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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 16.05.2008
Aktenzeichen: 19 W 26/08
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 42 | |
ZPO § 43 |
Gründe:
Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist nicht begründet. Das Landgericht hat die Ablehnung der Vorsitzenden Richterin am Landgericht A wegen der Besorgnis der Befangenheit zu Recht als unbegründet zurückgewiesen. Die von der Klägerin geltend gemachten Ablehnungsgründe können von ihrem Standpunkt aus bei vernünftiger Betrachtung nicht die Befürchtung wecken, die Richterin stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber.
Insbesondere ergibt sich ein Ablehnungsgrund nicht aus dem von der Klägerin erhobenen Vorwurf der Verletzung der zivilprozessualen Prozessförderungspflicht. Allerdings kann sich durch eine Häufung von Verfahrensfehlern zum Nachteil einer Partei bei einer vernünftigen und besonnenen Partei der Eindruck unsachlicher Einstellung oder willkürlichen Verhaltens des abgelehnten Richters ergeben. Hierzu zählt auch die Verletzung der zivilprozessualen Prozessförderungspflicht durch auffällige und hartnäckige Verzögerung der Bearbeitung (Münchner Kommentar/Gehrlein, 3. Aufl., ZPO § 42; Zöller-Vollkommer, 26. Aufl., ZPO § 42 Rdnr. 24, jeweils mit weiteren Nachweisen). Hingegen scheiden Handlungen, die als verfahrensrechtlich vertretbare Prozessleitung anzusehen sind, als Ablehnungsgrund aus (Münchner Kommentar/Gehrlein, a.a.O. Rdnr. 29). Nach diesem rechtlichen Maßstab ist eine die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigende Verletzung der Prozessförderungspflicht durch die abgelehnte Richterin indes zu verneinen.
In die Beurteilung einzubeziehen ist die verfahrensrechtliche Prozessleitung durch die abgelehnte Richterin seit Übergang der Zuständigkeit auf sie Anfang 2007. Wenn das Verhalten der Richterin bis zur mündlichen Verhandlung am 27.09.2007 auch für sich betrachtet gemäß § 43 ZPO nicht mehr als Ablehnungsgrund geltend gemacht werden kann, so ist es gleichwohl in die Beurteilung einzubeziehen. Dabei kann offen bleiben, ob sich die prozessuale Verfahrensleitung in dem Zeitraum vor der Antragstellung in der mündlichen Verhandlung am 27.09.2007 bis zur Anbringung des Ablehnungsgesuchs als "Gesamttatbestand" darstellt. Denn die für die Zeit nach dem 27.09.2007 geltend gemachten Verletzungen der Prozessförderungspflicht sind in ihrer Bedeutung für die Frage einer unsachlichen Einstellung oder willkürlichen Verhaltens der Richterin jedenfalls im Lichte der vor der mündlichen Verhandlung liegenden Verfahrensleitung zu würdigen.
Es ist nicht zu beanstanden, dass die Richterin nach der Übernahme des Dezernats Anfang 2007 nicht ohne weiteres den Beweisbeschluss vom 21.12.2006 ausführte, sondern sich zunächst einen eigenen Überblick über den Sach- und Streitstand verschaffte und im Anschluss daran bis zur 3. Kalenderwoche im März 2007 über die Prozessbevollmächtigten der Parteien fernmündlich Informationen über die Möglichkeit eines Vergleichsschlusses einholte. Es erscheint ferner gut vertretbar, dass die abgelehnte Richterin in der Folgezeit einen - für sie ersten, für die Parteien erneuten - Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumte, da sie ausweislich des Verhandlungsprotokolles Anlass zur Erteilung zahlreicher weiterer Hinweise sah. Zwar ist für den Zeitraum von Mitte/Ende März 2007 bis zur Anberaumung des Verhandlungstermines durch Verfügung vom 16.07.2007 eine Maßnahme zur Förderung des Verfahrensfortgangs nicht ersichtlich. Diesem Umstand kommt aber deshalb eher geringe Bedeutung zu, weil mit der Terminsverfügung vom 16.07.2007 zeitnah ein Verhandlungstermin anberaumt wurde und kein Anhaltspunkt dafür vorliegt, dass die frühere Anberaumung eines Verhandlungstermines auch einen früheren Terminstag ermöglicht hätte. Danach ist die verfahrensrechtliche Prozessleitung der abgelehnten Richterin jedenfalls vertretbar und damit ungeeignet, die Besorgnis der Befangenheit wegen mangelhafter Prozessförderung zu begründen.
Verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden ist ferner, dass die abgelehnte Richterin durch Beschluss vom 27.09.2007 den Parteien Gelegenheit gab, bis zum 25.10.2007 zu den erteilten Hinweisen Stellung zu nehmen. Es wurde zwar verkannt, dass mit Rücksicht darauf, dass die Äußerungsfrist allen Parteien gewährt wurde, der Übergang in das schriftliche Verfahren vollzogen wurde. Das war ohne Zustimmung der Parteien unzulässig. Bei Versagung der Zustimmung hätte ein neuer Verhandlungstermin anberaumt werden müssen. Aus diesem Verfahrensfehler folgt aber keine Verzögerung des Fortganges des Rechtsstreits. Er wirkt sich auch für die Klägerin nicht anders als für die Beklagten aus.
Ferner ist der am 22.11.2007 verkündete Beschluss unter dem Gesichtspunkt der verfahrensrechtlichen Prozessleitung - abgesehen von dem fehlenden Einverständnis der Parteien zum Erlass einer weiteren Entscheidung ohne erneute mündliche Verhandlung - vertretbar. Mit diesem Beschluss werden Fragen zur Vorgehensweise bei der erforderlichen Beweiserhebung angesprochen, weitere materiell-rechtliche Hinweise erteilt sowie ein Vergleichsvorschlag unterbreitet. Gerade dann, wenn - wie hier - ein Rechtsstreit umfangreich ist und bei seiner Bearbeitung zahlreiche tatsächlich schwierige und auch rechtlich schwierige Fragen zu klären sind, können sich bei der erneuten Bearbeitung einer Sache für einen Richter erfahrungsgemäß auch neue oder zusätzliche Gesichtspunkte ergeben, die bisher so nicht gesehen worden sind, und die zu einem weiteren - gegebenenfalls auch abändernden - Hinweis Anlass geben. Deshalb liegt aus Sicht der Klägerin bei vernünftiger Betrachtung auch auf der Hand, dass die weiteren Hinweise im Beschluss nicht als Ausdruck des Unwillens der abgelehnten Richterin, eine Sachentscheidung zu treffen, gewürdigt werden können. Eine solche Annahme lässt sich auch nicht mit dem Vergleichsvorschlag selbst begründen. Zwar hatte die Klägerin bereits in der mündlichen Verhandlung am 27.09.2007 den Abschluss eines Vergleiches gegen eine Zahlung in der nun von der Richterin vorgeschlagenen Größenordnung abgelehnt. Im Unterschied zu der mündlichen Verhandlung wurde jetzt aber ein Vergleichsvorschlag durch das Gericht unterbreitet, der unter ergänzender Würdigung der Sach- und Rechtslage sowie der Prozessrisiken begründet wurde. Die Chancen für eine Annahme des gerichtlichen Vergleichsvorschlages durch die Klägerin mögen gering gewesen sein; das rechtfertigt es aber nicht, den gerichtlichen Vergleichsvorschlag nebst Äußerungsfrist als fehlerhafte prozessuale oder materielle Prozessleitung zu qualifizieren.
