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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 20.12.2006
Aktenzeichen: 19 W 68/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 104
BGB § 241
BGB § 280 Abs. 1
BGB § 311
BGB § 812 Abs. 1
Zu Schutz- und Fürsorgepflichten des Geschäftsherrn gegenüber dem von ihm beauftragten Leiter einer Lotto-Annahmestelle in Bezug auf dessen Schutz vor den Folgen der Spielsucht.
Gründe:

I. Der Antragsteller ist sei 1999 aufgrund eines Geschäftsbesorgungsvertrages mit dem Land ..., vertreten durch die ... Lotterieverwaltung, der am 23.02.2004 - offenbar inhaltsgleich - neu abgeschlossen wurde, Verkaufsstellenleiter einer Lotto-Annahmestelle. Nach I. des Geschäftsbesorgungsvertrages ist die Antragsgegnerin mit der Vertretung der Lotterieverwaltung betraut. Entsprechend diesem Vertrag führte der Antragsteller ein Bankkonto in Form eines offenen Treuhandkontos, von dem die Antragsgegnerin aufgrund einer ihr erteilten Ermächtigung die sich aus den eingenommenen Spieleinsätzen ergebenen Forderungen im Abbuchungsverfahren einzog. Seit Anfang 2004 war der Antragsteller mit erheblichen Umsätzen Spielteilnehmer bei Oddset-Wetten. Der Antragsteller behauptet, spätestens seit Anfang 2004 habe sich bei ihm eine pathologische Spielsuchterkrankung entwickelt, die dazu geführt habe, dass er nicht mehr in der Lage gewesen sei, seine Handlungen in Bezug auf das Spielen zu steuern. Im Zustand partieller Geschäftsunfähigkeit habe er in der Zeit vom 27.03.2004 bis zum 22.08.2004 insgesamt 251.714,95 EUR aus eigenen Mitteln für Oddset-Wetten eingesetzt. Er beantragt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Zahlung des genannten Betrages aus dem rechtlichen Gesichtspunkt des Schadensersatzes und der ungerechtfertigten Bereicherung. Er ist der Auffassung, dass die Antragsgegnerin den ihm durch seine Spieleinsätze entstandenen Schaden zu verantworten habe, weil sie Fürsorge- und Sorgfaltspflichten aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag verletzt habe. Wegen der außerordentlich großen Umsatzsteigerung bei Wetteinnahmen in dem angegebenen Zeitraum in Verbindung mit der Teilnahme an Oddset-Wetten außerhalb der Geschäftszeiten, die die Antragsgegnerin bei der gebotenen Überprüfung hätte feststellen können und müssen, habe die Antragsgegnerin hinreichende Anhaltspunkte für eine pathologische Spielsucht des Antragstellers erkennen und Maßnahmen zur Verhinderung weiterer vermögensschädigender Handlungen des Antragstellers treffen müssen.

Das Landgericht hat dem Antragsteller Prozesskostenhilfe versagt, weil dieser die Anknüpfungstatsachen für seine partielle Geschäftsunfähigkeit und auch die Höhe des Schadens nicht hinreichend substantiiert dargelegt habe. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beschwerde des Antragstellers.

II. Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage zurückgewiesen. Die Klage, die der Antragsteller erheben will, hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).

Ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB steht dem Antragsteller gegen die Antragsgegnerin wegen Verletzung einer Vertragspflicht nicht zu.

Eine Haftung der Antragsgegnerin aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag über das Betreiben der Lotto-Annahmestelle kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil Vertragspartner des Antragstellers nicht die Antragsgegnerin, sondern das Land ..., vertreten durch die ... Lotterieverwaltung, war. Das ergibt sich eindeutig aus der Bezeichnung der Vertragsparteien im Kopf des Geschäftsbesorgungsvertrages und aus I. des Vertrages, der die Antragsgegnerin wiederholt als Vertreter der Lotterieverwaltung bezeichnet.

