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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 27.11.2000
Aktenzeichen: 20 W 106/2000
Rechtsgebiete: BGB, BVormVG, KostO


Vorschriften:

BGB § 1908 i Abs. 1
BGB § 1836 a
BGB § 1836 Abs. 2 Satz 2
BVormVG § 1
BVormVG § 1 Abs. 3
BVormVG § 1 Nr. 2
KostO § 131 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

20 W 106/00

2/28 T 116/99 LG Frankfurt/M.

47 XVII HAA 7442 AG Frankfurt/M.

Entscheidung vom 27.11.2000

In dem Betreuungsverfahren ...

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige weitere Beschwerde der Betreuerin gegen den Beschluss der 28. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 28. Februar 2000 am 27. November 2000 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 27. Januar 1999 werden abgeändert.

Der Betreuerin wird für die Tätigkeit in der Zeit vom 01. Januar 1999 bis zum 27. Januar 1999 über die im Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 14. Juli 1999 festgesetzte Vergütung hinaus eine weitere Vergütung bewilligt in Höhe von 180,-- DM zuzüglich 16% Mehrwertsteuer (= 28,80 DM), insgesamt also 208,80 DM.

Im übrigen werden die weitere Beschwerde und die sofortige weitere Beschwerde zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Beschwerdewert: - auch für das Verfahren der Erstbeschwerde - 939,60 DM, wovon auf den obsiegenden Teil 208,80 DM und auf den unterliegenden Teil 730,80 DM entfallen.

Gründe:

Die sofortige weitere Beschwerde ist aufgrund der Zulassung im Beschluss des Landgerichts statthaft (§ 56 g Abs. 5 Satz 2 FGG). Sie wurde form- und fristgerecht eingelegt (§§ 56 g Abs. 5, 22 Abs. 1, 29 Abs. 1 und 2 FGG). Das somit zulässige Rechtsmittel, mit dem die Betreuerin die Anhebung des Stundensatzes für ihre Vergütung für die Zeit vom 01. bis 27. Januar 1999 von 60,-- DM auf 150,-- DM erstrebt, führt in der Sache nur insoweit zum Erfolg, als der Stundensatz auf 80,-- DM angehoben wird.

Die Höhe der Vergütung des Berufsbetreuers ist gemäß §§ 1908 i Abs. 1, 1836 Abs. 2 Satz 2 BGB durch das Vormundschaftsgericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen. Bemessungskriterien sind nach der gesetzlichen Neuregelung die für die Führung der Betreuung nutzbaren Fachkenntnisse des Betreuers sowie Umfang und Schwierigkeit der Betreuungsgeschäfte.

Der Senat hat bereits mit Beschlüssen vom 13. Dezember 1999 (OLGR Frankfurt 2000, 240) und 22. Mai 2000 (Rpfleger 2000, 498 = FGPrax 2000, 147 = OLGR Frankfurt 2000, 163) die Auffassung vertreten, dass für die Höhe der Vergütung eines Berufsbetreuers die in § 1 BVormVG festgesetzten Stundensätze gemäß § 1836 a BGB zwar unmittelbar nur für die bei Mittellosigkeit des Betreuten aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung verbindlich sind, diesen Vergütungssätzen darüber hinaus jedoch sowohl nach dem Willen des Gesetzgebers als auch nach dem Inhalt der gesetzlichen Regelung auch für die Vergütung bei vermögenden Betreuten eine Richtlinienfunktion zu (vgl. hierzu ausführlich Senatsbeschlüsse, a.a.0., m. w. N.). Diese Vergütungssätze sind als Orientierungshilfe für die Bemessung der Vergütung des Berufsbetreuers bei vermögenden Betreuten dergestalt heranzuziehen, dass sie eine Untergrenze bilden und demgegenüber die Festsetzung einer höheren Vergütung nur dann in Betracht kommt, wenn dies durch eine besondere Schwierigkeit der Betreuungsgeschäfte gerechtfertigt ist.

