Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 12.03.2002
Aktenzeichen: 2 Ws 21/02
Rechtsgebiete: StPO, StGB, ZPO


Vorschriften:

StPO § 172 ff
StPO § 172 Abs. 1 Satz 1
StPO § 177
StGB § 153 ff.
StPO § 176
StGB § 156
ZPO § 807
ZPO § 903
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

In der Klageerzwingungssache ...

Vorwurf: Falsche Versicherung an Eidesstatt

hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main ­ 2. Strafsenat ­ auf gerichtliche Entscheidung über den Beschwerdebescheid der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main vom 22.01.2002 ­ Zs 31654/01 ­ am 12.3.02 gemäß §§ 172 ff StPO beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird als unzulässig verworfen.

Gründe:

Die Antragstellerin begehrt mit ihrem nach § 172 StPO form- und fristgerecht gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung die Anordnung, daß gegen den Beschuldigten wegen eines Vergehens nach § 156 StGB die öffentliche Klage erhoben werde (§§ 170 Abs. 1, 172 Abs. 1, Abs. 2 StPO). Für Forderungen aus Werbeverträgen vom 6.10.1995 und 4.11.1995 hat die Antragstellerin gegen den Beschuldigten am 11.6.1997 einen Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Kassel erwirkt. Sie wirft dem Beschuldigten vor, in einem von einem anderen Gläubiger betriebenen Zwangsvollstreckungsverfahren am 29.10.1996 vor dem Amtsgericht Wolfhagen (Az.: 7 M 1645/96) als Schuldner bei der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach § 807 ZPO falsch geschworen zu haben, in dem er die Frage nach Ansprüchen aus selbständiger Erwerbstätigkeit fälschlich verneint habe.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unzulässig, denn die Antragstellerin ist nicht als Verletzte der dem Beschuldigten zur Last gelegten falschen Versicherung an Eides Statt anzusehen. Verletzter im Sinne des § 172 Abs. 1 Satz 1 StPO ist, wer durch die schädigende Handlung ­ ihre Begehung vorausgesetzt ­ unmittelbar in seinen Rechten, Rechtsgütern oder rechtlich anerkannten Interesse beeinträchtigt ist (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 172 RN 9; Karlsruher Kommentar, StPO, 4, Aufl., § 172 RN 19; jeweils m.w.N.). Bei den Aussagedelikten der §§ 153 ff. StGB ist in erster Linie die Rechtspflege geschütztes Rechtsgut. Daneben ist in Rechtsprechung und Schrifttum inzwischen allgemein anerkannt, daß grundsätzlich auch diejenigen Verfahrensbeteiligten verletzt sein können, zu deren Nachteil eine Entscheidung beeinflußt worden ist (OLG Düsseldorf NStZ 1995, 49; MDR 1988, 695; Karlsruher Kommentar a.a.O., § 172 RN 26). Hierbei genügt jede infolge des Aussagedelikts eingetretene Verschlechterung und Gefährdung der Beweislage für die Annahme einer unmittelbaren Beeinträchtigung der Rechtsposition (OLG Frankfurt am Main MDR 1974, 1036; OLG Düsseldorf JZ 1989, 404).

Die Antragstellerin dagegen war nicht als Gläubigerin Beteiligte am Vollstreckungsverfahren des Amtsgerichts Wolfhagen, in dessen Verlauf die eidesstattliche Versicherung des Beschuldigten vom 29.10.1996 abgegeben wurde. Zwar ist nicht auszuschließen, daß die Antragstellerin durch diese eidesstattliche Versicherung in ihren wirtschaftlichen Erwägungen über die Fortsetzung der Zwangsvollstreckung gegen den Beschuldigten beeinflußt wurde. Die Antragstellerin hat auch geltend gemacht, unter Umständen einen Vermögensverlust dadurch erlitten zu haben, daß ihr Zugriffsmöglichkeiten aus der selbständigen Tätigkeit des Beschuldigten im Wege der Zwangsvollstreckung nicht offenbart worden seien. Insoweit besteht auch hinreichender Verdacht, daß der Beschuldigte bei der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung wissentlich falsche Angaben zu seiner Erwerbstätigkeit gemacht hat. Denn die Einlassung des Beschuldigten, nicht er habe mit den Zeugen H. und N. die Gaststätte im ... betrieben, sondern seine heutige Ehefrau, die Zeugin L., ist als reine Schutzbehauptung zu werten und völlig unglaubhaft. Der Beschuldigte will den Mietvertrag über die Gaststätte und den Automaten-Aufstellvertrag vom 12.10.1995 mit dem Zeugen W. sowie den Vertrag über ein Darlehen und den Getränkebezug vom 5./16.10.1995 nur zur Absicherung für den Vermieter bzw. die Brauerei mit unterschrieben haben. Er sieht sich damit selbst als Mitverpflichteten neben seiner Ehefrau und nicht als Strohmann. Gegen die Bestätigung dieser Einlassung durch die Aussagen seiner Ehefrau und des Zeugen W. bestehen durchgreifende Bedenken. Denn die von den Zeugen behauptete Stellung des Beschuldigten nur als Mithaftenden" ergibt keinen Sinn, wenn die Zeugin L. als in erster Linie Haftende nicht ihrerseits persönlich in den schriftlichen Verträgen Aufnahme gefunden hat. In diese Stellung trat sie erst später und zwar für den Mitmieter H. ein.

