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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 11.06.2007
Aktenzeichen: 20 W 108/07
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 43
In der Gemeinschaftsordnung kann geregelt werden, dass Streitigkeiten zunächst vor der Einleitung gerichtlicher Schritte dem Verwaltungsbeirat vorzutragen sind und dieser verpflichtet ist, im Einvernehmen mit dem Verwalter auf eine gütliche Einigung hinzuwirken. Durch eine derartige Regelung wird für Streitigkeiten zwischen den Wohnungseigentümern im Sinne von § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG das Verfahrenshindernis eines Vorschalt- oder Güteverfahrens geschaffen; der Antrag bei dem Wohnungseigentumsgericht ist solange unzulässig, als das Verfahren nicht durchgeführt (und erfolglos geblieben) ist.
Gründe:

I.

Die Beteiligten sind die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft der sich aus dem Rubrum ergebenden Liegenschaft. Die rechtlichen Verhältnisse der Wohnungseigentümer untereinander sind in der Teilungserklärung vom 28.04.1983 (Bl. 124 ff. d. A.) geregelt. Danach richten sich die Rechtsverhältnisse der Wohnungseigentümer untereinander nach der in Teil III dieser Urkunde aufgestellten Gemeinschaftsordnung. Ziffer III § 15 der Gemeinschaftsordnung lautet:

"1. Streitigkeiten zwischen den Sondereigentümern, die das Teil- und Gemeinschaftseigentum betreffen, sind vor der Einleitung gerichtlicher Schritte dem Verwaltungsbeirat vorzutragen.

Dieser ist verpflichtet, im Einvernehmen mit dem Verwalter auf eine gütliche Einigung hinzuwirken.

Ist ein Verwaltungsbeirat nicht vorhanden, hat der Verwalter zu prüfen, ob eine Problembereinigung durch eine außerordentliche Wohnungseigentümerversammlung möglich ist. ...."

In der Eigentümerversammlung vom 27.11.1997 (Bl. 31 ff. d. A.) wurde unter TOP 10 beschlossen:

"Antrag der Eheleute A:

Die Eheleute A beantragen in Ausübung ihres Nutzungsrechts der Dachterrasse im ersten Obergeschoss des Hauses A-Str., O1, die Errichtung einer Pergola. Der Pergolaaufbau erfolgt auf eigene Rechnung, ebenso die laufende Instandhaltung. Zusatzkosten für eventuell erforderlich werdende Wärmedämmungsmaßnahmen werden ebenfalls übernommen, einschließlich der baurechtlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung der Maßnahme. Der mögliche Rechtsnachfolger wird in alle Verpflichtungen einbezogen.

Beschluss:

Der Beschluss ergeht mit drei Stimmenthaltungen und keiner Gegenstimme mehrheitlich."

Dieser Eigentümerbeschluss wurde nicht angefochten. Die Antragsgegner errichteten eine Pergola mit einer Höhe an der Außenwand von 2,90 m und einer Traufe in Höhe von ca. 2,05 m. Die Höhe der Wohnräume der Antragsgegner beträgt 2,40 m, wobei die Dachterrasse ca. 40 cm höher liegt als der daran anschließende Wohnraum. Auf die Skizze Bl. 24 d. A. wird Bezug genommen.

Die Antragstellerin hat vor dem Amtsgericht die Verpflichtung der Antragsgegner begehrt, die von ihnen errichtete Pergola baulich so zu verändern, dass diese in der Höhe nicht über die Höhenlinie der Fußbodenkante der im zweiten Obergeschoss der Liegenschaft gelegenen Wohnung der Antragstellerin hinausrage. Sie hat dazu behauptet, die Pergola sei 2001 errichtet worden mit einer Breite von mehr als 12 m. Die Balken endeten 16 cm unter ihrem Fenster. Dadurch würde ihr Blickwinkel eingeschränkt. Sie habe deshalb mit Schreiben vom 11.09.2001 die Antragsgegner aufgefordert, die Pergola in einen baurechtsgemäßen Zustand zu versetzen, insbesondere hinsichtlich der Höhe zu reduzieren.

