Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 16.03.2007
Aktenzeichen: 2 U 100/04
Rechtsgebiete: BGB, InsO, ZPO


Vorschriften:

BGB § 611
BGB § 614
InsO § 114 Abs. 3
InsO § 131 Abs. 1
InsO § 140
ZPO § 832
Der Lohnanspruch eines Arbeitnehmers hat seinen Rechtsgrund in dem Arbeitsvertrag als solchen und entsteht bereits bei Abschluss des Dienstvertrages, so dass eine Pfändung der fortlaufenden Bezüge insolvenzbeständig ist.
Gründe:

I.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des A. Er macht mit der Klage gegen die Beklagte Ansprüche auf Rückzahlung von gepfändeten und eingezogenen Arbeitseinkommen des Schuldners in der Zeit vom 30.05.2001 bis 25.04.2002 geltend. Insgesamt beläuft sich der Betrag auf 6.195,03 EUR, wie es sich aus der Aufstellung in der Klageschrift (Bl. 4 d.A.) ergibt, auf die wegen der Einzelheiten der Berechnung verwiesen wird.

Der Insolvenzschuldner hat eine Berufsausbildung als Groß- und Außenhandelskaufmann durchlaufen und ist seit dem 15. August 2000 durchgängig als kaufmännischer Angestellter in einem festen Anstellungsverhältnis bei der Firma B GmbH beschäftigt.

Der Vater des Insolvenzschuldners beabsichtigte 1999 in O1 eine Gaststätte zu eröffnen. Da er die dafür notwendige Konzession nicht erlangen konnte, übernahm der Insolvenzschuldner auf Bitten seines Vaters die Konzession, so dass die Gaststätte und das Gewerbe auf den Namen des Insolvenzschuldners angemeldet wurde.

Bei dem Betrieb der Gaststätte kam es zur Anhäufung von Schulden, insbesondere wurden die notwendigen Steuern an das zuständige Finanzamt ... nicht abgeführt, weshalb dieses ein Gewerbeuntersagungsverfahren einleitete. Der Gaststättenbetrieb wurde zum 28.02.2001 eingestellt. Es verblieben nach der Einstellung des Gaststättenbetriebes Schulden in einer Größenordnung von über 300.000,-- DM.

Aufgrund einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Finanzamtes ..., die am 17.10.2000 dem Drittschuldner, der Firma B GmbH zugestellt wurde, pfändete das beklagte Land die pfändbaren Bezüge des Arbeitseinkommens des Insolvenzschuldners gegenüber dessen Arbeitgeber, der Firma B GmbH.

Nachdem gegen den Insolvenzschuldner im Jahre 2001 bereits mehrere Vollstreckungen liefen, gab er im Juli/August 2001 die eidesstattliche Versicherung ab. Im Mai des Jahres 2001 war der Insolvenzschuldner zahlungsunfähig, weil er nicht zumindest 95% seiner Verbindlichkeiten innerhalb von zwei Wochen hätte begleichen können.

Mit Schreiben vom 24. August 2001, eingegangen beim Amtsgericht Offenbach am 27. August 2001, stellte der Gemeinschuldner einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und beantragte Restschuldbefreiung gemäß § 287 InsO. Aufgrund dieses Antrages wurde dann am 06.05.2002 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

Unter dem 07. Mai 2002 teilte der Kläger dem Finanzamt ... mit, dass dieses aufgrund einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung seit geraumer Zeit das Arbeitseinkommen des Insolvenzschuldners gepfändet habe. Soweit dies innerhalb der Frist des § 131 InsO erfolgt sei, werde die Anfechtung erklärt. Ferner bat der Kläger in diesem Schreiben um Auskunft darüber, welche Beträge das Finanzamt in der Zeit vom 28.05.2001 bis zur Insolvenzeröffnung am 06.05.2002 vereinnahmt habe. Dieser Betrag wurde dann mit 6.195,03 EUR angegeben.

Das Finanzamt ... teilte dem Kläger mit Schreiben vom 08. August 2002 mit, dass die Pfändungs- und Einziehungsverfügung als selbständige Rechtshandlung wirksam sei und die Anfechtung der Befriedigung nicht erfolgversprechend sei, weil die Pfändungs- und Einziehungsverfügung wirksam und insolvenzbeständig sei.

