erwartet werden. Dass der Kläger dann aufgrund der gegebenen Situation zu Fall kam, ist ihm aus den oben beim Verschulden des Beklagten zu 1 dargelegten Umständen nicht anzulasten.
Der Kläger hat aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, denen sich der Senat in vollem Umfang anschließt, Ansprüche auf Schmerzensgeld von 150.000,-- DM und auf eine monatliche Rente von 400,-- DM ab dem 1.6.1997. Um Wiederholungen zu vermeiden wird auf die Entscheidungsgründe des Landgerichts Bezug genommen (Bl. 160 - 164). Insbesondere ist die Höhe des Schmerzensgeldes und der Rente nicht zu beanstanden (vgl. OLG Frankfurt am Main, NJW- RR 1994, 1114).
Der Kläger hat auch den Anspruch auf Feststellung der Eintrittspflicht der Beklagten für zukünftig entstehende materielle und immaterielle Schäden. Aufgrund der schweren Verletzungen des Klägers ist mit dem Eintreten weiterer Unfallfolgen zu rechnen. Unter diesen Umständen kann der Kläger die Feststellung der Eintrittspflicht für künftige materielle Schäden Verlangen, bezüglich der Beklagten zu 1 und 3 auch die Feststellung der Eintrittspflicht bezüglich künftiger immaterieller Schäden, deren mögliche Spätfolgen zum Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht erkennbar sind (BGH VersR 1966, 593; OLG Frankfurt am Main NJW - RR 1994, 1117).
Der Anspruch auf 4% Zinsen folgt aus den §§ 284, 288 BGB.
Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagten nach dem Grad ihrer Beteiligung als Gesamtschuldner zu tragen, da ihr Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§§ 97, 100 Abs. 4 ZPO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Ziffer 10, 711 ZPO.
Die Festsetzung der Beschwer beruht auf § 546 Abs. 2 ZPO.
Ende der Entscheidung
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