Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 21.09.2005
Aktenzeichen: 2 UF 157/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1601
BGB § 1602
Zum Ausschluss eines Unterhaltsanspruchs des volljährigen Kindes, wenn es in der Lage ist, seine Unterhaltsbedarf durch Erwerbstätigkeit selbst sicherzustellen
Gründe:

I.

Die Berufungsklägerin wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Abweisung ihrer gegen ihren Vater gerichteten Unterhaltsklage durch am 17.März 2004 verkündetes Urteil des Amtsgerichts Korbach, auf dessen Inhalt gemäß § 540 Abs.1 Nr.1 Bezug genommen wird.

Erstinstanzlich hat die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie ab 01.10.2003 "Elementarunterhalt" in Höhe von 848,70 Euro, sowie Vorsorgeunterhalt von Euro 129 und Altersvorsorgeunterhalt in Höhe von 175,29 Euro und Rückstand für die Zeit vom 01.04.2002 bis 30.09.2003 rückständigen Unterhalt in Höhe von Euro 20.864,37, zahlbar an das Sozialamt der Stadt Frankfurt, zu zahlen.

Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung ihre erstinstanzlich abgewiesenen Klageanträge - mit Ausnahme des geltend gemachten Altersvorsorgeunterhaltes-, hinsichtlich dessen sie ihre Berufung zurücknimmt - weiter und beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten entsprechend den erstinstanzlichen Klageanträgen, allerdings ohne den geltend gemachten "Altersvorsorgeunterhalt", zu verurteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit am 06.04.2005 verkündeten Teilurteil hat der Senat über die Berufung der Klägerin hinsichtlich des Unterhaltszeitraumes bis 31.01.2005 erkannt, indem der Klägerin unter Zurückweisung ihrer weitergehenden Berufung ein Unterhaltsrückstand für die Zeit vom 01.04.2002 bis 30.09.2003 in Höhe von insgesamt 17.280 Euro und Unterhalt vom 01.10.2003 bis 31.01.2005 in monatlicher Höhe von 840 Euro zuzüglich 120 Krankenvorsorgeunterhalt zuerkannt im Übrigen jedoch ihre Unterhaltsklage abwiesen worden ist.

Auf den Inhalt dieses Urteils wird in vollem Umfang Bezug genommen.

Insoweit ist für die Zeit bis 31.01.2005 davon ausgegangen worden, dass die Klägerin außerstande war, sich selbst zu unterhalten, weil sie durch die Betreuung ihres damals vier bis sechs Jahre alten Sohnes "..." an einer Erwerbstätigkeit gehindert war.

"..." ist seit April 2004 fremduntergebracht und zwar auf der Grundlage des Entzugs des Aufenthaltsbestimmungsrechtes durch Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt vom 10.08.2004, der wiederum durch Zurückweisung der Beschwerde der Mutter durch das Oberlandesgericht vom 14.12.2004 mit Zustellung an die Klägerin am 29.12.2004 bestätigt worden ist.

Die Klägerin, die jedenfalls für die Zeit ab 01.02.2005 nicht mehr durch die Betreuung ihres Kindes an einer Erwerbstätigkeit gehindert ist, behauptet aus Gesundheitsgründen, nämlich wegen einer psychischen Krankheit bzw. einer seelischen Behinderung nicht dazu in der Lage zu sein, mehr als zwei Stunden täglich einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Insoweit verweist sie auch darauf, dass bei ihr ein Grad der Behinderung von 70 % wegen eines Rückenleidens und einer chronischen Erkrankung an Hepatitis anerkannt ist.

Hierzu hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung eines arbeitsmedizinischen Gutachtens der Ärztin für Psychiatrie SV1 vom "..." der Krankenversicherung in O1. Wegen des Beweisergebnisses wird auf das schriftliche Gutachten der SV1 vom 03.05.2005 Bezug genommen.

Nach dem Sachverständigengutachten ist die Klägerin trotz Vorliegen einer leichteren Anpassungsstörung im Sinne einer reaktiven depressiven Verstimmung bei mittelschweren Tätigkeiten vollschichtig erwerbsfähig, ohne hieran durch krankheitsbedingte Einschränkungen gehindert zu sein.

Nunmehr behauptet die Klägerin, sich über die Agentur für Arbeit um einen Arbeitsplatz bemüht zu haben, und legt Bewerbungen aus dem August 2005 um einen Arbeitsplatz im Bürobereich vor. Gleichzeitig trägt sie vor, dass sie auf Grund ihres Alters und den Grad ihrer Behinderung bei der gegebenen Arbeitsmarktsituation keine reale Beschäftigungschance habe.

Darüber hinaus sei sie durch die Trennung von ihrem Sohn psychisch außerordentlich belastet. Sie kämpfe noch um die Rückführung des Kindes und könne "sich keiner Arbeitstätigkeit widmen, selbst wenn ihr eine angeboten würde".

II.

Die Berufung der Klägerin gegen die Abweisung ihrer Unterhaltsklage für die Zeit ab 01.02.2005 ist als unbegründet zurückzuweisen.

Denn anders als für den Zeitraum bis 31.01.2005, über den bereits durch das Teilurteil vom 06.04.2005 abschließend erkannt worden ist, steht einem Unterhaltsanspruch der volljährigen Klägerin aus § 1601 BGB für die Zeit ab 01.02.2005 entgegen, dass sie dazu in der Lage ist, ihren Unterhaltsbedarf durch Erwerbstätigkeit selbst sicherzustellen (§ 1602 Abs.1 BGB).

