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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 30.05.2008
Aktenzeichen: 2 U 254/07
Rechtsgebiete: BGB, ZVG


Vorschriften:

BGB § 611
BGB § 675
ZVG § 9
ZVG § 41
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO:

Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadenersatzansprüche aus einem Anwaltsvertrag geltend, weil es ihm mangels Information durch die Beklagte nicht möglich war, ein der Zwangsvollstreckung unterliegendes Grundstück seines Schuldners B1 im Versteigerungstermin unter dem Verkehrswert zu erwerben. Hinsichtlich des Sachverhalts wird zunächst auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils verwiesen. Die Beklagte beantragte zur Durchsetzung der erwirkten Titel mit Schreiben vom 18.10.2002 (Anlag K 5, Blatt 32 der Akte) die Eintragung der Pfändung der Eigentümergrundschulden im Grundbuch. Nachdem das Amtsgericht Frankfurt a.M. mit Schreiben vom 13.11.2002 darauf hingewiesen hatte, daß beide Eheleute B1 + B2 als Gesamtberechtigte im Grundbuch eingetragen seien, während der Pfändungsbeschluß sich lediglich gegen den Ehemann richte, wies es den Eintragungsantrag durch Beschluß vom 16.10.2003 (Anlage K 9, Blatt 36 der Akte) zurück. Auf Antrag der Beklagten wurde durch Beschluß des Amtsgerichts Stuttgart vom 7.9.2004 der Auseinandersetzungsanspruch des B1 gegen B2 gepfändet, welcher dem Schuldner am 27.10.2004 zugestellt wurde. Zu einer Durchsetzung dieses Anspruchs kam es wegen der bereits am 12.10.2004 erfolgten Zwangsversteigerung des Anwesens nicht mehr.

Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 15.11.2007, dem Kläger zugestellt am 19.11.2007, abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, es könne dahinstehen, ob die Beklagte sich pflichtwidrig verhalten habe, da dem Kläger jedenfalls kein Schaden entstanden sei. Er habe nicht substantiiert vorgetragen, daß er das Hausanwesen, selbst wenn er im Versteigerungstermin den Zuschlag für 390.000,- € erhalten hätte, in absehbarer Zeit zu einem seine Unkosten übersteigenden Preis hätte wiederveräußern können. Die behauptete Ankaufsabsicht der Tochter seiner Lebensgefährtin für 580.000,- € sei unwahrscheinlich und nicht hinreichend substantiiert. Ferner fehle es an einer Darlegung der konkreten Marktsituation und der tatsächlichen Verwertbarkeit des Anwesens, so daß die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht erforderlich sei.

Mit seiner am 13.12.2007 eingelegten und nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 19.2.2008 an diesem Tage begründeten Berufung verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Er bezieht sich auf seinen erstinstanzlichen Vortrag. Er behauptet, er habe die Beklagte mehrfach darauf hingewiesen, daß er beabsichtige, sich an der Versteigerung zu beteiligen. An dem ersten Versteigerungstermin im Jahre 2001 habe er nicht teilnehmen können, weil dieser ihm erst einige Tage zuvor zufällig bekanntgeworden sei. Der Erwerber des Hausgrundstücks C2 hätte kein höheres Gebot als 389.000,- € abgegeben, so daß er selbst den Zuschlag erhalten hätte. Das Hausanwesen habe einen objektiven und zu realisierenden Verkehrswert von mindestens 580.000,- €. Der Grundstückswert habe auf der Grundlage der Bodenrichtwertkarte für das Jahr 2005 (Anlage K 43, Blatt 286 ff. der Akte) in diesem Zeitraum 135.300,- € betragen. Hinzuzurechnen seien der Wert der Baukosten, die im wesentlichen aus dem Jahre 1995 resultieren, von seinerzeit 378.356,- € (ca. 740.000,- DM, Blatt 103 f., 125 ff. der Akte) sowie der Wert erbrachter Eigenleistungen in Höhe von ca. 70.000,- €. Im übrigen liege der Schaden bereits in dem Unterlassen des Erwerbs des Grundstücks unter dem Verkehrswert. Der Marktwert von 580.000,- € sei durch die beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens feststellbar, zumal der jetzige Eigentümer und Besitzer C2 einem Sachverständigen die Augenscheinseinnahme gestatten würde. Auf das etwaige Erfordernis weiteren Vortrages habe das Landgericht konkret hinweisen müssen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 19.2. und 19.5.2008 (Blatt 280 ff., 313 ff. der Akte) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 15.11.2007 (Az.: 2-20 O 321/05) abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 180.000,- € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.3.2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte beruft sich auf die Begründung des Landgerichts sowie auf ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie behauptet, die Zwangsvollstreckung in das Hausgrundstück sei für den Kläger nicht von Interesse gewesen, da die Miete für das Haus bereits für neun Jahre im voraus bezahlt gewesen sei und im übrigen klar gewesen sei, daß der Kläger als nachrangiger Grundschuldgläubiger keine Befriedigung habe erwarten können. Sie beanstandet die Schadensberechnung des Klägers. Erforderlich sei ein Gesamtvermögensvergleich. Dabei seien Zins- und Gebührenaufwendungen für eine erforderliche Finanzierung, die Entwicklung seines ansonsten eingesetzten Aktiendepots und die Höhe zu erzielender Mieteinnahmen einzustellen. Die Baukosten bei Errichtung des Hauses seien nur bedingt relevant. Ergänzend wird auf die Ausführungen in den Schriftsätzen vom 9.4. und 29.5.2008 (Blatt 305 ff. sowie Anlage zum Protokoll vom 30.5.2008) Bezug genommen.

