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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 30.03.2006
Aktenzeichen: 2 Ss 26/06
Rechtsgebiete: AufenthG, StGB


Vorschriften:

AufenthG § 4
AufenthG § 95
StGB § 73 Abs. 1
Die Bestrafung wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz steht grundsätzlich der Anwendung der Verfallsvorschriften nicht entgegen.
Gründe:

Das Amtsgericht Fritzlar hat die Angeklagte mit Urteil vom 2. September 2005 wegen illegalen Aufenthalts im Bundesgebiet zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 15,- € verurteilt und die 49 sichergestellten 50,- Euroscheine für verfallen erklärt. Mit ihrer Sprungrevision wendet sich die Angeklagte allein gegen die Sicherstellung der Geldscheine und rügt die Verletzung materiellen Rechts.

Die Revision ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingereicht und ebenso begründet worden. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Die Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in ihrer Stellungnahme vom 30. Januar 2006 ausgeführt:

"Nach den getroffenen Feststellungen rühren die bei der Angeklagten am 13.07.2005 sichergestellten Geldbeträge in Höhe von insgesamt 2450,-- Euro (49 Scheine zu je 50,-- €) aus ihrer Erwerbstätigkeit als Prostituierte in einer Wohnung in O1. Damit sind sie aber nicht i. S. v. § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB durch die abgeurteilte Straftat erlangt.

Allerdings steht die Bestrafung wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz grundsätzlich der Anwendung der Verfallsvorschriften nicht entgegen.

Das Gericht hat jedoch unzutreffend angenommen, dass die Angeklagte die sichergestellten Gelder aus der vorliegenden rechtswidrigen Tat gem. § 95 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 S. 1 AufenthG erlangt hat.

Es fehlt an einem engen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der abgeurteilten Tat und dem "erlangten Etwas" i.S.v. § 73 StGB (so Franzheim wistra 1989, 87 für § 327 StGB).

Der Verfall nach § 73 Abs. 1 StGB erstreckt sich grundsätzlich nur auf das unmittelbar erlangte Etwas, d.h. der Vermögensvorteil muss unmittelbar aus der oder für die - von der Anklage umfasste und vom Tatrichter festgestellte (vgl. BGH St 28, 369) - Anknüpfungstat erlangt sein (h.M., vgl. z.B. Leipziger Kommentar, StGB, 11. Aufl., § 73 Rn. 17; Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl., § 73 Rn. 10). Voraussetzung ist - als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal - eine unmittelbare Kausalbeziehung zwischen Tat und Vorteil (so BGHR StGB § 73 Erlangtes 2). Ein lediglich mittelbarer Vermögenszuwachs scheidet - abgesehen von Nutzungen und Surrogaten, für die das Gesetz in Abs. 2 des § 73 StGB eine Ausnahme normiert (SK-Horn, StGB, § 73 Rn. 10-12) - aus. Als solcher wird beurteilt der Vermögensvorteil, der durch entsprechende Verwendung bzw. Einsatz des Erlangten erst später dem Vermögen des Täters - sozusagen aus der "Vermarktung" der Tat (so Schönke-Schröder, StGB, 26. Aufl., § 73 Rdn.9) - zufließt (Leipziger Kommentar, aaO; Tröndle/Fischer, aaO), sowie weiter generell der, zu dem nicht unmittelbar die Tathandlung, sondern "weitere, vermittelnde Handlungen" geführt haben (so BGHR StGB, § 73 Erlangtes 2). "Für die Tat" ist nicht erlangt, was der Täter nur gelegentlich einer Straftat, nicht als Gegenleistung für die Tatbegehung erhält (BGH StV 2003, 160). "Aus der Tat" sind die Vermögenswerte erlangt, die dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes selbst in irgendeiner Phase des Tatablaufs zufließen (BGH NStZ-RR 2003, 10, 11). Danach unterliegen lediglich während irgendeiner Phase des Tatablaufs - auch eines Dauerdelikts - durch sonstige nicht der eigentlichen Tatbestandsverwirklichung unterfallende Handlungen erzielte Vermögensvorteile dem Verfall gem. § 73 Abs. 1 StGB nicht. Das trägt dem Rechung, dass nur diejenigen Vermögensgegenstände abgeschöpft werden können, die mit dem Strafmakel der Anlasstat behaftet bzw. die "materiell illegal", also mit dem Unrecht der Anknüpfungstat in einem direkten, inneren Schutzzweckzusammenhang stehend (so SK-Horn, aaO, § 73 Rn. 9) sind, und im Interesse der Rechtsklarheit - auch vor dem Hintergrund des strafrechtlichen Analogieverbotes gem. Art. 103 Abs. 2 GG - nicht hinnehmbare Zuordnungsprobleme vermieden werden müssen (vgl. BGHR StGB § 73 Erlangtes 2).

Vorliegend war der Tatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG mit dem im Mai 2005 gefassten Entschluss der Angeklagten zur Aufnahme der Prostitutionstätigkeit verwirklicht, und zwar unabhängig von der während - "gelegentlich" - des danach strafbaren illegalen Aufenthalts ausgeübten Prostitutionstätigkeit. Damit rührt das dafür bezahlte Entgelt nicht unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes her. Es ist lediglich gelegentlich dessen erzielt. Der erforderliche Unmittelbarkeitszusammenhang ist mithin nicht gegeben, sodass das sichergestellte Entgelt für die Prostitutionsausübung nicht dem Verfall nach § 73 unterliegt."

Diesen Ausführungen schließt sich der Senat. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben, soweit der Verfall der 49 sichergestellten 50,- Euroscheine angeordnet worden ist. Der Senat schließt aus, dass eine neue Hauptverhandlung zur Anordnung des Verfalls führen könnte, so dass diese Maßnahme entfällt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs.2 StPO.

Ende der Entscheidung

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