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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 12.06.2001
Aktenzeichen: 2 Ws (B) 191/01 OWiG
Rechtsgebiete: OWiG, HBO, StPO
Vorschriften:
OWiG § 46 I | |
OWiG § 79 III | |
OWiG § 79 Abs. 3 S. 1 | |
HBO § 62 Abs. 1 | |
HBO § 55 | |
HBO § 56 Abs. 1 | |
StPO § 473 Abs. 1 | |
StPO § 473 Abs. 4 |
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS
Entscheidung vom 12.6.2001
In der Bußgeldsache ...
hat das Oberlandesgericht Senat für Bußgeldsachen Frankfurt am Main durch den Einzelrichter auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ... gegen das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 6.12.2000 am 12. Juni 2001 gemäß §§ 46 I, 79 III, 80a Abs.2 Nr. OWiG beschlossen:
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird hinsichtlich des Betroffenen ... aufgehoben.
Gegen den Betroffenen ... wird wegen vorsätzlicher bauordnungswidriger Nutzung von Wohnraum kostenpflichtig eine Geldbuße von 1.000,- DM festgesetzt.
Die Gebühr wird auf 1/10 ermäßigt. Dementsprechend werden die notwendigen Auslagen des Betroffenen ... und etwaige Auslagen der Staatskasse zu 9/10 auferlegt.
Gründe:
Das Amtsgericht verhängte gegen die Betroffenen wegen vorsätzlicher bauordnungswidriger, zugleich zweckentfremdender Nutzung von Wohnraum, begangen seit Oktober 1997 in dem Anwesen ... in Frankfurt a.M., durch Urteil vom 6.12.2000 Geldbußen in Höhe von 10.000,- DM gegen den Betroffenen ... und 35.000,- DM gegen die Betroffene .... Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und ebenso begründeten Rechtsbeschwerde. Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Die zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen ... hat auch in der Sache weitgehend Erfolg. Das Urteil des Amtsgerichts war auf die erhobene Sachrüge hin aufzuheben. Die getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen zweckentfremdender Nutzung von Wohnraum nicht.
Das Amtsgericht ist aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme zu dem Schluß gekommen, die Betroffenen nutzten das gesamte Erdgeschoß des Hauses mit Ausnahme des Badezimmers (Raum 5a der Skizze Blatt 41 der Akte), nicht nur die Räume 1 3 sowie die Nebenräume 6, 6a und 7, als Rechtsanwaltspraxis. Dieser Schluß ist durch die festgestellten Tatsachen nicht gerechtfertigt. Das Amtsgericht hat insbesondere aus der durch in Bezug genommene Fotographien belegten Möblierung und sonstigen Einrichtung der Zimmer 4 und 5 hergeleitet, daß in Raum 4 nicht ein Wohnzimmer, sondern ein Wartezimmer und in Raum 5 nicht ein Gästezimmer, sondern ein Besprechungszimmer eingerichtet gewesen sei. Aus dem gesamten Erscheinungsbild habe sich keinerlei Hinweis auf eine aktuelle Wohnnutzung dieser Räume ergeben. Das Gericht ist zugleich davon ausgegangen, daß in dem Raum 4 Familienfeiern stattfinden und Gäste zum Essen bewirtet werden, was ein typischer Verwendungszweck eines Wohnzimmers sei. Dies sei jedoch erkennbar nicht die typische und regelmäßige Nutzung dieses Raumes. Das Erscheinungsbild belege vielmehr die übliche Abwesenheit der Familienmitglieder, die im Obergeschoß genügend Gelegenheit hätten, sich auch gemeinsam zusammenzufinden. In dem Raum 5 seien erkennbar nicht ständig benötigte Gegenstände aufbewahrt. Dement- sprechend diene die Küche im Erdgeschoß ersichtlich nicht Wohnzwecken, sondern im wesentlichen der Aufbewahrung von Getränken sowie der Pausenmahlzeiten der Kanzleikräfte; schließlich stehe der Familie die Küche im Obergeschoß zur Verfügung. Entsprechendes gelte für den Vorratsraum, in den die Kühltruhe aus den Wohnräumen ausgelagert sei. Gegenteilige Gesichtspunkte habe die weitere Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen nicht ergeben.
