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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 06.09.2006
Aktenzeichen: 19 U 91/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 271
Zur Frage, ob ein aufschiebend bedingter Teilerlass auch eine konkludente Vereinbarung über die Fälligkeit der Forderung enthält.
Gründe:

I.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Das Landgericht hat der im Urkundenprozess erhobenen Klage durch am 09.03.2006 verkündetes Urteil stattgegeben und dem Beklagten die Ausführung seiner Rechte im Nachverfahren vorbehalten. Gegen das ihm am 29.03.2006 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 28.04.2006 Berufung eingelegt und zugleich das Rechtsmittel begründet.

Der Beklagte macht mit der Berufung geltend, dass das landgerichtliche Urteil verfahrensfehlerhaft ergangen sei, weil der erkennende Richter in der mündlichen Verhandlung die Klageforderung als nicht fällig angesehen habe, diese Rechtsmeinung jedoch nachträglich aufgegeben habe, ohne die Parteien hiervon in Kenntnis zu setzen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. In der Sache habe das Landgericht verkannt, dass in der Urkunde vom 02.08.2005 eine Fälligkeitsvereinbarung des Inhalts getroffen sei, dass die Leistungszeit mit dem 31.08.2006 bestimmt wurde. Die Annahme einer Teilfälligkeit sei nicht interessengerecht.

Hilfsweise erklärt der Beklagte gegen die Klageforderung die Aufrechnung mit einem angeblichen Anspruch auf Rückzahlung eines Darlehens in Höhe von 1 Mio. EUR. Hierzu behauptet er, er habe dem Ehemann der Klägerin in dieser Höhe ein Darlehen gewährt (Beweis: vorzulegende Darlehensverträge) und die Darlehensvaluta zur Erfüllung der Kaufpreisschuld der Klägerin gegenüber der Verkäuferin des Grundstücks ...-Straße ... in O1 an jene gezahlt (Beweis: Zahlungsanweisungen Bl. 118, 119 d.A.).

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin zum 01.09.2006 1.137.856,55 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 01.09.2006 zu zahlen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteile und behauptet ergänzend, bei Unterzeichnung der Urkunde vom 02.05.2005 habe Einigkeit darüber bestanden, dass der Betrag von 1.137.876,55 EUR sofort fällig sein sollte (Beweis: Parteivernehmung). Die Beschränkung der Forderung auf 1 Mio. EUR bei Zahlung bis zum 31.08.2006 habe ein Zahlungsanreiz an den Beklagten sein sollen, um die seinerseits angekündigten Ratenzahlungen wenigstens bis zum 31.08.2006 in Höhe von 1 Mio. EUR zu leisten.

Die Urkunden, auf die der Beklagte die im Wege der Hilfsaufrechnung geltend gemachte Gegenforderung stützte, seien unecht.

II.

Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg.

Das Landgericht hat die Fälligkeit der sich aus der Urkunde vom 02.08.2005 ergebenden Forderung zu Recht bejaht.

Der Gesamtbetrag aus der Urkunde vom 02.08.2005 in Höhe von 1.137.876,55 EUR, über den der Beklagte ein abstraktes Schuldversprechen gegenüber der Klägerin als begünstigter Dritter abgab, war gemäß § 271 Abs. 1 BGB sofort fällig. Die Regelung über den Teilerlass der Forderung für den Fall, dass der Beklagte an die Klägerin bis zum 31.08.2006 1 Mio. EUR zahlt, enthält nicht gleichzeitig auch eine Vereinbarung über die Leistungszeit; vielmehr erschöpft sie sich in der Regelung eines Teilerlasses.

Gegen einen Willen der Vertragsparteien, über den Teilerlass der Forderung hinaus auch einen Aufschub der Fälligkeit bis zum 31.08.2006 zu vereinbaren, sprechen die Rechtsfolgen, die hierdurch ausgelöst würden, die die Klägerin ohne nachvollziehbaren Grund benachteiligen und den Beklagten ebenfalls ohne nachvollziehbaren Grund begünstigen würden. Denn in diesem Falle hätte sich die Klägerin der Möglichkeit begeben, die zu ihren Gunsten begründete Forderung in Höhe von mehr als 1 Mio. EUR und somit von erheblichem wirtschaftlichen Gewicht vor Ablauf des 31.08.2006 gegen den Beklagten im Wege der Klage geltend zu machen, da diesem die Fälligkeitseinrede zustände. Die mit der Errichtung der Urkunde geschaffene Gelegenheit, den Anspruch im Wege des Urkundsprozesses schneller als im ordentlichen Verfahren titulieren zu lassen, würde zugleich erheblich entwertet werden. Ferner wäre der Klägerin für die Zeit bis zum 31.08.2006 die Möglichkeit genommen, gegen eine eventuelle Forderung des Beklagten aufzurechnen, da die Voraussetzung für eine Aufrechnung gemäß § 387 BGB die Fälligkeit der Forderung des Aufrechnenden ist. Schließlich hätte sich die Klägerin der Möglichkeit begeben, den Beklagten vor Ablauf des 31.08.2006 durch Mahnung in Verzug zu setzen und den Ersatz des Verzugsschadens zu verlangen. All diese gegebenenfalls eintretenden Rechtswirkungen sprechen dagegen, dass in der Vereinbarung vom 02.08.2005 mit dem bedingten Teilerlass der Forderung gleichzeitig eine Vereinbarung über die Leistungszeit getroffen wurde.

Die Vereinbarung eines aufschiebend bedingten Teilerlasses der Forderung trotz deren sofortiger Fälligkeit erscheint auch nicht wirtschaftlich sinnlos. Vielmehr schafft sie einen wirtschaftlichen Anreiz für den Beklagten zu beschleunigter Zahlung innerhalb eines Zeitraumes, in dem die Titulierung und zusätzlich auch die erfolgreiche Beitreibung der Forderung im Wege der Zwangsvollstreckung zweifelhaft erscheint.

Die Klageforderung ist nicht aufgrund der vom Beklagten hilfsweise erklärten Aufrechnung erloschen. Es kann offen bleiben, ob die Voraussetzungen einer Aufrechnungslage bereits deshalb zu verneinen sind, weil der Klägerin die Klageforderung aus eigenem (und nicht aus abgetretenem) Recht zusteht und der Beklagte die gegen den Ehemann der Klägerin angeblich bestehende Forderung deshalb nicht nach § 406 BGB auch gegenüber der Klägerin aufrechnen kann. Denn die Hilfsaufrechnung des Beklagten ist im Urkundsprozess unzulässig, weil der Beklagte den ihm obliegenden Beweis nicht mit den im Urkundenprozess zulässigen Beweismitteln angetreten hat (§ 598 ZPO). Es bedarf deshalb auch keiner Erörterung, ob die erstmals in der Berufungsinstanz erklärte Aufrechnung nach § 533 ZPO zulässig ist.

Die Verfahrensrüge des Beklagten geht fehl. Ändert ein erkennender Richter nach Schluss der mündlichen Verhandlung seine bekannt gegebene Rechtsauffassung, folgt daraus nicht ohne weiteres eine entsprechende Hinweispflicht und die Eröffnung einer Möglichkeit zur Stellungnahme für die Parteien. Selbst wenn man vorliegend die Verletzung einer solchen Pflicht bejahen wollte, wäre sie folgenlos geblieben. Denn der Beklagte legt nicht dar, in welcher Weise er eine solche Gelegenheit genutzt hätte und warum sich dann eine andere Entscheidung ergeben hätte.

Der Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen, da sein Rechtsmittel keinen Erfolg hat (§ 97 Abs. 1 ZPO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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