Mit der Klage verlangt der Kläger die Zahlung des oben genannten Betrages.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die an das Finanzamt von dem Arbeitgeber des Insolvenzschuldners gezahlten Beträge seien infolge der Anfechtung zurück zu gewähren. Aus § 114 Abs. 3 InsO könne nicht gefolgert werden, dass die gezahlten Beträge dem Finanzamt tatsächlich zustünden, da § 114 Abs. 3 InsO nur Regelungen über die Rechtmäßigkeit der Erlangung enthalte, nicht aber bestimme, dass diese rechtswirksame Rechtshandlung nicht anfechtbar sei. Die Berechtigung zur Anfechtung folge allein aus den §§ 129 ff. InsO und hier aus § 131 Abs. 2 und 3 InsO.

Ferner hat der Kläger gemeint, die Rechtshandlungen des Finanzamtes seien auch anfechtbar, da die Lohnansprüche des Klägers nach der Regelung des § 614 BGB erst nach der Erbringung der Dienste fällig geworden seien, so dass die Anfechtung der Einziehungen, die drei Monate vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden seien, durchaus möglich sei. Im Hinblick hierauf sei das beklagte Land zur Rückzahlung der in der sogenannten "kritischen Zeit" eingezogenen Beträge verpflichtet.

Der Kläger hat beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 6.195,03 EUR nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01. Juni 2002 zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Es hat die Auffassung vertreten, Anfechtungstatbestände würden nicht vorliegen, die Pfändungs- und Einziehungsverfügung sei insolvenzbeständig. Eine Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 InsO liege nicht vor, weil der Insolvenzmasse nichts entzogen worden sei.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes im ersten Rechtszug wird auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts Frankfurt am Main in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen, soweit ihnen die Feststellungen im Berufungsurteil nicht entgegenstehen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat mit seinem Urteil vom 05.05.2004 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, eine Anfechtung nach den §§ 129, 131, 143 InsO scheide aus. Zwar seien die Drittschuldnerzahlungen im anfechtungsrelevanten Zeitraum erfolgt, jedoch sei die Rechtshandlung nicht anfechtbar, weil keine inkongruente Deckung vorliegen würde, wie dies aus der Regelung des § 114 Abs. 3 InsO folge, weil die Pfändungs- und Einziehungsverfügung gerade wirksam gewesen sei.

Weiterhin hat das Landgericht ausgeführt, dass auch für den Fall, dass man von einer inkongruenten Deckung ausgehen würde, eine Anfechtungsberechtigung nicht bestünde, weil keine Gläubigerbenachteiligung vorliegen würde. Der Insolvenzmasse sei nämlich durch die Drittschuldnerzahlungen nichts entzogen worden. Die Forderungen des Insolvenzschuldners auf Zahlung des Arbeitseinkommens seien nicht erst im anfechtungsrelevanten Zeitraum entstanden, sondern bereits bei Abschluss des Arbeitsverhältnisses. Die Fälligkeit des Anspruchs auf Arbeitsentgelt gemäß § 614 BGB stehe dem nicht entgegen, da die Ansprüche auf Arbeitslohn jedenfalls mit Abschluss des Arbeitsvertrages entstanden seien. Auch sei nach dem Gesamtumständen nicht ersichtlich gewesen, dass an der Fortsetzung des Arbeitsvertrages Zweifel bestünden.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger unter Vertiefung seines bisherigen Vorbringens mit der Berufung und macht geltend, dass es nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Frage der Anfechtbarkeit nicht auf die Bewirkung der Pfändungsmaßnahme als solche ankomme, sondern darauf, wann der gepfändete Anspruch tatsächlich entstanden sei. Dies sei aber bei Arbeitsverhältnissen erst dann der Fall, wenn die Arbeitsleistung auch erbracht worden sei. Aus § 832 ZPO könne nichts anderes gefolgert werden, da diese Norm einem Gläubiger nur eine vereinfachte Möglichkeit der Vollstreckung von Forderungen einräumen wolle, indem nämlich nicht jeden Monat neu die Forderung gepfändet und überwiesen werden müsse. Die Existenz des § 832 ZPO zeige gerade, dass zwischen Dauerschuldverhältnissen auf der einen Seite und Einzelverträgen auf der anderen Seite Wertungsunterschiede bestünden, die auch insolvenzrechtlich umzusetzen seien.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 05.04.2004 (Az.: 2/4 O 317/03) abzuändern und das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 6.195,03 EUR nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.06.2002 zu zahlen.

