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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 05.11.2008
Aktenzeichen: 19 W 74/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 109
Die Rechtsmäßigkeit der Fristbestimmung nach § 109 Abs. 1 ZPO setzt nicht voraus, dass die Möglichkeit von Ansprüchen, für die die Sicherheit helfen soll, überhaupt ausgeschlossen ist; eine Fristbestimmung nach § 109 ZPO kann ergehen, wenn derartige Ansprüche nicht mehr entstehen können und der sofortigen Geltendmachung eines etwa bereits entstandenen Anspruchs Hindernisse nicht mehr entgegen stehen (RGZ 97, 127, 130).
Gründe:

I.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte am 14.06.2007 ein gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbares Urteil auf Zahlung von 18.450,-- EUR nebst Zinsen und Kosten erstritten. Nach Hinterlegung einer Sicherheitsleistung von 5.500,-- EUR hat die Klägerin gegen die Beklagte im Rahmen der Zwangsvollstreckung aus dem genannten Urteil einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wegen und in Höhe einer Forderung von 5.688,27 EUR erlangt, der dem Drittschuldner am 28.02.2008 zugestellt worden ist.

In dem durchgeführten Berufungsverfahren haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung am 29.02.2008 einen Prozessvergleich abgeschlossen, wonach die Beklagte zur Abgeltung der Klageforderung an die Klägerin 14.000,-- EUR in monatlichen Raten zahlt und die Kosten des Rechtsstreits trägt.

Am 18.03.2008 zahlte die Drittschuldnerin aufgrund der Forderungspfändung 5.688,27 EUR an die Klägerin. Das Verlangen der Beklagten, die erhaltenen 5.688,27 EUR zurückzuzahlen, lehnte die Klägerin ab und erklärte Aufrechnung mit einem Kostenerstattungsanspruch.

Auf Antrag der Klägerin hat der Rechtspfleger des Landgerichts der Beklagten durch Beschluss vom 16.06.2008 gemäß § 109 Abs. 1 ZPO aufgegeben, binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses die Einwilligung in die Rückgabe der Sicherheit zu erklären oder die Klageerhebung wegen ihrer Ansprüche nachzuweisen. Durch weiteren Beschluss vom 27.08.2008 hat der Rechtspfleger des Landgerichts die Rückgabe der Sicherheitsleistung gemäß § 109 Abs. 2 ZPO angeordnet.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beklagte mit der sofortigen Beschwerde, der der Rechtspfleger und der erstinstanzliche Richter nicht abgeholfen haben. Die Beklagte macht geltend, die Fristbestimmung im Beschluss vom 16.06.2008 habe nicht ergehen dürfen, weil die Veranlassung für die Sicherheitsleistung nicht weggefallen sei. Ihr stehe gegen die Klägerin ein Schadensersatzanspruch zu, weil die Klägerin die Zwangsvollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil noch nach Abschluss des Prozessvergleichs im Berufungsrechtszug fortgesetzt habe. Die von der Klägerin geleistete Sicherheit solle nach ihrem Zwack verhindern, dass die Beklagte, die durch die vorläufige Vollstreckungsmaßnahme der Klägerin einen Schaden erlitten habe, ihre Schadensersatzansprüche nicht verwirklichen könne. Auch ergebe sich aus dem Prozessvergleich nicht die Verpflichtung der Klägerin, aus dem erstinstanzlichen Urteil nicht mehr zu vollstrecken. Bei Abschluss eines Prozessvergleichs entfalle die Veranlassung für die Sicherheitsleistung erst, wenn der Vergleich erfüllt sei.

II.

Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist nicht begründet. Die Anordnung der Rückgabe der Sicherheit nach § 109 Abs. 2 ZPO ist zu Recht ergangen.

Im Beschwerdeverfahren über die Anordnung nach § 109 Abs. 2 ZPO ist auch die Rechtmäßigkeit der Fristbestimmung nach § 109 Abs. 1 ZPO zu überprüfen. Denn dem Gegner des Sicherheitenbestellers steht gegen den Beschluss, durch welchen dem Antrag auf Fristbestimmung stattgegeben wird, die Beschwerde nicht zu, wie sich aus § 109 Abs. 4 ZPO ergibt (Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 109 Rn. 10; RGZ 97, 127, 130).

Die Fristbestimmung gem. § 109 Abs. 1 ZPO durch Beschluss vom 16.06.2008 ist nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat die Veranlassung für die von der Klägerin geleistete Sicherheit zu Recht als weggefallen erachtet. Die im erstinstanzlichen Urteil nach § 709 ZPO bestimmte und von der Klägerin geleistete Sicherheit bezweckte den Schutz der Beklagten als Vollstreckungsschuldnerin für den Fall, dass das vorläufig vollstreckbare Urteil im Instanzenzug abgeändert oder aufgehoben wird und sich die Zwangsvollstreckung deshalb nachträglich als ungerechtfertigt erweist. Für ihren Umfang ist demgemäß die Haftung des Vollstreckungsgläubigers nach § 717 Abs. 2 ZPO maßgebend.

