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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 04.03.2003
Aktenzeichen: 2 Ss Owi 37/03
Rechtsgebiete: SGB III


Vorschriften:

SGB III § 404 II Nr. 2
SGB III § 282 I 1
1. Die Beschäftigung eines Ausländers ohne Genehmigung des Arbeitsamtes erfordert die abhängige Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis gegen Entgelt. In diesem Sinne sind Gefälligkeitsverhältnisse nicht als Arbeitsverhältnisse zu qualifizieren.

2. Bei Hilfeleistungen, die zu Gunsten von Verwandten erbracht werden, kann es sich um entgeltliche Beschäftigungen oder aber Tätigkeiten handeln, die auf Grund familiärer Pflichten oder reiner Gefälligkeit erbracht werden. Die Abgrenzung ist aufgrund einer Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalles unter Beachtung der Verkehrsanschauung vorzunehmen. Dabei sind der Umfang der Tätigkeit, die Höhe der gewährten Leistungen sowie ihr Verhältnis zueinander zu berücksichtigen.


OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

2 Ss Owi 37/03

Entscheidung vom 4. März 2003

In der Bußgeldsache

wegen Zuwiderhandlung gegen das SGB 111

hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main - Senat für Bußgeldsachen - durch den Einzelrichter auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das. Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom. 27.. September 2002 am 04. März 2003 gemäss 79 -ff. OWIIG

beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde und die dem Betroffenen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen, an das Amtsgericht Frankfurt am Main zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen §§ 404 Abs. 2 Nr. 2, 284 Abs. 1 Satz 1 SGB III in vier Fällen zu einer Geldbuße von Euro 2500,--Euro.

Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde des Betroffenen, der noch hinreichend die Sachrüge entnommen werden kann.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht, hat in ihrer Stellungnahme vom 19. Februar 2003 dazu wie folgt Stellung genommen:

Das angefochtene Urteil hält auf die dem Beschwerdevorbringen zu entnehmende Sachrüge einer rechtlichen Überprüfung nicht stand, weil die Feststellungen des Urteils lückenhaft sind.

Im Urteil wird zu den aufgrund der Durchführung. der Hauptverhandlung getroffenen Sachverhaltsfeststellungen unter II. folgendes ausgeführt:

"Der Betroffene ist Eigentümer des Hauses R-Str. in 60437 Frankfurt am Main. In der Zeit vom 06.03.2000 bis zum 16.03.2000 führten kroatische Familienangehörige des Betroffenen, die sich als Touristen im Bundesgebiet aufhielten, Renovierungsarbeiten in dem vorbezeichneten Haus des Betroffenen aus, ohne hierfür eine Genehmigung gemäß 284 Abs. 1 Satz 1 SBG III besessen zu haben.

Im Einzelnen führten folgende Angehörige in folgenden Zeiten Renovierungsarbeiten aus:

1. Herr A., I., geboren am 23.10.1955, Onkel des Betroffenen, am 11.03.,14.03. und 16.03.2000,

2.Herr A., Z., geboren am 22.01.1967, Cousin des Betroffenen, am 15.03. und 16.03.2000,

3.Herr K., D., geboren am17.04.1951, Onkel der Ehefrau des Betroffenen, vom 06.03. bis 16.03.2000,

4. Herr K., D., geboren am 30.12.1976, Cousin der Ehefrau des Betroffenen, in der Zeit vom 06.03. bis zum 16.03.2000.

Sämtliche vorbezeichneten Angehörigen des Betroffenen wohnten während der Dauer der Renovierungsarbeiten unentgeltlich im Haus des Betroffenen und haben ihre Arbeiten unentgeltlich ausgeführt."

Im Zusammenhang mit der rechtlichen Würdigung wird im Urteil auf Seite 5, zweiter Absatz wie folgt ausgeführt:

"Bei den vier Familienmitgliedern des Betroffenen handelt es sich auch um Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinne, weil vorliegend der Tatbestand der "mithelfenden Familienangehörigen" nicht gegeben ist. Vielmehr handelt es sich um sog. "Gefälligkeitsverhältnisse" die grundsätzlich arbeitsgenehmigungspflichtig sind." Auf Seite 5, letzter Absatz wird weiter ausgeführt:

"Die Tätigkeiten, die die Verwandten beim Bau eines Eigenheimes ausüben, sind grundsätzlich für eine Beschäftigung von entsprechenden Arbeitskräften des inländischen Arbeitsmarktes geeignet. Hierbei ist es unerheblich, ob diese Arbeiten ohne Mithilfe der Verwandten alleine vom Arbeitgeber durchgeführt werden. Unerheblich für die Frage, ob eine Beschäftigung i. S. d. 284 SGB III vorliegt, ist auch, ob die Verwandten für die Mithilfe Geld- oder Sachleistungen erhalten würden."

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

Gemäß § 404 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 284 Abs. 1 S. 1 SGB III handelt ordnungswidrig, wer einen Ausländer ohne Genehmigung des Arbeitsamtes beschäftigt. Genehmigungspflichtig im Sinne des § 284 Abs. 1 S. 1 SGB III ist die abhängige Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis.