Die Heranziehung der Stundensätze des § 1 BVormVG als Orientierungshilfe für die Vergütung des Berufsbetreuers bei vermögenden Betreuten hat nun auch der Bundesgerichtshof durch Beschluss vom 31. August 2000 ­ Az.: XVII ZB 217/99 ­ (dokumentiert bei Juris) aufgrund der Vorlageentscheidung des BayObLG vom 15. Dezember 1999 (FamRZ 2000, 318) gegen die vorausgegangene Entscheidung des OLG Zweibrücken (FamRZ 2000, 180) bestätigt. Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, dass nach dem Inhalt und der Entstehungsgeschichte des Gesetzes die Betreuung bemittelter und mittelloser Betreuter zwar im Grundsatz nach den gleichen Kriterien vergütet werden soll, jedoch bewusst eine Differenzierung der Vergütungshöhe zwischen bemittelten und mittellosen Betreuten ermöglicht wurde. Da gemäß § 1836 Abs. 2 Satz 2 BGB für die Bemessung der Vergütung die für die Führung der Betreuung nutzbaren Fachkenntnisse des Betreuers sowie der Umfang und die Schwierigkeit der Betreuungsgeschäfte maßgebend sind, hat das Vormundschaftsgericht im Rahmen einer Ermessensentscheidung die angemessene Höhe der Vergütung zu bestimmen. Dabei haben die festen Stundensätze des § 1 BVormVG bei vermögenden Betreuten für die Ausübung dieses Ermessens den Charakter einer Orientierungshilfe und einer Mindestvergütung. Der Bundesgerichtshof hat des weiteren für die Ermessensausübung den Richtliniencharakter der Sätze des § 1 BVormVG herausgestrichen und hieraus gefolgert, dass die Bewilligung einer höheren Vergütung Ausnahmecharakter haben muss. Denn durch die Sätze des § 1 BVormVG werde verdeutlicht, was der Gesetzgeber im Regelfall als angemessenes Entgelt für die von dem Betreuer erbrachte Leistung ansieht. Deshalb kann nach neuem Recht im Anschluss an die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (FamRZ 2000, 729 und BVerfGE 101, 331) auf von dem Betreuer oder bestimmten Berufsgruppen vorgelegte Kalkulationen der Sach- und Personalkosten nicht abgestellt werden. Vielmehr sind maßgebliche Kriterien für die Vergütungshöhe nach § 1836 Abs. 2 Satz 2 BGB lediglich die nutzbaren Fachkenntnisse des Betreuers sowie der Umfang und die Schwierigkeit der Betreuungsgeschäfte. Dem Umfang der Geschäfte wird dadurch Rechnung getragen, dass der erforderliche Zeitaufwand mit entsprechenden Stundensätzen abgegolten wird. Für die Bemessung des angemessenen Stundensatzes sind die beiden anderen Kriterien entscheidend. Die für die Führung der Betreuung nutzbaren Fachkenntnisse steigern den Vergütungssatz, wobei auch bei bemittelten Betreuten die Bewertung der Fachkenntnisse in § 1 Abs. 3 BVormVG als Orientierungshilfe zu dienen hat. Deshalb ist von den Vergütungssätzen des § 1 BVormVG nur dann abzuweichen, wenn dies die Schwierigkeit der Betreuungsgeschäfte ausnahmsweise gebietet. Hierbei ist die Höhe des Vermögens an sich kein Kriterium für die Vergütungshöhe, sondern kann nur insoweit mittelbare Bedeutung gewinnen, als hierdurch die Schwierigkeit der Betreuungsgeschäfte erhöht werden.

Das Landgericht ist zwar im wesentlichen von diesen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Es hat sein Ermessen jedoch nicht rechtsfehlerfrei ausgeübt. Die Ermessensanwendung bezüglich der Vergütungshöhe ist in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur beschränkt daraufhin zu überprüfen, ob der Tatsachenstoff vollständig gewürdigt und die Denkgesetze, Auslegungsgrundsätze und Ermessensgrenzen beachtet wurden. Im vorliegenden Fall hat das Beschwerdegericht die konkreten Umstände und Besonderheiten der Betreuung in tatsächlicher Hinsicht nicht ausreichend gewürdigt und deshalb eine besondere Schwierigkeit der Betreuung zu Unrecht verneint.