Im Übrigen beantragt er,

die Revision zuzulassen.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Es verteidigt unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens das angefochtene Urteil und führt aus, dass entscheidend bei der Pfändung von fortlaufenden Bezügen wegen § 832 ZPO das Pfändungsdatum, nicht aber das Datum des Eingangs des jeweiligen Arbeitsentgeltes sei. Das Pfändungspfandrecht sei deshalb bereits mit der Zustellung der Pfändungsverfügung beim Arbeitgeber am 17. Oktober 2000 entstanden und damit anfechtungsfest, so dass eine Gläubigerbenachteiligung nicht eintreten könne. Der Anspruch auf Arbeitsentgelt entstehe mit dem Abschluss des Arbeitsvertrages und sei damit gerade nicht von der vollständigen Erbringung der Arbeitsleistung abhängig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 22.06.2004 (Bl. 109 - 112 d.A.), vom 13.07.2004 (Bl. 125, 126 d.A.), 10.11.2006 (Bl. 141, 142 d.A.) und 13.11.2006 (Bl. 144 - 146 d.A.) sowie des beklagten Landes vom 01.07.2004 (Bl. 121, 122 d.A.), 26.07.2004 (Bl. 128, 129 d.A.), 11.12.2006 (Bl. 151, 152 d.A.) und 02.02.2007 (Bl. 169, 170 d.A.) verwiesen.

Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 28. Juli 2004 bis zur Entscheidung über die Sprungrevision gegen die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt am Main, Az. 2/10 O 87/04, ausgesetzt.

In diesem Verfahren wurde die Sprungrevision mit Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 20. Oktober 2005 zugelassen. Nachdem die Beklagte des dortigen Verfahrens den Klagebetrag gezahlt hat, ist es zu einer Sachentscheidung nicht gekommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO). Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, da das Landgericht völlig zu Recht und mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen hat.

Die Entscheidung des Landgerichtes wird auch durch die in der Berufungsbegründung vertretenen Auffassung nicht in Frage gestellt.

Zu Recht hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil festgestellt, dass eine Anfechtung nach den §§ 129, 131 Abs. 1 Nr. 2 und 3, 143 Abs. 1 InsO ausscheide. Der von dem Kläger gewählte Ansatz, dass hier Zahlungen innerhalb der sogenannten kritischen Zeit, also drei Monate vor der Stellung des Insolvenzantrages vorgenommen wurden, ist zwar grundsätzlich zutreffend und es ist auch davon auszugehen, dass der Insolvenzschuldner bei der von seinem Arbeitgeber an das beklagte Land geleisteten Zahlungen zahlungsunfähig war, da er unstreitig ab dem 18.05.2001 zahlungsunfähig gemäß § 17 InsO war, da er nicht in der Lage war, seine zu diesem Zeitpunkt bestehenden Verbindlichkeiten zumindest in Höhe von 95% innerhalb eines Zeitraums von zwei oder drei Wochen zu bezahlen.

Allein das Vorliegen dieser Voraussetzung führt aber nicht dazu, dass der Kläger eine wirksame Anfechtung erklären kann, da das beklagte Land die Gehaltsansprüche des Insolvenzschuldners mit der dem Arbeitgeber am 17.10.2000 zugestellten Pfändungs- und Überweisungsverfügung wirksam gepfändet hat. Diese Pfändungs- und Überweisungsverfügung lag somit lange vor der Stellung des Insolvenzantrages und stellte die berechtigte Grundlage für die von dem beklagten Land vorgenommenen Einziehungen dar.

