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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 19.06.2009
Aktenzeichen: 2 U 303/08
Rechtsgebiete: ZVG


Vorschriften:

ZVG § 57a
An den Begriff des "ersten zulässigen Termins" sind keine überspannten Anforderungen zu stellen. Er ergibt sich nach den Umständen des Einzelfalles. Gekündigt werden kann auch noch für einen später zulässigen Termin, wenn bei Beobachtung der erforderlichen Sorgfalt die Kündigung zum frühen Zeitpunkt nicht möglich war.
Gründe:

I.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Ausübung eines Sonderkündigungsrechts nach Zuschlag in der Zwangsversteigerung durch die Beklagte.

Die Klägerin mietete unter ihrer vorherigen Firma B GmbH & Co. KG mit Vertrag vom 15.10.2005 von der Firma C A-Straße GmbH & Co. KG Räumlichkeiten der Liegenschaft A-Straße 1 (Erdgeschoss bis 2. Obergeschoss) und A-Straße 1a (Kellergeschoss bis 2. Obergeschoss) mit einer Fläche von ca. 4.616 qm an. Der Vertrag war bis zum 31.12.2015 befristet. Die Mieterin erhielt die Räumlichkeiten zur gewerblichen Nutzung und zwar zur Eigennutzung oder Weitervermietung als Büro-, Service- und Lagerbetrieb (§ 1 Ziff. 4 des Mietvertrages).

Seit 26.02.2007 firmierte die Mieterin unter der Bezeichnung der Klägerin. Die Eintragung der Firmenänderung der Klägerin erfolgte am 23.03.2007 bei dem Handelsregister Bad Homburg.

Die Beklagte erhielt im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens vor dem Amtsgericht Bad Homburg (Az. 6 K 89/06) mit Beschluss vom 22.10.2007 den Zuschlag für die Liegenschaft A-Straße 1 und 1a.

Die Klägerin verlegte ihren Firmensitz nach Stadt2 und befindet sich jedenfalls seit Ende 2007 in ihren neuen Geschäftsräumen D-Straße, Stadt2. Im November 2007 sandte die Beklagte an die Klägerin unter deren alter Firmenbezeichnung und an ihre alte Adresse, E-Straße in Stadt1 einen Brief per einfacher Post und ein Einschreiben mit Rückschein. Der auf normalem Postweg zugesandte Brief kam am 15.11.2007 mit dem Vermerk "Empfänger unbekannt" zurück. Den Rückschein erhielt die Beklagte am 23.11.2007. Er ist von einer Person namens "X" unterschieben und enthält den Vermerk, dass das Einschreiben am 19.11.2007 zugestellt werden konnte. Im November 2007 befand sich unter der alten Firmenadresse der Klägerin in Stadt1 kein Klingelschild oder Briefkasten mit dem ursprünglichen Firmennamen der Klägerin (B GmbH und Co KG) mehr. Am 18.11.2007 holte die Beklagte eine Gewerbeauskunft bei der Stadt1 ein. Die schriftliche Auskunft der Stadt vom 17.12.2007 enthielt sowohl die neue Firma der Klägerin, als auch neben der bereits bekannten Firmenadresse in Stadt1 eine künftige Adresse in Stadt2.

Am 02.01.2008 schickte die Beklagte jeweils einen einfachen Brief und ein Einschreiben mit Rückschein an die alte Adresse der Klägerin in Stadt1 und an die neue Adresse in Stadt2. Sowohl die Briefe als auch die Rückscheine kamen mit dem Vermerk "Empfänger unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln" zurück.

Nach erteiltem Zuschlag hob das Amtsgericht Bad Homburg v.d.Höhe die Zwangsverwaltung über die Liegenschaft A-Straße 1 und 1a mit Beschluss vom 07.01.2008 auf. Diese endete zum 30.01.2008. Der Zwangsverwalter forderte die Mieterin unter der Bezeichnung B GmbH & Co. KG mit Schreiben vom 30.01.2008 auf, sich künftig an die Beklagte unter der Anschrift c/o Y GmbH - ... in Stadt3 zu wenden.

Mit Schreiben vom 01.02.2008 übersandte der Bevollmächtigte der Klägerin einen Scheck in Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete für den Monat Februar 2008 an die Beklagte.

Auf das Schreiben der Klägerseite vom 01.02.2008 meldete sich der Bevollmächtigte der Beklagten unter dem 15.02.2008 und erklärte unter Bezugnahme auf die Kopie eines Einschreibens mit Einschreiben-Rückschein vom 12.11.2007, dass er für die Beklagte das Sonderkündigungsrecht nach § 57a ZVG zum 30.06.2008 ausgeübt habe.

Daraufhin forderte die Klägerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 18.02.2008 unter Fristsetzung bis zum 23.02.2008 auf, gegenüber ihren Mietern zu widerrufen, dass der Generalmietvertrag gekündigt worden sei und dies gegenüber der Klägerin zu bestätigen.

Unter dem 20.02.2008 wies der Bevollmächtigte der Klägerin den Beklagtenbevollmächtigten darauf hin, dass die im Kündigungsschreiben vom 12.11.2007 aufgeführte Firmenbezeichnung der Klägerin, sowie deren angegebene Adresse fehlerhaft seien und das Kündigungsschreiben daher nicht zugegangen sei. Als eine Reaktion der Beklagte nicht erfolgte, beantragte die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 28.02.2008 bei dem Landgericht Frankfurt am Main den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Mit Beschluss vom 06.03.2008 (Az. 2/10 O 93/08 - Bl. 36/37 d.A.) untersagte das Landgericht der Beklagten antragsgemäß, wörtlich oder sinngemäß zu behaupten, dass der bestehende Generalmietvertrag durch Kündigung vom 30.06.2008 beendet werde.

