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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 28.03.2007
Aktenzeichen: 19 U 235/06
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 280 | |
BGB § 434 | |
BGB § 437 | |
BGB § 444 |
Gründe:
I.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen Nichterfüllung bzw. Schlechterfüllung eines Kaufvertrages.
Die Klägerin kaufte von der Beklagten unter Ausschluss jeder Gewährleistung einen gebrauchten X-Computer, bei welchem es sich nach der Ausstattungsbeschreibung gemäß Anlage 1 zum Kaufvertrag um ein 32-Prozessor-Gerät handelte. Nach dem Vertrag war das System mit einem X-MSQ versiegelt. Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien übernimmt die Firma X mit der MSQ-Versiegelung gegenüber dem Eigentümer des Gerätes die Garantie dafür, dass die in dem MSQ-Bericht angegebene Beschaffenheit gegeben ist.
Die Klägerin sollte den Computer bei der Firma A, zu der die Beklagte es zuvor transportiert hatte, abholen. Als die von der Klägerin beauftragte Spedition bei der Firma A zur Abholung erschien, fand sie dort einen in Folie verpackten und mit Siegeln versehenen X-Computer vor, den sie nach den Vorgaben der Klägerin versendete. Erst nach mehreren Zwischenverkäufen wurde durch den Endabnehmer festgestellt, dass es sich hierbei nicht um das von der Klägerin gekaufte, sondern um ein 24-Prozessor-Gerät mit einer anderen Seriennummer handelte. Den X-Computer, den die Klägerin von der Beklagten gekaufte hatte, hatte die Firma A - ebenfalls in Folie verpackt und mit einer Siegelung versehen - in der Annahme, es handele sich um das ihrerseits von der Beklagten erworbene Gerät zuvor an einen Kunden verkauft und übergeben, der es seinerseits weiterveräußert hat.
Die Klägerin behauptet, die von ihr beauftragte Spedition habe bei der Abholung die Versiegelung und den dazugehörigen MSQ-Bericht des X-Computers überprüft und dabei die Übereinstimmung mit den Angaben im Kaufvertrag festgestellt. Der Computer sei als 32-Prozessor-Gerät gekennzeichnet gewesen. Die Mitarbeiter der Firma X hätten bei der Verpackung und Versiegelung der Computer offenbar das 32-Prozessor-Gerät mit dem 24-Prozessor-Gerät verwechselt. Für den hierdurch entstandenen Schaden müsse die Beklagte haften.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
II.
Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Der Klägerin steht ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung oder Schlechterfüllung des Kaufvertrages nicht zu, obwohl es sich bei der ihr zur Erfüllung des Kaufvertrages übergebenen gebrauchten X-Maschine nach Seriennummer und Ausstattung (insbesondere mit nur 24 Prozessoren anstelle von 32 Prozessoren) nicht um die vereinbarte Kaufsache handelte. Ihr wurde somit ein sogenanntes Identitäts-aliud übergeben. Die in einem solchen Fall eintretenden Rechtsfolgen sind streitig. Überwiegend wird angenommen, dass dann, wenn bei einem Stückkauf eine andere als die gekaufte Sache geliefert wird, der Erfüllungsanspruch entfällt und gemäß § 434 Abs. 3 BGB allein Gewährleistungsansprüche gegeben sind (Palandt/Putzo, 65. Aufl., BGB § 434 Rdnr. 52 a, 54; PWW-Schmidt, BGB § 434 Rdnr. 90; Musielak NJW 2003, 89 ff.; Medicus, Bürgerliches Recht, 19. Aufl., Rdnr. 288). Teilweise wird für die Anwendbarkeit des Gewährleistungsrechts bei Lieferung eines Identitäts-aliuds zusätzlich eine dem Käufer erkennbare ausdrückliche oder schlüssige Tilgungsbestimmung des Verkäufers vorausgesetzt (Westermann in: Münchener Kommentar, 4. Aufl., BGB § 434 Rdnr. 39 m.w.N.). Nach anderer Ansicht soll bei Lieferung eines Identitäts-aliud § 434 Abs. 3 BGB nicht anwendbar sein, sondern der Erfüllungsanspruch fortbestehen (Schulze NJW 2003, 1022; Lettl JuS 2002, 866, 871). Welcher Meinung der Vorzug zu geben ist, bedarf keiner Entscheidung. Denn unabhängig davon, ob man die Gewährleistungsvorschriften oder das allgemeine Leistungsstörungsrecht anwendet, liegen die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nicht vor.
