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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 11.05.2009
Aktenzeichen: 19 W 22/09
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 66
ZPO § 69
ZPO § 71
ZPO § 137 Abs. 4
ZPO § 141
ZPO § 288
1. Zum rechtlichen Interesse eines Kraftfahrzeughaftpflichtversicherers, dem Rechtsstreit gegen den Versicherungsnehmer als Streithelfer beizutreten.

2. Die persönliche Anhörung einer anwaltlich nicht vertretenen Partei gemäß §§ 137 Absatz 4, 141 ZPO ist im Anwaltsprozess auch dann unzulässig, wenn der (anwaltlich vertretene) Streithelfer der Partei im Termin anwesend ist.


Gründe:

I.

Der Kläger nimmt den Beklagten zu 1) als Halter und Fahrer eines PKW und die Beklagte zu 2) als dessen Haftpflichtversicherer wegen eines behaupteten Unfallereignisses auf Schadensersatz in Anspruch.

Die Beklagte zu 2) hat sich gegen die Klage unter anderem mit der Behauptung, der Unfall sei fingiert, verteidigt. Sie ist dem Rechtsstreit auf Seiten des Beklagten zu 1) als Streithelferin beigetreten. Das Landgericht hat den anwaltlich nicht vertretenen Beklagten zu 1) gemäß § 141 ZPO zur mündlichen Verhandlung geladen und ihn persönlich angehört. Dabei hat der Beklagte zu 1) den vom Kläger behaupteten Unfallhergang bestätigt.

Der Kläger hält die Streithilfe für unzulässig, da die Beklagte zu 2) selbst Partei des Rechtsstreits sei und der Rechtsstreit wegen des Geständnisses des Beklagten zu 1) in der mündlichen Verhandlung bereits entscheidungsreif sei. Das Landgericht hat mit Zwischenurteil vom 11. März 2009 die Streithilfe zugelassen. Gegen das ihm am 18. März 2009 zugestellte Zwischenurteil hat der Kläger am 31. März 2009 sofortige Beschwerde eingelegt, die er im Wesentlichen damit begründet, dass wegen des Geständnisses des Beklagten zu 1) in der mündlichen Verhandlung ein rechtliches Interesse der Beklagten zu 2) an der Streithilfe fehle.

II.

Die gemäß §§ 71 Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Das Landgericht hat die Streithilfe der Beklagten zu 2) auf Seiten des Beklagten zu 1) zu Recht zugelassen.

Der Umstand, dass die Beklagte zu 2) selbst Prozesspartei ist, steht der Zulässigkeit ihres Beitritts nicht entgegen. Da bei einer Streitgenossenschaft in Wahrheit mehrere selbstständige, aber verbundene Prozesse vorliegen, kann ein Streitgenosse nach allgemeiner Auffassung dem anderen beitreten (Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Auflage, § 66 Randnummer 6 m. w. N.).

Das nach § 66 Abs. 1 ZPO erforderliche rechtliche Interesse an der Streithilfe liegt vor. Das Rechtsschutzinteresse der Beklagten zu 2) beschränkt sich nicht auf Abweisung der gegen sie selbst gerichteten Klage. Sie hat darüber hinaus ein rechtliches Interesse im Sinne von § 66 ZPO daran, dass die Klage auch gegen den Beklagten zu 1) abgewiesen wird. Dies folgt daraus, dass im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung des Beklagten zu 1) mit einer Inanspruchnahme der Beklagten zu 2) in einem etwaigen Deckungsprozess zu rechnen wäre, deren Erfolg mangels Bindungswirkung des Haftpflichtprozesses nicht ausgeschlossen wäre. Ferner folgt ihr rechtliches Interesse an der Streithilfe auch daraus, dass eine Einziehungsklage des Klägers in Betracht kommt, sollte er den Anspruch des Beklagten zu 1) aus dem Versicherungsvertrag pfänden.

Die Beklagte zu 2) hat auch hinreichende Anhaltspunkte für die Verabredung eines Unfalles zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) dargelegt. Diese Anhaltspunkte ergeben sich etwa aus dem angegebenen Unfallort, da dort mit unbeteiligten Zeugen nicht zu rechnen war, ferner aus dem behaupteten Unfallhergang, da der geltend gemachte Auffahrvorgang auf ein stehendes Fahrzeug gut zu beherrschen ist, aus der sofortigen Anerkenntnis der Alleinschuld durch den Beklagten zu 1), aus dem Verzicht der Hinzuziehung der Polizei, aus der Entsorgung des Unfallfahrzeugs des Klägers ohne Reparatur und aus dem Umstand, dass nach dem Fahrzeugtyp bei einer Reparatur vergleichsweise hohe Kosten verursacht werden. Zu Recht nennt die Beklagte zu 2) als Indiz für einen gestellten Unfall auch die Schadenshistorie des Fahrzeugs des Klägers, welches zuvor einen schweren Auffahrunfall erlitten hatte und einmal aufgebrochen worden war, und das in beiden Fällen bei dem Abschleppunternehmen des Vaters des Klägers instandgesetzt und der Schaden auf Gutachtenbasis abgerechnet wurde.