Mit Schreiben vom 11.03.2008 erklärte die Beklagte durch ihren Bevollmächtigten lediglich vorsorglich unter Beifügung einer Original-Vollmacht die Kündigung des Mietverhältnisses zum 30.09.2008.

Die Klägerin hat behauptet, das Einschreiben mit Rückschein vom 12.11.2007 sei ihr nicht zugegangen. Erstmals habe sie durch das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 15.2.2008 davon erfahren, dass ihr im November 2007 eine Kündigung per Einschreiben zugegangen sein soll. Die Person namens X, die für den Erhalt des Einschreibens unterzeichnet habe, sei ihr weder bekannt, noch sei sie von der Klägerin dazu bevollmächtigt gewesen. Sie hat weiter behauptet, der Zwangsverwalter habe Kenntnis von der Umfirmierung der Klägerin gehabt. Dessen Kenntnis ergebe sich daraus, dass die Klägerin ihre neue Firma auf einem Scheck vom 03.05.2007 und auf einer Rechnung vom 23.04.2007 für die Kosten für die Entsorgung eines Wespennestes verwendet habe. Weil der Zwangsverwalter in einem Antwortschreiben vom 07.05.2007 auf diese Rechnung der Klägerin unter ihrem neuen Namen Bezug genommen habe, sei von einer Kenntnisnahme durch den Zwangsverwalter auszugehen. Auch habe die Klägerin erst durch das Schreiben des Zwangsverwalters vom 30.01.2008 erfahren, dass die Beklagte die neue Eigentümerin der Immobilie geworden sei. Im Januar 2008 sei die Klägerin nicht mehr unter ihrem alten Firmennamen aufgetreten. Zwar habe sie einen Miet-Scheck verwendet, der im Betreff die Bezeichnung "B GmbH und Co KG/Z, ..., ..." enthalten habe, wobei dies aber nichts mit ihrem Auftreten im Wirtschaftsleben zu tun habe. Die Verwendung der alten Firmenbezeichnung sei lediglich darauf zurückzuführen gewesen, dass zu Beginn der Zwangsverwaltung im Jahre 2006 eine Akte "B GmbH und Co KG gegen Z (Zwangsverwaltung)" zu dem Aktenzeichen 297/06 angelegt worden sei, über die die monatlichen Mietzinszahlungen der Klägerin bis Ende der Zwangsverwaltung durch Übermittlung eines Orderschecks abgewickelt worden seien. Im Zeitpunkt des vermeintlichen Zustellungsversuchs der bestrittenen Kündigung vom 02.01.2008 habe sich am neuen Firmensitz der Klägerin in Stadt2 ein Briefkasten gefunden.

Eine Obliegenheitsverletzung sei ihr weder bei den Zustellungsversuchen im November 2007 noch im Januar 2008 vorzuwerfen. Aus der Rücksendung des Einschreibens mit Rückschein könne nicht gefolgert werden, dass sie kein Schild am Briefkasten unterhalten habe. Der verspätete Zugang der Kündigung beruhe auch nicht darauf, dass sie keinen Nachsendeauftrag an ihre neue Firmenadresse in Stadt2 gestellt habe. Da bereits die von der Beklagten Anfang Januar 2008 an die Klägerin direkt unter der Anschrift in Stadt2 gerichteten Kündigungsschreiben nicht zugestellt worden seien, sei nicht erkennbar, wieso im Rahmen eines Nachsendeauftrag an die Klägerin weitergeleitete Briefe diese hätten erreichen sollen.

Die Klägerin hat die Ansicht geäußert, dass sich die Beklagte nicht auf ein Verschulden der Post berufen könne, weil der Kündigende dafür Sorge tragen müsse, dass die Kündigung ordnungs- und fristgemäß dem Empfänger zugestellt werde. Auch die von der Beklagten am 13.03.2008 zum 30.09.2008 ausgesprochene Kündigung sei nicht mehr rechtzeitig erfolgt, weil das Sonderkündigungsrecht nach § 57a ZVG bis zum dritten Werktag im Januar 2008 hätte ausgeübt werden müssen. Eine wirksame Kündigung zu einem späteren Zeitpunkt käme nicht in Betracht, da die Beklagte nicht alles Erforderliche getan habe, um die Kündigung fristgemäß zuzustellen. Dazu hätte die Beklagte die Wirksamkeit ihrer behaupteten Kündigung vom 12.11.2007 überprüfen, bzw. Räumungsklage erheben müssen. Insbesondere weil die Beklagte den, zusammen mit dem Einschreiben versandten einfachen Brief mit dem Vermerk "Empfänger unbekannt" zurückerhalten habe, habe sie nicht davon ausgehen können, dass der Rückschein von der Klägerin oder einem Mitarbeiter der Klägerin unterschrieben worden sei. Das spätere Einholen der Gewerbeauskunft deute darauf hin, dass auch sie nicht von einer wirksamen Zustellung ausgegangen sei. Auch nach Erhalt der Gewerberegisterauskunft vom 17.12.2007 habe die Beklagte genügend Zeit gehabt, der Klägerin eine neue Kündigung zukommen zu lassen. Hier könne sie sich nicht damit entschuldigen, dass ihr Anwalt im Dezember 2007 in Urlaub gewesen sei.

