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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 07.03.2008
Aktenzeichen: 19 W 10/08
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 91 a | |
ZPO § 93 |
Gründe:
I. Die Parteien streiten darüber, wem nach Anerkenntnis der Klageforderung, Zahlung und Abgabe übereinstimmende Erledigungserklärungen die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen sind.
Wegen eines Verkehrsunfallschadens vom 16.06.2007 meldete der Kläger mit anwaltlichen Schreiben vom 04.07.2007 bei der Beklagten zu 2 als der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners unter der Vorlage von Belegen Ansprüche an und forderte Zahlung bis zum 11.07.2007. Nachdem der Kläger mit anwaltlichen Schreiben vom 18.07.2007 die Zahlungsfrist bis zum 25.07.2007 verlängert hatte, bat die Beklagte zu 2 mit Schreiben vom 24.07.2007 mit der Begründung, dass ihr zum Unfallhergang unterschiedliche Aussagen vorliegen, um Übersendung einer Kopie der amtlichen Ermittlungsakte gegen übliche Kostenbeteiligung. Mit anwaltlichen Schreiben vom 28.07.2007 erklärte sich der Kläger bereit, den erbetenen Ermittlungsaktenauszug zur Verfügung zu stellen, und verlangte die Regulierung seines Schadens bis zum 06.08.2007. Die Beklagte bat mit Schreiben vom 02.08.2007 um Verständnis, dass sie keine Zahlungen leisten könne, solange nicht klar sei, ob sie in der Haftung sei.
Mit am 10.08 bei Gericht eingegangener und am 22.08.2007 zugestellter Klage hat der Kläger den Unfallschaden gerichtlich geltend gemacht. In dem vom Landgericht angeordneten schriftlichen Vorverfahren stellten die Beklagten mit am 29.08.2007 eingegangenem Schriftsatz den Antrag, die Klage abzuweisen, und baten um Verlängerung der Klageerwiderungsfrist wegen Arbeitsüberlastung; antragsgemäß ist die Frist zur Klageerwiderung bis zum 17.10.2007 verlängert worden.
Da der Prozessbevollmächtigte des Klägers entgegen seiner schriftlichen Ankündigung einen Auszug aus der Ermittlungsakte nicht zur Verfügung stellte, sah der Prozessbevollmächtigte der Beklagten Ende 2007 selbst die polizeilichen Ermittlungsakten ein. Mit Schriftsatz vom 26.09.2007 haben die Beklagten die Klageforderung anerkannt und sieben Tage später auch bezahlt.
Die Parteien haben den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Landgericht hat die Kosten des Rechtsstreit den Beklagten auferlegt mit der Begründung, dass der Rechtsgedanke des § 93 ZPO bei der zutreffenden Billigkeitsentscheidung keine Anwendung finden könne, weil das Anerkenntnis nicht "sofort" im Sinne des § 93 erklärt worden sei. Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten.
II. Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist nicht begründet.
Das Landgericht hat die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91a ZPO zu Recht den Beklagten auferlegt. Es entspricht billigem Ermessen, dass die Beklagten die Kosten des Rechtsstreits tragen. Denn durch Anerkenntnis und Erfüllung der Klageforderung haben sie sich freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begeben. Der bei der Billigkeitsentscheidung nach § 91 a ZPO anzuwendende Rechtsgedanke des § 93 ZPO (Zöller/Vollkommer, 26. Aufl., ZPO § 91 a Rn. 24 mit weiteren Nachweisen), führt zu keinem anderen Ergebnis.
Denn die Voraussetzungen unter denen die Kosten eines Rechtsstreits bei Anerkenntnis der Klageforderung der klagenden Partei aufzuerlegen sind, liegen nicht vor. Allerdings haben die Beklagten keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben.
Veranlassung zur Klageerhebung gibt eine Partei, wenn ihr Verhalten vor dem Prozess aus der Sicht des Klägers bei vernünftiger Betrachtung hinreichenden Anlass für die Annahme bietet, er werde ohne in Anspruchnahme der Gericht nicht zu seinem Recht kommen (BGH NJW 2006, 2490, 2491 mit weiteren Nachweisen). Umstände, die eine derartige Annahme hier rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Vielmehr war für den Kläger aufgrund der vorgerichtlichen Schreiben der Beklagten zu 2 vom 24.07.2007 und 02.08.2007 klar, dass diese berechtigterweise - zunächst die Sach- und Rechtslage prüfen wollte. Es ist allgemein anerkannt, dass einem KFZ-Haftpflichtversicherer eine angemessene Prüfungspflicht, die in der Regel vier bis sechs Wochen beträgt, zu zubilligen ist, vor deren Ablauf eine Klage nicht veranlasst ist diese Prüfungspflicht wurde für die Beklagte zu 2 vorliegend dadurch verlängert, dass der Kläger ihr mit Anwaltsschreiben vom 28.07.2007 die Übersendung eines Auszuges aus den polizeilichen Ermittlungsakten zugesagt hatte, sie sich demgemäß zunächst zu Recht auf die Erfüllung dieser Zusage verließ und erst Ende August 2007, nachdem offenbar geworden war, dass ihr vom Prozessbevollmächtigten des Klägers ein Aktenauszug nicht zur Verfügung gestellt wurde, Ende August 2007 über ihren Prozessbevollmächtigten selbst Einsicht in die polizeilichen Ermittlungsakten beantragte und erhielt. Danach bestand bei Zustellung der Klage am 22.08.2007 noch kein Anlass zur Klageerhebung.
