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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 17.08.2001
Aktenzeichen: 2 WF 87/01
Rechtsgebiete: ZSEG, ZPO
Vorschriften:
ZSEG § 16 Abs. 2 | |
ZPO § 293 |
2 WF 87/01
In der Familiensache
hat der 2. Familiensenat in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Vorsitzenden Richter Schreiber und die Richter Bielefeldt und Kirsch am 17. August 2001 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerden gegen den Beschluß des Amtsgerichts Korbach vom 21. Februar 2001 werden zurückgewiesen.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
Im vorliegenden Scheidungsverfahren, für das beiden Parteien Prozeßkostenhilfe bewilligt worden ist, hat das Amtsgericht mit Beschlüssen vom 20.06.2000 (Bl. 34 d.A.) und 02.08.2000 (Bl. 48 d.A.) den Sachverständigen Dr. XYZ. aus Berlin, der in einer Auflistung von Sachverständigen für ausländisches und internationales Recht in der Deutschen Notarzeitung 1994, Seite 88 ff u.a. als Sachverständiger für das Recht Afghanistans benannt ist, beauftragt, gemäß § 293 ZPO ein Gutachten zu folgenden Rechtsfragen zu erstatten:
" Kann eine Ehe nach Artikel 192 des afghanischen Zivilgesetzbuches (Madani Qanun) vom 05.01.1977 auf Antrag der Ehefrau durch Richterspruch (tafriq) geschieden werden, wenn der Ehemann Sozialhilfeempfänger ist und daher sein Unvermögen zur Leistung des Unterhalts bewiesen erscheint und er nach Ablauf der gerichtlichen bestimmten Zeit immer noch nicht in der Lage ist, Unterhalt zu leisten, wenn zugleich die Ehefrau inzwischen auf Grund Arbeitsaufnahme nicht mehr unterhaltsbedürftig ist?
Bei Erstellung des Gutachtens soll die begutachtende Stelle davon ausgehen, daß die Vorfrage nach dem "Unvermögen zur Leistung des Unterhalts" entsprechend der herrschenden Meinung im deutschen internationalen Privatrecht selbständig angeknüpft werden soll mit der Folge, daß gemäß Artikel 18 I 1 EGBGB insoweit die deutschen Sachvorschriften anzuwenden sind. Wegen Unterschreitens des notwendigen Selbstbehaltes von monatlich 1.500,-- DM ist der Ehemann demzufolge unterhaltsrechtlich unvermögend. Die Frage, die sich sodann aufdrängt, geht dahin, ob
a) Artikel 192 des Afghanischen Zivilgesetzbuches - entsprechend dem Wortlaut der Norm - einzig und allein auf die objektive Tatsache des Unvermögens zur Leistung des Unterhalts abstellt oder ob
b) nach Sinn und Zweck der Vorschrift, die nur in Ausnahmefällen ein Scheidungsrecht für die scheidungswillige Ehefrau normiert, deren Bedürftigkeit Voraussetzung für das Innehaben eines Scheidungsrechts ist.
Das Gutachten (Bl. 49 - 99 d.A.) wurde unter dem 09.11.2000 erstellt, die zugleich übersandte Honorarrechnung beläuft sich auf 34.898,48 DM. Sie hat im wesentlichen zur Grundlage 1 Stunde Aktenstudium, 169 Stunden für die Einsicht in Gesetzestexte etc., 87 Stunden für Recherchen im Internet und 41 Stunden für Ausarbeitung, Diktat und Durchsicht des Rechtsgutachtens, insgesamt 298 Stunden zu einem Stundensatz von 100 DM.
Mit Stellungnahme vom 16.01.2001 (Bl. 116 ff d.A.) hat der Bezirksrevisor die Festsetzung der Entschädigung auf 6.880 DM beantragt und dabei nur die Ansetzung von 1 Stunde für Aktenstudium, 24 Stunden für die Einsicht in Texte und Recherchen im Internet und 32 Stunden für die Ausarbeitung des Gutachtens zugrunde gelegt.
Daraufhin hat der Sachverständige mit Schreiben vom 25.01.2001 (Bl. 119 ff d.A.) eine neue Rechnung vorgelegt, mit der er die Festsetzung von 52.182,48 DM verlangt. Grund für die Erhöhung ist, daß der Sachverständige nunmehr gemäß § 3 Abs. 3 a ZSEG einen Stundensatz von 150 DM geltend macht. Ferner verlangt er die Festsetzung von 4 % Zinsen aus 34.898,48 DM seit dem 11.12.2000 und 4 % aus 52.182,48 DM seit dem 29.02.2001.
Mit Beschluß vom 21.02.2001 (Bl. 159 ff d.A.) hat das Amtsgericht die dem Sachverständigen zu gewährende Entschädigung auf 7.563,20 DM festgesetzt. Dabei hat das Amtsgericht 1 Stunde für das Aktenstudium, 33,8 Stunden für Einsichtnahme in Texte etc. und 8,2 Stunden für die Ausarbeitung des Gutachtens als berechtigt angesehen, und zwar zu einem Stundensatz von 150 DM. Im Hinblick auf den Umfang des Teils des Gutachtens, der im Verfahren letztlich Verwendung gefunden hat, hat das Amtsgericht neben einer Stunde Aktenstudium 20 % des Stundenaufwandes für Einsicht in Gesetzestexte etc. und die Ausarbeitung des Gutachtens in Ansatz gebracht. Die Internetrecherchen hat es außer Ansatz gelassen, weil diese nur Teile des Gutachtens betreffen, für deren Erstellung unter keinem Gesichtspunkt ein Auftrag vorlag. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den angefochtenen Beschluß verwiesen.