Die Klägerin hat im Verfahren 2-10 121/08 am 25.03.2008 Klage auf Feststellung erhoben, dass das Mietverhältnis weder durch die Kündigung vom 11.03.2008, noch durch die Kündigung vom 12.11.2007 beendet worden ist, sondern über den 30.06.2008 bzw. 30.09.2008 hinaus fortbesteht. Die Beklagte hat unter dem Az. 2-21 O 99/08 am 21.04.2008 Klage auf Räumung und Herausgabe der Liegenschaft erhoben. Das Landgericht hat die Verfahren mit Beschluss vom 15.07.2008 (Bl. 261 d.A.) gemäß § 147 ZPO zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden.

Die Klägerin hat ursprünglich beantragt, festzustellen, dass das Mietverhältnis zwischen den Parteien weder durch die Kündigung vom 11.03.2008 zum 30.09.2008, noch durch die Kündigungen vom 12.11.2007 und vom 02.01.2008 zum 30.06.2008 beendet worden ist, sondern über den 30.06.2008 bzw. 30.09.2008 hinaus fortbesteht. Außerdem hat sie beantragt, die Beklagte zur Zahlung von außergerichtlichen Kosten in Höhe von 2.841 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Klagezustellung zu verurteilen. In der mündlichen Verhandlung am 19.09.2008 haben die Parteien die Klage (damit auch den Antrag bezüglich der außergerichtlichen Kosten) übereinstimmend für erledigt erklärt.

Widerklagend hat die Beklagte beantragt,

die Klägerin zu verurteilen, die Räume der Liegenschaft A-Str. 1, Stadt1 im Erdgeschoss, 1. und 2. OG sowie die Räume im Kellergeschoss, Erdgeschoss, 1. und 2. OG des Anwesens A Str. 1a, Stadt1 zum 30.06.2008, hilfsweise zum 30.09.2008 zu räumen und an die Beklagte herauszugeben.

Die Klägerin hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, die beiden streitgegenständlichen Kündigungen seien der Klägerin zugegangen. Der Zwangsverwalter sei über die Umfirmierung der Klägerin nicht informiert gewesen und sei bis zur Aufhebung der Zwangsverwaltung davon ausgegangen, dass die Klägerin unter ihrer alten Bezeichnung firmiere. Die Klägerin habe das alte Namensschild am Briefkasten und das Klingelschild an der Adresse in Stadt1 entfernt, ohne den Vermieter oder den Zwangsverwalter zu informieren. Die Verwendung des neuen Firmennamens auf einem Scheck und einer Rechnung sage tatsächlich nichts über eine Umfirmierung aus. Im Hinblick auf den Scheck hätte es genauso gut möglich sein können, dass es sich bei der F GmbH und Co KG um eine Tochter- oder Drittfirma gehandelt habe, die für die Firma B GmbH & Co. KG die Miete bezahlt habe. Die Beklagte hat die Ansicht geäußert, dass es eine Obliegenheit der Klägerin gewesen sei, Empfangsvorkehrungen zu treffen, da sie aufgrund der Zwangsversteigerung mit dem Zugang rechtserheblicher Erklärungen habe rechnen müssen. Dem sei sie nicht nachgekommen, weil sie unstreitig keinen Nachsendeauftrag nach Stadt2 an die neue Firmenanschrift gestellt habe. Es liege somit eine Zugangsvereitelung durch die Klägerin vor, die dazu führe, dass sie sich so behandeln lassen müsse, als seien ihr die Kündigungsschreiben vom 12.11.2007 und vom 02.01.2008 zugegangen. Das Mietverhältnis sei aber in jedem Fall durch das Schreiben vom 11.03.2008 zum 30.09.2008 gekündigt worden. Hierbei handele es sich um den ersten zulässigen Termin im Sinne des § 57a ZVG. Es sei die tatsächliche Möglichkeit der Kündigungserklärung maßgebend. Infolge des unterschriebenen Rückscheins vom 23.11.2007 habe die Beklagte davon ausgehen können, dass die Kündigungserklärung der Klägerin zugegangen sei. Gegenteiliges habe sie erst durch das Schreiben der Klägerin vom 20.02.2008 erfahren, in dem die Klägerin darauf hingewiesen habe, dass die Person, die den Rückschein unterschrieben habe, nicht empfangsberechtigt gewesen sei. Die Beklagte habe die erforderliche Sorgfalt bei der Kündigung des Mietverhältnisses eingehalten, da sie nachdem die auf normalen Postweg am 12.11.2007 erklärte Kündigung mit dem Vermerk" Empfänger unbekannt" zurückgekommen sei, die Gewerbeauskunft bei der Stadt1 eingeholt habe und die Kündigung am 02.01.2008 erneut per einfachem Brief und per Einschreiben mit Rückschein an alle in Betracht kommenden Anschriften versandt habe. Da die Kündigung vom 02.01.2008 nicht zugestellt werden konnte, sei mit der Kündigung vom 11.03.2008 der erste tatsächlich mögliche Kündigungstermin eingehalten worden.

