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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 17.04.2001
Aktenzeichen: 2 UF 217/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1587 c
Nach § 1587 c BGB kann die durch die unterschiedliche Besteuerung von Renten und Beamtenpensionen begründete Benachteiligung von Beamten nicht korrigiert werden, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatten noch keine Rente aus der GRV bezieht. Zur Frage der Kürzung des VA, wenn der Verpflichtete vorzeitig in den Ruhestand tritt und der Berechtigte noch Rentenanwartschaften zuerwerben kann.
2 UF 217/99

In der Familiensache

hat der 2. Familiensenat in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Vorsitzenden Richter Schreiber und die Richter Kirsch und von Lipinski am 17. April 2001 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen das Urteil des Amtsgerichts Bad Hersfeld vom 6. Mai 1999 (Ausspruch über den Versorgungsausgleich) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Beschwerdewert: 8.727,24 DM.

Gründe:

Die Parteien sind am 09.12.1966 die Ehe miteinander eingegangen. Der Antragsteller war zu dieser Zeit als Polizeibeamter im öffentlichen Dienst beschäftigt, die Antragsgegnerin arbeitete als Verkäuferin. Bereits nach kurzer Ehedauer gab sie diese Beschäftigung auf. Nach der Geburt zweier Kinder kehrte sie zunächst nicht mehr in das Berufsleben zurück, dies auch deshalb, weil eine Tochter der Parteien einen Impfschaden erlitten hatte und dauerhaft pflegebedürftig war und noch immer ist. Erst im Jahre 1991 nahm die Antragsgegnerin erneut eine Berufstätigkeit auf und erwarb Versorgungsanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung und im Rahmen eines privaten Lebensversicherungsvertrages. Der Antragsteller befand sich zu dieser Zeit bereits im vorzeitigen Ruhestand und erhielt Versorgungsbezüge.

Am 16.02.1993 trennten sich die Eheleute. Am 29.01.1998 reichte der Antragsteller den Scheidungsantrag ein, der der Antragsgegnerin am 05.02.1998 zugestellt wurde. Er widersprach der Durchführung des Versorgungsausgleichs, den er unter den gegebenen Umständen für grob unbillig hält. Im Gegensatz zu ihm, der auf seine Versorgungsbezüge angewiesen sei und nicht mehr die Möglichkeit habe, seine Anwartschaften in irgendeiner Weise aufzustocken, sei die Antragsgegnerin in der Lage, noch in erheblichem Umfang weitere Anwartschaften hinzuzuerwerben. Dies führe zu einem unerträglichen Ergebnis.

Durch Urteil vom 06.05.1999 wurde die Ehe der Parteien geschieden. Das Amtsgericht führte trotz des Widerspruchs des Antragstellers den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich durch und begründete zu Lasten der von dem Antragsteller bei seinem Versorgungsträger erworbenen beamtenrechtlichen Versorgungsanwartschaften - bezogen auf das Ende der Ehezeit am 31.01.1998 - Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 1.454,53 DM auf dem Versicherungskonto Nr. 52 191148 L 514 der Antragsgegnerin bei der Landesversicherungsanstalt Hessen. Im Wege der Berichtigung korrigierte es den vorgenannten Betrag später auf 1.454,38 DM.

Bei der Berechnung des Versorgungsausgleichs legte das Amtsgericht die Auskünfte der Versorgungsträger zugrunde. Danach bezog der Antragsteller ein monatliches Ruhegehalt von brutto 3.625,92 DM. Der auf die Ehezeit entfallende Anteil wurde von dem Verfahrensbeteiligten zu 2. mit 3.291,24 DM berechnet.

Die Verfahrensbeteiligte zu 1. hatte ermittelt, daß die Antragsgegnerin eine Rentenanwartschaft von insgesamt 401,39 DM erworben hatte. In ihrer Auskunft vom 17.02.1999 teilte sie mit, daß sich die ehezeitliche Anwartschaft mit monatlich 315,58 DM errechnet. Laut Auskunft der XY.- Lebensversicherungs-AG betrug das Deckungskapital der für die Antragsgegnerin abgeschlossenen Lebensversicherung am Ende der Ehezeit 15.386,90 DM. Daraus resultierte eine leistungsfreie Rente nach dem Versicherungsvertrag am Ende der Ehezeit unter Berücksichtigung der zur Erhöhung der Rente bestimmten Überschußanteile in Höhe von 109,80 DM monatlich. Zur Berechnung des Versorgungsausgleichs dynamisierte das Amtsgericht diesen Betrag und errechnete danach einen Wert von 66,91 DM.

Den Einwand, daß die Durchführung des Versorgungsausgleichs grob unbillig sei, berücksichtigte das Amtsgericht nicht. Danach sei es hinzunehmen, daß die Antragsgegnerin ihre Anwartschaften noch erhöhen könne, während dies dem Antragsteller verwehrt sei. Der unterschiedliche Erwerb der Anwartschaften beruhe auf der gemeinsamen Lebensplanung der Parteien.