Da sie für die Zeit ab 01.02.2005 hieran nicht mehr durch die Betreuung ihres Sohnes gehindert ist, da dieser ab April 2004 tatsächlich und rechtlich nicht mehr angreifbar ab Dezember 2004 fremduntergebracht ist, wäre dies nur dann nicht der Fall, wenn sie gesundheitlich nicht dazu in der Lage wäre, durch eigene Erwerbstätigkeit, ihren Unterhaltsbedarf zu decken.

Der Kampf um die Rückführung des Kindes kann ab Februar 2005 nicht von der Obliegenheit entlasten, durch eigene Erwerbstätigkeit ihren Unterhalt sicherzustellen, da dieses Bemühen einer Erwerbstätigkeit nicht entgegen steht.

Nach dem eingeholten arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachten kann nicht angenommen werden, dass die Klägerin gesundheitlich außerstande ist - auch wegen der Belastung durch die Trennung von ihrem Kind - einer unterhaltsichernden Erwerbstätigkeit nachzugehen. Vielmehr hat die Sachverständige nach den erhobenen Befunden bei der Klägerin eine Leistungsfähigkeit für eine vollschichtige, mittelschwere Erwerbstätigkeit festgestellt.

Es kann auch weiter davon ausgegangen werden, dass derartige Tätigkeiten auch im sozialversicherungspflichtigen Bereich und damit einschließlich der Krankenversicherung ihr ein Einkommen von mindestens 840 Euro ( oder ab 01.07.2005 von 890 Euro) ermöglichen, womit ihr Unterhaltsbedarf gedeckt wäre.

Die Klägerin hat auch auf dem Arbeitsmarkt eine reale Beschäftigungschance in diesem Einkommensbereich, wenn sie sich denn, was sie nicht getan bzw. nicht vorgetragen hat, ausreichend um Arbeit bemühen würde.

Ihr Vortrag zum Bemühen um die Erlangung einer Arbeitsstelle ist jedenfalls im Bezug auf die begrenzte Auswahl der Tätigkeiten und das Einsetzen der Bemühungen erst ab Juli 2005 nicht ausreichend.

Umgekehrt spricht gerade der Umstand, dass die Klägerin selbst vorträgt, sie könne sich, solange " der Kampf um den Sohn nicht endgültig verloren" sei, einer Arbeitstätigkeit nicht widmen, selbst wenn ihr eine angeboten würde, gegen die Ernsthaftigkeit ihres Bemühens.

Trotz ihrer mit einem Grad von 70 % anerkannten Behinderung erscheint es möglich , dass die Klägerin einen Arbeitsplatz mit einem sozialversicherungspflichtigen Nettomonatseinkommen von jedenfalls 840 Euro bzw.890 Euro zu erlangen vermag, wenn man ihre qualifizierten Ausbildungen in der Vergangenheit und ihre Berufserfahrungen bis 1995 - zuletzt als Verwaltungsangestellte - berücksichtigt.

Gerade die anerkannte Behinderung, die nach dem eingeholten Gutachten eben nicht einer vollschichtigen Erwerbsfähigkeit entgegensteht, kann zur Begründung einer fehlenden Beschäftigungschance nicht herangezogen werden. Vielmehr bedeutet dies unter Umständen eine Verbesserung der Chancen auf dem Arbeitsmarkt, da bei einer Einstellung der Klägerin deren Arbeitgeber seiner Pflicht zu Beschäftigung schwerbehinderter Menschen nach § 71 SGB IX nachkommt und die für jeden unbesetzten Pflichtplatz nach § 77 Abs.1 SGB IX geschuldete Ausgleichsabgabe erspart.

Für die volljährige Klägerin gelten dabei dieselben strengen Anforderungen wie umgekehrt für die Haftung der Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern nach § 1603 Abs.2 BGB (BGH FamRZ 1985, 1245, 1246).

Vor diesem Hintergrund, dass eine Volljährige jede Arbeit annehmen muss, die ihr gesundheitlich zumutbar ist, und zwar auch berufsfremde Arbeiten und auch unterhalb der gewohnten Lebensstellung, ist die Klägerin ab Februar 2005 nicht mehr als unterhaltsbedürftig anzusehen.

Daher ist das ihre Klage abweisende Urteil des Amtsgerichts Korbach für die Zeit ab 01.02.2005 aufrechtzuerhalten und die Berufung der Klägerin hiergegen zurückzuweisen.

Nach §§ 92 Abs.1 S.2 ZPO, 516 Abs.3 ZPO sind die Kosten des Rechtsstreites insgesamt gegeneinander aufzuheben.

Denn für die Zeit bis 31.01.2005 ergibt sich ein Obsiegen der Klägerin auch unter Berücksichtigung der Berufungsrücknahme wegen des Altersvorsorgeunterhaltes von ca. 80 %, das angemessen auf 50 % wegen des vollständigen Unterliegens ab 01.02.2005 zureduzieren ist. Dies ist bei der Kostenquotierung nach § 92 ZPO zu berücksichtigen, auch wenn der Streitwert für das Verfahren auf den Jahreszeitraum ab Klageeinreichung nach § 17 Abs.1 GKG a.F. ( § 42 Abs.1 GKG ) beschränkt ist.

Es bestand keine Veranlassung, die Revision, wie auch von der Klägerin beantragt, zuzulassen, da die Voraussetzung hierfür nach § 543 Abs.2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

Zurück