Die Antragsgegner sind dem Antrag entgegengetreten und haben die Ansicht vertreten, ihnen stünde die alleinige Nutzung der Terrasse zu. Die Antragstellerin werde durch die Pergola nicht beeinträchtigt. Die Antragsgegner seien nicht passivlegitimiert; der Anspruch sei auch verwirkt. Überdies sei der Antrag unzulässig, da das sich aus § 15 der Teilungserklärung ergebende Verfahren nicht eingehalten worden sei. Wegen ihres Vorbringens im Übrigen wird auf Seite 4 des angefochtenen landgerichtlichen Beschlusses vom 26.02.2007 (Bl. 201 d. A.) verwiesen.

Durch Beschluss vom 12.05.2006 (Bl. 81 ff. d. A.) hat das Amtsgericht den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Beschluss über das "Ob" der Pergola vorliege, aber ein Beschluss über die Ausführung der Pergola fehle. Jedoch brauche eine Lösung für eine bauliche Veränderung, die die Belange eines anderen Wohnungseigentümers in vermeidbarer Weise wesentlich mehr beeinträchtige als eine andere, nur dann nicht hingenommen werden, wenn mehrere Möglichkeiten der baulichen Gestaltung vorstehen würden. Alle Möglichkeiten der baulichen Gestaltung der Pergola würden die Antragstellerin aber gleichmäßig beeinträchtigen, so dass sie die aktuelle Gestaltung hinzunehmen und keinen Anspruch auf Veränderung der Pergola in dem von ihm gewünschten Sinne habe.

Hiergegen hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie das erstinstanzliche Vorbringen weiter verfolgt und beantragt hat, unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung dem Antrag aus der Antragsschrift stattzugeben.

Die Antragsgegner sind der sofortigen Beschwerde entgegen getreten und haben deren Zurückweisung beantragt. Sie haben nochmals auf § 15 der Teilungserklärung verwiesen.

Durch den angefochtenen Beschluss (Bl. 198 ff. d. A.), auf dessen Einzelheiten verwiesen wird, hat das Landgericht den amtsgerichtlichen Beschluss abgeändert und den Antragsgegnern aufgegeben, die von ihnen errichtete Pergola auf der Terrasse vor ihrer im ersten Obergeschoss der Liegenschaft A-Str. in O1 belegenen Eigentumswohnung baulich so zu verändern, dass die Pergola in der Höhe nicht über die Höhenlinie der Fußbodenoberkante der im zweiten Obergeschoss der Liegenschaft gelegenen Wohnung der Antragstellerin hinausrage. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Einleitung des Gerichtsverfahrens nicht von der Einhaltung der Regelung in § 15 der Teilungserklärung abhängig sei, weil es sich hierbei lediglich um eine Empfehlung zur gütlichen Regelung und nicht um eine Schiedsgerichtsvereinbarung gemäß den §§ 1025 ff. ZPO handele. Die Beschwerde sei begründet, da ein Mehrheitsbeschluss zur Genehmigung der konkreten Bauausführung fehle. Daraus ergebe sich ein Beseitigungsanspruch gemäß den §§ 1004 BGB, 15 Abs. 3, 14 Nr. 4 WEG. Die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme beinhalte auch, dass die Sondereigentümer keine Aufbauten im Außenbereich errichten dürften, die über die Innenraumhöhe ihres Sondereigentums hinausgingen. Der Anspruch der Antragstellerin sei auch nicht wegen Rechtsmissbrauchs oder Verwirkung ausgeschlossen.

Gegen diesen am 05.03.2007 zugestellten Beschluss haben die Antragsgegner mit am 13.03.2007 eingegangenem Schriftsatz (Bl. 224 ff. d. A.), auf dessen Einzelheiten verwiesen wird, sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Sie stützen sich wiederum darauf, dass der Antrag bereits mangels Einhaltung der Regelung in § 15 der Teilungserklärung unzulässig gewesen sei. Darüber hinaus rügen sie die Rechtsanwendung des Landgerichts in materiell-rechtlicher Hinsicht.