Gegen dieses ihm am 09.06.1999 zugestellte Urteil richtet sich die am 09.07.1999 eingelegte Beschwerde des Antragstellers, die er nach mehrfacher Verlängerung der Begründungsfrist rechtzeitig begründet hat.

Er vertritt weiter die Ansicht, daß die ungekürzte Durchführung des Versorgungsausgleichs grob unbillig sei. In Ergänzung seines erstinstanzlichen Vortrags verweist er darauf, daß die beamtenrechtliche Pension und die gesetzliche Rente der Antragsgegnerin unterschiedlich besteuert werden. Falls nicht ein Ausgleich erfolge, werde der Halbteilungsgrundsatz verletzt. Außerdem führe der durchgeführte Versorgungsausgleich dazu, daß die Antragstellerin bereits in wenigen Jahren höhere Versorgungsanwartschaften erreiche, als die Versorgungsbezüge, die ihm nach Kürzung verblieben. Er bezieht sich insoweit auf die von ihm vorgelegte Stellungnahme des Rentensachverständigen Rainer Glockner vom 28.04.2000.

Der Antragsteller beantragt,

das angefochtene Urteil hinsichtlich der Entscheidung zum Versorgungsausgleich abzuändern und den Versorgungsausgleich in angemessenem Umfang, der in das Ermessen des Senats gestellt wird, herabzusetzen,

hilfsweise, das angefochtene Urteil hinsichtlich der Entscheidung zum Versorgungsausgleich abzuändern und den Versorgungsausgleich um 50 % bzw. einen Betrag von 727,27 DM monatlich herabzusetzen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Außerdem macht sie geltend, daß der Antragsteller noch über erhebliche Vermögenswerte verfüge, die er zu seiner Alterssicherung einsetzen könne. Ihm stünden bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand auch seine Versorgungsbezüge ungekürzt zur Verfügung, so daß er sie teilweise auch dazu verwenden könne, weitere Versorgungsanwartschaften zu erwerben. Da sie ihrerseits erkrankt sei und ihr ärztlicherseits bereits empfohlen worden sei, ihre Berufstätigkeit aufzugeben, könne auch nicht davon ausgegangen werden, daß sie noch in erheblichem Umfang weitere Versorgungsanwartschaften erwerben werde.

Die Beschwerde ist gemäß § 621 e ZPO zulässig; sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Das Amtsgericht war gemäß § 1587 BGB gehalten, zwischen den Parteien den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich durchzuführen. Es ist zutreffend von den Bruttowerten der Versorgungsanwartschaften ausgegangen. Auf der Grundlage der von den Versorgungsträgern erteilten Auskünfte hat es den Ausgleichsbetrag - nach Berichtigung eines Rechenfehlers - im Wege des Quasisplittings korrekt ermittelt. Dies ist auch zwischen den Parteien nicht im Streit.

Die Härtefallregelung des § 1587 c BGB gebietet im vorliegenden Fall keine Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

Dies gilt zunächst im Hinblick auf den Einwand des Antragstellers, daß das Amtsgericht die steuerliche Ungleichbehandlung der Beamtenpensionen und der Renten nicht beachtet habe. Insoweit ist es im Ansatz zutreffend, daß die Berechnung des Versorgungsausgleichs nach den Bruttowerten zu Ungleichgewichten in der Leistungsphase führt, die den ausgleichsverpflichteten Beamten benachteiligen. Versorgungsbezüge der Beamten unterliegen gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG in voller Höhe der Einkommenssteuerpflicht. Renten der gesetzlichen Rentenversicherung werden gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG nur mit ihrem (relativ geringen) Ertragswert zur Einkommenssteuer herangezogen. Dies führt dazu, daß der Ausgleichsberechtigte beim Ausgleich nach § 1587 b Abs. 2 BGB bezüglich der Nettoerträgnisse der ihm gutgebrachten Anrechte mehr bekommt als der ausgleichspflichtige Ehegatte hinsichtlich seiner Nettoversorgung behält (BGH FamRZ 89, 727, Palandt-Brudermüller, 60. Aufl., § 1587 c Rdn. 24). Es entspricht deshalb ständiger Rechtsprechung, daß der Tatrichter zur Vermeidung grob unbilliger Folgen gemäß § 1587 c Nr. 1 BGB durch angemessene Kürzung des Versorgungsausgleichs versuchen muß, ein Ergebnis zu erreichen, das im Rahmen des Möglichen dem Grundsatz der Halbteilung am nächsten kommt, ohne daß die Benachteiligung des Ausgleichsverpflichteten in eine Benachteiligung des Ausgleichsberechtigten umschlägt (BGH FamRZ 89, 1163, BVerfG NJW 93, 1059). Eine solche Verfahrensweise ist allerdings nur dann durchführbar, wenn beide Ehegatten nach Erreichen einer Altersgrenze oder wegen Invalidität bereits Versorgungsleistungen erhalten, da nur in diesen Fällen die von den wandelbaren individuellen Besteuerungsmerkmalen abhängige Belastung zuverlässig erfaßt werden kann (Palandt-Brudermüller, a.a.O.). Befinden sich dagegen beide Ehegatten oder auch nur ein Ehegatte - wie vorliegend - in der Anwartschaftsphase, versagt die Korrekturmöglichkeit des § 1587 c BGB, denn es ist nicht annähernd genau abzusehen, ob der erwerbstätige Ehegatte einmal eine Rente aus der Sozialversicherung beziehen und wie er diese ggf. zu versteuern haben wird. Für die Anwendung der Härteklausel sind danach keine überzeugenden Kriterien zu gewinnen (BGH FamRZ 89, 727, OLG München FamRZ 00, 161). Der Bundesgerichtshof hat wiederholt - unter Bezugnahme auf verfassungsgerichtliche Entscheidungen (BVerfG 54, 11, 39; 86, 369) - die Ansicht vertreten, daß es Sache des Steuergesetzgebers sei, für diese Fälle Abhilfe zu schaffen (BGH FamRZ 89, 727, FamRZ 95, 29, 30), ohne jedoch konkrete Wege aufzuzeigen, wie der Tatrichter bis dahin zu verfahren hat. Es wird zu erwägen sein, ob nicht über eine vom BGH abgelehnte, aber in der Literatur befürwortete analoge Anwendung des § 10 a Abs. 1 VAHRG eine Lösung gefunden werden muß (vgl. BGH NJW 97, 56 einerseits; Bergner NJW 90, 681, Münchener Kommentar - Dörr, 3. Aufl., § 10 a VAHRG, Rdn. 10 andererseits). Hierzu bedarf es indessen im vorliegenden Fall keiner abschließenden Stellungnahme des Senats. Festzustellen ist vielmehr, daß in Anbetracht der Tatsache, daß die Antragsgegnerin noch keine Versorgungseinkünfte erhält, sondern sich noch in der Anwartschaftsphase befindet, keine Möglichkeit besteht, eine auf der steuerlichen Ungleichbehandlung beruhende etwaige Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes über § 1587 c BGB zu korrigieren.

