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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 21.07.2006
Aktenzeichen: 19 U 9/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 730
Die auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhenden Ansprüche der Gesellschaft gegen die Gesellschafter und die der Gesellschafter gegen die Gesamthand bzw. andere Gesellschafter werden in einem einheitlichen Verfahren klargestellt; gesondert durchsetzbar sind sie nur noch, soweit dies mit dem nunmehr auf Abwicklung gerichteten Gesellschaftszweck vereinbar ist.
Gründe:

I.

Die Parteien hatten sich aufgrund Vertrages vom 28.02.1989, wegen dessen Einzelheiten auf die vorliegende Ablichtung (Bl. 31, 32 d.A.) verwiesen wird, zum Zwecke des gemeinschaftlichen Betriebs einer Rechtsanwaltskanzlei zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammengeschlossen. Spätestens aufgrund seiner Kündigung vom 29.04.2004 schied der Beklagte aus der Gesellschaft aus. Gegenstand der Klage ist der Anspruch der Kläger gegen den Beklagten auf Rückzahlung von in der Zeit von 1999 bis 31.12.2002 dem Kapitalkonto zu viel entnommener Geldbeträge. - Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Feststellungen unter Ziffer I. des angegriffenen landgerichtlichen Urteils (Bl. 54 d.A.) verwiesen.

Der Beklagte hat mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 06.12.2005 erklärt, er erhebe hilfsweise Widerklage mit dem Antrag, die Kläger als Gesamtschuldner zu verurteilen, das "negative Kapitalkonto" der Sozietät zum 31.12.2005 in gegenständlicher Form vorzulegen.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 13.12.2005, auf das Bezug genommen wird, der Klage stattgegeben. Gegen dieses ihm am 16.12.2005 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 16.01.2006 Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 16.03.2006 an diesem Tage begründet.

Der Beklagte wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Er rügt, die Entscheidung der erkennenden Einzelrichterin, die weniger als ein Jahr als Zivilrichterin tätig gewesen sei zur Zeit des Urteils, sei unzulässig gewesen. Diese hätte auch die mündliche Verhandlung wieder eröffnen müssen.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen, vorsorglich werde die Widerklage aufrecht erhalten.

Die Kläger beantragen,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Sie weisen darauf hin, dass kein Auseinandersetzungsanspruch geltend gemacht werde. Über eine Schiedsabrede sei zwischen den Parteien nach der im April 2004 vom Beklagten ausgesprochenen Kündigung der Sozietät lediglich im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung der Gesellschaft nach Kündigung verhandelt worden. Dies habe aber nichts mit der hier streitgegenständlichen Frage zu tun, die die Frage der Auseinandersetzung überhaupt nicht betreffe. Denn vorliegend gehe es nicht um eine Frage der Auseinandersetzung, sondern darum, dass ein Ausgleich des Kapitalkontos zugunsten der Gesellschaft begehrt werde.

Wegen weiterer Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens im übrigen wird ergänzend auf den vorgetragenen Inhalt der in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Ohne Erfolg rügt der Beklagte die Unzulässigkeit der Klage, weil aufgrund einer von den Klägern selbst eingeräumten Schiedsabrede ein Schiedsgericht und nicht die ordentliche Gerichtsbarkeit für die Verhandlung und Entscheidung des vorliegenden Falles zuständig wäre (§ 1032 Abs. 1 ZPO).

Eine Schiedsabrede ist in dem zwischen den Parteien am 28.02.1989 geschlossenen Vertrag über die Errichtung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (Bl. 31 f.) nicht enthalten. Es kann dahin stehen, ob eine solche für den hier vorliegenden Fall wirksam getroffen wurde oder nicht (§ 1031 Abs. 1 und 2 ZPO).

Denn gemäß § 1032 Abs. 1 ZPO hat der Beklagte die Einrede einer Schiedsvereinbarung vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache zu erheben. Der Beklagte hatte sich zwar auf eine Schiedsvereinbarung ausdrücklich mit Schriftsatz vom 04.11.2005 berufen (Bl. 41 d.A.). Er hat sich auf diese Einrede jedoch im Termin am 08.11.2005 nicht vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache d.h. vor Stellung der Sachanträge berufen. Vielmehr hat er ausweislich des Sitzungsprotokolls (Bl. 45 d.A.) lediglich den Antrag auf Abweisung der Klage gestellt. Damit ist er gemäß § 1032 Abs. 1 ZPO mit der Einrede einer Schiedsvereinbarung ausgeschlossen.

Auch die Rüge des Beklagten, der Rechtsstreit sei nicht vor dem gesetzlichen Richter verhandelt und von diesem entschieden worden (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) greift nicht durch. Die mündliche Verhandlung am 08.11.2005 vor dem Landgericht fand vor der Richterin am Bundesdisziplinargericht A stand; diese entschied durch Urteil vom 13.12.2005 als originäre Einzelrichterin der nach dem Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts Frankfurt am Main zuständigen 7. Zivilkammer dieses Gerichts (§ 348 Abs. 1 S. 1 ZPO). Eine Spezialzuständigkeit einer anderen Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main war nicht gegeben. Zum einen gab es bei diesem Gericht nach dem Geschäftsverteilungsplan 2005 keine Spezialzuständigkeit für Rechtsstreitigkeit aus der Berufstätigkeit von Rechtsanwälten. Zum anderen handelt es sich im vorliegenden Falle um eine Streitigkeit unter Gesellschaftern einer GbR, die ihren Ursprung in den Rechten und Pflichten der Gesellschafter hat, jedoch nicht in der Berufstätigkeit von Rechtsanwälten.

