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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 03.01.2006
Aktenzeichen: 20 VA 8/05
Rechtsgebiete: EGGVG, HinterlO
Vorschriften:
EGGVG § 23 | |
EGGVG § 28 | |
HinterlO § 3 | |
HinterlO § 18 |
2. Zur Frage des berechtigten Interesses für einen Feststellungsantrag gemäß § 28 Abs. 1 EGGVG.
Gründe:
I.
Beim Amtsgericht, Hinterlegungsstelle, sind am 18.06.2002 24.571,52 EUR hinterlegt worden. Als Empfangsberechtigte waren Frau A, ..., O1, und der Antragsteller aufgeführt. Mit Herausgabeanordnung vom 06.10.2004 (Bl. 67 der Beiakte Amtsgericht Hanau, Az.: 43 HL 42/02) hat die Rechtspflegerin beim Amtsgericht, Hinterlegungsstelle, angeordnet, dass 24.571,52 EUR an Frau A auszuzahlen sind. In der Folge ist die Auszahlung vorgenommen worden. Mit Schriftsatz vom 15.10.2004 (Bl. 68 ff der Beiakte Amtsgericht Hanau, Az.: 43 HL 42/02) hat der Antragsteller hiergegen Erinnerung bzw. sofortige Beschwerde eingelegt. Der Direktor des Amtsgerichts hat mit Verfügung vom 01.06.2005 (Bl. 83 ff der Beiakte Amtsgericht Hanau, Az.: 43 HL 42/02) die Beschwerde gegen die Auszahlungsordnung zurückgewiesen. Hiergegen hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 29.06.2005 (Bl. 91 ff der Beiakte Amtsgericht Hanau, Az.: 43 HL 42/02) "sofortige Beschwerde" eingelegt, die die Beschwerdekammer beim Landgericht als Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG ausgelegt und an den Senat abgegeben hat (Bl. 98R der Beiakte Amtsgericht Hanau, Az.: 43 HL 42/02). Dieser hat durch Verfügung vom 03.08.2005 (20 VA 4/05) darauf hingewiesen, dass nach § 3 Abs. 1 Hinterlegungsordnung Beschwerden gegen die Entscheidungen der Hinterlegungsstellen zunächst im Aufsichtsweg zu erledigen seien und nach § 3 Abs. 2 Hinterlegungsordnung erst gegen die Entscheidung des Land- oder Amtsgerichtspräsidenten der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zulässig sei. Er hat die Sache mithin dem Präsidenten des Landgerichts Hanau vorgelegt (Bl. 102 ff der Beiakte Amtsgericht Hanau, Az.: 43 HL 42/02). Durch Bescheid vom 23.08.2005 (Bl. 108 ff der Beiakte Amtsgericht Hanau, Az.: 43 HL 42/02) hat der Präsident des Landgerichts die Beschwerde des Antragstellers gegen die Entscheidung des Direktors des Amtsgerichts vom 01.06.2005 verworfen, da es ihr nach Auszahlung des streitgegenständlichen Betrages eines Rechtsschutzbedürfnisses ermangele.
Mit Schriftsatz vom 02.09.2005 (Bl. 1 ff d. A.), auf den verwiesen wird, hat daraufhin der Antragsteller Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt und beantragt,
den Beschluss des Präsidenten des Landgerichts Hanau vom 23.08.2005 sowie die Entscheidung des Direktors des Amtsgerichts Hanau vom 01.06.2005 und die Auszahlungsanordnung vom 06.10.2004 aufzuheben und der Hinterlegungsstelle aufzugeben, den auf den Antragsteller entfallenden Hinterlegungsbetrag von 12.247,16 EUR an diesen auszuzahlen,
hilfsweise den bereits an die Antragsgegnerin (Frau A) ausgezahlten Betrag von 12.247,16 EUR von dieser zurückzufordern.
Ferner beantragt er,
dem Antragsteller für das Verfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren und ihm Rechtsanwalt RA1 als Rechtsanwalt beizuordnen.