Die genannten Umstände reichen jedoch auch in ihrer Gesamtheit nicht aus, eine Nutzung der Räume 4 und 5 sowie der Küche zu Kanzleizwecken nachzuweisen. Denn sie belegen jedenfalls keine überwiegende Nutzung zu anderen als Wohnzwecken. Eine bloße Mitbenutzung von Wohnräumen einer Wohnung zu freiberuflichen Zwecken ist zweckentfremdungsrechtlich unschädlich (vgl. BVerwG, Beschluß vom 30.10.2000 8 B 129/90 ; HessVGH, Urteil vom 22.3.2000 4 UE 613/97 m.w.N.). Auch eine solchermaßen gemischt genutzte Wohnung bleibt nämlich rechtlich eine Wohnung, da die für den Erhalt der Wohnungseigenschaft erforderliche Zweckbestimmung der Räume zu dauerndem Bewohnen durch eine solche bloße Mitbenutzung nicht aufgehoben wird (vgl. BVerwG, NJW 1995, 542, 545; HessVGH, a.a.O., jeweils m.w.N.). Das Zuführen des Wohnraums zu anderen als Wohnzwecken setzt eine Aufgabe des Wohnzwecks voraus. Vom Zweckentfremdungsverbot wird ein Fall nicht erfasst, in dem Räume weiterhin zu Wohnzwecken genutzt werden, also die Wohnnutzung gerade nicht aufgegeben wird, neben diese Nutzungsart aber eine weitere, jedoch nicht überwiegende tritt. Die lediglich mitbenutzten Räume verlieren ihre Eigenschaft als Wohnräume trotz einer beruflichen Mitbenutzung nicht.
Bei der Beurteilung der Räume 4 und 5 ist der Umstand zu beachten, daß die Familie beide Räume bereits vor ihrem Umzug vom Erdgeschoß in das Obergeschoß als Wohnräume nutzte und insbesondere ein Wohnzimmer in den Räumen im Obergeschoß nicht eingerichtet wurde, was für eine Beibehaltung des bisherigen Wohnzimmers spricht. Ferner ist zu berücksichtigen, daß die Räume im Obergeschoß trotz des Fehlens eines Wohnzimmers für den normalen Alltagsbetrieb" einer Familie grundsätzlich ausreichen und insbesondere für die gemeinsamen Mahlzeiten ein Wohnzimmer nicht aufgesucht werden muß, da hierfür ein Essplatz in der Küche zur Verfügung steht. Daraus folgt aber, daß aus dem Umstand, daß das Wohnzimmer keinerlei Hinweise auf eine aktuelle Wohnnutzung zeigt, nicht schon geschlossen werden kann, eine Wohnnutzung sei überwiegend nicht mehr beabsichtigt. Denn die Zweckbestimmung als Wohnraum setzt nicht eine regelmäßige oder gar häufige tatsächliche Nutzung voraus. Vielmehr bleibt diese den persönlichen Vorlieben der Familienmitglieder und den sich daraus ergebenden Üblichkeiten in der Familie überlassen. Das Zweckentfremdungsverbot gebietet nicht eine dauernde Wohnnutzung, sondern lediglich die Zweckbestimmung der Räume zu dauerndem Bewohnen, für welche das Maß der tatsächlichen Wohnnutzung ein Indiz sein kann. Daraus folgt, daß nicht ein bestimmtes Mindestmaß einer wohnlichen Nutzung festgestellt werden müsste. Nachgewiesen werden müsste vielmehr die Zweckentfremdung, mithin die nun überwiegende Nutzung zu beruflichen Zwecken. Eine solche hat das Amtsgericht aber nicht festgestellt, sondern letztlich aus dem angeblichen Fehlen einer aktuellen" im Sinne einer regelmäßigen Wohnnutzung ohne weitere hinreichende Anhaltspunkte dafür auf eine berufliche Nutzung geschlossen. Eine Möblierung, die auch eine Nutzung der Räume 4 und 5 als Wartezimmer bzw. als Besprechungszimmer möglich erscheinen lässt, insbesondere das Aufreihen von Stühlen