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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 06.06.2001
Aktenzeichen: 2 UF 374/00
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 1601 | |
BGB § 242 |
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN Im Namen des Volkes URTEIL
In der Familiensache
hat der 2. Familiensenat in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Vorsitzenden Richter Schreiber und die Richter Krämer und von Lipinski aufgrund mündlicher Verhandlung vom 9. Mai 2001 für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Amtsgerichts Marburg vom 11. Oktober 2000 im Ausspruch über den Kindesunterhalt (Absatz 4 des Urteilstenors) abgeändert und unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels insoweit wie folgt neu gefaßt:
Der Antragsteller wird verurteilt, an die Antragsgegnerin für die Kinder X. F., geboren am 5. Mai 1993, und Y. F., geboren am 4. November 1994, für die Zeit vom 1. Februar 2001 bis zum 30. Juni 2001 monatlich je 50 DM Kindesunterhalt zu zahlen. Im übrigen wird der Unterhaltsantrag abgewiesen.
Die Kosten des ersten Rechtszuges werden gegeneinander aufgehoben.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Antragsgegnerin 19/20 und der Antragsteller 1/20 zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Parteien haben 30. Oktober 1992 die Ehe geschlossen, aus der die beiden Kinder X., geboren am 5. Mai 1993, Y., geboren am 4. November 1994, hervorgegangen sind. Die Parteien haben sich am 1. Oktober 1998 endgültig getrennt; der Antragsteller ist aus der ehelichen Wohnung ausgezogen. Die Kinder sind bei der Antragsgegnerin verblieben.
Im vorliegenden Verfahren hat der Antragsteller die Ehescheidung betrieben, die das Amtsgericht durch das angefochtene Urteil ausgesprochen hat. Hinsichtlich des Scheidungsausspruches, des Versorgungsausgleichs und der elterlichen Sorge ist das Urteil seit dem 20. Februar 2001 rechtskräftig.
Den Antrag der Antragsgegnerin, den Antragsteller zur Zahlung von Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 431,00 DM für X. und 355,00 DM für Y. abzüglichen des jeweiligen hälftigen Kindergeldes zu verurteilen, hat das Amtsgericht mit Hinweis auf die Leistungsunfähigkeit des seit längerem arbeitslosen Antragstellers zurückgewiesen, der früher als Kellner tätig war, nach seinen Angaben allerdings wegen einer Verletzung in der Bewegungsfähigkeit eines Armes behindert ist und deshalb diesen Beruf nicht mehr ausüben kann. Insoweit wendet sich die Antragsgegnerin gegen das ihr am 14. November 2000 zugestellte Urteil, mit der am 13. Dezember 2000 eingelegten und am 12. Januar 2001 begründeten Berufung.
Sie bestreitet die Erwerbsunfähigkeit des Antragstellers und behauptet, er könne wie früher als Kellner 3.000,00 DM netto verdienen. Seine 1993 erlittene Verletzung sei inzwischen vollständig verheilt. Er habe in der Vergangenheit keine Anstrengungen unternommen, Arbeit zu finden und beziehe wieder Arbeitslosengeld.
Die Antragsgegnerin hat zunächst beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und den Antragsteller zur Zahlung von rückständigen Unterhalt für die Zeit vom 1. August 2000 bis 31. Dezember 2000 in Höhe von insgesamt 1.480,00 DM je Kind und für die Zeit vom 1. Januar 2000 bis zum Ende des Monats, welcher der Rechtskraft des Urteils vorausgeht, monatlich jeweils 431,00 DM für jedes Kind und die gleichen Beträge auch für die Zeit danach zu zahlen.
Nachdem ihr nur für die Zeit ab Rechtskraft der Ehescheidung Prozeßkostenhilfe bewilligt worden war, hat sie ihren Antrag entsprechend beschränkt.
Der Antragsteller beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Antragsgegnerin ist zulässig, in der Sache jedoch nur in dem sich aus dem Tenor dieses Urteils ergebenden Umfang begründet.
Der gemäß § 1601 ff. BGB seinen minderjährigen Kindern grundsätzlich nach besten Kräften zum Unterhalt verpflichtete Antragsteller ist nur sehr eingeschränkt als leistungsfähig anzusehen.
