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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 25.01.2001
Aktenzeichen: 2 UF 152/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1671
BGB § 1666a
Der Senat vertritt nach wie vor die Auffassung, daß von der gesetzlichen Ausganglage der gemeinsamen elterlichen Sorge nur dann abgewichen werden sollte, wenn dies für das Kindeswohl unbedingt erforderlich ist.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

2 UF 152/00

In der Familiensache

betreffend das Sorgerecht für

hat der 2. Familiensenat in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Vorsitzenden Richter Schreiber und die Richter Krämer und Kirsch am 25. Januar 2001 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluß des Amtsgerichts Biedenkopf vom 2. April 2000 abgeändert.

Die gemeinsame elterliche Sorge für die Kinder X. und Y. wird mit der Maßgabe wiederhergestellt, daß die Kinder in die Obhut des Antragstellers gegeben werden.

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (Beschwerdewert: 2.500 DM).

Gründe:

Die Parteien sind miteinander verheiratet. Aus ihrer ersten Ehe, die am 25. Januar 1993 geschieden wurde, sind die Kinder U. , geboren am 15. November 1984 sowie X. und Y. hervorgegangen. Im Rahmen des Ehescheidungsverfahrens wurde die elterliche Sorge für die Kinder auf die Antragsgegnerin übertragen. Später wurde U. allerdings auf Betreiben des Jugendamtes in einem Heim in Norddeutschland untergebracht.

Im Jahre 1995 haben die Parteien erneut miteinander die Ehe geschlossen. Sie leben seit dem 13. November 1998 getrennt. Anlaß hierfür soll der Umstand gewesen sein, daß die Antragsgegnerin seit Mitte September 1998 für fünf minderjährige Kinder einer alleinerziehenden Frau zu sorgen hatte, die stationär im Krankenhaus behandelt werden mußte. Der Antragsteller wandte sich in dieser Situation an das Jugendamt und machte deutlich, daß er diese Situation nicht mehr ertragen könne. Die fünf Pflegekinder wurden dann in einer Wohngruppe in L. untergebracht. Die Antragsgegnerin verließ die eheliche Wohnung, die Kinder X. und Y. blieben zunächst beim Antragsteller. Am 19. November 1998 holte die Antragsgegnerin die Kinder von ihrer Schule ab und brachte sie abends wieder zum Antragsteller zurück. Da X. erklärte, sie wolle bei der Mutter bleiben, fuhr sie mit dieser zurück, während Y. beim Antragsteller verblieb. Am 10. Dezember 1998 holte sie auch Y. wieder zu sich.

Im vorliegenden Verfahren strebt der Antragsteller die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für X. und Y. auf sich an.

Diesem Antrag hat das Amtsgericht nach Einholung eines kinderpsychologischen Sachverständigengutachtens durch den angefochtenen Beschluß stattgegeben, weil es der Auffassung ist, daß für die Kinder am besten ist, wenn sie beim Antragsteller leben.

Gegen diesen ihr am 14. April 2000 zugestellten Beschluß wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer am 13. Juni 2000 (Dienstag nach Pfingsten) eingelegten und zugleich begründeten Beschwerde.

Sie macht geltend, es bestünden keine Zweifel an ihrer Erziehungsfähigkeit. Soweit sich die Kinder für den Antragsteller ausgesprochen hätten, beruhe dies auf Beeinflussung durch ihn.

Sie beantragt, den angefochtenen Beschluß abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsteller verteidigt den angefochtenen Beschluß.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das für die Frage, wo die Kinder leben sollen und wem das Sorgerecht übertragen werden soll, allein das maßgebliche Kindeswohl (§ 1671 BGB) gebietet es hier, die Kinder in die Obhut des Antragstellers zu geben, der am besten für sie sorgen kann. Nach dem ausführlichen und überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Dr. F. bestehen keine Zweifel daran, daß der Antragsteller eher in der Lage ist, die Kinder angemessen zu erziehen als die Antragsgegnerin. Der Sachverständige hat die Antragsgegnerin als unbeherrschte und wenig kooperative Person geschildert. Den gleichen Eindruck hat auch das Jugendamt gewonnen, mit dem die Antragsgegnerin nicht zusammenarbeiten möchte.