Es fehlt auch nicht das Rechtsschutzinteresse an der Streithilfe, da nicht feststeht, dass mit ihr nichts zu erreichen ist. Dies wäre nur dann der Fall, wenn es der Beklagten zu 2) trotz Beitritt nach der prozessualen Lage von vornherein unmöglich wäre, auf eine Klageabweisung zugunsten des Beklagten zu 1) hinzuwirken (OLG Frankfurt, Versicherungsrecht 1996, 212). Das ist indes nicht der Fall. Insbesondere ist der mögliche Erfolg der Streithilfe der Beklagten zu 2) nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil der Beklagte zu 1) bei seiner persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht den vom Kläger behaupteten Unfallhergang bestätigt hat. Zwar dürfte der Beklagten zu 2) entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht bereits gemäß § 69 ZPO die Möglichkeit eröffnet sein, sich in Widerspruch zu Erklärungen des Beklagten zu 1) zu setzen und gegensätzlich vorzutragen. Eine streitgenössische Nebenintervention gemäß § 69 ZPO liegt nicht vor, da die Rechtskraft der in dem Hauptprozess zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) zu erlassenden Entscheidung nach materiellem Recht auf das Rechtsverhältnis der Streithelferin zum Gegner nicht von Wirksamkeit ist. Für den Fall, dass der Beklagte zu 1) zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt wird, wirkt das Urteil mangels entsprechender gesetzlicher Anordnung nicht zugleich auch zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2). Jedoch sind die persönlichen Erklärungen des Beklagten zu 1) in der mündlichen Verhandlung prozessual unwirksam.

Soweit - wie hier - Anwaltszwang besteht, kann ein Geständnis im Sinne von § 288 ZPO von der nicht postulationsfähigen Partei nicht erklärt werden (BGH Versicherungsrecht 2006, 663; Zöller/Greger, ZPO, 27. Auflage, § 288 Randnummer 3c m. w. N.). Auch war die persönliche Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung unzulässig. Das Recht zur persönlichen Anhörung gemäß § 137 Abs. 4 ZPO steht einer Partei nur "neben dem Anwalt" zu, also nur bei dessen Anwesenheit (Zöller/Greger, ZPO, 27. Auflage, § 137 Randnummer 4 m. w. N.).

Die Anhörung einer Partei nach § 141 ZPO findet außerhalb einer streitigen mündlichen Verhandlung nicht statt. Deshalb ist die Anhörung der im Anwaltsprozess ohne ihren Rechtsanwalt erschienenen Partei unzulässig (Zöller/Greger a.a.O. § 141 Randnummer 6). Daran ändert auch die Anwesenheit des Prozeßbevollmächtigten der Streithelferin nichts. Denn der (anwaltlich vertretene) Streithelfer handelt im eigenen Namen und nicht als Vertreter der Partei (Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 67 Rn. 1), auch wenn die Wirkungen seiner Prozeßhandlungen - wie hier die Stellung des Antrages auf Klageabweisungen nach § 67 Halbs. 2 ZPO - für die unterstützte Partei eintreten (BGH NJW 1994, 2022; 1995, 199).

Die Auffassung des Klägers, das vom Landgericht erlassene Zwischenurteil sei deshalb unzulässig, weil der Rechtsstreit jedenfalls im Verhältnis zum Beklagten zu 1) entscheidungsreif gewesen sei, geht fehl. Die Frage der Zulässigkeit der Streithilfe ist präjudiziell für die Frage, ob gegen den Beklagten zu 1) durch Versäumnisurteil entschieden werden kann. Im Übrigen steht es dem Gericht frei, auch bei Entscheidungsreife des Rechtsstreits wie vom Gesetzgeber gemäß § 71 ZPO vorgesehen zunächst durch Zwischenurteil über den Antrag auf Zurückweisung der Streithilfe zu entscheiden.

Der Beitritt der Beklagten zu 2) als Streithelfer auf Seiten des Beklagten zu 1) erfolgte auch zum Zwecke dessen Unterstützung im Sinne des § 66 Abs. 1 ZPO. Denn im Falle eines Versäumnisurteils gegen den Beklagten zu 1) besteht für diesen das Risiko, für den Schaden einstehen zu müssen, ohne Deckungsschutz durch die Beklagte zu 2) zu erhalten, wenn die gegen sie gerichtete Klage abgewiesen wird.

Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, da sein Rechtsmittel keinen Erfolg hat (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Der Beschwerdewert entspricht dem Streitwert der Klage, da der Kläger im Wege der Zurückweisung der Streithilfe ein stattgebendes Versäumnisurteil gegen den Beklagten zu 1) erreichen will.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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