Die Veranlassung für diese Sicherheitsleistung ist deshalb entfallen, weil mit dem Abschluss des Prozessvergleichs das erstinstanzliche Urteil - somit die in dem Urteil getroffene Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung - wirkungslos wurde. Das erstinstanzliche Urteil wurde durch den Prozessvergleich auch nicht deshalb aufrechterhalten, weil die Parteien in Nr. 3 des Vergleichs vereinbart haben, dass für den Fall des Verzuges mit einer Rate der gesamte Urteilsbetrag fällig wird. Bei dieser Regelung handelt es sich um eine Verfallklausel, die für den Fall des Verzuges lediglich wegen der Höhe der dann geschuldeten Forderung auf das Urteil Bezug nimmt, dieses jedoch dadurch nicht als Vollstreckungstitel aufrecht erhält.

Der von der Beklagten behauptete Schadensersatzanspruch steht dem Wegfall der Veranlassung für die Sicherheitsleistung nicht entgegen. Die Fristbestimmung nach § 109 Abs. 1 ZPO setzt nicht voraus, dass die Möglichkeit des Bestehens von Ansprüchen, für welche die Sicherheit dem Gegner haften soll, überhaupt ausgeschlossen ist. Vielmehr ist die Veranlassung für die Sicherheit dann als weggefallen zu erachten, wenn nach Lage des Einzelfalles weitere derartige Ansprüche nicht mehr entstehen können und der sofortigen Geltendmachung eines etwa bereits entstandenen Anspruchs Hindernisse nicht mehr entgegen stehen (RGZ a.a.O. S. 130). So liegt es hier. Auch die Klägerin geht davon aus, dass infolge des Prozessvergleichs das erstinstanzliche Urteil unwirksam geworden ist; sie betreibt die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil nicht weiter, sondern erklärte mit Schreiben vom 26.03.2008, das sie die Pfändung aufgehoben habe. Deshalb liegt kein Anhaltspunkt dafür vor, dass der Beklagten Ansprüche, für welche die Sicherheit haften soll, noch entstehen können. An der sofortigen Geltendmachung des von ihr behaupteten Schadensersatzanspruches war sie jedenfalls im Zeitpunkt der Fristbestimmung nach § 109 Abs. 1 ZPO (16.06.2008) nicht gehindert. Zur Vermeidung der Anordnung der Rückgabe der Sicherheit gemäß § 109 Abs. 2 ZPO hätte die Beklagte deshalb innerhalb der ihr gesetzten Frist Klage erheben können und müssen. In diesem Falle hätte die Anordnung nach § 109 Abs. 2 ZPO nicht ergehen dürfen.

Soweit in der Rechtsprechung ein Anspruch auf Rückgewähr der Sicherheit nur dann angenommen wird, wenn die Veranlassung für die Sicherheitsleistung weggefallen ist und die Sicherheit dem Empfänger nicht für seine Ansprüche haftet (BGH NJW 1990, 2128, 2129; OLG Koblenz, OLGR 2001, 281, 282), wird nicht postuliert, dass die Möglichkeit des Bestehens von Ansprüchen, für welche die Sicherheit dem Gegner haften soll, überhaupt ausgeschlossen sein muss. Soweit danach für den Rückgewähranspruch auch vorausgesetzt wird, dass die Sicherheit dem Empfänger nicht für seine Ansprüche haftet, kommt lediglich zum Ausdruck, dass etwa durch eine fristgerechte Klageerhebung die Anordnung der Rückgabe der Sicherheit ausgeschlossen ist. Würde man schon das bloße Bestehen eines Anspruchs, für welche die Sicherheit dem Gegner haften soll, als Hindernis für eine Fristsetzung nach § 109 Abs. 1 ZPO ansehen, wäre der in § 109 Abs. 1 ZPO vorgesehene Nachweis der Klageerhebung wegen Ansprüchen, für die die Sicherheit haftet, systemwidrig und sinnlos.

Die Auffassung der Beklagten, wegen des Abschlusses des Prozessvergleichs entfalle die Veranlassung für die Sicherheitsleistung erst dann, wenn der Vergleich erfüllt sei, trifft in diesem Fall nicht zu. Anderes kann etwa gelten, wenn sich die Sicherungswirkung einer in erster Instanz vom Vollstreckungsschuldner erteilten Prozessbürgschaft auch auf eine Prozessvergleichsforderung in der Berufungsinstanz erstreckt (OLG Köln, NJW-RR 1987, 251, 252). So liegt der Fall hier aber nicht.

Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, da ihr Rechtsmittel keinen Erfolg hat (§ 97 Abs. 1 ZPO). Der Beschwerdewert entspricht der Höhe der Sicherheit, die die Beklagte nicht freigeben will.

Ende der Entscheidung

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