Eine vertragliche Haftung der Antragsgegnerin für den vom Antragsteller behaupteten Schaden kommt selbst dann nicht in Betracht, wenn man mit Rücksicht darauf, dass in VIII und IX des Geschäftsbesorgungsvertrages davon die Rede ist, dass der Antragsgegnerin ein Recht zur fristlosen Kündigung, zur Erhebung von Konventionalstrafen und Geltendmachung sonstiger Schadensersatzansprüche zusteht, eine schuldrechtliche Beziehung zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin bejaht. Denn die Antragsgegnerin hat Vertragspflichten, die den Schutz des Antragstellers vor Vermögensschäden bezwecken, nicht verletzt. Es kann offen bleiben, ob der Gesichtspunkt, dass das staatliche Monopol für Sportwetten mit dem Ziel des Vorbeugens der Spielsuchtgefährdung begründet wird, einzelvertragliche Schutz- und Fürsorgepflichten begründen kann. Eine solche Annahme liegt für den hier in Rede stehenden Geschäftsbesorgungsvertrag eher fern. Denn dieser Vertrag regelt die ordnungsgemäße Abwicklung der Spielverträge durch die vom Antragsteller geleitete Verkaufsstelle und Pflichten im Zusammenhang mit der treuhänderischen Verwaltung eingenommener Spieleinsätze. Die Teilnahme des Antragstellers am Spiel klingt im Geschäftsbesorgungsvertrag nur in IV 2 an, wonach der Verkaufsstellenleiter keine Spielgemeinschaften veranstalten oder hierfür als Beauftragter tätig sein darf. Mit dieser Regelung soll ersichtlich zum Schutz der Vermögensinteressen der Antragsgegnerin bzw. der ... Lotterieverwaltung einer Interessenkollision auf Seiten des Antragstellers vorgebeugt werden. Danach tangieren die vom Antragsteller geltend gemachten Schutz- und Fürsorgepflichten der Antragsgegnerin möglicherweise den einzelnen Spielvertrag, nicht aber die Rechtsbeziehung aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag für die Leitung der Annahmestelle.

Selbst wenn man eine Verpflichtung der Antragsgegnerin bejaht, den Geschäftsbesorgungsvertrag mit dem Antragsteller bei hinreichendem Verdacht auf eine Spielsucht ohne Rücksicht auf eigene Interessen allein zum Schutz des Antragstellers vor sich selbst fristlos zu kündigen, haftet die Antragsgegnerin für den behaupteten Schaden nicht. Denn sie hat - hier zu unterstellende - Schutz- und Fürsorgepflichten gegenüber dem Antragsteller nicht verletzt. Auf den sprunghaften Anstieg der Umsätze aus dem Spielbetrieb im Frühjahr 2004 hat die Antragsgegnerin angemessen reagiert, in dem sie den Antragsteller durch einen ihrer Mitarbeiter befragte. Sie handelte auch nicht pflichtwidrig, in dem sie sich mit der sich nachträglich als unwahr herausstellenden Erklärung des Antragstellers zufrieden gab, die hohen Einsätze seien auf eine private Spielgemeinschaft aus Mitgliedern eines Sportvereines zurückzuführen. Der Verdacht einer Spielsucht des Antragstellers ergab sich daraus nicht, zumal der Antragsteller entgegen seiner Verpflichtung als Leiter einer Verkaufsstelle nach § 15 Abs. 5 der Teilnahmebedingungen für Oddset-Wetten nicht eine Kundenkarte verwendete, die eine Zuordnung eines Spielvertrages mit den persönlichen Daten des jeweiligen Spielteilnehmers gewährleistet hätte. Mangels konkreter Anhaltspunkte war die Antragsgegnerin auch nicht zur Überprüfung von Wochentagen und Uhrzeiten der Spieleinsätze verpflichtet. Schließlich hat der Antragsteller es auch verstanden, bei der Antragsgegnerin einen Verdacht hinsichtlich seiner Spielsucht zu vermeiden, als es am 02.04.2004 und 06.08.2004 wegen Unterdeckung des Treuhandkontos zu Rücklastschriften kam, in dem er hinreichend plausible technische Gründe vorgab und den Fehlbetrag dann umgehend ausglich.

Ein Schadensersatzanspruch des Antragstellers gegen die Antragsgegnerin ergibt sich auch nicht aus einer Sonderverbindung im Sinne der §§ 241, 311 Abs. 2 BGB, die jeweils im Zusammenhang mit den - hier unterstellt - nichtigen Spielverträgen zustande kam und Verhaltens- oder Schutzpflichten begründen kann (BGH ZIP 2005, 1599, 1601). Soweit der Antragsteller Spielteilnehmer war, kommt als Vertragspartner nicht die Antragsgegnerin, sondern die Lotterieverwaltung gemäß I § 1 Abs. 2 und II § 15 der Teilnahmebedingungen für Oddset-Wetten in Betracht. Auch ist die Verletzung von Verhaltens- oder Schutzpflichten in Verbindung mit der Sonderverbindung im Zusammenhang mit nichtigen Spielverträgen weder geltend gemacht noch ersichtlich. Danach kann offen bleiben, ob für einen Schadensersatzanspruch, der aus der Verletzung von Pflichten aus der Sonderverbindung infolge Nichtigkeit eines Spielvertrages in Betracht kommen könnte, die Regelung nach VII Abs. 2 der Teilnahmebedingungen über das Erlöschen von Ansprüchen, sofern sie nicht innerhalb von 13 Wochen nach der letzten Ziehung des Spielzeitraumes gerichtlich geltend gemacht werden, gilt.