Schließlich hat die Anhörung der beiden Kinder, die seinerzeit immerhin schon 10 und 9 Jahre alt waren, eine klare Entscheidung für einen Verbleib bei dem Antragsteller ergeben, dem die Kinder nach Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf das Jugendamt anvertraut sind. Hinzu kommt, daß die Kinder sich beim Antragsteller wohl fühlen und es nachteilig für das Kindeswohl wäre, wenn sie nunmehr trotz ihres Bedürfnisses nach Kontinuität ihrer Lebensverhältnisse noch einmal in den Haushalt eines anderen Elternteils überwechseln müßten, vor allem gegen ihren erklärten Willen.

Es mag sein, daß diese Entscheidung der Kinder für den Antragsteller auch darauf beruht, daß der Antragsteller sie in seinem Sinne während der Zeit beeinflußt hat, in der sie sich bei ihm befinden. Dies wäre für die Frage, wo die Kinder in Zukunft leben sollen, jedoch allenfalls insofern bedeutsam, als durch einen Verbleib bei ihrem Vater ihr Wohl beeinträchtigt würde. Hiervon kann keine Rede sein. Insofern ist die Antragsgegnerin darauf zu verweisen, daß es bei der Sorgerechtsentscheidung betreffend ihre Kinder nicht auf ihre eigenen Interessen ankommt, sondern allein auf das Wohl der Kinder.

Nach Auffassung des Senats ist es andererseits für das Wohl der Kinder am besten, wenn die gemeinsame elterliche Sorge wiederhergestellt wird. Der Senat vertritt nach wie vor die Auffassung, daß von der gesetzlichen Ausgangslage der gemeinsamen elterlichen Sorge nur dann abgewichen werden sollte, wenn dies für das Kindeswohl unbedingt erforderlich ist, da es der die gesamte Rechtsordnung beherrschende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der in § 1666a BGB seinen Niederschlag gefunden hat, gebietet, nur in dem Umfang in die Rechte der Eltern einzugreifen wie dies für das Wohl der Kinder nötig ist. Auch genügen dem Senat im allgemeinen nicht trennungs- und scheidungsbedingte Streitigkeiten zwischen den sorgeberechtigten Eltern, um die gemeinsame elterliche Sorge aufheben zu können. Vielmehr geht er im Rahmen einer langfristig angelegten Prognose davon aus, daß diese Schwierigkeiten mit zunehmenden Abstand von der Trennungs- und Scheidungssituation verringern werden, und hält die Eltern auch im Interesse ihrer Kinder für verpflichtet, ihre eigenen Streitigkeiten hintanzustellen und die Kinder zumindest aus diesen Konflikten herauszuhalten. Deswegen genügt im allgemeinen eine mangelnde Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern nicht für die Anordnung der Alleinsorge, zumal nach § 1687 BGB die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge sich auf einige wenige grundlegende Entscheidungen beschränkt, die im Leben eines Kindes nur wenige Male vorkommen. Die für die Erziehung der Kinder wichtigen Entscheidungen des täglichen Lebens trifft ohnehin der Elternteil, in dessen Obhut sich die Kinder befinden, allein. Wie sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. F. ergibt, ist der Antragsteller durchaus in der Lage, sachliche Entscheidungen zu treffen und seine eigenen Interessen hintanzustellen. Dies gilt gegenwärtig für die Antragsgegnerin nur eingeschränkt, die sich sowohl beim Sachverständigen als auch beim Jugendamt als unbeherrscht und kaum zu Zusammenarbeit bereit gezeigt hat. Auf der anderen Seite hat sich bei Anhörungen sowie der Exploration durch den Sachverständigen gezeigt, daß die Kinder nach wie vor eine emotionale Bindung an ihre Mutter haben. Deswegen erscheint es wichtig, daß den Kindern das Gefühl gegeben wird, daß auch ihre Mutter für sie noch Verantwortung zu tragen hat.

Der Senat hegt bei seiner Entscheidung die Erwartung, daß sie von den Parteien akzeptiert und künftig ihren Beziehungen zu den Kindern zugrunde legen. Dies gilt insbesondere für die Gestaltung des Besuchsrechts der Antragsgegnerin. Hierbei hat der Antragsteller die grundsätzlich bestehende Bereitschaft der Kinder, ihre Mutter zu besuchen, die bei der Anhörung vor dem Amtsgericht ansatzweise deutlich geworden ist, zu fördern, indem er den Kindern deutlich macht, daß er Besuche unterstützt und sie im Interesse der Kinder für nötig erachtet. Hierzu gehört auch, daß die äußeren Umstände der 'Übergabe' der Kinder in ihnen keine Ängste vor dem jeweils nächsten Besuch wecken.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 13a FGG, 131 Abs. 3 KostO.

Ende der Entscheidung

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