an einer Wand und das Ausliegen zweier etwa ein Jahr alter Zeitschriften sowie einer Plastiktonne mit Spielzeug für Kleinkinder, reicht hierfür nicht aus. Entsprechendes gilt für die Annahme, die Küche im Erdgeschoß diene nicht mehr Wohnzwecken. Das bei dieser Küche bei einer Wohnnutzung zu erwartende Erscheinungsbild muß in Rechnung stellen, daß die Familie ihre Mahlzeiten grundsätzlich im Obergeschoß, in dem die Familienmitglieder sich mit Ausnahme der Zeit der anwaltlichen Tätigkeit überwiegend aufzuhalten pflegen, zubereitet und auch einnimmt, so daß in der Küche im Erdgeschoß nicht die gleiche Ausstattung und insbesondere Vorratshaltung erwartet werden kann. Der Schluß von dem Fehlen von Lebensmitteln zur Zubereitung von Speisen darauf, daß die Küche nicht Wohnzwecken diene, ist demzufolge nicht gerechtfertigt. Die jeweilige Nutzung der Küche in den Fällen, in denen Gäste bewirtet werden, reicht aus, um die Küche generell und nicht nur ausnahmsweise Wohnzwecken dienen zu lassen. Bei der festgestellten Nutzung für den Kanzleibetrieb handelt es sich um eine bloße Mitnutzung, die wie dargelegt zweckentfremdungsrechtlich unschädlich ist.
Etwas anderes ergibt sich nicht schon aus der ursprünglichen Absicht der Betroffenen, den gesamten Erdgeschossbereich mit Ausnahme des Badezimmers für den Kanzleibetrieb zu nutzen, wie es sich aus dem Nutzungsänderungsantrag der Betroffenen vom 30.3.1994 ergab. Denn es kommt auf die tatsächlich bestehende und praktizierte Nutzungsabsicht zur Tatzeit an, also ab Oktober 1997.Die eigene Angabe der Betroffenen ... im Rahmen ihrer Anlage Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung" zur Einkommensteuererklärung 1997 zu der Geltendmachung von Schuldzinsen als Werbungskosten für die Praxisräume, aus denen sich ergeben könnte, daß der gesamte Erdgeschossbereich einbezogen sein sollte, kann zwar ein Indiz für die Absicht der ausschließlichen Nutzung des gesamten Erdgeschosses als Kanzleiräume begründen. Auch im Zusammenhang mit den oben genannten ganz geringen weiteren Indizien reicht sie aber für die Feststellung einer solchen Zweckbestimmung nicht aus.
Danach kann lediglich festgestellt werden, daß zu Praxiszwecken die Räume 1 3 ausschließlich und die Räume 6 (Küche), 6a (Abstellkammer) und 7 (Toilette) mitbenutzt werden, wobei deren Wohnnutzung nicht aufgegeben wurde. Eine derartige Nutzung der Zimmer räumen die Betroffenen selbst ein.
Ein Verstoß gegen das Zweckentfremdungsverbot liegt auch nicht schon auf der Grundlage dieser der eigenen Einlassung der Betroffenen entsprechenden Nutzung vor. Zwar verblieben für eine ausschließlich Wohnnutzung lediglich die Räume 4 und 5 sowie das Bad und nach Ansicht des Amtsgerichts womöglich auch der Abstellraum, gemessen an der Gesamtfläche des Erdgeschosses mithin nicht einmal der hälftige, sondern der deutlich geringere Teil der Fläche. Hierauf kommt es aber nicht an, da wie oben dargelegt bei den gemischt genutzten Räumen die Zweckbestimmung zu dauerndem Bewohnen erhalten bleibt, sie also bei der Ermittlung der Gesamtfläche, welche für eine Wohnnutzung zur Verfügung steht, den ausschließlich zu Wohnzwecken genutzten Räumen hinzugerechnet werden.