Selbst wenn aber der Beschuldigte erwiesenermaßen bei Abgabe der eidesstattlichen Versicherung am 29.10.1996 über seine tatsächliche Erwerbstätigkeit falsche Angaben gemacht haben sollte, folgt daraus nicht, daß die Antragstellerin allein aufgrund ihres Interesses an zutreffenden und vollständigen Auskünften über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten Verletzte im Sinne des § 172 Abs. 1 Satz 1 StPO ist. Denn die Falschangabe des Beschuldigten konnte lediglich eine mittelbare Auswirkung auf die Entscheidung der Antragstellerin entfalten, ob weitere Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Beschuldigten ökonomisch sinnvoll sind oder nicht. Die Befriedigung der Antragstellerin im Wege der Zwangsvollstreckung wurde auch nicht unmittelbar vereitelt oder erschwert, sondern nur unter der weiteren Voraussetzung, daß der Beschuldigte durch sein verschwiegenes Gewerbe tatsächlich Vermögenswerte erworben haben sollte. Unmittelbare Auswirkung konnte die vom Beschuldigten bereits abgelegte eidesstattliche Versicherung für die Antragstellerin nur über die Bestimmung des § 903 ZPO entfalten, wonach der Schuldner in den ersten drei Jahren nach ihrer Abgabe zur eidesstattlichen Versicherung einem anderen Gläubiger gegenüber nur verpflichtet ist, wenn dieser glaubhaft macht, daß der Schuldner später Vermögen erworben hat (OLG Celle, NdsRpfl. 1971, 214, Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § RN 72,FN 191; KMR Plöd § 172, RN 30). Hier ist die Frist des § 903 ZPO bereits 1999 abgelaufen. Eine unmittelbare prozessuale Wirkung kann die eidesstattliche Versicherung des Beschuldigten in der Zwangsvollstreckung der Antragstellerin zum jetzigen maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über den Klageerzwingungsantrag (vergl. Löwe/Rosenberg, a.a.O., § 172 RN 71) nicht mehr entfalten. Der Antragstellerin ist es unbenommen, zeitnah im Wege einer neuen eidesstattlichen Versicherung eine Klärung darüber herbeizuführen, ob der Beschuldigte zwischenzeitlich verwertbares Vermögen erworben hat. Als am Verfahren zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 807 ZPO nicht beteiligte Dritte, konnte die Antragstellerin nur für die Dauer der Frist des § 903 ZPO Verletzte einer falschen eidesstattlichen Versicherung nach § 156 StPO sein.

Einer Kostenentscheidung gemäß § 177 StPO bedarf es nicht, wenn der Klageerzwingungsantrag aus formalen Gründen (Bremen MDR 84, 164; Koblenz NJW 1977, 1461, 1462; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. A., § 177 RN 1) oder wegen fehlender Verletzteneigenschaft des Antragstellers (Koblenz NJW 1985, 1409) als unzulässig verworfen wird. Denn der Antragsteller hat dann seine Auslagen ohnehin zu tragen. Die Gerichtsgebühr nach Nr. 6400 des Kostenverzeichnisses zum GKG fällt bei zulässigem Antrag nur an, wenn der Antrag wegen fehlenden Anlasses zur Klage als unbegründet verworfen wird (§ 174 StPO) oder die Sicherheit im Fall des § 176 StPO nicht geleistet wird.



Ende der Entscheidung

Zurück