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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 29.05.2009
Aktenzeichen: 2 WF 154/09
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 121 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Biedenkopf vom 23.April 2009 in der Fassung des Nichtabhilfe-Beschlusses vom 18. Mai 2009 dahingehend abgeändert, dass die Beiordnung der Prozessbevollmächtigten zu den Bedingungen eines im Bezirk des Familiengerichts Biedenkopf niedergelassenen Rechtsanwalts erfolgt.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Das Amtsgericht hat der Klägerin durch Beschluss vom 23. April 2009 für das zugrundeliegende Unterhaltsverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin A, O1, bewilligt, wobei die Beiordnung unter der Einschränkung zu den kostenrechtlichen Bedingungen einer Rechtsanwältin bzw. eines Rechtsanwalts mit Sitz am Ort des Prozessgerichts erfolgte.

Aufgrund der am 18. Mai 2009 eingegangenen Beschwerde der Klägerin hat das Amtsgericht am 18. Mai 2009 den Beschluss dahingehend abgeändert, dass der Klägerin Rechtsanwältin A zu den Bedingungen eines am Gerichtssitz niedergelassenen Rechtsanwalts beigeordnet wurde.

Im Übrigen wurde der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist in der Sache zum Teil begründet.

Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob die Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Beschwerde gegen die Einschränkung der Beiordnung im eigenen Namen oder im Namen der von ihr vertretenen Klägerin eingelegt hat.

Grundsätzlich sind in derartigen Fällen nämlich sowohl der Prozessbevollmächtigte als auch die Partei selbst beschwerdeberechtigt (Philippi in Zöller, ZPO Kommentar, 27. Aufl., 2009, § 127 ZPO Rdn. 19); beide sind durch die Einschränkung der Beiordnung beschwert: der Prozessbevollmächtigte dadurch, dass ein gewisser Anteil seiner Gebührenansprüche nicht von der Staatskasse erstattet wird, die Partei dadurch, dass die Möglichkeit besteht, dass der Rechtsanwalt sie selbst wegen der Mehrkosten unmittelbar in Anspruch nimmt.

Die Beschwerde ist jedoch in der Sache nur teilweise begründet.

Gemäß § 121 Abs. 3 ZPO kommt vorliegend eine uneingeschränkte Beiordnung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Rahmen der Prozesskostenhilfe nicht in Betracht.

Grundsätzlich darf nach § 121 Abs. 3 ZPO dem Wunsch einer Partei, ihr einen nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalt beizuordnen, nur stattgegeben werden, wenn dadurch keine weiteren Kosten entstehen.

Es ist also ein Kostenvergleich anzustellen zwischen den möglichen Kosten des nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Wahlanwalts mit denen eines im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass nach dem Wegfall von § 126 Abs. 1, 2 BRAGO auch die Reisekosten des Rechtsanwalts zu vergüten sind, der zwar im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist, seine Kanzlei jedoch nicht an dem Ort hat, an dem sich das Gericht befindet. (Vorbemerkung 7 II vor VV 7000 zum RVG).

In dem Kostenvergleich nach § 121 Abs. 3 ZPO sind damit mögliche Kosten der Beiordnung eines Rechtsanwalts, der im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist, mit denen des Wahlanwalts der Partei zu vergleichen.

Hinsichtlich der Höhe der Reisekosten ist auf die Entfernung zwischen dem Prozessgericht und dem Ort im Gerichtsbezirk, der am weitesten vom Prozessgericht entfernt ist, abzustellen, da die Partei berechtigt ist, ohne Einschränkung innerhalb des Gerichtsbezirks jeden Anwalt zu wählen und nicht etwa verpflichtet ist, einen am Ort des Prozessgerichts selbst ansässigen Rechtsanwalt zu beauftragen.

Höhere Reisekosten im Sinne des § 121 Abs. 3 ZPO können daher nur entstehen, wenn die Entfernung der Kanzlei des nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts weiter vom Prozessgericht entfernt ist, als der am weitesten im Gerichtsbezirk entfernte Ort.