Die Anwendung des Rechtsgedankens des § 93 ZPO scheitert aber daran, dass das mit Schriftsatz vom 28.08.2007bei Gericht eingegangen am 29.08.2007, abgegebene Anerkenntnis nicht "sofort" im Sinne von § 93 ZPO erklärt wurde. Zwar kann der geltend gemachte Anspruch auch bei Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens grundsätzlich innerhalb der Klageerwiderungsfrist "sofort" im Sinne des § 93 ZPO anerkannt werden mit Rücksicht darauf, dass eine beklagte Partei bei Anordnung eines frühen ersten Termins jedenfalls innerhalb der Frist zur Klageerwiderung ein "sofortiges" Anerkenntnis abgeben kann, kann die Billigkeitsentscheidung, die nach § 93 ZPO zu treffen ist, für den Fall der Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens nicht davon abhängen, ob ein Anerkenntnis in der Frist zur Abgabe der Verteidigungserklärung oder in der anschließenden Frist zur Klageerwiderung abgegeben wird (BGH a.a.O.) hier wurde ein Anerkenntnis zwar schon vor Ablauf der Klageerwiderungsfrist abgegeben. Jedoch hatten die Beklagten bereits zuvor mit Schriftsatz vom 28.08.2007 den Antrag, die Klage abzuweisen, angekündigt. Damit gingen die Beklagten ohne jeden sachlichen Anlass über die bloße Anzeige der Verteidigungsabsicht, die in erster Linie der Vermeidung eines Versäumnisurteils nach § 331 Abs. 3 ZPO dient, hinaus; auch ohne eine Begründung dieses Antrages verdeutlichten die Beklagten hierdurch, dass sie nicht nur überhaupt zur Klage vortragen, sondern die Klageforderung bestreiten und ihre Rechtsverteidigung auf die Abweisung der Klage einrichten wollten. Einen Hinweis darauf, dass die Prüfung des Klageanspruchs noch nicht abgeschlossen war und sie sich ihre Entscheidung über das weitere Vorgehen noch vorbehalten wollten, enthält der Schriftsatz nicht. Die Begründung für den gleichzeitig gestellten Antrag auf Verlängerung der Klageerwiderungsfrist machte nicht geltend, dass man die polizeilichen Ermittlungsakten noch nicht habe einsehen können, sondern beschränkte sich auf Angaben zur Arbeitsüberlastung des Prozessbevollmächtigten. Es bedarf keine Entscheidung, ob ein im schriftlichen Vorverfahren innerhalb der Klageerwiderungsfrist abgegebenes Anerkenntnis in keinem Fall mehr als "sofort" im Sinne des § 93 ZPO abgegeben angesehen werden kann, wenn zuvor ein abweichender Sachantrag angekündigt wurde (so OLG Karlsruhe, FAMRz 2003, 942, 943; Deichfuß, MDR 2004, 190,192). Jedenfalls dann aber, wenn - wie hier - das Anerkenntnis einem Klageabweisungsantrag nachfolgt, ohne das deutlich gemacht worden ist, dass die beklagte Partei den Klageanspruch und ihr Vorgehen im Rechtsstreit noch nicht abschließend geprüft hat, kann das Anerkenntnis nicht als "sofort" im Sinne des § 93 ZPO abgegeben angesehen werden. In einem solchen Fall entspricht es nicht der Billigkeit, der beklagten Partei den Vorteil des § 93 zu erhalten.
Die Auffassung der Beklagten, der Klageanspruch sei erst nach Einsicht in die polizeilichen Ermittlungsakten fällig geworden, sodass anschließend noch sofort im Sinne von § 93 ZPO habe anerkannt werden können, geht fehl.
Die Fälligkeit der Schadensersatzansprüche aus dem Verkehrsunfall ist von der Einsichtnahme in die amtlichen Ermittlungsakten nicht abhängig; sie trat mit Entstehung der Schäden ein. Vor Ablauf einer angemessenen Prüfungsfrist war lediglich der Eintritt des Verzuges gemäß § 286 Abs. 4 BGB gehindert (BGH BB 1964, 820; Palandt/Heinrichs, 67. Aufl., BGB § 286 Rn. 40).
Die Beklagten haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, da ihr Rechtsmittel keinen Erfolg hat (§ 97 Abs. 1 ZPO). Der Beschwerdewert entspricht dem wirtschaftlichen Interesse der Beklagten an der Abänderung der Kostenentscheidung zu ihren Gunsten.
Ende der Entscheidung
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