Sieht man gemäß §§ 434 Abs. 3, 437 BGB die Vorschriften über die Gewährleistung bei Sachmängeln als einschlägig an, scheitert ein Schadensersatzanspruch der Klägerin daran, dass die Parteien jegliche Gewährleistung individualvertraglich ausgeschlossen haben. Eine Beschaffenheitsgarantie, die der Beklagten nach § 444 BGB verwehren würde, sich auf den Haftungsausschluss zu berufen, wurde von der Beklagten nicht übernommen. Die Angaben zur Kaufsache in der Anlage 1 zum Kaufvertrag, die eine Vielzahl von Ausstattungsmerkmalen der X-Maschine nennt, stellt neben den Merkmalen zur Identifizierung der Kaufsache (wie Serien-, Modell- und Siegelungsnummer) zwar eine Vereinbarung über deren Beschaffenheit dar, die auch die Ausstattung des Computers als 32-Prozessor-Gerät umfasst. Es liegt jedoch kein Anhaltspunkt dafür vor, dass die Beklagte die Ausstattungsbeschreibung über eine Beschaffenheitsvereinbarung hinaus gehend im Sinne einer Garantie gemäß § 443 BGB auch zusichern wollte. Hierfür ist maßgeblich, dass sich die Klägerin hinsichtlich der Angaben über die Ausstattung des Computers - anders als etwa der Käufer eines Gebrauchtfahrzeugs gegenüber dem Händler, vgl. BGH, Urt. v. 29.11.2006, VIII ZR 92/06, JURIS, Rdnr. 22, 23 - insoweit nicht auf die Erfahrung und Sachkunde der auf dem Gebiet des Leasinggeschäftes und dem Verkauf von Computern tätigen Beklagten verlassen durfte, da die Beschaffenheitsangaben nicht auf eigener Überprüfung durch die Beklagte beruhen, sondern auf dem MSQ-Bericht der Firma X, die nach der von ihr vorgenommenen Untersuchung und Versiegelung des Gerätes die Garantie dafür übernommen hat, dass das Gerät wie im MSQ-Bericht angegeben ausgestattet ist. Danach konnte die Klägerin nicht annehmen, dass die Beklagte die Gewähr für das Vorhandensein der vereinbarten Beschaffenheit übernehmen und für alle Folgen des Fehlens dieser Beschaffenheit einstehen wollte, die sie selbst nicht prüfen konnte und für die Klägerin erkennbar auch nicht geprüft hat.
Der zwischen den Parteien vereinbarte Haftungsausschluss ist in uneingeschränktem Sinne aufzufassen. Zwar ist ein Gewährleistungsausschluss in den Fällen, in denen zugleich eine bestimmte Beschaffenheit der Kaufsache vereinbart ist, regelmäßig dahin auszulegen, dass der Haftungsausschluss nicht für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit, sondern nur für solche Mängel gelten soll, die darin bestehen, dass die Sache sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet bzw. sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet und keine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (BGH a.a.O. Rdnr. 30, 31). Hier liegt die Sache aber deshalb anders, weil die Firma X eine Beschaffenheitsgarantie übernommen hat. In einem derartigen Fall ist die Unverbindlichkeit der Beschaffenheitsvereinbarung im Verhältnis zum Verkäufer für den Käufer nicht ohne Sinn und Wert. Danach führt eine für die Klägerin und die Beklagte interessengerechte Auslegung der Kombination von Beschaffenheitsvereinbarung und Gewährleistungsausschluss hier nicht zu einer einschränkenden Auslegung der Gewährleistungsregelung.