Auch der Umstand, dass die Beklagte die Kündigung erst am 02.01.2008 versandt habe, obwohl die Gewerbeauskunft der Stadt1 vom 17.12.2007 datiere, stünde dem nicht entgegen. Zum einen habe sich der Bevollmächtigte der Beklagten, bei dem die Gewerbeauskunft am 19.12.2007 eingegangen sei, bis zum 31.12.2007 in Urlaub gefunden. Zum anderen werde dem Ersteher bei der Ausübung des Sonderkündigungsrechts nach § 57a ZVG lediglich zugemutet, die Kündigung "ohne schuldhaftes Zögern" und somit innerhalb von 14 Tagen auszusprechen. Da zwischen dem 19.12.2007 und dem 02.01.2008 lediglich fünf Werktage lägen, sei in der Versendung der Kündigung am 02.01.2008 kein schuldhaftes Zögern der Beklagten zu sehen.

Das Landgericht Frankfurt am Main hat die Widerklage mit Urteil vom 21.11.2008 abgewiesen. Der Beklagten stehe ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Mietsache zum 30.06.2008 aus § 546 Abs. 1 BGB nicht zu. Eine Beendigung des Mietverhältnisses zu diesem Termin liege nicht vor, da die Beklagte nicht wirksam gekündigt habe. Nach § 57a ZVG sei der Ersteher berechtigt, das Mietverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist für den ersten Termin nach dem Zuschlag zu kündigen. Die gesetzliche Kündigungsfrist habe die Beklagte als Ersteherin der Immobilie nicht eingehalten. Da der Zuschlag am 16.10.2007 erfolgt sei, hätte die Kündigung spätestens am dritten Werktag im Januar 2008 mit Wirkung zum 30.06.2008 ausgesprochen werden müssen. Denn gemäß § 580a Abs. 2 BGB sei die Kündigung bei einem Mietverhältnis über Geschäftsräume spätestens am dritten Werktag eines Kalendervierteljahres zum Ablauf des nächsten Kalendervierteljahres zulässig. Dass die Zwangsverwaltung erst im Januar 2008 aufgehoben worden sei, habe auf die einzuhaltende Frist keine Auswirkung. Auch in diesem Fall müsse der Ersteher das außerordentliche Kündigungsrecht sofort nach der Wirksamkeit des Zuschlages ausüben. Für die Ausübung des Kündigungsrechts komme es auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Zustellung der Kündigungserklärung bei dem Mieter an. Gemäß § 130 Abs. 1 BGB werde eine Willenserklärung, die in Abwesenheit desjenigen abgegeben werde, dem gegenüber sie abzugeben ist, erst in dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie dem Empfänger zugehe. Ein Zugang einer Kündigungserklärung bei der Klägerin sei bis zum 04.01.2008 nicht erfolgt. Die von der Beklagten behaupteten Kündigungsschreiben vom 12.11.2007 und vom 02.01.2008 seien der Klägerin nicht wirksam zugestellt worden. Sowohl die Briefe als auch die Rückscheine der Einschreiben seien mit dem Vermerk "Empfänger unbekannt" zurückgekommen. Nur der Rückschein bezüglich des Kündigungsschreibens vom 12.11.2007 habe die Unterschrift von einer Person namens "X" und den Vermerk, dass das Einschreiben am 19.11.2007 zugestellt worden sei, enthalten. Aus dem Rückschein habe sich jedoch nicht ergeben, dass das Einschreiben der Klägerin zugestellt worden sei. Die Beklagte habe nicht nachweisen können, dass eine Person namens "X" im Betrieb der Klägerin arbeite und zur Entgegennahme von Kündigungen empfangsberechtigt gewesen sei.

Die Klägerin müsse sich auch nicht so stellen lassen, als seien ihr die Kündigungsschreiben vom 12.11.2007 und vom 02.01.2008 zugegangen. Es liege keine Obliegenheitsverletzung der Klägerin vor, die zu der Annahme einer Zugangsvereitelung führe. Die Klägerin habe im Februar 2007 zwar ihren Firmennamen geändert, so dass sie seitdem unter einer anderen als im Mietvertrag angegeben Bezeichnung firmiert habe. Allerdings habe der Zwangsverwalter Kenntnis von der neuen Firma der Klägerin gehabt, da sie in der schriftlichen Korrespondenz mit dem Verwalter unter dieser aufgetreten sei. Die Klägerin habe infolgedessen auch das Namensschild an ihrem Briefkasten und ihr Klingelschild in Stadt1 ändern dürfen, ohne dies dem Zwangsverwalter gesondert mitzuteilen. Dass die Klägerin ihre alte Firmenbezeichnung noch im Januar 2008 auf einem Mietscheck verwendet habe, ändere hieran nichts. Schließlich sei diese Bezeichnung lediglich auf eine zu Beginn der Zwangsverwaltung im Jahre 2006 angelegte Akte zurückgegangen. Unschädlich sei in diesem Zusammenhang auch, dass die Klägerin nach ihrem Umzug nach Stadt2 Ende Oktober/Anfang November 2007 keinen Nachsendeantrag gestellt habe. Denn die von der Beklagten an die Klägerin adressierte Post vom 12.11.2007 sei nicht nur an die alte Adresse, sondern auch an die alte Firmenbezeichnung gerichtet gewesen. Selbst wenn ein Nachsendeantrag der Klägerin bestanden hätte, wäre die Post mangels richtiger Firmenbezeichnung nicht weitergeleitet worden.

