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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 02.09.2008
Aktenzeichen: 2 Ss 150/08
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 46 Abs. 2 S. 2
StPO § 267 Abs. 3 S. 1
Zu den Anforderungen an die Darstellung von Vorstrafen in den Urteilsgründen.
Gründe:

In der Sitzung vom 11. September 2007 verurteilte das Amtsgericht Wetzlar den Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten und einer weiteren Gesamtstrafe von neun Monaten. Auf die Berufung des Angeklagten hin hat das Landgericht dieses Urteil aufgehoben und neu gefasst. Es hat den Angeklagten wegen Bedrohung in Tateinheit mit Körperverletzung in zwei Fällen (Einzelstrafen jeweils sechs Monate Freiheitsstrafe) und wegen versuchter Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung (Einzelstrafe neun Monate Freiheitsstrafe - zugleich Einsatzstrafe) - unter Einbeziehung mehrerer Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Wetzlar vom 4. Dezember 2006 nach Auflösung der dort verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt; außerdem hat es aus den zwei verbleibenden Einzelstrafen aus dem bereits genannten Urteil des Amtsgerichts Wetzlar vom 4. Dezember 2006 und der mit Urteil des Landgerichts Limburg vom 22. Mai 2006 verhängten Freiheitsstrafe von vier Monaten wegen Körperverletzung eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe gebildet und auf eine solche von neun Monaten erkannt. Die im Urteil des Amtsgerichts Wetzlar angeordnete Maßregel nach §§ 69, 69a StPO hat es aufrechterhalten.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er in allgemeiner Form die Verletzung sachlichen Rechts beanstandet.

Das Rechtmittel ist zum Schuldspruch aus den Gründen der Ausführungen des Vertreters der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht in der Revisionshauptverhandlung offensichtlich unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

Auch die verhängten drei Einzelstrafen haben Bestand. Bei deren Bemessung sind dem Tatrichter Rechtsfehler nicht unterlaufen, dies gilt insbesondere auch hinsichtlich der strafschärfenden Berücksichtigung der Vorstrafen.

Der Erörterung bedarf insoweit nur, ob das Landgericht die Einzelheiten dieser Vorstrafen in den Urteilsgründen in ausreichender Weise mitgeteilt hat, um dem Revisionsgericht die sachlich-rechtliche Nachprüfung seiner Strafzumessungserwägungen zu ermöglichen. Dies ist entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht, die sich hierzu in ihrer Antragsschrift vom 19. Mai 2008 auf die ständige Rechtsprechung des 1. Strafsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main sowie des Oberlandesgerichts Köln bezieht, der Fall.

Nach dieser Ansicht muss der Tatrichter, will er Vorstrafen zum Nachteil des Angeklagten werten, die Zeiten der Verurteilungen, die Tatzeiten sowie die Art und Höhe der erkannten Rechtsfolgen im einzelnen mitteilen, wobei in der Regel auch Ausführungen zu den Sachverhalten, die den einzelnen Verurteilungen zu Grunde lagen, zu machen sind (vgl. OLG Frankfurt, vgl. Beschlüsse vom 19. September 2006 - 1 Ss 167/06; vom 29. August 2006 - 1 Ss 180/06; vom 2. März 2004 - 1 Ss 29/04; vom 20. Januar 2004 - 1 Ss 403/03; vom 1. Dezember 2003 - 1 Ss 307/03; vom 17. November 2003 - 1 Ss 285/03; OLG Frankfurt StV 1989, 155; jeweils m.N.; OLG Köln NStZ 2003, 421; StV 1996, 321). Von einer genauen Darlegung der den Vorverurteilungen zugrunde liegenden Sachverhalte soll allenfalls dann abgesehen werden können, wenn in Fällen geringerer Bedeutung der Sachverhalt schon aus der Angabe der angewendeten Vorschriften hinreichend erkennbar wird (z.B. Fahren ohne Fahrerlaubnis) oder wenn etwa die Auflistung der Vorstrafen nur allgemein der Darlegung anderer Fälle der Missachtung strafrechtlicher Normen durch den Angeklagten dient, also ersichtlich in keiner Weise auf Art und Schwere früher begangener Straftaten abgestellt worden ist (vgl. OLG Frankfurt, Beschlüsse vom 2. März 2004 - 1 Ss 29/04; vom 20. Januar 2004 - 1 Ss 403/03; vom 1. Dezember 2003 - 1 Ss 307/03 und vom 17. November 2003 - 1 Ss 285/03).