Selbst wenn man den vereinbarten Gewährleistungsausschluss nicht auf den Fall erstreckt, dass dem Computer eine vereinbarte Beschaffenheit fehlt, steht der Klägerin der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gemäß §§ 437 Nr. 3, 280, 281, 283 BGB nicht zu. Denn es fehlt an dem vorauszusetzenden Verschulden der Beklagten, wie sich aus den unten folgenden Gründen zu einem Schadensersatzanspruch aus dem Gesichtspunkt der Unmöglichkeit ergibt.
Bejaht man beim Stückkauf im Falle der Übergabe eines Identitäts-aliud an den Käufer das Fortbestehen des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs, kommt grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gemäß §§ 275, 283, 280 Abs. 1 BGB in Betracht. Denn der Anspruch der Klägerin auf Übergabe und Übereignung der von ihr gekauften X-Maschine ist gemäß § 275 Abs. 1 BGB erloschen. Der Beklagten ist die Leistung unmöglich geworden, weil die Kaufsache von der Firma A an einen Dritten verkauft wurde, der sie sodann weiter verkaufte (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB § 275 Rdnr. 25 m.w.N.).
Der danach in Betracht kommende Schadensersatzanspruch der Klägerin ist jedoch wegen fehlenden Verschuldens der Beklagten ausgeschlossen. Die Beklagte hat den Eintritt der Unmöglichkeit nicht zu vertreten. Der Umstand, dass die Firma A die an die Klägerin verkaufte X-Maschine einem Dritten übereignete, kann der Beklagten nicht zugerechnet werden. Denn insoweit handelte die Firma A nicht als Erfüllungsgehilfe der Beklagten im Vertragsverhältnis zur Klägerin. Soweit die Firma A als Erfüllungsgehilfin der Beklagten die an die Klägerin verkaufte X-Maschine zur Abholung bereit zu stellen hatte, traf die Firma A bei der anderweitigen Übereignung der an die Klägerin verkauften IMB-Maschine deshalb kein Verschulden, weil diese nach dem Sachvortrag der Klägerin nach der angebrachten Versiegelung und dem zugehörigen MSQ-Bericht als die im Eigentum der Firma A stehende Maschine gekennzeichnet war, die Verwechselung somit nicht erkennbar war.
Die Beklagte hat den Eintritt der Unmöglichkeit auch nicht deshalb zu vertreten, weil nach der Behauptung der Klägerin die Mitarbeiter der Firma X sowohl bei der Versiegelung als auch bei dem MSQ-Bericht das 32-Prozessor-Gerät mit dem 24-Prozessor-Gerät verwechselten. Das nach der Behauptung der Klägerin vorliegende Verschulden der Mitarbeiter der Firma X kann der Beklagten nicht zugerechnet werden. Denn diese handelten bei der Versiegelung und der Erstellung des Prüfberichtes nicht als Erfüllungsgehilfen der Beklagten. Vielmehr verkaufte die Beklagte an die Klägerin das bereits mit einem X-MSQ versiegelte System. Ebenso wie ein Lieferant im Verhältnis zum Käufer nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers ist, da sich dessen Pflichten nicht auf die Herstellung der Sache erstrecken (Palandt/Heinrichs, 65. Aufl., BGB § 278 Rdnr. 13 m.w.N.), handelte auch die Firma X nicht als Erfüllungsgehilfe der Beklagten, da diese nach dem Kaufvertrag die Versiegelung mit einem X-MSQ nicht schuldete. Eine eigene Untersuchung und Prüfung der verkauften Sache vor Übergabe an die Klägerin schuldete die Beklagte nicht (Palandt/Putzo, 65. Aufl., BGB § 433 Rdnr. 31). Eine derartige Überprüfung durch die Beklagte schied schon wegen der versiegelten Verpackung des Gerätes aus.
Danach ist ein Schadensersatzanspruch der Klägerin unabhängig von der Frage der Genehmigung der Kaufsache nach § 377 HGB nicht gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen, da ihr Rechtsmittel keinen Erfolg hat (§ 97 Abs. 1 ZPO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Ende der Entscheidung
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