Zwar hat der Antragsteller nach Auffassung des Senats nicht alles getan, einen neuen Arbeitsplatz zu finden, was ihm im Rahmen seiner gesteigerten Erwerbspflicht gemäß § 1603 Abs. 2 BGB abverlangt werden muß. Seine Bemühungen bestanden lediglich darin, sich beim Arbeitsamt als arbeitssuchend zu melden und auf nachgewiesene Stellen zu warten. Er hat sich nach seinem eigenen Vortrag in der Berufungserwiderung nicht ein einziges Mal selbständig um eine Anstellung bemüht, sondern beruft sich nach wie vor darauf, ohnehin auf dem Arbeitsmarkt chancenlos zu sein, weil er wegen eines Sportunfalles, der zu einer Eckgelenksprengung in der rechten Schulter geführt habe, nicht mehr in seinem erlernten Beruf als Kellner arbeiten könne. Dies schließt aber nicht aus, daß er sich eine andere Anstellung sucht, bei der das Schultergelenk nicht so stark beansprucht wird wie bei der Tätigkeit als Kellner. Hierbei kommen neben den in der Auskunft des Arbeitsamtes Marburg vom 19. April 2001 genannten Tätigkeiten als Pförtner oder Telefonist auch Arbeitsplätze im Einzelhandel oder im Zustelldienst in Betracht. Wie wenig der Sportunfall seine allgemeine Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt, zeigt der Umstand, daß mit Bescheid vom 29. November 1999 vom Versorgungsamt Gießen - Außenstelle Marburg - nur ein Grad der Behinderung von 30 % festgestellt worden ist. Daß der Antragsteller sich selbst für erwerbsfähig hält, wird auch daran deutlich, daß er demnächst eine Gaststätte in seinem Wohnort übernehmen möchte.
Da die Bemühungen des Antragstellers um einen Arbeitsplatz nicht als ausreichend angesehen werden können, kommt es auf die sog. reale Beschäftigungschance an. Diese läßt sich - soweit es um die Herstellung der Leistungsfähigkeit geht, also um ein Erwerbseinkommen oberhalb des notwendigen Mindestselbstbehalts von 1.500 DM - aufgrund der vom zuständigen Arbeitsamt eingeholten Auskunft vom 19.04.2001 (Bl. 98 d.A.) und der dazu geführten Erörterungen nur äußerst vorsichtig einschätzen: immerhin sind die Bemühungen der Arbeitsverwaltung, auf die dieser Unterhaltspflichtige besonders angewiesen ist und bei dem die Arbeitsverwaltung auch im eigenen Interesse, nämlich des sparsamen Umgangs der ihr zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel handelt, bislang erfolglos geblieben.
Der Senat ist der Auffassung, daß der Antragsteller angesichts seines beruflichen Werdeganges keine reale Aussicht gehabt hätte, eine Anstellung zu finden, bei der er - nachhaltig, also u.a. auch unter Einschluß von Zeiten von Arbeitslosigkeit - mehr als 1.700 DM netto verdienen könnte. Auch während der Zeit des Zusammenlebens der Parteien, als er noch als Kellner gearbeitet hat, hat er in kaum einem Monat über höheres Einkommen verfügt. Dies ist mit den Parteien anhand der die Rentenanwartschaften des Antragstellers betreffenden Auskünfte erörtert worden.
Dieses fiktiv anzunehmende Einkommen von 1.700 DM ist um geschätzte Fahrtkosten und sonstige berufsbedingte Nebenkosten auf 1.600 DM zu bereinigen, so daß bei einem Mindestselbstbehalt von 1.500 DM für jedes Kind noch 50 DM monatlich zur Verfügung stehen. Dies entspricht auch der Selbsteinschätzung, die der Antragsteller am Schluß der mündlichen Verhandlung geäußert hat.
Allerdings wird der Antragsteller vom 1. Juli 2001 an nicht mehr als leistungsfähig angesehen werden können. Der Mindestselbstbehalt zu diesem Datum wird auf 1.640 DM angehoben. Hinter diesem Betrag wird das dem Antragsteller zuzurechnende fiktive Einkommen zurückbleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 93 a ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Ende der Entscheidung
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