Der Antragsgegner ist dem ausweislich seiner Verfügung vom 24.11.2005 (Bl. 14 ff d. A.) entgegen getreten und beantragt, den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gemäß §§ 3 Abs. 2 Hinterlegungsordnung, 23 ff EGGVG nicht zulässig. Ist die angefochtene Maßnahme nämlich bereits vollzogen und die Beeinträchtigung nicht mehr zu beseitigen, so ist für eine Aufhebung der Anordnung kein Raum mehr, § 18 Hinterlegungsordnung. Die Vorschrift stellt klar, dass mit der Herausgabe auf Grund eines nach den §§ 12 ff Hinterlegungsordnung durchgeführten förmlichen Verfahrens das Hinterlegungsverhältnis erlischt. Dies gilt dann auch für das gerichtliche Anfechtungsverfahren nach § 28 Abs. 1 Satz 2 EGGVG (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. etwa Beschluss vom 19.06.2002, 20 VA 5/02; OLG Dresden NJW-RR 2002, 718, mit weiteren Nachweisen; vgl. auch Kissel, GVG, 4. Aufl., § 28 EGGVG Rz. 10; Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl., § 28 EGGVG Rz. 2).
Infolge der Auszahlung des hinterlegten Betrages kann die Herausgabeanordnung der Hinterlegungsstelle nicht mehr rückgängig gemacht werden. Der Antrag des Antragstellers auf Aufhebung der Auszahlungsanordnung hat sich mithin erledigt. Soweit der Antragsteller weiter begehrt, der Hinterlegungsstelle aufzugeben, den auf den Antragsteller entfallenden Hinterlegungsbetrag von 12.247,16 EUR an diesen auszuzahlen, bzw. (hilfsweise) den an Frau A ausgezahlten Betrag von 12.247,16 EUR von dieser zurückzufordern, fehlt es hierzu nach den obigen das Erlöschen des Hinterlegungsverhältnisses betreffenden Ausführungen an einer gesetzlichen Grundlage. Der vom Antragsteller in seiner Antragsschrift vom 02.09.2005 ohne Begründung vertretenen anderweitigen Rechtsauffassung ist deshalb nicht beizutreten.
Dem Antragsteller verbleibt damit allenfalls noch die Möglichkeit, einen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Herausgabeanordnung der Hinterlegungsstelle gemäß § 28 Abs. 1 Satz 4 EGGVG zu stellen (vgl. Kissel, a.a.O., § 28 EGGVG Rz. 10; Zöller/Gummer, a.a.O., § 28 EGGVG Rz. 2). Dies hat der Antragsteller nicht ausdrücklich getan, nicht einmal, nachdem er durch die Verfügung der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main vom 24.11.2005 auf eine entsprechende Auslegung seines Antrags hingewiesen worden ist. Wollte man seinen Sachantrag entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut der Antragsschrift im Wege der Umdeutung als ein entsprechendes Begehren ansehen, was zumindest hinsichtlich des (Verpflichtungs-)Verlangens nach Rückforderung des Geldbetrages zweifelhaft wäre, weil insoweit keine Erledigung im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 4 EGGVG ersichtlich wäre, wäre der Antrag - insofern auch entgegen der Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main - nach Überzeugung des Senats dennoch unzulässig.
Ein Feststellungsantrag würde jedenfalls voraussetzen, dass der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass Entscheidungen im Verfahren nach § 23 ff EGGVG in einem sich anschließenden Amtshaftungsprozess Bindungswirkung entfalten, begründet die Absicht des Antragstellers, im Wege der Amtshaftungsklage Schadensersatzansprüche durchsetzen zu wollen, kein Feststellungsinteresse, wenn - wie im vorliegenden Fall - sich bereits vor Stellung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung die Maßnahme erledigt hat. Dies entspricht weitgehend einhelliger Auffassung in der Rechtsprechung und weit überwiegender Ansicht in der Literatur (vgl. Senat, Beschluss vom 19.06.2002, 20 VA 5/02; vgl. weiter OLG Dresden NJW-RR 2002, 718; Kammergericht NJW-RR 1991, 1085; NStZ 1997, 563, je mit weiteren Nachweisen; OLG Frankfurt am Main NJW 1965, 2315; Kissel, a.a.O., § 28 EGGVG Rz. 19; Münchener Kommentar/Wolf, ZPO, 2. Aufl., § 28 EGGVG Rz. 9; Zöller/Gummer, a.a.O., § 28 EGGVG Rz. 8; Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, 