Dies ergibt sich bereits aus der Regelung des § 114 Abs. 3 InsO, die gerade zum Ausdruck bringt, dass in dem Fall, in dem durch Zwangsvollstreckung über die Bezüge für eine spätere Zeit verfügt worden ist, diese Verfügung nur wirksam ist, soweit sie sich auf die Bezüge für den zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens laufenden Kalendermonats bezieht. Aus dem Umkehrschluss zu dieser Regelung ist deshalb davon auszugehen, dass im Wege des Zwangsvollstreckungsverfahrens eingezogene Bezüge für die Monate davor wirksam sind. Eine dem § 114 Abs. 3 InsO entsprechende Regelung gab es nämlich im Geltungsbereich der früheren Konkursordnung nicht, da es noch nicht das sogenannte System der Restschuldbefreiung gab. Die Restschuldbefreiung soll aber gerade bewirken, dass die laufenden Bezüge des Schuldners für die Verteilung an die Insolvenzgläubiger zur Verfügung stehen, da diese insgesamt an den pfändbaren Teilen im Rahmen der Restschuldbefreiung partizipieren soll (Irschlinger in HK-InsO, 4. Aufl., § 114, Rdnr. 1). Nach dem Sinn und Zweck der Restschuldbefreiung ist deshalb die Beschränkung einer Verpfändung der Bezüge aus einem Dienstverhältnis zwar zwingend erforderlich, jedoch ergibt sich dies nur für solche Bezüge, soweit sie nach der Eröffnung des Verfahrens anfallen. Ziel des Gesetzes ist es nämlich, einem redlichen Schuldner die Möglichkeit zu geben, sich nach Durchführung eines Insolvenzverfahrens von seinen restlichen Schulden zu befreien (Uhlenbruck/Bärscheidt, InsO, 12. Aufl., § 114, Rdnr. 3). Vor diesem Hintergrund sollen die Pfändungen der Bezüge zu Gunsten einzelner Gläubiger des Arbeitsnehmers gerade in ihrer Wirksamkeit beschränkt werden. Da § 114 Abs. 3 InsO in Bezug auf Arbeitnehmer, denen aus einem Dienstverhältnis monatliche Bezüge zustehen, eine Sonderregelung enthält, die gerade zufällige Vollstreckungsvorsprünge von Gläubigern vermeiden soll (Irschlinger in HK-InsO, § 114, Rdnr. 5), kommt eine darüber hinausgehende Anfechtung einer zulässigen Pfändung und Überweisung nach § 832 ZPO bei fortlaufendem Lohn aufgrund eines Arbeitsverhältnisses nicht in Betracht.

In diesen Fällen kann nämlich entgegen der Ansicht des Klägers nicht auf § 131 InsO zurückgegriffen werden, da das beklagte Land bei einer Vorgehensweise entsprechend der Wertung des § 832 ZPO außerhalb des von § 131 InsO geschützten Zeitraums ein Pfandrecht an den Gehaltsforderungen erworben hatte, so dass die aus diesem Pfandrecht und der Überweisung erlangte Befriedigung sich nicht als inkongruent im Sinne des § 131 InsO erweist, da die Zwangsvollstreckung nicht während der sogenannten "kritischen Zeit" vorgenommen wurde, vielmehr die Pfändung des fortlaufenden Bezugs des Arbeitslohns bereits mit der Zustellung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung an die Drittschuldnerin am 17.10.2000 vorgenommen wurde.

Zwar sind die Pfändung und Einziehung einer Forderung einerseits und die Zahlung des Drittschuldners andererseits selbständige Rechtshandlungen und nicht als eine einheitliche mehrartige Rechtshandlung zu werten (Kreft in HK-InsO, § 235, Rdnr. 5; Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 114, Rdnr. 11). Durch die Pfändung und Überweisung hat das beklagte Land eine dingliche Sicherheit, nämlich das Pfändungspfandrecht an den Lohnforderungen erworben, die ihm in der Insolvenz ein Absonderungsrecht nach § 50 Abs. 1 InsO verschafft. Die Befriedigung durch die Leistungen der Drittschuldnerin ist zwar auch erst während der sogenannten kritischen Zeit eingetreten, jedoch kann dies die Anfechtung der Befriedigung nicht rechtfertigen, da die Pfändung und die Überweisung selbst wirksam und somit insolvenzbeständig sind. Die Wirkung der Rechtshandlung der Pfändung ist deshalb außerhalb des Dreimonatszeitraums eingetreten, mit der Folge, dass die Pfändung selbst nicht anfechtbar ist (BGH NJW 1992, 624; NJW-RR 2000, 1215). Auf diesen Gesichtspunkt hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 01. Juli 2004 hingewiesen und hält auch nach einer nochmaligen Überprüfung und Beratung an dieser Auffassung fest, nachdem die Wirkung der Rechtshandlung Pfändung außerhalb des Dreimonatszeitraums nämlich am 17.10.2000 eingetreten ist.

Diese Sicht der Dinge korrespondiert auch, wie oben dargelegt, mit dem Regelungsgehalt des § 114 Abs. 3 Satz 1 InsO, wonach die Pfändung von Bezügen aus einem Dienstverhältnis im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wirksam bleibt für die Lohnzahlungszeiträume bis einschließlich des Monats der Verfahrenseröffnung.