Sie beantragen,

die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt vom 26.02.2007 aufzuheben und den Antrag der Antragstellerin kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die sofortige weitere Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen.

Wegen ihres Vorbringens im Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 26.03.2007 (Bl. 232 ff. d. A.) verwiesen.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist gemäß § 45 Abs. 1 WEG statthaft und auch ansonsten zulässig, so insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Der angefochtene Beschluss beruht auf einer Verletzung des Rechts, §§ 43 Abs. 1 WEG, 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO.

Der gerichtliche Antrag der Antragstellerin ist zur Zeit unzulässig. Zu Recht haben die Antragsgegner in allen Instanzen ausdrücklich gerügt, dass nach § 15 der Gemeinschaftsordnung Streitigkeiten zunächst vor der Einleitung gerichtlicher Schritte dem Verwaltungsbeirat vorzutragen sind. Dieser ist verpflichtet, im Einvernehmen mit dem Verwalter auf eine gütliche Einigung hinzuwirken. Das Amtsgericht ist im Beschluss vom 12.05.2006 hierauf nicht eingegangen. Die Auffassung des Landgerichts, dass in dieser Regelung keine Schiedsgerichtsvereinbarung gemäß den §§ 1025 ff. ZPO zu sehen ist, ist zwar zutreffend. Nach ganz einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur wird aber durch eine derartige Regelung für Streitigkeiten zwischen den Wohnungseigentümern im Sinne von § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG das Verfahrenshindernis eines Vorschalt- oder Güteverfahrens geschaffen; der Antrag bei dem Wohnungseigentumsgericht ist solange unzulässig, als das Verfahren nicht durchgeführt (und erfolglos geblieben) ist. Gegen eine solche Regelung ist rechtlich nichts einzuwenden; sie kann - wie hier - in der Gemeinschaftsordnung der Wohnungseigentümer gemäß den §§ 5 Abs. 4, 8 Abs. 2 Satz 1, 10 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 WEG niedergelegt werden. § 1031 ZPO gilt auch nicht entsprechend (vgl. etwa BayObLG WuM 1996, 724 zu einer annähernd wortgleichen Regelung; Niedenführ/Schulze, WEG, 7. Aufl., Vor §§ 43 ff. WEG Rz. 26; Staudinger/Wenzel, BGB, Stand Juli 2005, Vorbem zu §§ 43 ff. WEG Rz. 87; Weitnauer/Mansel, WEG, 9. Aufl., § 43 Rz. 34a; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 10 Rz. 45; Vor § 43 Rz. 26; Palandt/Bassenge, BGB, 66. Aufl., § 43 WEG Rz. 1, jeweils mit vielfältigen weiteren Nachweisen). Wie ausgeführt, ist ein Antrag nach § 43 WEG dann mangels Vorliegens einer Verfahrensvoraussetzung solange als zur Zeit unzulässig abzuweisen, als der Güteversuch nicht gescheitert ist (Weitnauer/Mansel, a.a.O., § 43 Rz. 34a; Bärmann/Pick/Merle, a.a.O., Vor § 43 Rz. 26; Niedenführ/Schulze, a.a.O., Vor §§ 43 ff. WEG Rz. 26, je m. w. N.). Es handelt es sich bei der Regelung in § 15 der Gemeinschaftsordnung auch nicht lediglich um eine bloße Empfehlung; anders als etwa in dem dem Beschluss des Senats in OLGZ 1988, 63 (vgl. auch OLG Zweibrücken ZMR 1986, 63) zugrunde liegenden Sachverhalt ist das Verfahren hier nicht als bloße "Soll-Vorschrift" formuliert, sondern zwingend ausgestaltet ("Streitigkeiten... sind vor der Einleitung gerichtlicher Schritte dem Verwaltungsbeirat vorzutragen. Dieser ist verpflichtet, ...", vgl. im Ergebnis auch BayObLG WuM 1996, 724). Der Senat hat diese Verfahrensvoraussetzung als Rechtsbeschwerdegericht im Rechtsbeschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfen (vgl. Keidel/Kuntze/Meyer-Holz, FGG, 15. Aufl., § 27 Rz. 15), die weitere Beschwerde hat das Nichtvorliegen überdies auch ausdrücklich gerügt.