Schließlich steht dem Antragsteller gegen die Antragsgegnerin auch aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung ein Anspruch gegen die Antragsgegnerin nicht zu. Ein Bereicherungsanspruch des Antragstellers gegen die Antragsgegnerin ist deshalb ausgeschlossen, weil die Antragsgegnerin das vom Antragsteller nach seiner Behauptung zum Spiel eingesetzte Geld nicht durch dessen Leistung, sondern in sonstiger Weise durch die Bank des Antragstellers erlangt hat. Die Zahlungen, die der Antragsteller nach seinen Angaben aus eigenen Mitteln auf das von ihm in seiner Eigenschaft als Verkaufsstellenleiter zur Einzahlung der vereinnahmten Spieleinsätze geführte offene Treuhandkonto vornahm, sind entsprechend der Regelung in VI des Geschäftsbesorgungsvertrages durch Abbuchung der Antragsgegnerin an diese gelangt. Für eine Zahlung mittels Abbuchung (Lastschrift) gelten bereicherungsrechtlich die gleichen Grundsätze wie für die Überweisung. Im Falle einer Überweisung (Leistung kraft Anweisung) vollzieht sich der Bereicherungsausgleich zwar grundsätzlich innerhalb des jeweiligen Leistungsverhältnisses, also zum einen zwischen dem Anweisenden (hier dem Antragsteller) und dem Angewiesenen (hier der Bank des Antragstellers) und zum anderen zwischen dem Anweisenden (hier dem Antragsteller) und dem Anweisungsempfänger (hier der Antragsgegnerin). Das gilt aber dann nicht, wenn eine wirksame Anweisung sowie eine wirksame Zweckbestimmung wegen Geschäftsunfähigkeit des Anweisenden fehlen. In diesen Fällen kommt es nicht zu einer "Leistung" des Anweisenden, da ihm die Zahlung des Angewiesenen nicht zugerechnet werden kann. Wegen des rechtsgeschäftlichen Charakters der Anweisung sowie des zumindest rechtsgeschäftsähnlichen Charakters der Zweckbestimmung ist die Geschäftsfähigkeit des Anweisenden erforderlich. Fehlt diese, so ist die Zahlung des Angewiesenen an den Dritten keine Leistung des Anweisenden. Der Anweisende kann daher durch die Zahlung keinen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen den Dritten erwerben (BGHZ 111, 382, 386; BGH NJW 2004, 1315, 1316 m.w.N.; Palandt/Sprau, 66. Aufl., BGB § 812 Rdnr. 53). So liegt es hier. Der dem Anweisenden zu vergleichende Antragsteller war nach seiner Behauptung in dem hier maßgeblichen Zeitraum geschäftsunfähig. Ebenso wie ihm eine Überweisung (Anweisung) an die Antragsgegnerin nicht hätte zugerechnet werden können, kann ihm auch die Lastschrift der Antragsgegnerin nicht zugerechnet werden, zumal die Einzugsermächtigung für die Antragsgegnerin gemäß VI des Geschäftsbesorgungsvertrages nur zum Einzug ihrer Forderungen erteilt war, im Umfang von Einzahlungen des Antragstellers, soweit dieser geschäftsunfähig war, jedoch Forderungen aus Spielverträgen nicht begründet worden sein konnten.

Die Erweiterung des Prozesskostenhilfeantrages gemäß Schriftsatz vom 06.12.2006, mit welchem der Antragsteller Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen eine dritte Person beantragt, ist für das Beschwerdeverfahren ohne Bedeutung. Da es insoweit einer Entscheidung des Erstgerichts fehlt, unterliegt die Prüfung der Erfolgsaussicht für die beabsichtigte weitere Klage nicht der Prüfungsbefugnis des Beschwerdegerichts.

Der Ausspruch über die Kosten beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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