Der Senat ist nach wie vor in Übereinstimmung mit dem Landgericht der Auffassung, dass die Lohn- und Gehaltsansprüche des Insolvenzschuldners gegen seinen Arbeitgeber, die Firma B, bereits entstanden sind, als ein wirksamer Arbeitsvertrag abgeschlossen wurde. Es kann entgegen der Ansicht des Klägers nicht erst auf die nach Ablauf eines jeweiligen Monats entstandenen Lohn- und Gehaltsansprüche abgestellt werden, vielmehr ist für das Bestehen des Anspruches grundsätzlich der Abschluss des Arbeitsvertrages maßgebend. Dies folgt bereits aus der Wertung des § 832 ZPO, der gerade regelt, dass mit der Pfändung der Zugriff nicht auf die bei ihrem Wirksamwerden bereits fälligen geschuldeten Leistungen erfolgt, sondern auf das Bezugsrecht im Ganzen (Zöller/Stoeber, ZPO, 26. Aufl., § 832, Rdnr. 2). Diese Regelung, die gerade bei der Pfändung noch nicht fälliger Beträge eine erleichternde Vollstreckung bewirkt, soll nämlich dem Vollstreckungsgläubiger eine Vielzahl von Pfändungen für die jeweils fällig werdenden Bezüge ersparen. Die im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses nach bestimmten Zeiträumen entstehenden Forderungen sollen gerade durch einen einzigen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erfasst werden können (BAG NJW 1993, 2699 ff.). Soweit deshalb das Arbeitsverhältnis während des gesamten Zeitraumes der Pfändung fortbesteht, führt eine Befriedigung des Gläubigers durch Drittschuldnerzahlung aufgrund dieser Pfändung nicht dazu, dass der Insolvenzmasse etwas entzogen wird.

Bei der Pfändung künftiger Forderungen beurteilt sich die Frage der insolvenzrechtlichen Anfechtbarkeit nämlich nach dem Zeitpunkt, in dem die Forderung entstanden ist (BGH NJW 2003, 2171). Die Forderungen des Insolvenzschuldners gegen seinen Arbeitgeber, die Firma B GmbH, sind aber bereits mit dem Abschluss des Arbeitsvertrages im Jahre 2000 entstanden. Rechtsgrund für die Vergütungspflicht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ist nämlich der Arbeitsvertrag als solcher (Palandt/Weidenkaff, BGB, 66. Aufl., § 611, Rdnr. 50). Durch diesen Arbeitsvertrag wird der gesamte Rahmen für das Arbeitsverhältnis abgesteckt und die Rechte und Pflichten der Parteien des Arbeitsvertrages genau auch für die Zukunft festgelegt. Es wird mit dem Abschluss des Arbeitsvertrages bereits in voraussehbarer Weise festgelegt, welche Rechte der Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber geltend machen kann und welche Vergütungen er von seinem Arbeitgeber verlangen kann. Insgesamt stehen deshalb mit Abschluss des Arbeitsvertrages die gegenseitigen Rechte und Pflichten so deutlich fest, dass der Entstehungstatbestand bereits verwirklicht ist, auch wenn § 614 BGB die Fälligkeit der Vergütung gesondert regelt und den Arbeitnehmer grundsätzlich als vorleistungspflichtig ansieht.

Aus dem Regelungszusammenhang kann aber nach Ansicht des Senates nicht gefolgert werden, dass der Lohnanspruch des Insolvenzschuldners gegen seinen Arbeitgeber jeden Monat neu entsteht, vielmehr soll gerade das durch den Arbeitsvertrag begründete Arbeitsverhältnis bewirken, dass der Arbeitnehmer verlässlich planen kann und seine in Zukunft zu treffenden Entscheidungen gerade auch im Hinblick auf das bestehende Arbeitsverhältnis ausrichtet. Bei Arbeitnehmern, die ihre Leistungen im Rahmen einer unselbständigen Arbeit erbringen, kommt es gerade darauf an, dass ein gesamter sozialer Sicherungsrahmen gesteckt ist, in dem bei normalem Verlauf der Dinge auch mit der Entstehung des Lohnanspruches zu rechnen ist. Gerade im Falle des Insolvenzschuldners zeigt sich auch die lang andauernde gegenseitige Verpflichtung aufgrund des Arbeitsvertrages, denn dieser ist bereits seit dem Jahr 2000 bei einem Arbeitgeber beschäftigt, ohne dass das Arbeitsverhältnis in der Zwischenzeit irgendeiner Gefährdung ausgesetzt war. Diese Besonderheiten der Langfristigkeit des Bestehens von gegenseitigen Rechten und Pflichten rechtfertigt es nach Ansicht des Senats davon auszugehen, dass die Lohnansprüche insgesamt bereits als mit Abschluss des Arbeitsvertrages entstanden anzusehen sind mit der Konsequenz, dass der Lohnanspruch auch im Ganzen gepfändet werden kann, wie dies der Intention des § 832 ZPO gerade entspricht.