Auch hinsichtlich des Kündigungsschreibens vom 02.01.2008 liege keine Zugangsvereitelung vor. Denn dass das Kündigungsschreiben weder per einfachem Brief noch per Einschreiben mit Rückschein zugestellt werden konnte, habe nicht auf einem Verschulden der Klägerin beruht. Sowohl die Umfirmierung als auch der Umzug der Klägerin und die Nichtbeantragung eines Nachsendeantrag seien für die Nichtzustellung nicht kausal geworden.

Durch die Gewerbeauskunft der Stadt1 vom 18.12.2008 habe die Beklagte von der Umfirmierung und von dem Umzug der Klägerin gewusst. Infolgedessen habe sie die Kündigung vom 02.01.2008 an den neuen Firmennamen an die alte und neue Anschrift der Klägerin adressiert. Dass der Brief und das Einschreiben mit Rückschein der Klägerin unter der alten Adresse nicht zugestellt werden konnten, habe nicht darauf beruht, dass die Klägerin keinen Nachsendeantrag gestellt habe. Denn auch dieser hätte lediglich zur Weiterleitung der Post an die neue Anschrift in Stadt2 geführt. Da aber auch der an die neue Adresse in Stadt2 gerichtete Brief und das Einschreiben mit Rückschein dort nicht zugestellt werden konnte, hätte auch ein Nachsendeauftrag für die Alt-Adresse nicht zur Zustellung geführt.

Auch sonst sei kein Verschulden der Klägerin erkennbar, welches zu einer Vereitelung des Zugangs geführt haben könnte. Die Behauptung der Beklagten, dass die Klägerin Anfang Januar 2008 unter der neuen Adresse noch keinen Briefkasten und kein Klingelschild mit ihrem Namen unterhalten hätte, habe die Beklagte nicht beweisen können.

Der Beklagten stehe auch kein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Mietsache zum 30.09.2008 zu. Die Kündigung vom 11.03.2008 zum 30.09.2008 sei nicht mehr rechtzeitig im Sinne des § 57a ZVG gewesen. Die Ausübung des Sonderkündigungsrechts sei zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich gewesen, da es sich hierbei nicht um den erstmöglichen Termin nach Zuschlag gehandelt habe. Das Vorbringen der Beklagten, sie sei von dem Zugang der Kündigung zum 12.11.2007 ausgegangen und habe Gegenteiliges erst durch die Klägerin am 20.02.2008 erfahren, führe nicht dazu, dass sich die erste tatsächliche Kündigungsmöglichkeit auf Ende Februar 2008 verschoben habe. Denn zum einen deute die Einholung der Gewerbeauskunft und die erneute Kündigung darauf hin, dass die Beklagte gerade nicht auf den Zugang der Kündigung im November 2007 vertraut habe. Zum anderen hätte die Beklagte angesichts des unzustellbaren einfachen Briefes ohnehin nicht darauf vertrauen dürfen, dass das Einschreiben der Klägerin tatsächlich zugegangen sei. Der erste tatsächlich mögliche Kündigungstermin habe im Dezember 2008 gelegen. Durch die Gewerbeauskunft der Stadt1 hätte die Beklagte Kenntnis von der Umfirmierung und dem Umzug der Klägerin erhalten. Dass sie mit der Ausübung ihres Kündigungsrechts dennoch bis zum 02.01.2008 gewartet habe, liege in ihrem Verantwortungsbereich. Die Gewerbeauskunft sei in der Kanzlei des prozessbevollmächtigten der Beklagten am 19.12.2007 eingegangen. Die Kündigung hätte deshalb bereits am 20.12.2007 an die Klägerin versandt werden können. Auch bei Nichtzustellung dieser Kündigung wäre es der Beklagten dann noch möglich gewesen, die Kündigung der Klägerin zum Beispiel durch Zustellungsurkunde über den Gerichtsvollzieher nach den §§ 132 BGB, 192 ff ZPO zukommen zu lassen und somit die Frist des § 57a ZVG zu wahren. Der Umstand, dass die Nichtzustellung der Kündigung vom 02.01.2008 auf einem Verschulden der Post beruhe, trage nicht zur Entlastung der Beklagten bei, da es bei § 57a ZVG nicht auf ein Verschulden ankomme. Der Urlaub des Prozessbevollmächtigten begründe auch keine Unmöglichkeit einer rechtzeitigen Kündigung, da dieser die Versendung der Kündigung in seiner Abwesenheit hätte sicherstellen können.

Soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt hätten, seien die Kosten der Beklagten aufzuerlegen, da sie ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses aller Voraussicht nach unterlegen wäre.

Gegen dieses ihr am 26.11.2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit anwaltlichem Schriftsatz am 23.12.2008 bei dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 26.02.2009 verlängerten Frist begründet. Die Beklagte rügt eine Falschauslegung des § 57a ZVG durch das Landgericht und dass dieses entscheidungserheblichen Sachvortrag unberücksichtigt gelassen habe. Auch müsse sich die Klägerin so behandeln lassen, als seien ihr die Kündigungsschreiben vom 12.11.2007 und vom 02.01.2008 zugegangen. Der erste zulässige Termin im Sinne von § 57a ZVG sei nicht rein rechnerisch zu ermitteln, sondern auch unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse. Hier habe die Beklagte die Kündigungserklärung so rechtzeitig abgegeben, dass sie ohne Verschulden habe davon ausgehen können, dass diese der Klägerin bis zum 04.01.2008 zugestellt werde. Die gesetzliche Frist habe sie bis zum letzten Tag ausnutzen können, ohne dass daraus ein Verschuldensvorwurf folge. Entgegen der Ansicht des Landgerichts habe die Beklagte daher nicht unmittelbar nach Vorliegen der Gewerbeauskunft der Stadt Stadt1 kündigen müssen. Auf die Frage, wann die Kündigung bereits früher hätte versandt werden können und was bei einer Versendung am 20.12.2007 passiert wäre, komme es daher nicht an.