Hiergegen richten sich die gemäß § 16 Abs. 2 ZSEG zulässigen Beschwerden des Sachverständigen und des Bezirksrevisors. Während der Sachverständige weiterhin die Festsetzung seiner Entschädigung auf 52.182,48 DM nebst 4 % Zinsen verlangt, will der Bezirksrevisor die Herabsetzung der Entschädigung auf 5.069,20 DM erreichen. Dabei legt er die vom Amtsgericht zugebilligte Stundenzahl von insgesamt 43 zugrunde, jedoch nur zu einem Stundensatz von 100 DM.
Das Amtsgericht hat in seiner Nichtabhilfeentscheidung die Auffassung vertreten, daß Zinsen wegen der abschließenden Regelung des ZSEG nicht verlangt werden können und daß ein Sachverständiger allenfalls gemäß §§ 14 Abs. 2, 16 ZSEG einen Vorschuß fordern kann.
Beide Rechtsmittel sind unbegründet.
Die vom Amtsgericht vorgenommene Festsetzung der Sachverständigenentschädigung unterliegt keiner Beanstandung; auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses wird daher vorab Bezug genommen. Im Ergebnis hält auch der Senat keine höhere Entschädigung für gerechtfertigt, aber auch keine niedrigere.
Zutreffend hat das Amtsgericht zunächst festgestellt, daß der Sachverständige nicht mit der Erstellung eines IPR-Gutachtens beauftragt war, sondern gemäß § 293 ZPO mit der Untersuchung einer konkreten Rechtsfrage zu einer bestimmten ausländischen Rechtsnorm und daß der Sachverständige diese Frage (wenn auch aus nachvollziehbaren Gründen) in seinem Gutachten nicht beantwortet hat und daß das Gutachten im wesentlichen Ausführungen enthält, die für das Verfahren - auch wie es letztlich durchgeführt worden ist - ohne Bedeutung waren.
Als Ausgangspunkt der Überlegungen festzuhalten ist ferner, daß bei Erteilung eines Gutachterauftrages an einen bestimmten Sachverständigen, der wie im vorliegenden Fall ausweislich der Veröffentlichung in der Deutschen Notarzeitung 1994 ausdrücklich als Sachverständiger für das Recht Afghanistans benannt ist, Geschäftsgrundlage ist, daß der Sachverständige über das zur Beantwortung der Rechtsfrage und Erstellung des Gutachtens erforderliche (Grund-)Wissen verfügt und daß er dieses allenfalls ergänzen und überprüfen muß. Daraus folgt, daß mit der Erteilung des Gutachterauftrages nicht gedeckt ist, daß der Sachverständige sich das erforderliche Wissen erst mittels langwieriger und kostenintensiver Forschungen beschaffen muß. Daraus folgt weiter, daß der öffentlich vereidigte Sachverständige vorliegend gemäß § 407 a Abs. 3 ZPO verpflichtet war, vorab zum einen auf Zweifel an Inhalt und Umfang seines Auftrages hinzuweisen und zum anderen auf die voraussichtlich erheblichen Kosten, die erkennbar außer Verhältnis zum Wert des Streitgegenstandes (Scheidung zweier mittelloser afghanischer Staatsbürger) standen.
Vor diesem Hintergrund hat das Amtsgericht, um dennoch zu einer angemessenen Vergütung - und nicht nur zu einer auch in Betracht kommenden minimalen - zu kommen, einen Maßstab (Seite 4 unten des angefochtenen Beschlusses) entwickelt, der einerseits die im Zusammenhang mit § 407 a Abs. 3 ZPO stehende Problematik nicht außer Acht läßt, andererseits aber auch gebührend berücksichtigt, daß ein Teil des Gutachtens dennoch im Verfahren Verwendung gefunden hat. Mit dieser Betrachtungsweise, die den Senat überzeugt und die er sich deshalb zu eigen macht, rechtfertigen sich die vom Amtsgericht in Ansatz gebrachten 1 Stunde für das Aktenstudium, 33,8 Stunden für Einsicht in Gesetzestexte, Monographien, Zeitschriften, Kommentare, Zeitungen etc. und 8,2 Stunden für Ausarbeitung, Diktat und Durchsicht des Rechtsgutachtens, was insgesamt 43 Stunden ergibt, bei einem Stundensatz von 100 DM also eine Entschädigung von 4.300 DM. Bei der dargestellten Betrachtungsweise, insbesondere daß hier vom Sachverständigen zu erwarten war, daß er seine Erkenntnisse nur noch absicherte, hält es der Senat dann aber auch für angezeigt, dem Sachverständigen gemäß § 3 Abs. 3 a ZSEG den 50 %-igen Zuschlag für die Auseinandersetzung mit der wissenschaftlichen Lehre zuzubilligen. Es ergeben sich danach 6.450 DM, denen noch Schreibgebühren von insgesamt 70 DM hinzuzurechnen sind, weiterhin 16 % Umsatzsteuer mit 1.043,20 DM.
Die Entschädigung beläuft sich danach auf insgesamt 7.563,20 DM. Zinsen kommen aus den vom Amtsgericht in seiner Nichtabhilfeentscheidung dargelegten Gründen nicht in Betracht.
Nach allem ist die angefochtene Entscheidung in vollem Umfang richtig, so daß sowohl die Beschwerde des Sachverständigen als auch die des Bezirksrevisors zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 16 Abs. 5 ZSEG.
Ende der Entscheidung
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