Die erkennende Einzelrichterin war nach Auflösung des Bundesdisziplinargerichts durch Verfügung des Präsidenten des Landgerichts Frankfurt am Main mit Wirkung seit 10.01.2005 mit 1/2 ihrer Arbeitskraft der 7. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main zugewiesen. Der Verhandlung und Entscheidung des Rechtsstreits durch diese Richterin stand auch nicht § 348 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ZPO entgegen. Nach dieser Vorschrift entscheidet die Zivilkammer dann nicht durch eines ihrer Mitglieder als Einzelrichter, wenn das nämliche Mitglied ein Richter auf Probe ist und noch nicht über einen Zeitraum von einem Jahr geschäftsverteilungsplanmäßig Rechtssprechungs-Aufgaben in bürgerlichen Rechtstreitigkeiten wahrgenommen hatte. Diese Voraussetzungen lagen nicht vor. Die (damalige) Richterin am Bundesdisziplinargericht A war keine Richterin auf Probe (§ 12 DRiG). Sie war nach Auflösung des Bundesdisziplinargerichts durch Gesetz vom 09.07.2001 (BGBl 2100 I S. 1510) mit Wirkung vom 01.01.2002 im Wege der Abordnung als Richterin im Geschäftsbereich des Hessischen Ministers der Justiz tätig. Nach § 28 Abs. 1 DRiG dürfen bei einem Gericht nur Richter auf Lebenszeit tätig werden, soweit nicht ein Bundesgesetz etwas anderes bestimmt. Nach § 45 BDO bestand das Bundesdisziplinargericht aus dessen Präsidenten, Vorsitzenden Richtern und weiteren Richtern, die Verwendung von Richterin auf Probe war beim Bundesdisziplinargericht nach der BDO nicht vorgesehen.

Ohne Erfolg rügt der Beklagte, das Landgericht habe nicht entscheiden dürfen, da im Termin am 08.11.2005 zwar laut Protokoll (Bl. 45) der Antrag aus der Klageschrift gestellt worden sei, eine Klageschrift jedoch nicht vorhanden gewesen sei; der Schriftsatz der Kläger vom 02.08.2005 (Bl. 24 f. d.A.) stelle lediglich die Klagebegründung dar, fehle eine Klageschrift, so trete an die Stelle des Antrags aus dieser der Antrag aus dem Mahnbescheid, da dieser im Termin vor dem Landgericht am 08.11.2005 nicht gestellt worden sei, sei der Antrag aus dem Mahnbescheid zurückgenommen, insoweit liege Klagerücknahme vor.

Die Kläger haben ersichtlich im Termin am 08.11.2005 den Antrag aus ihrem Schriftsatz vom 02.08.2005 gestellt, der insoweit gegenüber dem Antrag aus dem Mahnbescheid lediglich eine Abweichung enthält, als nunmehr die Zahlung an alle drei Parteien verlangt wird (actio pro socio). Der Beklagte hat sich laut Protokoll vom 08.11.2005 auch auf den Antrag aus der Klageschrift eingelassen und Abweisung der Klage beantragt. Ersichtlich gingen Gericht und Parteien am 08.11.2005 davon aus, dass der Antrag aus dem Schriftsatz vom 02.08.2005 von den Klägern gestellt und über ihn verhandelt werde. Dass das Landgericht dies so verstanden hat, geht aus dem Urteil hervor. Dort ist der Antrag der Kläger wie im Schriftsatz vom 02.08.2005 angekündigt, im Tatbestand wiedergegeben (Bl. 54 d.A.).

Das Landgericht hat auch keinen Verfahrensfehler begangen, indem es die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach Eingang des Schriftsatzes des Beklagten vom 06.12.2005 nicht beschlossen hat. Der Beklagte hat nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 08.11.2005 mit Schriftsatz vom 06.12.2005 eine Hilfs-Widerklage eingereicht. Das Landgericht hat den Schriftsatz zu Recht nicht berücksichtigt. Ein Fall des § 321 a ZPO liegt ebenfalls nicht vor. Denn die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts vom 13.12.2005 ist - wie ausgeführt - zulässig.

In der Sache hat die Berufung des Beklagten indessen Erfolg. Die Kläger können von dem Beklagten nicht im Wege der actio pro socio die Zahlung von 189.655,-- EUR an die vormalige Gesellschaft bürgerlichen Rechts B verlangen. Denn sie begründen diesen Anspruch ausdrücklich damit, dass der Beklagte in der Zeit von 1999 bis 31.12.2002 in dieser Höhe unberechtigterweise Geldbeträge vom Kapitalkonto entnommen habe, mit der Auseinandersetzung der Gesellschaft habe dieser Anspruch nichts zu tun (Schriftsatz vom 13.09.2005 S. 1, Bl. 38 d.A.).