Übergangen habe das Landgericht Sachvortrag und den mit Berufungsbegründung ausdrücklich wiederholten Beweisantritt der Beklagte zu einer fehlenden Kenntnis des Zwangsverwalters von der Umfirmierung der Klägerin. Trotzdem sei das Landgericht im Urteil davon ausgegangen, dass der Zwangsverwalter über die Umfirmierung der Klägerin informiert gewesen sei. Ohne eine Kenntnis des Zwangsverwalters habe die Klägerin ihre Obliegenheit zum Treffen von Empfangsvorkehrungen verletzt, da sie mit rechtserheblichen Erklärungen habe rechnen müssen, ohne zumindest den Zwangsverwalter über die Umfirmierung informiert zu haben.

Verletzt habe die Klägerin die Obliegenheit auch durch den fehlenden Nachsendeauftrag. Insgesamt müsse sich die Klägerin so behandeln lassen, als wäre ihr das Kündigungsschreiben vom 02.01.2008 zugegangen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21.11.2008 (Az. 2-10 O 121/08) aufzuheben und die Klägerin zu verurteilen, die Räume der Liegenschaft A-Str. 1, Stadt1 im Erdgeschoss, 1. und 2. OG, sowie die Räume im Kellergeschoss, Erdgeschoss und 1. und 2. OG des Anwesens A-Str. 1a, Stadt1 zu räumen und an die Beklagte herauszugeben.

Demgegenüber beantragt die Klägerin,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Auf die zulässige Berufung der Beklagten ist das landgerichtliche Urteil abzuändern und der Widerklage in vollem Umfang stattzugeben. Die Beklagte hat das Sonderkündigungsrecht nach § 57a S. 1 ZVG wirksam ausgeübt.

Nach § 57a S. 1 ZVG ist der Ersteher berechtigt, das Miet- oder Pachtverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist zu kündigen, wobei die Kündigung ausgeschlossen ist, wenn sie nicht für den ersten Termin erfolgt, für den sie zulässig ist (S. 2).

Für die Bestimmung dieses erstzulässigen Termins kommt es auf die Verkündung (§ 89 ZVG) des Zuschlagsbeschlusses an (vgl. Böttcher, ZVG, 4. Auflage, 2005, § 57-57d, Rn 12), die vorliegend am 16.10.2007 erfolgt ist. Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Aufhebung der Zwangsverwaltung zum 30.01.2008 insoweit ohne Relevanz ist. Da gemäß § 580a Abs. 2 BGB die ordentliche Kündigung spätestens am dritten Werktag eines Kalendervierteljahres zum Ablauf des nächsten Kalendervierteljahres zulässig ist, musste für den ersten Termin theoretisch die Kündigung spätestens am dritten Werktag im Januar 2008 mit Wirkung zum 30.06.2008 erfolgen. Dies war Freitag der 04.01.2008, nachdem der 01.01.2008 auf einen Dienstag fiel. Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass die Beklagte nicht bis zum Ablauf des 04.01.2008 gekündigt hat, weil der Klägerin bis dahin eine Kündigungserklärung nicht zugegangen ist.