Dahingestellt bleiben kann, ob die zu Wohnzwecken verbleibenden Räume im Erdgeschoß für sich genommen bei objektiver Betrachtung weiterhin ein Wohnen ermöglichen müssen, sie also zulassen müssen, daß dort ein selbständiger Haushalt geführt werden kann, ohne daß hierfür die Wohnräume im Obergeschoß einbezogen werden. Denn die Räume im Erdgeschoß wären jedenfalls auch allein als selbständige Familienwohnung weiterhin geeignet. Es verbleiben zwei Wohnräume und ein Bad sowie Flur, Küche und Abstellraum in Mitbenutzung. Der Charakter der Räum- lichkeiten als Wohnung bleibt damit erhalten (vgl. HessVGH, a.a.O.). Daß sie hierzu jedenfalls gegenwärtig nicht bestimmt sind, sondern die Familie alle Wohnräume des Hauses gemeinsam nutzt, steht dem nicht entgegen. Das Zweckentfremdungsverbot schützt die Wohnnutzung von Wohnraum, sie bezweckt darüberhinaus nicht die Erhaltung einzelner Wohneinheiten unter Verhinderung ihrer Zusammenlegung.
Eine Ordnungswidrigkeit nach Art. 6 § 2 des Mietrechtsverbesserungsgesetzes liegt danach nicht vor. Hingegen hat nicht nur die Betroffene ... als Eigentümerin der Erdgeschosswohnung, sondern auch der Betroffene ... durch die Umnutzung dreier Räume des Erdgeschosses in Kanzleiräume ohne vorherige Einholung einer entsprechenden Baugenehmigung gegen § 82 Abs. 1 Nr. 12 i.V.m. § 62 Abs. 1 HBO verstoßen. Bei der Umnutzung von Wohn- in Büroraum handelt es sich um eine Nutzungsänderung in diesem Sinne (vgl. HessVGH, Urt. vom. 8.11.1979 IV OE 51/75 ; HambOVG, Urt. vom 19.12.1996 Bf II 46/94 ; Rasch/Schaetzell, Hessische Bauordnung, Stand: Dezember 2000, § 62, Anm. 2.1). Denn bauordnungsrechtlich ist schon im Hinblick auf den geänderten Stellplatzbedarf in bezug auf die nunmehr ausschließlich zu Bürozwecken genutzten Räume im Erdgeschoß eine Umnutzungsgenehmigung erforderlich (vgl. HessVGH, Urt. vom 22.3.2000 4 UE 613/97 , S. 17). Auch der Betroffene ... war als Bauherr verantwortlich im Sinne der §§ 55, 56 Abs. 1 HBO. Beide Betroffene sind gegenüber der Verwaltungsbehörde gemeinschaftlich aufgetreten. Beide betreiben die Rechtsanwaltskanzlei in den Räumen gemeinsam.
Der Senat konnte die zu verhängende Geldbuße selbst festsetzen, da weitere Feststellungen nicht getroffen werden müssen (§ 79 Abs. 6 OWiG). Als zur Ahndung angemessen erschien eine Geldbuße von 1.000,- DM. Die entsprechend den Ausführungen des Amtsgerichts vorsätzlich begangene Ordnungswidrigkeit konnte mit einer Geldbuße bis zu 100.000,- DM geahndet werden (§ 82 Abs. 3 S. 1 HBO). Maßgebend für die konkrete Bemessung ist insbesondere die baurechtliche Genehmigungsfähigkeit der Umnutzung. Ferner wurden auf der Grundlage der Feststellungen des Amtsgerichts der durch die Ordnungswidrigkeit erlangte vermögenswerte Vorteil, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Betroffenen und die durch die Umnutzung angestrebten persönlichen und familiären Erleichterungen berücksichtigt. Unter Abwägung dieser Umstände erschien die Herabsetzung der Geldbuße auf 1.000,- DM als angemessen (§ 17 Abs. 3 OWiG).
Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf den §§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 473 Abs. 1, 4 StPO. Da der Betroffene in der Sache im wesentlichen Erfolg hatte, erschien es unbillig, ihn mit weitergehenden Kosten und Auslagen zu belasten.
Ende der Entscheidung
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