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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 03.09.2008
Aktenzeichen: 19 W 60/08
Rechtsgebiete: GVG, ZPO


Vorschriften:

GVG § 17 a
ZPO § 567
Gegen ein erstinstanzliches Sachurteil, das entgegen § 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG ohne Vorabentscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges ergeht, ist die sofortige Beschwerde nicht statthaft; in einem solchen Fall findet der Meistbegünstigungsgrundsatz keine Anwendung.
Gründe:

I.

Der Kläger hat von der Beklagten mit der Klage die Vergütung von Beratungsleistungen verlangt. Die Beklagte hat die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den ordentlichen Gerichten gerügt und die Ansicht vertreten, der Kläger sei bei ihr als arbeitnehmerähnliche Person beschäftigt gewesen, so dass der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet sei. Sie hat beantragt, vorab über die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges zu entscheiden. Sie ist dem Klageanspruch auch in der Sache entgegengetreten und hat hilfsweise Aufrechnung mit einer Gegenforderung erklärt.

Das Landgericht hat der Klage durch am 26.06.2008 verkündetes Urteil in vollem Umfang stattgegeben und in den Entscheidungsgründen die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges bejaht. Gegen das ihr am 30.06.2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 04.07.2008 sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie ihre Auffassung über die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitgerichten wiederholt und vertieft. Sie ist der Auffassung, dass nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz die sofortige Beschwerde das statthafte Rechtsmittel gegen das verkündete Urteil sei. Da das Landgericht entgegen § 17a Abs. 3 S. 2 GVG durch Endurteil anstelle durch Beschluss entschieden habe, könne sie das Rechtsmittel wählen, welches der Entscheidung entspreche, für die die Voraussetzungen gegeben waren, hier also wie gegen einen Beschluss.

Die Beklagte beantragt, die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils als unzulässig abzuweisen, hilfsweise den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Frankfurt/Main zu verweisen. Die Klägerin tritt der sofortigen Beschwerde entgegen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist unzulässig. Sie ist weder nach § 17a Abs. 4 S. 3 GVG noch nach § 567 ZPO gegeben. Denn das Landgericht hat ein den ersten Rechtszug abschließendes Sachurteil erlassen, nicht aber eine Vorabentscheidung über die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges durch Beschluss.

Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist auch nicht nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung statthaft. Dieser Grundsatz greift zunächst in den Fällen inkorrekter Entscheidungen ein. Hat das Gericht eine der Form nach unrichtige Entscheidung gewählt, steht den Parteien dasjenige Rechtsmittel zu, welches nach der Art der ergangenen Entscheidung statthaft ist, und außerdem das Rechtsmittel, dass bei einer in der richtigen Form getroffenen Entscheidung gegeben gewesen wäre, da den Parteien durch das fehlerhafte Verfahren keine Nachteile entstehen dürfen. Über die Fälle inkorrekter Entscheidung hinaus kommt der Meistbegünstigungsgrundsatz immer dann zur Anwendung, wenn für den Rechtsmittelführer eine Unsicherheit, das einzulegende Rechtsmittel betreffend, besteht, sofern diese auf einem Fehler oder einer Unklarheit der anzufechtenden Entscheidung beruht (BGH NJW 2004, 1598, 1599 m.w.N.).

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Bei dem vom Landgericht verkündeten Urteil handelt es sich nicht um eine der Form nach inkorrekte Entscheidung. Die Inkorrektheit einer Entscheidung ist nach ihrem Inhalt zu beurteilen (BGH NJW 1999, 584; 1994, 665, 666). Danach hat das Landgericht zu Recht durch Urteil entschieden. Denn es hat durch eine Entscheidung in der Sache der Klage stattgegeben. Für eine solche Entscheidung ist die richtige Form das Urteil. Allerdings hat das Landgericht entgegen § 17a Abs. 3 S. 2 GVG verfahrensfehlerhaft nicht vorab durch Beschluss über die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges entschieden. Das bedeutet aber nicht, dass die richtige Form für die vom Landgericht tatsächlich getroffene Entscheidung ein Beschluss gewesen wäre. Denn das Landgericht hat eine die Instanz abschließende Sachentscheidung getroffen, nicht aber eine gesonderte Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges. Diese Frage wurde lediglich als Vorfrage in den Entscheidungsgründen mit angesprochen. Dadurch unterscheidet sich der Inhalt der hier zu beurteilenden Entscheidung von einer auf die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges beschränkten Entscheidung durch Urteil anstelle durch Beschluss, für die die Anwendung des Grundsatzes der Meistbegünstigung in Betracht kommt (OLG Hamburg, VersR 1996, 393, 394).

Ein - wie hier - ohne die erforderliche Vorabentscheidung durch Beschluss fehlerhaft ergangenes Sachurteil ist danach die der Form nach richtige Entscheidung. Das Gericht hat bei ihr keinen Verlautbarungsfehler begangen und deshalb durch die Form seiner Entscheidung den Parteien auch keinen falschen Weg für die Art der Anfechtung gewiesen (BGH NJW 1999, 583, 584 m.w.N.). Durch das fehlerhafte Verfahren des Landgerichts entstehen der Beklagten auch keine Nachteile. Denn in Fällen, in denen das Landgericht über die Zulässigkeit des Rechtsweges entgegen § 17a Abs. 3 S. 2 GKG nicht vorab durch Beschluss entschieden hat, greift § 17a Abs. 5 GKG nicht ein. Vielmehr ist in diesem Fall die Zuständigkeit vom Rechtsmittelgericht der Hauptsache zu prüfen. Anderenfalls wäre die vom Gesetz gewollte Möglichkeit, die Zuständigkeit auch im Falle ihrer Bejahung vom Rechtsmittelgericht überprüfen zu lassen, aufgrund eines Verfahrensfehlers des Gerichts abgeschnitten (BGH NJW 1995, 2851, 2852; 1993, 470, 471).

Wäre - wie die Beklagte meint - der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet und demgemäß § 17a Abs. 2 GKG anwendbar gewesen, wäre das klageabweisende Urteil nicht eine der Form nach inkorrekte Entscheidung, sondern es wäre sachlich falsch, weil lediglich die Unzulässigkeit des Rechtswegs ausgesprochen und der Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht hätte verwiesen werden dürfen. In einem solchen Fall ist kein Raum für einen prozessualen Schutz des Betroffenen im Wege der Meistbegünstigung (BGH NJW 1993, 332, 333; Zöller/Gummer, GVG, 26. Aufl., § 17a Rn. 17; andere Ansicht BAG NJW 1995, 2310).

Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, da ihr Rechtsmittel keinen Erfolg hat (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Mit Rücksicht auf die oben zitierte abweichende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts lässt der Senat die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung zu.

Ende der Entscheidung

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