Ein Arbeitsverhältnis liegt vor, wenn der eine Tätigkeit Ausübende auf Grund eines privatrechtlichen Vertrages oder eines ihm gleichgestellten Rechtsverhältnisses im Dienste eines Anderen gegen Entgelt zu fremdbestimmter abhängiger Arbeit verpflichtet ist.

Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts sind Gefälligkeitsverhältnisse nicht als Arbeitsverhältnisse zu qualifizieren. Sie sind mithin nicht genehmigungspflichtig.

Einem Gefälligkeitsverhältnis fehlt es an einem wesentlichen Element des Arbeitsverhältnisses, der vertraglichen Verpflichtung zu Erbringung der Dienstleistung. Darüber hinaus liegt keine Unselbständigkeit (Unterordnung im Arbeitsverhältnis) vor (vgl. OLG Hamm NStZ-RR 2001, 180).

Ob das Amtsgericht zu Unrecht von einem Gefälligkeitsverhältnis ausgegangen ist, weil die Famillienmitglieder des Betroffenen zur Erbringung der Arbeitsleistung verpflichtet waren mit der Folge, dass die Nichterbringung der Tätigkeit zu (rechtlicher) Konsequenzen geführt hätte, kann an Hand der Feststellungen im Urteil nicht beurteilt werden. Schließlich muß eine genehmigungspflichtige Beschäftigung auch auf eine Gewinnerzielung gerichtet sein, d. h. es muss ein Entgelt vereinbart oder zumindest nach den Umständen zu erwarten sein. Unentgeltliche Beschäftigungen beeinträchtigen den Vorrang deutscher oder gleichgestellter Arbeitnehmer nicht (vgl. Klaus Niesel, SGB III, 2. Aufl., Rdz. 13 zu § 284).

Zwar können auch Sachbezüge ein Entgeld darstellen. Dementsprechend wird der Beschäftigte auch dann gegen Entgeld tätig, wenn er für die Tätigkeit lediglich Unterkunft und Verpflegung erhält (vgl. OLG Frankfurt am Main -2 Ws (B) 262/00 -). Voraussetzung dafür ist aber, dass das Erbringen der Tätigkeit sowie das in Sachbezügen geleistete Entgeld in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis stehen. Unterkunft und Verpflegung muß für die geleistete Arbeit gewährt werden (OLG Hamm NStZ 2001, 180).

Danach stellt sich die Frage, ob es sich bei zu Gunsten von Verwandten erbrachten Hilfeleistungen um eine entgeltiche Beschäftigung handelt oder um eine Tätigkeit, die lediglich auf Grund familiärer Pflichten oder reiner Gefälligkeit erbracht wird und bei der etwa gewährte Leistungen kein Entgelt für die Arbeit darstellen. Die Abgrenzung ist aufgrund einer Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalles unter Beachtung der Verkehrsanschauung vom Tatrichter vorzunehmen. Dabei sind namentlich der Umfang der Tätigkeit, die Höhe der gewährten Leistungen sowie ihr Verhältnis zueinander zu berücksichtigen. (vgl. OLG Düsseldorf NStZ 1994, 290, 291).

Das Amtsgericht hat zum Umfang der Arbeiten der vier Familienangehörigen keine konkreten Feststellungen getroffen. Damit fehlt es an einer Grundlage, die es dem Senat ermöglichen könnte, nach zu prüfen, ob das Amtsgericht zu Recht die Tätigkeit der Verwandten des Betroffenen als entgeltiche Beschäftigung gewertet hat.

Für die Frage der Entgeltlichkeit von Arbeitsleistungen kann auch von Bedeutung sein, ob der Ausländer nach dem maßgebenden (ausländischen) Familienrecht unterhaltsberechtigt ist. Denn dann stellt sich in der Regel der ihm gewährte Unterhalt nicht als. Entgelt dar und folglich seine Mitarbeit auch nicht als entgeltliche Beschäftigung. Entsprechendes kann gelten, wenn der Ausländer nach dem maßgebenden (ausländischen) Familienrechts zur Mithilfe verpflichtet ist. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts begründet das Fehlen eines Unterhaltsanspruchs und einer familienrechtlichen Arbeitspflicht noch nicht ausnahmslos die Annahme einer entgeltlichen Beschäftigung (vgl. OLG Düsseldorf NStZ 1994, 290, 291). Die Tätigkeit kann sich als eine in der familiären Verbundenheit wurzelnde Gefälligkeit darstellen, für die kein Arbeitsentgelt gezahlt wird sondern Dank und Anerkennung zum Ausdruck gebracht wird.

Ob die vier Familienangehörigen durch ihre Hilfeleistungen Dank und Anerkennung aussprechen wollten, oder ob die Beziehung in ihrem Gesamtbild doch über bloße verwandtschaftliche Verbundenheit hinaus geht und danach die Annahme einer entgeltlichen Tätigkeit gerechtfertigt, ist, läßt sich anhand der Feststellungen im Urteil nicht beurteilen."

Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an.

Für die Zurückverweisung an eine andere Abteilung sieht der Senat keinen Anlass.

Ende der Entscheidung

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