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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 12.09.2003
Aktenzeichen: 2 W 43/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 246
Zur Frage, wann ein Aussetzungsgrund nach § 246 I ZPO vorliegt.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

2 W 43/03

Entscheidung vom 12. September 2003

In dem Rechtsstreit

...

hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main ­ 2. Zivilsenat ­ auf die Beschwerde der Klägerin vom 13.05.2003 (Bl. 276 d.A.) gegen den Beschluss des Landgerichts Wiesbaden vom 23.04.2003 - Az.: 1 O 181/02 ­ (Bl. 273 ­ 275 d.A.) am 12. September 2003 beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Landgerichts Wiesbaden vom 23. April 2003 (Bl. 273 ­ 275 .A.) wird aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur Fortsetzung des Verfahrens 1 O 181/02 an die 1. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden zurückverwiesen.

Gründe:

Die Klägerin begehrt in dem vor dem Landgericht Wiesbaden unter dem Aktenzeichen 1 O 181/02 geführten Rechtsstreit die Zahlung restlicher Entgeltansprüche für erbrachte Dienstleistungen.

Mit Schriftsatz vom 03. Februar 2003 teilte der bisherige Prozessbevollmächtigte der Beklagten dem Gericht mit, dass die Geschäftsführerin Frau R. abberufen worden sein. Gegen ihre Abberufung hat die Geschäftsführerin Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsklage erhoben. Gleichfalls teilte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit, dass zwei neue Geschäftsführer bestellt worden seien. Die Neueintragung dieser im Handelsregister hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 30.01.2003 (Bl. 245 d.A.) gemäß § 127 FGG bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Prozessgerichts über die Wirksamkeit der der Neueintragung zugrunde liegenden Gesellschafterbeschlüsse ausgesetzt.

Die neubestellten Geschäftsführer haben das Mandatsverhältnis mit dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten gekündigt.

Der Beklagtenvertreter hat beantragt, das Verfahren 1 O 181/02 vor dem Landgericht Wiesbaden gemäß § 246 ZPO auszusetzen bis über die Rechtsmäßigkeit der Abberufung der Geschäftsführerin R. und der Rechtswirksamkeit der Neubestellung der neuen Geschäftsführer entschieden worden sei. Hiergegen hat sich die Klägerin gewandt und gemeint, vorliegend müsse für die Beklagte gemäß § 57 ZPO ein Prozesspfleger bestellt werden.

Mit Beschluss vom 23. April 2003 hat das Landgericht das Verfahren gemäß § 246 ZPO analog ausgesetzt.

Es hat mit Nichtabhilfebeschluss vom 28. Mai 2003 (Bl. 285/286 d.A.) der sofortigen Beschwerde der Klägerin nicht abgeholfen.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden und hat auch in der Sache Erfolg.

Der Beschluss des Landgerichts Wiesbaden, dass das Verfahren gemäß § 246 ZPO analog ausgesetzt wird, war aufzuheben, weil weder ein Aussetzungsgrund gemäß § 246 Abs. 1 ZPO vorgelegen hat, noch Raum für eine analoge Anwendung des § 246 ZPO vorliegend gegeben ist. Der Zivilprozess wird von der Konzentrationsmaxime und dem Prinzip der Beschleunigung beherrscht. Dieser Grundsatz folgt u. a. aus den §§ 272, 273, 279, 349, 525 ZPO. Danach soll der Prozess so behandelt werden, dass er möglichst in einer einzigen mündlichen Verhandlung seine Erledigung finden kann. Deshalb müssen die Parteien vollständig, wahrheitsgemäß, umfassend und unverzüglich vortragen. Ausnahmsweise ist entgegen der eigentlichen Beschleunigungsmaxime ein Verfahren auszusetzen, wenn die Voraussetzungen des § 246 ZPO vorliegen. Unstreitig ist weder ein Todesfall, der Verlust der Prozessfähigkeit, der Wegfall des gesetzlichen Vertreters oder die Anordnung einer Nachlassverwaltung bzw. der Eintritt der Nacherbfolge gegeben. Hierauf hat das Landgericht zutreffend hingewiesen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob eine analoge Anwendung des § 246 ZPO zulässig ist und welche Voraussetzungen dafür gegeben sein müssen. Vorliegend existiert die Beklagte weiterhin, sie ist sowohl parteifähig als auch prozessfähig. Deshalb ist kein Raum für die Anwendung des § 57 ZPO. Auch liegt eine wirksame gültige Vollmacht für den Prozessbevollmächtigten seitens der Beklagten vor. Diese gilt gemäß § 87 ZPO fort, bis von Seiten der Beklagten die Bestellung eines anderen Anwaltes angezeigt wird. Dieser Fall ist unstreitig nicht gegeben. Die Bestimmung des § 87 ZPO zeigt, dass selbst dann, wenn ein Mandat gekündigt ist, der Prozess nicht zum Stillstand kommen soll.

Zwar ist gemäß § 246 ZPO auch das Interesse eines Anwaltes zu berücksichtigen (so Greger bei Zöller, 23. Aufl. 2002, Rz. 2 zu § 246 ZPO), doch dient § 246 ZPO nur dann dem Schutz des Bevollmächtigten, wenn diesonstigen Voraussetzungen des § 246 ZPO vorliegen, was im zur Entscheidung stehenden Fall gerade nicht gegeben ist. Das Interesse eines Prozessbevollmächtigten darf nicht höher bewertet werden als der Beschleunigungsgrundsatz.

Zuzugeben ist, dass im vorliegenden Fall der Prozessbevollmächtigte der Beklagten seinerseits nicht weiß, von wem er seine Weisungen für die Fortsetzung des Verfahrens erhalten kann. Dies ist ein internes Problem der Beklagten und darf keine Auswirkungen auf den Fortgang des Prozesses zum Nachteil der Klägerin haben. Vielmehr ist es dem Prozessbevollmächtigten unbenommen, in einem solchen Falle seinerseits das Mandat zu kündigen. So vermag er die Problematik, dass er gegebenenfalls sich regresspflichtig machen könnte, zu vermeiden.

Nach alledem war der Beschluss des Landgerichts aufzuheben.

Die Kostenentscheidung war vorliegend nicht auszusprechen, da keine gerichtliche Entscheidung, die einen selbständigen Verfahrensabschnitt abschließt, vorliegt (s. hierzu auch OLG Frankfurt am Main in Anwaltsblatt 1978, S. 475).

Ende der Entscheidung

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