II. § 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO:

Die zulässige Berufung ist in der Sache im Ergebnis nicht begründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadenersatz aus dem Anwaltsvertrag wegen des pflichtwidrigen Unterlassens einer Information über den anstehenden Versteigerungstermin nicht zu.

Zwar hat die Beklagte pflichtwidrig gehandelt, indem sie weder zügig die Zwangsvollstreckung in die Rechte des Schuldners an dem Hausgrundstück betrieb, so daß der Kläger rechtzeitig Beteiligter des Zwangsversteigerungsverfahrens gemäß § 9 ZVG wurde, noch den Kläger über den bevorstehenden Versteigerungstermin informierte. Hierzu war sie jeweils aus dem Anwaltsvertrag verpflichtet. Die Zwangsvollstreckung aus den gegen den Schuldner erwirkten Titeln konnte in den Grundbesitz des Beklagten grundsätzlich erfolgversprechend erfolgen. Hierauf hat der Kläger beispielsweise durch seinen Bevollmächtigten in dessen Schreiben vom 16.5.2001 (Anlage K 24, Blatt 106 der Akte) sowie im Schreiben vom 16.8.2003 (Anlage K 40, Blatt 244 der Akte) hingewiesen. Aus dem Vortrag des Klägers ergibt sich im einzelnen, daß die Beklagte diese Zwangsvollstreckung nur sehr verzögert betrieb und auf den Hinweis des Amtsgerichts vom 13.11.2002 lange Zeit nicht reagierte. Dies hat die Beklagte nicht substantiiert bestritten; sie hat nicht dargelegt, wodurch sie die Zwangsvollstreckung betrieben haben will, so daß die ganz erhebliche Verzögerung unstreitig ist. Sollte sie bereits zum damaligen Zeitpunkt die Zwangsvollstreckung in das Grundstück wegen vorrangiger Rechte anderer Gläubiger für aussichtslos erachtet haben, so hätte sie dies dem Kläger jedenfalls mitteilen müssen, um ihm die Möglichkeit zu geben, hierüber weitere Entscheidungen zu treffen, nach denen sie sodann ihr weiteres Tätigwerden hätte ausrichten können.

Diese Pflichtverletzung hatte zur Folge, daß der Kläger anders als bei zügiger Bearbeitung nicht rechtzeitig Beteiligter des Zwangsversteigerungsverfahrens wurde (§ 9 ZVG). Als Beteiligter wäre er von dem Termin zur Zwangsversteigerung informiert worden (§ 41 Abs. 1 ZVG). Die Beteiligtenstellung führt dabei nicht nur zu Informationsrechten, die Beteiligten werden beispielsweise auch zur Verkehrswertfestsetzung angehört, können im Zwangsversteigerungstermin abweichende Versteigerungsbedingungen beantragen und sind berechtigt, Zuschlagsversagung zu beantragen (§ 43 Abs. 2, §§ 59, 62, 63 Abs. 2, § 66 Abs. 1, §§ 74, 74 a, 88, 105 Abs. 2, §§ 106, 113 Abs. 1 ZVG).

Die Beklagte wäre aber auch im übrigen aus dem Anwaltsvertrag verpflichtet gewesen, den Kläger über den Verlauf des Zwangsversteigerungsverfahrens zu informieren. Dies gilt unabhängig davon, ob er ihr ausdrücklich mitgeteilt hatte, daß er hierüber informiert werden wollte, da Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in den Grundbesitz versucht werden sollten und er daher ersichtlich ein Interesse an einer Information über das Zwangsversteigerungsverfahren, insbesondere über den Versteigerungstermin hatte. Ein Auftraggeber, der sich in Rechtsangelegenheiten an einen Rechtsanwalt wendet, darf erwarten, daß er über die Gesichtspunkte und Umstände, die für sein ferneres Verhalten in der Angelegenheit entscheidend werden können, eingehend und erschöpfend belehrt werde (vgl. BGH, NJW 1961, 601, 602).