Die abgelehnte Richterin hat die zivilprozessuale Prozessförderungspflicht schließlich auch nicht durch den am 31.01.2008 verkündeten Beschluss in einer Weise verletzt, dass der Eindruck unsachlicher Einstellung oder willkürlichen Verhalten entstehen konnte. Mit Rücksicht auf die von dem Beklagten zu 1) mit Schriftsatz vom 20.12.2007 erhobene Widerklage erscheint es vertretbar, zunächst auch über die Widerklage mündlich zu verhandeln, um auf dieser Grundlage zu einem umfassenden - also gegebenenfalls auch die Widerklage betreffenden - Beweisbeschluss zu gelangen. Allerdings zeigt der am 31.01.2008 verkündete Beschluss, dass die abgelehnte Richterin nicht alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel zu einer Beschleunigung des Verfahrens genutzt hat. Vielmehr hätte nahe gelegen, schon nach Eingang der Widerklage den Verkündungstermin aufzuheben und einen neuen Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen. Auch lässt der Beschluss vom 31.01.2008 eine Frist zur Erwiderung auf die Widerklage vermissen. Schließlich und vor allem erscheint bedenklich, dass der weitere Verhandlungstermin erst auf den 19.06.2008 anberaumt wurde, obwohl die Sache mit Rücksicht auf die bisher bereits verstrichene erhebliche Verfahrensdauer besondere Förderung erwarten lässt. Die hiermit verbundene Verfahrensverzögerung hat aber weder für sich betrachtet noch als Glied in einer Kette ohne Verfahrensfehler eingetretener Verzögerungen das Gewicht, dass für die Klägerin der Eindruck einer unsachlichen Einstellung oder willkürlichen Verhaltens zu ihrem Nachteil erweckt werden könnte.
Die Besorgnis der Befangenheit kann auch nicht damit begründet werden, dass die abgelehnte Richterin auf die Klägerin Druck zum Abschluss des vorgeschlagenen Vergleiches ausübe. Der gerichtliche Vergleichsvorschlag gemäß Beschluss vom 22.11.2007 ist in Verbindung mit der ihm vorangestellten Begründung ungeeignet, einen besonderen Druck zu seiner Annahme durch die Klägerin zu entfalten. Auch die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Geschäftsführers der Klägerin gemäß Beschluss vom 31.01.2008 ist ungeeignet, auf die Klägerin Druck zur Annahme des Vergleichsvorschlages auszuüben. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens beruht ersichtlich auf § 141 ZPO, da der Geschäftsführer der Klägerin "zur Aufklärung des Sachverhalts" geladen wurde. Das ist eine vertretbare prozessuale Maßnahme der Verfahrensleitung, sofern der Richter Aufklärungsbedarf sieht. Die Annahme der Klägerin, die Anordnung des persönlichen Erscheinens solle - prozessual fehlerhaft - maßgeblich dem Zweck dienen, den Abschluss des von der Klägerin bereits abgelehnten Vergleiches doch noch zu ermöglichen, ist spekulativ. Sie steht auch im Widerspruch zu der dienstlichen Äußerung der abgelehnten Richterin. Der Umstand, dass die abgelehnte Richterin bisher keine Hinweise zum Zwecke der Aufklärung des Sachverhalts erteilte, ist kein Indiz dafür, dass mit der Anordnung des persönlichen Erscheinens des Geschäftsführers der Klägerin vom Gesetz nicht vorgesehene Zwecke verfolgt werden.
Die Auffassung der Beklagten, die Anordnung des persönlichen Erscheinens allein ihres Geschäftsführers verletze das prozessuale Gleichbehandlungsgebot, liegt neben der Sache. Denn Lücken oder Unklarheiten im Sachvortrag einer Partei erfordern nicht ohne weiteres auch das unmittelbare Gespräch mit der Gegenpartei. Dass nicht zugleich auch das persönliche Erscheinen des Beklagten zu 1) angeordnet wurde, kann sich allenfalls zu dessen Nachteil, nicht aber zum Nachteil der Klägerin auswirken. Abgesehen davon, dass sich für die abgelehnte Richterin die Frage stellen wird, ob die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Geschäftsführers der Klägerin aufzuheben ist, nachdem dieser erklärt hat, zur Sachaufklärung nicht in der Lage zu sein, ist auf die Möglichkeit zur Entsendung eines informierten und bevollmächtigten Vertreters § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO hinzuweisen.
Danach sind objektive Gründe, die aus Sicht der Klägerin bei vernünftiger Betrachtung die Besorgnis der Befangenheit der Vorsitzenden Richterin am Landgericht A begründen könnten, nicht gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, da ihr Rechtsmittel keinen Erfolg hat (§ 97 Abs. 1 ZPO). Den Beschwerdewert bemisst der Senat mit 1/3 des Hauptsachewertes. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.
Ende der Entscheidung
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