Diese Auffassung teilt der Senat nicht. Sollte sich aus seinem Beschluss vom 15. Dezember 2004 (2 Ss 382/04) anderes ergeben, hält der Senat hieran nicht mehr fest. Die genannte Ansicht überdehnt die Anforderungen, die der Bundesgerichtshof hinsichtlich der Darstellung der Vorbelastungen eines Angeklagten an die Abfassung der Urteilsgründe stellt bei weitem und beruft sich dabei zu Unrecht auf dessen Rechtsprechung. Die hierzu zitierte Entscheidung BGH NStZ-RR 1996, 266 (so z.B. durch OLG Frankfurt, Beschluss vom 1. Dezember 2003 - 1 Ss 307/03 und OLG Köln NStZ 2003, 421 - dort zudem mit Fehlzitat NStZ 1996, 266) enthält keine derartigen Ausführungen, erst recht nicht in der angenommenen Allgemeinheit und Reichweite. Gleiches gilt für BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 25 (zit. durch OLG Frankfurt in Beschlüssen vom 20. Januar 2004 - 1 Ss 403/03 und vom 17. November 2003 - 1 Ss 285/03), sowie BGH, Urteil vom 6. März 1987 - 2 StR 37/87 - (zit. durch OLG Frankfurt StV 1989, 155).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des erkennenden Senats (vgl. Urteil vom 19. Juni 2007 - 2 Ss 138/07; Beschluss vom 15. Dezember 2004 - 2 Ss 382/04), sollen sich die Urteilsgründe vielmehr auf das Wesentliche beschränken. Dies bedeutet für die Vorstrafen, dass sie nur in dem Umfang und in denjenigen Einzelheiten mitzuteilen sind, in denen sie für die getroffene Entscheidung von Bedeutung sind (st. Rspr., vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 3 Satz 1 Strafzumessung 13 und 16; BGH, Beschluss vom 10. September 2003 - 1 StR 371/03; Senat aaO). Dies wiederum ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalles (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juni 2001 - 3 StR 202/01). Sind - wie hier - nur Zahl, Frequenz, Höhe, Einschlägigkeit und Verbüßung der Vorstrafen für die Strafbemessung beachtlich, genügt es, die entsprechenden Tatsachen in das Urteil aufzunehmen. Der Mitteilung von Einzelheiten der Urteilssachverhalte bedarf es dann nicht (BGHR StPO § 267 Abs. 3 Satz 1 Strafzumessung 13 und 16; BGH, Beschluss vom 20. Juni 2001 - 3 StR 202/01; Senat, Urteil vom 19. Juni 2007 - 2 Ss 138/07). Vielmehr ist bei der Darstellung der Vorstrafen die Mitteilung der zu diesen jeweils getroffenen Feststellungen zur Sache sogar überflüssig, soweit sich aus diesen Tatsachen keine Folgerungen für die zu entscheidende Sache ergeben (BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2003 - 5 StR 504/03). Die häufig zu beobachtende Praxis, entweder den Bundeszentralregisterauszug in die Urteilsgründe hineinzukopieren und/oder seitenlang im Wortlaut frühere Urteilsgründe einzurücken oder vollständig wiederzugeben, obwohl es auf deren genaue Feststellungen nicht ankommen kann, ist verfehlt (BGHR StPO § 267 Darstellung 1; BGH NStZ-RR 1996, 266; BGH Beschluss vom 20. Juni 2001 - 3 StR 202/01).

Durch derartige Ausführungen unnötig aufgeblähte, umfangreiche Urteilsbegründungen laufen nicht nur dem Erfordernis der Schonung der knappen Rechtsprechungsressourcen zuwider, sondern bringen den Tatrichter zudem in die Gefahr, dass die die Strafbemessung bestimmenden Umstände im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO aus dem Blick geraten und in den Hintergrund treten (BGHR StPO § 267 Abs. 3 Satz 1 Strafzumessung 20 und § 267 Darstellung 1).

Nach diesen Maßstäben ist die Bemessung der Einzelstrafen durch das Landgericht frei von Rechtfehlern. Die Kammer hat zu Lasten des Angeklagten "seine nicht unerheblichen Vorstrafen" gewürdigt, die zu 13 Eintragungen in das Bundeszentralregister führten. Insbesondere fiel ins Gewicht, dass der Angeklagte am 25. Oktober 1996 unter anderem wegen einer einschlägigen Tat, nämlich gefährlicher Körperverletzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt wurde, die er überwiegend verbüßt hat. Insgesamt ist er bereits sieben Mal wegen Körperverletzungsdelikten bestraft worden und hat über vier Jahre Strafhaft verbüßt. Hieraus habe er keine Lehren gezogen, sondern sei nach wie vor bereit Rohheitsdelikte - hier Körperverletzungen - zu begehen (UA S. 32). Damit hat die Kammer dem Angeklagten ersichtlich nur die Zahl, Frequenz, Höhe, Einschlägigkeit und Verbüßung der Vorbelastungen angelastet. Die dazu erforderlichen Tatsachen, nämlich Urteilsdaten, Schuldsprüche, Rechtsfolgen und Verbüßungszeiten hat sie unter II.1. S. 5 - 12 der Urteilsgründe vollständig mitgeteilt. Dies reichte aus. Eine Mitteilung der den einschlägigen Verurteilungen zu Grunde liegenden tatsächlichen Feststellungen war dazu - auch angesichts deren Bedeutung für die Strafbemessung im vorliegenden Strafverfahren - nicht geboten.

Allerdings unterliegt der Ausspruch über die Gesamtstrafen der Aufhebung. Dieser entzieht sich revisionsrechtlicher Nachprüfung, weil das angefochtene Urteil hinsichtlich der einbezogenen Strafen - mit Ausnahme der Verurteilung wegen Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz (Tat vom 28. April 2006 - Einzelstrafe 6 Monate) - nicht mitteilt, welche Einzelstrafen das Amtsgericht Wetzlar verhängt hatte (vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Strafen, einbezogene 1; BGH NStZ-RR 1998, 103; BGH, Urteil vom 13. November 1997 - 4 StR 417/97 und Beschluss vom 20. Februar 2002 - 3 StR 338/01).

Der Senat hat von der Möglichkeit des § 354 Abs. 1 b Satz 1 StPO Gebrauch gemacht. Die nachträgliche Gesamtstrafenbildung und die Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Maßregel (§ 55 Abs. 2 StGB) obliegt somit dem nach § 462a Abs. 3 und 4 StPO zuständigen Gericht.

Die Kostenentscheidung nach § 473 Abs. 4 StPO kann der Senat selbst treffen, weil hier sicher abzusehen ist, dass der Rechtmittelerfolg nur geringfügig ist (vgl. BGHR StPO § 354 Abs.1b Satz 1; BGH, Beschlüsse vom 9. Oktober 2007 - 4 StR 434/07 und vom 9. August 2006 - 1 StR 252/06).

Ende der Entscheidung

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