Das Mietverhältnis ist nicht durch die Kündigung im November 2007 beendet, weil der Klägerin keines der beiden Kündigungsschreiben zugegangen ist. Die Beklagte hat die Kündigungserklärung per einfacher Postsendung und mit Einschreiben/Rückschein an die Alt-Firmierung und Alt-Adresse der Klägerin übersandt. Auch wenn die Beklagte über eine erfolgte Zustellung einen unterzeichneten Rückschein vorlegen konnte, kann eine tatsächlich erfolgte Zustellung an die Klägerin daraus nicht entnommen werden. Zwar ist die ... AG als inzwischen privatisiertes Unternehmen gemäß § 33 PostG als beliehener Unternehmer mit Hoheitsbefugnissen ausgestattet. Trotzdem stellt aber der Rückschein beim Übergabe-Einschreiben keine öffentliche Urkunde im Sinne des § 415 ZPO dar (vgl. Stein-Jonas-Leipold, ZPO, 22. Auflage, § 415 Rn. 7). Als Privaturkunde ergibt sich ihre Beweiskraft aus § 416 ZPO (vgl. Zöller-Stöber, ZPO, 27. Auflage, § 174 Rn. 20). Vollen Beweis begründet sie dafür, dass die darin enthaltene Erklärung von dem Aussteller abgegeben ist. Bei Aushändigung an einen Beschäftigten des Zustellungsadressaten erstreckt sich die Beweiskraft aber nicht darauf, dass die unterzeichnende Person wirklich Bediensteter des Adressaten oder zur Empfangnahme berechtigt war, sondern nur darauf, dass sie sich als solche bezeichnet bzw. wie eine solche verhalten hat. Daraus ergibt sich aber ein erhebliches Beweisanzeichen für die tatsächliche Beschäftigung oder Berechtigung (vgl. BGH NJW 2004, 2386; Stein-Jonas-Leipold, a.a.O § 418 Rn. 9). Die Wirkung der Urkunde kann der Adressat nur durch eine plausible und schlüssige Darstellung von Tatsachen entkräften, aus denen folgt, dass die Person, der das Schriftstück übergeben wurde, nicht zu seinen Bediensteten gehört und zur Empfangnahme nicht berechtigt war. Insoweit verkennt das Landgericht die Beweislast, wenn es ausführt, dass die Beklagte nicht habe nachweisen können, dass eine Person namens "X" im Betrieb der Klägerin gearbeitet und/oder zur Entgegennahme von Kündigungen berechtigt gewesen sei. Angesichts des vorliegend unterzeichneten Rückscheins mit Bestätigung des Postmitarbeiters, die Sendung einem Empfangsberechtigten übergeben zu haben, lag es an der Klägerin, das Beweisanzeichen zu entkräften. Davon ist vorliegend aber auszugehen. Entscheidend widerlegt wird das Beweisanzeichen durch die Tatsache, dass ein einfacher, zeitgleich an die Klägerin unter ihrer früheren Bezeichnung gerichteter Brief mit dem Vermerk "Empfänger unbekannt" zurückgekommen ist. Dies spricht dafür, dass die Klägerin einen Geschäftssitz mit Briefkasten zu diesem Zeitpunkt unter der Alt-Adresse nicht mehr unterhielt und ihr am Alt-Sitz eine Person namens X weder bekannt war, noch sie diese zum Empfang bevollmächtigt hatte. Die Klägerin muss sich wegen dieses Zustellungsversuchs auch nicht so behandeln lassen, als ob ihr das Schreiben zugegangen wäre, weil sich ihr Wechsel der Firmierung aus dem Handelsregister ergab. Selbst wenn die Klägerin auf eine Verlegung des Firmensitzes hingewiesen hätte oder dieser dem Zwangsverwalter bekannt gewesen wäre, wäre das Schreiben an den falsch bezeichneten Adressaten geschickt worden. Eine wirksame Zustellung der Kündigung ist deshalb im November 2007 nicht erfolgt.

Auch eine wirksame Zustellung des Kündigungsschreibens vom 02.01.2008 ist nicht erfolgt. Zwar hat die Beklagte jeweils einen einfachen Brief und ein Einschreiben mit Rückschein an die alte Adresse der Klägerin in Stadt1 und an die neue Adresse in Stadt2 geschickt. Keines der Schreiben ist aber zugegangen. Bei der Alt-Adresse handelte es sich gemäß Auskunft der Stadt1 um die Betriebsanschrift, bei der Adresse in Stadt2 um die künftige Betriebsstätte. Auch die mit der Betriebsanschrift "D-Straße, Stadt2" adressierten und am 02.01.2008 abgesandten Schreiben kamen mit dem Vermerk "Empfänger unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln" zurück. Da diese Schreiben an die Beklagte unter ihrer korrekten Bezeichnung und an die aktuelle Adresse gerichtet waren, lässt der Vermerk des Postzustellers nur zwei Erklärungen zu: Entweder hatte die Klägerin im Januar 2008 keinen Briefkasten und kein Klingelschild angebracht oder der Zusteller der Post hatte trotz vorhandenen Briefkasten und Klingelschildes der Klägerin fehlerhaft gehandelt. Die Kündigungserklärung der Beklagten ist der Klägerin jedenfalls bis zum 04.01.2008 nicht zugegangen. Da ein Fehler des Postzustellers möglich ist, kann auch nicht von einer Obliegenheitsverletzung oder Zugangsvereitelung der Klägerin ausgegangen werden, nach der sie sich so stellen lassen müsste, als seien ihr die Kündigungsschreiben zugegangen. Bis hierhin ist der Auffassung des Landgerichts zu folgen.

Nicht zu überzeugen vermag das landgerichtliche Urteil aber im Folgenden, wenn es die Kündigung vom 11.03.2008 mit Wirkung zum 30.09.2008 als nicht mehr rechtzeitig im Sinne des § 57a ZVG erachtet. Obwohl die Beklagte vorliegend nicht spätestens am dritten Werktag im Januar 2008 gekündigt hat, war ihr Sonderkündigungsrecht nicht nach § 57a S.2 ZVG ausgeschlossen. Denn maßgeblich für das Sonderkündigungsrecht ist zwar der erste gesetzlich zulässige Termin, aber nur, wenn die Kündigung dem Ersteher ohne schuldhaftes Zögern möglich war (vgl. RGZ 98, 273; Stöber, ZVG, 18. Auflage, 2006, § 57a Rn. 5). Nicht die bloße theoretische Möglichkeit bestimmt den ersten zulässigen Termin, sondern entscheidend ist, ob dem Kläger die Ausübung des Rechts unter Beachtung der erforderlichen Sorgfalt tatsächlich möglich war (vgl. OLG Düsseldorf, OLGR 2003, 329). An den Begriff des "ersten zulässigen Termins" sind keine überspannten Anforderungen zu stellen, wobei es jedoch Sache des Erstehers ist, die Unmöglichkeit der rechtzeitigen Kündigung nachzuweisen (vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom 17.12.2001, Az 11 U 63/01, zitiert nach juris). Der erste zulässige Termin ist vielmehr nach den Umständen des Einzelfalles derjenige Termin, für den die Kündigung dem Ersteher ohne vorwerfbares Zögern möglich ist (vgl. RGZ 98, 273; Stöber, a.a.O). Es kann also auch noch für den später zulässigen Termin gekündigt werden, wenn auch bei Beobachtung der erforderlichen Sorgfalt die Kündigung zum früheren, theoretisch zulässigen Zeitpunkt nicht mehr möglich war (vgl. Stöber, a.a.O, Böttcher, a.a.O, Rn 12; Dassler-Schiffhauer-Hintzen/Engels, ZVG, 13. Auflage, 2008, § 57a Rn. 10).