Im Gegensatz zu anderen Dauerschuldverhältnissen liegt bei einem bestehenden Arbeitsverhältnis eine besondere Situation vor, die dadurch geprägt ist, dass gerade aus Sicht des Arbeitnehmers regelmäßig Schutzvorschriften eingreifen, die sichern, dass der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers erhalten bleibt. Es wird ein Gesamtrahmen abgesteckt, der sich so verfestigt, dass regelmäßig mit einem ständigen Erhalt der Bezüge zu rechnen ist. So lange der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft dem Arbeitgeber zur Verfügung stellt, ist regelmäßig mit einem Verlust der Vergütungsansprüche nicht zu rechnen. So kommt insbesondere eine Minderung der Vergütung in Fällen der Schlechtleistung nach den §§ 611 ff. nicht in Betracht. Auch ist der Arbeitnehmer im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses so abgesichert, dass ihm auch ein Anspruch auf Vergütung ohne Arbeitsleistung zusteht und nicht zwingend an die Erbringung der Dienste im Sinne des § 614 BGB geknüpft ist. Für den Krankheitsfall richten sich nämlich die Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz. Auch an Feiertagen ist der Arbeitgeber zur Lohnzahlung verpflichtet und insbesondere besteht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses auch ein Anspruch des Arbeitnehmers auf die Gewährung von Urlaubsentgelt nach § 11 Bundesurlaubsgesetz. Daneben wird durch den Arbeitsvertrag auch die Möglichkeit eröffnet, für Betriebsräte eine bezahlte Freistellung zu erlangen und es werden bereits Ansprüche nach den Bildungsurlaubsgesetzen der Länder begründet. Dies alles rechtfertigt es nach Ansicht des Senates davon auszugehen, dass der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers bereits bei Abschluss des Dienstvertrages zur Entstehung gelangt, mit der Konsequenz, dass die Vergütungsansprüche insgesamt der Pfändung unterliegen. Diese Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses erlauben es nach Ansicht des Senates auch nicht, die monatlichen Lohnzahlungen mit den Mietforderungen zu vergleichen, da insoweit wegen der unterschiedlichen sozialen und rechtlichen Ausgestaltungen keine Parallelen gezogen werden können.

Aufgrund dieser Besonderheiten bei Vergütungsforderungen aus einem Arbeitsverhältnis ist der für die Rechtshandlung maßgebliche Zeitpunkt im Sinne des § 140 ZPO bereits derjenige, in dem die Vergütungsforderung insgesamt für die Zukunft gepfändet wird. Dieser Zeitpunkt lag aber bereits im Oktober 2000, so dass die von dem Land Hessen ausgesprochene Pfändung und Überweisung der Forderung sich als insolvenzbeständig darstellt und der Prioritätsgrundsatz für den die Pfändung ausbringenden Gläubiger fortbesteht. Angesichts der Besonderheiten der Privatinsolvenz eines Arbeitnehmers kann § 131 InsO nach Ansicht des Senates auch in den letzten drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag den Prioritätsgrundsatz nicht zu Gunsten der Gleichbehandlung aller Gläubiger verdrängen, wie dies eingangs bereits dargelegt wurde.

Die Kosten des Berufungsverfahrens sind nach § 97 Abs. 1 ZPO dem Kläger aufzuerlegen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.

Die Revision war auf den Antrag des Klägers nach § 543 ZPO zuzulassen, da der Rechtsstreit im Hinblick auf die insolvenzbeständige Pfändung von Arbeitseinkommen grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Revisionsgerichtes zu dieser speziellen Problematik noch nicht vorliegt, währenddessen bei anderen Dauerschuldverhältnissen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich von einer Anfechtbarkeit ausgegangen wird.

Ende der Entscheidung

Zurück