64. Aufl., § 28 EGGVG Rz. 6). Hat sich nämlich bereits vor Stellung des Antrages nach §§ 23 ff EGGVG die angefochtene Maßnahme erledigt, entfallen die prozessökonomischen Gründe, die es anderenfalls rechtfertigen, ein bereits anhängiges Nachprüfungsverfahren nach Erledigung der Hauptsache als Fortsetzungsfeststellungsverfahren vorbereitend für eine künftige Amtshaftungsklage nutzbar zu machen. Da dem Antragsteller der sofortige Zugang zu den ordentlichen Gerichten für den von ihm beabsichtigten Amtshaftungsprozess offen steht, ohne dass es eines Justizverwaltungsverfahrens bedarf, ist ein Feststellungsinteresse abzulehnen, wenn außer dem intendierten Amtshaftungsprozess kein sonstiges berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Rechtswidrigkeitsfeststellung besteht. Denn unter diesen Umständen wäre es ein nicht zu rechtfertigender Umweg, ein weiteres Gericht allein zur Klärung der Vorfrage der Rechtswidrigkeit der erledigten Maßnahme im Hinblick auf einen vor einem anderen Gericht zu führenden Amtshaftungsprozess anzurufen (vgl. dazu OLG Dresden NJW-RR 2002, 718 mit weiteren Nachweisen). Der Senat vermag sich damit auch der von der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main in der Verfügung vom 24.11.2005 zitierten Gegenmeinung, die an der genannten Zitatstelle lediglich knapp dargestellt, nicht näher begründet wird und die dargestellte differenzierte Gegenauffassung nicht erwähnt, nicht anzuschließen. Die ansonsten angesichts der oben aufgeführten entgegenstehenden Gerichtsentscheidungen ggf. erforderliche Vorlage der Sache an den Bundesgerichtshof (vgl. § 29 Abs. 1 Satz 2 EGGVG) scheidet damit aus.
Dem steht auch die Verfügung des Senats vom 03.08.2005 (20 VA 4/05) nicht entgegen. Diese beruhte lediglich auf der Erwägung, dass im Hinblick auf den Sachantrag des Antragstellers (vgl. den Schriftsatz vom 29.06.2005) aus den genannten Gründen vor Antrag auf gerichtliche Entscheidung das bereits eingeleitete Beschwerdeverfahren im Aufsichtsweg abzuschließen war. Dieser Entscheidung im Verwaltungsverfahren hatte der Senat als (noch) nicht zur Entscheidung zuständiges Gericht nicht vorzugreifen. Er hatte sich damit auch zu Erfolgsaussichten der (Aufsichts-)Beschwerde in formeller und materieller Hinsicht nicht zu äußern. Dies ergibt sich überdies auch aus den Gründen des Bescheides des Präsidenten des Landgerichts vom 23.08.2005.
Außer dem denkbaren Begehren, einen Amtshaftungsprozess zu führen (vgl. dazu den Schriftsatz vom 02.09.2005), sind berechtigte Interessen des Antragstellers im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 4 EGGVG nicht dargelegt und auch nicht ersichtlich. Die diesbezüglichen Ausführungen in den Gründen des Bescheides des Präsidenten des Landgerichts vom 23.08.2005 sind deshalb nicht zu beanstanden. Es würde etwa - wollte man dies im vorliegenden Zusammenhang als ausreichend erachten - auch an der schlüssigen Darlegung einer tiefgreifenden Grundrechtsverletzung fehlen (vgl. dazu etwa OLG Dresden NJW-RR 2002, 718; Zöller/Gummer, a.a.O., § 28 EGGVG Rz. 8). Die Ausführungen im Schriftsatz vom 02.09.2005, die sich auf eine Rechtsverletzung des Antragstellers ("Vermögensrecht und Gleichbehandlungsrecht") beziehen, wären hierfür jedenfalls unzureichend, weil sich hieraus noch keine durch die Herausgabeanordnung verursachte Grundrechtsverletzungen herleiten lassen.
Hat die Rechtsverfolgung des Antragstellers mithin keine Aussicht auf Erfolg, ist auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das gerichtliche Verfahren zurückzuweisen, §§ 29 Abs. 3 EGGVG, 114 ZPO.
Die Gerichtskosten des Verfahrens vor dem Oberlandesgericht fallen dem Antragsteller zur Last, § 30 Abs. 1 Satz 1 EGGVG in Verbindung mit § 130 Abs. 1 KostO.
Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf den §§ 30 Abs. 3 EGGVG, 30 Abs. 1 KostO.
Ende der Entscheidung
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