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Gesellschaft bürgerlichen Rechts zwischen ihnen zumindest aufgrund Kündigung des Gesellschaftsvertrages durch den Beklagten vom 29.04.2004 am 30.04.2004 geendet hat. Es ist aber anerkannten Rechts, dass die auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhenden Ansprüche der Gesellschaft gegen die Gesellschafter und die der Gesellschafter gegen die Gesamthand bzw. andere Gesellschafter in einem einheitlichen Verfahren klargestellt werden; gesondert durchsetzbar sind sie nur noch, soweit dies mit dem nunmehr auf Abwicklung gerichteten Gesellschaftszweck vereinbar ist (Münchner Kommentar/Ulmer, BGB, 4. Aufl., § 730 Rn. 26; Palandt/Sprau, BGB, 65. Aufl., § 730 Rn. 6). Diese Durchsetzungssperre soll der Gefahr von Hin- und Herzahlungen während der Auseinandersetzung begegnen (ständige Rechtsprechung des BGH NJW 1995 S. 188). Einzelansprüche eines Gesellschafters gegen die Gesellschaft oder einen anderen Gesellschafter, die der Durchsetzungssperre unterliegen, sind nur noch Rechnungsposten, Leistung kann der Gesellschafter nicht verlangen. Zwar hat der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (ZIP 1994 S. 1846; NJW 1995 S. 188; WM 1998 S. 1020 f., 1025; NZG 2002 S. 519) entschieden, dass in jedem - vorzeitig - geltend gemachten Einzelanspruch auf Zahlung ohne weiteres ein Antrag auf Feststellung enthalten sei, dass der entsprechende Anspruch in der Schlussabrechnung der Gesellschaft als Rechnungsposten festgestellt werde, weil die Feststellung ein Weniger gegenüber dem Leistungsantrag darstelle. Diese im Wege der Auslegung des Klagevorbringens (§§ 133, 157 BGB) gewonnene Auffassung findet aber dort ihre Grenze, wo die Partei einer derartigen Auslegung ausdrücklich entgegen tritt. Die Kläger haben in ihren Schriftsätzen vom 13.09.2005 S. 1 und 2 (Bl. 38, 39 d.A.) ausdrücklich erklärt, die Auseinandersetzung sei durchzuführen, könne aber erst dann geschehen, wenn das Gesellschaftsvermögen "eingesammelt" sei, dies sei Gegenstand der vorliegenden Klage. In ihren beiden Schriftsätzen vom 11.04.2006 auf S. 1, 2 und 7 (Bl. 115, 116 und 126 d.A.) führen die Kläger aus, der hier geltend gemachte Anspruch habe mit der endgültigen Abwicklung der Gesellschaft nichts zu tun. In ihrem Schriftsatz vom 01.06.2006 auf Seite 2 (Bl. 138 d.A.) erklären die Kläger ausdrücklich, sie wiesen vorsorglich nochmals darauf hin, dass kein Auseinandersetzungsanspruch geltend gemacht werde. Diese Erklärung erfolgte, nachdem die Kläger mit Ladungsverfügung vom 17.05.2006 (Bl. 131 d.A.) darauf hingewiesen wurden, dass der von ihnen geltend gemachte Rückzahlungsanspruch vor Beendigung der GbR als Einzelforderung nicht isoliert geltend gemacht werden könne. Soweit die Kläger nach Schluss der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 01.06.2006 nun doch eine entsprechende Feststellung begehren, ist dies verspätet und bietet keinen Anlass zum Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung (§ 156 ZPO).

Einer Entscheidung über die Widerklage bedarf es nicht. Der Beklagte hat in seiner Berufungsbegründung auf S. 1 den Antrag angekündigt, das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen; wenn er auf S. 7 der Berufungsbegründung (Bl. 97 d.A.) erklärt, die Widerklage werde vorsorglich aufrechterhalten, so liegt hierin der hilfsweise gestellte Antrag, für den Fall, dass seiner Berufung der Erfolg versagt bleibe, werde der Antrag aus der im ersten Schriftsatz nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 08.11.2005 mit - nicht nachgelassenem - Schriftsatz vom 06.12.2005 eingereichten Widerklage gestellt. Da die Widerklage ausweislich der Akten im ersten Rechtszug den Klägern nicht förmlich zugestellt, sondern ihnen nur per Fax nach Schluss der mündlichen Verhandlung übermittelt wurde, ist sie nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht gewesen, sondern erstmals im zweiten Rechtszug erhoben worden. Die hilfsweise erhobene Widerklage begründet auflösend bedingt die Rechtshängigkeit des Hilfsantrags in der Form, dass eine Sachentscheidung nur für den Fall der Erfolglosigkeit des Hauptantrags begründet wird (Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 260 Rn. 4; Zöller/Vollkommer, a.a.O. § 33 Rn. 26).

Die Kosten des Rechtsstreits waren gemäß § 91 ZPO den Klägern aufzuerlegen.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen, war die Revision nicht zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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