Dem Antragsteller kann auch nicht darin gefolgt werden, daß über § 1587 c BGB eine Abänderung des vom Amtsgericht gefundenen Ergebnisses deshalb erfolgen müßte, weil er nicht in der Lage sei, seine Versorgungsanwartschaften zu erhöhen, die Antragsgegnerin jedoch aufgrund ihrer Berufstätigkeit noch eine hohe Rente erzielen könne. Richtig ist insoweit, daß eine Kürzung nach der vorgenannten Vorschrift in Betracht kommt, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte infolge des Versorgungsausgleichs und seiner eigenen fortdauernden Arbeitstätigkeit die Möglichkeit erhalten würde, bei Erreichen der Altersgrenze eine im Verhältnis zum Ausgleichspflichtigen unverhältnismäßig hohe Rente zu erzielen. Die Kürzung könnte allerdings nur bis auf den Betrag erfolgen, den der Ehegatte erhalten würde, wenn der Beamte nicht dienstunfähig geworden wäre, sondern bei Ehezeitende noch aktiv im Dienst gestanden hätte (BGH FamRZ 82, 36, 41; FamRZ 89, 727, 728).

Es ist indessen nicht davon auszugehen, daß die Antragsgegner eine derart unverhältnismäßig hohe Rente erzielen wird. Wie sich aus der vorgelegten Gegenüberstellung des von dem Antragsteller beauftragten Rentensachverständigen Glockner ergibt, stehen der nach Durchführung des Versorgungsausgleichs verbleibenden Bruttoversorgung des Antragstellers in Höhe von 2.171,39 DM Rentenanwartschaften der Antragsteller in Höhe von 1.885,98 DM gegenüber. Es verbleibt schon danach ein Überhang zugunsten des Antragstellers. Wird berücksichtigt, daß die Antragsgegnerin in den letzten Ehejahren (1995 bis 1997) durchschnittlich nur 0,47 Entgeltpunkte pro Jahr erworben hat, ist nicht anzunehmen, daß die Antragsgegnerin eine unverhältnismäßig hohe Rente erzielen wird. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß der Hausarzt der Antragsgegnerin ihr schon jetzt empfohlen hat, aus gesundheitlichen Gründen ihre Erwerbstätigkeit zu beenden. Es ist danach aller Voraussicht nach nicht zu erwarten, daß die im Jahre 1948 geborene Antragsgegnerin bis zum altersgemäßen Eintritt in die Versorgungsphase am Erwerbsleben teilnehmen wird. Im übrigen hat das Amtsgericht zu Recht darauf hingewiesen, daß die jetzt zu berücksichtigenden Verhältnisse auf der gemeinsamen Lebensplanung der Parteien beruhen und von daher hinzunehmen sind. Es bestehen jedenfalls jetzt keine hinreichenden Gründe dafür, eine Kürzung des Versorgungsausgleichs aus Billigkeitserwägungen vorzunehmen.

Nach alledem war die Beschwerde mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus § 17 a GKG, wobei der Senat zu berücksichtigen hatte, daß letztlich nur eine Teilabänderung angestrebt war.

Ende der Entscheidung

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