Im Rahmen des anzustellenden Kostenvergleichs ist ferner zu prüfen, ob neben einem Prozessbevollmächtigten im Bezirk des Prozessgerichts zusätzlich ein Verkehrsanwalt gemäß § 121 Abs. 4 ZPO am Wohnort der Partei beizuordnen wäre (vgl. BGH, NJW 2004, 2749).

Geht es wie vorliegend um die Geltendmachung von Unterhalt, erfordert die Vorbereitung des Verfahrens umfangreiche Ermittlung von Daten und Zahlen.

Der Umfang und die Schwierigkeit der Sachlage machen Rückfragen und persönliche Gespräche erforderlich, diese Informationen können nicht schriftlich oder telefonisch erfolgen. Bei derartigen Rechtsstreitigkeiten ist zumindest bei größerer Entfernung zwischen dem Wohnort der Partei zum Bezirk des Prozessgerichts die Einschaltung eines Verkehrsanwalts erforderlich, wobei die entstehenden Kosten im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zusätzlich zu den Kosten des Hauptbevollmächtigten mit Sitz im Bezirk des Prozessgerichts berücksichtigt werden müssten (BGH, NJW 2004, 2749).

Nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main ist ein Verkehrsanwalt dann beizuordnen, wenn eine notwendige Informationsreise der Partei zu dem Anwalt im Bezirk des Prozessgerichts mehr als einen halben Arbeitstag erfordert, was in der Regel vermutet wird, wenn die Entfernung über 50 km beträgt (OLG Frankfurt, Beschluss vom 27.08.2002, 1 WF 131/02).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist im zu Grunde liegenden Fall die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Verkehrsanwalts jedoch zu verneinen, da die Klägerin selbst im Bezirk des Amtsgerichts Biedenkopf wohnt, mithin auch bei Hinzuziehung eines Bevollmächtigten aus dem Bezirk des Prozessgerichts keine über 50 km hinausgehenden Entfernungen zurücklegen müsste, um diesen zu erreichen.

Es liegt mithin vorliegend kein Fall vor, in welchem durch die Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwalts Kosten eines Verkehrsanwalts erspart werden, die mit den Mehrkosten, die sich aus höheren Reisekosten des auswärtigen Rechtsanwalts bei Terminswahrnehmungen beim Prozessgericht ergeben, gegengerechnet werden könnten (vergleiche OLG Frankfurt Beschluss vom 17.10.2005, 5 WF 190/05; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21.7.2005, 17 W 30/05)).

Die Voraussetzungen für eine Beiordnung der Klägervertreterin ohne die Beschränkungen auf die Kosten eines im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts liegen mithin nicht vor, so dass die vorgenommene Einschränkung der Beiordnung erfolgen muss.

In dieser Beschränkung liegt auch kein Verstoß gegen den aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz und dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Grundsatz der Angleichung der Rechtsschutzmöglichkeiten der bedürftigen Parteien durch die Regelungen der Prozesskostenhilfe (vergleiche insoweit Philippi in Zöller, ZPO Kommentar, 27. Auflage, 2009 § 114 ZPO, Randnummer 26 mit zahlreichen Nachweisen insbesondere aus der umfangreichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Dieser Grundsatz verlangt nämlich keine vollständige Gleichstellung , sondern die vom Gesetzgeber gewählte Ausgestaltung des § 121 Abs. 3 und 4 ZPO bestimmt das Ausmaß der Angleichung und gewährleistet, dass der Partei dort, wo eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, ein Anwalt zur Seite steht und gleichzeitig Kosteninteressen des Staates gewahrt werden.

Der Beschluss des Amtsgerichts Biedenkopf war daher nur dahingehend abzuändern, dass die Beiordnung der Prozessbevollmächtigten zu den kostenrechtlichen Bedingungen eines im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts erfolgt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 1, 3 GKG, 127 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

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