Vorliegend sind die Voraussetzungen dieses Vorschaltverfahrens nicht eingehalten worden. Die Antragsgegner haben dies in allen Instanzen des Verfahrens gerügt, ohne dass die Antragstellerin dem konkret entgegengetreten wäre. Sie hat nicht behauptet, ein derartiges Verfahren sei durchgeführt worden. Hiervon kann also auch nicht ausgegangen werden. Es ist ebenfalls nicht eingewandt worden oder sonst ersichtlich, dass entgegen dem Vorbringen der Antragsgegner etwa der in der Gemeinschaftsordnung vorgesehene Verwaltungsbeirat, dessen Existenz sich auch aus den vorgelegten Versammlungsprotokollen ergibt, nicht (mehr) bestellt worden wäre, unabhängig von der Frage, welche Folgen dies für das Erfordernis des Vorschaltverfahrens hätte. Insoweit bedarf es auch im Hinblick auf die hinweisende Verfügung des Landgerichts vom 26.01.2007 (Bl. 183 d. A.) keiner weiteren Ermittlungen mehr. Dass es sich vorliegend auch um eine Streitigkeit zwischen Sondereigentümern handelt, die das Gemeinschaftseigentum betrifft, liegt auf der Hand.

Die Durchführung des Vorschaltverfahrens ist hier auch nicht ausnahmsweise entbehrlich. Insbesondere ergibt sich dies nicht bereits dadurch, dass in den vorliegenden Gerichtsverfahren eine gütliche Einigung trotz mehrfacher Versuche der Gerichte (vgl. etwa den Widerrufsvergleich vor dem Amtsgericht) erfolglos geblieben ist. Insofern hat nämlich der Verwaltungsbeirat eine andere Funktion und andere Möglichkeiten als das Gericht. Gleiches gilt auch im Verhältnis zur Versammlung der Wohnungseigentümer. Nicht ausreichend wäre etwa eine Behandlung der "Streitigkeit" in der Wohnungseigentümerversammlung, die auch noch gar nicht ersichtlich wäre. Sie kann aus den genannten Gründen diese Aufgabe nicht an sich ziehen; dies wäre kein Ersatz für das vorgeschriebene Vorschaltverfahren (vgl. etwa BayObLG WuM 1996, 724; Weitnauer/Mansel, a.a.O., § 43 Rz. 34a; Bärmann/Pick/Merle, a.a.O., Vor § 43 Rz. 26).

Ist mithin der gerichtliche Antrag derzeit unzulässig, kommt es auf die materiell-rechtliche Berechtigung des gestellten Antrags nicht an. Der Senat hat sich deshalb einer diesbezüglichen rechtlichen Bewertung zu enthalten, auch um dem erforderlichen Vorschaltverfahren nicht vorzugreifen.

Es entspricht billigem Ermessen, dass die Antragstellerin die Gerichtskosten des gesamten Gerichtsverfahrens zu tragen hat, da sie mit ihrem Antrag unterlegen ist, § 47 Satz 1 WEG.

Gründe, ausnahmsweise die Erstattungsfähigkeit außergerichtlicher Kosten anzuordnen, § 47 Satz 2 WEG, hat der Senat schon wegen der unterschiedlichen Entscheidungen der Vorinstanzen nicht gesehen.

Die Wertfestsetzung folgt derjenigen durch das Landgericht, § 48 Abs. 3 WEG.

Ende der Entscheidung

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