Dem Kläger ist nach seinem - von der Beklagten bestrittenen - Vorbringen infolge dieser Pflichtverletzung auch ein Schaden entstanden, da er das Anwesen in dem ihm nicht bekannten Zwangsversteigerungstermin nicht zu einem Preis unter dem Verkehrswert erwerben konnte. Dieser Schaden, der allerdings nach einem Gesamtvergleich der jeweiligen Vermögenslagen unter Einbeziehung auch aller finanzieller Folgen eines Grundstückserwerbs für den Kläger zu berechnen wäre, stünde auch in dem erforderlichen Kausalzusammenhang zu der Pflichtverletzung der Beklagten im Sinne einer adäquaten Kausalität. Adäquat Kausal ist dabei nicht schon jeder durch eine Pflichtverletzung verursachte Schaden, der ohne die Pflichtverletzung nicht eingetreten wäre. Erforderlich ist vielmehr, daß die Pflichtverletzung im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet ist, einen Erfolg der eingetretenen Art herbeizuführen (vgl. BGH, NJW 2005, 1420 f. m.w.N.). Hierbei kommt es auf eine objektive nachträgliche Prognose an, es sind alle dem optimalen Betrachter zur Zeit des Eintritts des Schadens erkennbaren Umstände zu berücksichtigen. Bei dem Erwerb eines derartigen Hausgrundstücks im Wege der Zwangsvollstreckung durch einen an dem Zwangsvollstreckungsverfahren Beteiligten, insbesondere einen Gläubiger des Schuldners, handelt es sich aber nicht um einen in dieser Weise ganz unwahrscheinlichen Kausalverlauf. Vielmehr ist es nicht ungewöhnlich, daß ein aus einer Rechtsbeziehung zum Schuldner über das Versteigerungsobjekt und seine für den fremden Interessenten nicht ohne weiteres erkennbaren Qualitäten besonders Informierter in gesteigertem Maße Interesse an dem Erwerb eines Objekts im Wege der Zwangsversteigerung hat, da er mit einem günstigen Erwerb rechnet, wie der Kläger dies dargelegt hat. Damit ist auch ein durch das Unterlassen eines sonst möglichen Erwerbs verursachter - von der Beklagten bestrittener - Schaden als nicht ganz ungewöhnlicher Schaden noch als adäquat kausal anzusehen.

Der angebliche Schaden des Klägers ist ihm aber dennoch von der Beklagten nicht zu erstatten, da er nicht dem Schutzzweck der von der Beklagten verletzten Pflicht unterfällt. Die Informationspflicht der Beklagten gegenüber dem Kläger diente ihrem Schutzzweck nach nicht dazu, ihm als Gläubiger einen günstigen Eigenerwerb der Grundstücks, in welches die Zwangsvollstreckung betrieben werden soll, zu ermöglichen. Vielmehr soll die gebotene Information ihm die Möglichkeit geben, seine Rechte als beteiligter Gläubiger in dem Zwangsversteigerungsverfahren zu wahren und gegebenenfalls dahingehend Einfluß zu nehmen, daß er auf einen möglichst hohen Versteigerungserlös hinwirken konnte. Die Informationspflicht hat nicht den Zweck, dem Gläubiger selbst die Möglichkeit auf einen günstigen Eigenerwerb des Grundstücks zu eröffnen, zumal für ihn dieser Zweck auch bei jeder beliebigen Zwangsversteigerung irgendeines Objekts bestehen kann. Der Verletzung einer Haftungsnorm oder vertraglichen Anspruchsgrundlage werden nur solche Schadensfolgen zugerechnet, die innerhalb des Schutzbereichs einer verletzten Norm oder Vertragspflicht liegen. Es muß sich um solche Nachteile handeln, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen oder die verletzte Vertragspflicht übernommen worden ist (vgl. BGHZ 57, 137, 142). Das Unterlassen des Mitbietens in dem Versteigerungstermin hätte nur dann dem Schutzbereich der der Beklagten obliegenden Informationspflicht unterfallen können, wenn der Kläger ihr ausdrücklich mitgeteilt hätte, daß er über den Termin informiert werden möchte, um mitbieten zu können. Daß er dies der Beklagten gesagt oder sonst wie hinreichend deutlich bekanntgegeben hätte, hat er jedoch nicht vorgetragen.

Ein dem Schutzzweck der Informationspflicht unterfallender und damit der Beklagten zurechenbarer Schaden des Klägers ist auch nicht dadurch entstanden, daß die Verwertung des Hausgrundstücks nach dem Vortrag des Klägers infolge des Nichtbetreibens der Angelegenheit durch die Beklagte erst im Jahre 2004 erfolgte, so daß erhebliche weitere Zinsansprüche der F-Bank AG als vorrangiger Gläubigerin entstanden sind. Abgesehen davon, daß dieser Vortrag schon deshalb bisher nicht hinreichend substantiiert ist, da die angeblich zusätzlich entstandenen Zinsansprüche nicht berechenbar sind, hat der Kläger selbst vorgetragen, zwei Jahre zuvor wäre die F-Bank zwar nicht mit einem Betrag von 300.000,- €, aber immer noch mit ca. 100.000,- € ausgefallen, so daß der Kläger auch in diesem Fall keinen Teil des Erlöses mehr erhalten hätte.

Der Kläger hat die Kosten seines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Nrn. 1, 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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