Das Landgericht geht zwar davon aus, dass der Betreute über ein hohes Vermögen im Wert von ca. 3,5 Millionen DM verfügt. Die erforderlichen Tätigkeiten der Verwaltung der Immobilien und des Anlagevermögens sowie die Zusammenarbeit mit dem Testamentsvollstrecker erachtet die Kammer jedoch lediglich als besonders zeitaufwändig und im übrigen mit der Regelvergütung für Hochschulabsolventen in § 1 Nr. 2 BVormVG zutreffend erfasst. Diese Einschätzung beruht auf einer unzutreffenden Würdigung des Tatsachenstoffes. Die Kammer hat nicht in der gebotenen Weise berücksichtigt, dass die Vermögensverwaltung hier erhebliche und vielfältige Anforderungen an die Betreuerin stellt. Der Immobilienbesitz besteht neben einem eigengenutzten Wohnhaus aus mehreren Mietobjekten, u. a. einer Eigentumswohnung bei Heilbronn und einem Objekt mit 10 Mieteinheiten, wobei immer wieder Renovierungen und Schwierigkeiten mit Mietern ­ wie auch im Abrechnungszeitraum ­ zu bewältigen sind. Daneben ist erhebliches, in mehreren Depots und Konten angelegtes Geldvermögen zu verwalten. Außerdem ist eine ständige Zusammenarbeit mit einem eingesetzten Testamentsvollstrecker und einer gerichtlich eingesetzten Gegenbetreuerin erforderlich. Hinzu kommen Schwierigkeiten in der Kooperation mit dem Betreuten, der sich vielfach auf Reisen befindet und im maßgeblichen Abrechnungszeitraum vermisst gemeldet werden musste, so dass eine Suchaktion zu starten war. Darüber hinaus ist seine persönliche Betreuung und Versorgung in seinem Wohnhaus zu organisieren, wobei insbesondere die vertragliche Regelung mit der langjährigen Pflegeperson vertraglich umzugestalten war.

Die Gesamtbewertung dieser Betreuungstätigkeit ergibt entgegen der Einschätzung des Landgerichts, dass nicht nur ein besonderer Zeitaufwand erforderlich ist, sondern insbesondere im Hinblick auf die hohen Anforderungen bei der Vermögensverwaltung ein Ausnahmefall mit besonderer und außergewöhnlicher Schwierigkeit gegeben ist, der eine erhöhte Vergütung rechtfertigt.

Da eine weitere Tatsachenfeststellung nicht erforderlich ist, kann der Senat in der Sache selbst abschließend entscheiden. Die oben im einzelnen aufgeführten Umstände und Besonderheiten der Betreuungsgeschäfte rechtfertigen bei einer Gesamtwürdigung eine Anhebung des Stundensatzes auf 80,-- DM. Da durch den amtsgerichtlichen Beschluss auch für die im Jahre 1999 geleisteten 9 Stunden lediglich ein Satz von 60,-- DM festgesetzt worden war, führt dies zu der zusätzlichen Bewilligung von 180,-- DM (9 Stunden x 20,-- DM) zuzüglich 16% Mehrwertsteuer, insgesamt also 208,80 DM.

Die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten war aus Gründen der Billigkeit nicht veranlaßt.

Der Beschwerdewert für den unterliegenden und obsiegenden Teil der sofortigen weiteren Beschwerde wurde unter Berücksichtigung des von der Betreuerin erstrebten Stundensatzes von 150,-- DM, des ursprünglich festgesetzten Vergütungssatzes von 60,-- DM und des nunmehr bewilligten Stundensatzes von 80,-- DM gemäß § 131 Abs. 2 Kost0 festgesetzt.



Ende der Entscheidung

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