Bei Beachtung dieser Grundsätze stellt sich die auf § 57a ZVG gestützte Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 11.03.2008 zum 30.09.2008 nicht als verspätet dar, da die Beklagte die Unmöglichkeit der Kündigung bis zum 04.01.2008 nachgewiesen hat. Ihr war die Ausübung des Rechts auch unter Beachtung der erforderlichen Sorgfalt zum 04.01.2008 nicht möglich. Ein vorwerfbares Zögern lag nicht vor. Die Beklagte hat sich bereits im November 2007 entschieden, von ihrem Sonderkündigungsrecht rechtzeitig vor dem 04.01.2008 Gebrauch zu machen. Nicht vorzuwerfen ist ihr, wenn sie bei dem Versuch der Kündigung im November 2007 von der im Mietvertrag angegebenen Bezeichnung und Adresse der Klägerin ausgegangen ist. Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist der Beklagten auch nicht vorwerfbar, dass sie nach Erhalt der Auskunft der Stadt1 am 17.12.2007 nicht umgehend eine Kündigung gegenüber der Klägerin veranlasst hat. Zu Recht verweist der Beklagtenvertreter darauf, dass eine Partei grundsätzlich berechtigt ist, eine ihr zur Verfügung stehende Frist auszunutzen. Kommt es auf den postalischen Zugang einer Erklärung an, so kann der Absender sich auf die Zuverlässigkeit der Postdienste verlassen (vgl. BVerfGE 50, 1). Daher kann ein Absender, der ein mit vollständiger und richtiger Anschrift versehenes, ausreichend frankiertes Schriftstück zur Post gibt, auf den Eingang bei dem Empfänger vertrauen. Das Schriftstück muss allein rechtzeitig zur Post gegeben werden, was vorliegend am 02.01.2008 der Fall war. Bei normalem Postlauf durfte die Beklagte von einem Zugang bis zum 04.01.2008 ausgehen. Unerheblich ist dabei, ob ein geringer Prozentsatz der Sendungen verzögert befördert wird (vgl. BGH NJW 1999, 2118). Dass vorliegend mit einem Eingang bei dem Empfänger vor dem 04.01.2008 zu rechnen war ergibt sich daraus, dass der Vermerk über den nicht zu ermittelnden Empfänger bei einem der Schreiben vom Postzusteller auf den 03.01.2007 (gemeint dürfte der 03.01.2008 sein) datiert worden ist. Bei normalem Geschäftsgang wäre daher eine Zustellung noch vor dem 04.01.2008 erfolgt.

Das Landgericht sieht eine Sorgfaltspflichtverletzung der Beklagten darin, dass sie nicht früher nach dem 17.12.2007 versucht habe, die Kündigungsschreiben zu übersenden. In diesem Fall wäre bei Zurückkommen der Schreiben eine Zustellung per Gerichtsvollzieher möglich gewesen. Dies überzeugt deshalb nicht, weil die Beklagte alles Erforderliche veranlasst hat, um einen Zugang bei der Klägerin zu gewährleisten. Sie durfte auf ein pflichtgemäßes Handeln der Zustellungspersonen und auf eine korrekte Kennzeichnung des Firmensitzes durch die Klägerin (falls am 03.01.2008 weder ein Briefkasten noch ein Schild vorhanden gewesen sein sollte) vertrauen. Einen zeitlichen Puffer, um im Falle einer Pflichtverletzung des Zustellers oder einer Obliegenheitsverletzung der Empfängerin durch den Gerichtsvollzieher zustellen lassen zu können, musste die Beklagte nicht schaffen. Im Ergebnis hat die Beklagte mit der Kündigung vom 11.03.2008 den ersten möglichen Termin zur Ausübung des Sonderkündigungsrechtes nach § 57a ZVG genutzt.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 321.300 € (12 x 26.775 €). Er ergibt sich bei einer Klage auf Räumung nach § 41 Abs. 2 S. 1 GKG aus dem für die Dauer eines Jahres zu zahlenden Entgelt. Gemäß Anlage 4 zum Mietvertrag (Bl. 24 d.A.) haben die Parteien eine monatliche Nettomiete von 18.500 € und eine Nebenkostenpauschale von 4.000 € zuzüglich Umsatzsteuer (jetzt 19%) vereinbart. Zuletzt hatte die Klägerin monatlich 26.775 € brutto zu zahlen. Während die Klägerin bei ihrer Streitwertberechnung nur von einem Nettomietbetrag ohne Nebenkosten und Umsatzsteuer ausgeht, setzt die Beklagte eine Netto-Miete zuzüglich Umsatzsteuer von 19% an. Für die Berechnung des Streitwerts sind demgegenüber aber sowohl die vereinbarte Nebenkostenpauschale (vgl. OLG Düsseldorf, ZMR 2006, 516-517) als auch die geschuldete Umsatzsteuer (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 11.11.2008, Az. 2 W 239/08, zitiert nach juris) zu berücksichtigen.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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