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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 09.07.2003
Aktenzeichen: 20 W 114/03
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1908 b
FGG § 29
FGG § 22
FGG § 69 i VII
1. Ein Betreuer ist für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge ungeeignet, wenn er trotz mehrfacher gerichtlicher Aufforderungen und Zwangsgeldandrohung kein ordnungsgemäßes Vermögensverzeichnis sowie Rechnungslegung beim Vormundschaftsgericht einreicht, nicht für eine von seinem eigenen Vermögen sauber getrennte Kontenführung sorgt und unklare vertragliche Verhältnisse bei der Mitbenutzung des Wohnhauses des Betreuten die konkrete Gefahr einer Interessenkollision begründen.

2. Zur falschen Bezeichnung des Rechtsmittels durch den Prozessbevollmächtigten .

3. Zur Anhörung des Betreuten zur Betreuerentlassung in der Beschwerdeinstanz.


OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

20 W 114/03

Entscheidung vom 9. Juli 2003

In dem Betreuungsverfahren

...

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortigen weiteren Beschwerden des Betroffenen und der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 12. Februar 2003 am 09. Juli 2003 beschlossen:

Tenor:

Die sofortigen weiteren Beschwerden werden zurückgewiesen.

Der Antrag des Betroffenen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird abgelehnt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Beschwerdewert: 3.000,-- EUR.

Gründe:

Die gemäss § 69 g Abs. 4 Ziffer 3 FGG statthaften sofortigen weiteren Beschwerden, mit welchen sich der Betroffene und die Beteiligte zu 1) gegen die Entlassung der Beteiligten zu 1) als Betreuerin für Vermögensangelegenheiten und die diesbezügliche Bestellung des Beteiligten zu 2) und bisherigen Kontrollbetreuers wenden, sind zulässig.

Insbesondere wurde das Rechtsmittel durch die Bet. zu 1) rechtzeitig eingelegt. Allerdings hat der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1) innerhalb der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist (§§ 29 Abs. 2, 22 Abs. 1 FGG) lediglich einen Schriftsatz eingereicht, mit dem beantragt wurde, die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Trotz dieser falschen Bezeichnung des Rechtsmittels geht der Senat jedoch davon aus, dass zugunsten der Beteiligten zu 1) dem Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten hinreichend deutlich im Wege der Auslegung entnommen werden kann, dass sie sich mit dem zulässigen Rechtsmittel der sofortigen weiteren Beschwerde gegen den angefochtenen Beschluss des Landgerichts wenden will.

Auch die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen ist als unselbständige Anschlussbeschwerde im vorliegenden Falle als zulässig zu erachten, da er sich im Sinne einer Gegnerstellung gegen die Entlassung der Beteiligten zu 1) als Betreuerin für die Vermögenssorge und die diesbezügliche Bestellung des Beteiligten zu 2) zum Betreuer wendet (vgl. hierzu Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 22 Rn. 8/9).

Die zulässigen Rechtsmittel führen jedoch in der Sache nicht zum Erfolg, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO). Die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Entlassung der Beteiligten zu 1) als Betreuerin für die Vermögenssorge gegeben sind.

Gemäß § 1908 b Abs. 1 Satz 1 BGB ist ein Betreuer zu entlassen, wenn seine Eignung, die Angelegenheiten des Betreuten zu besorgen, nicht mehr gewährleistet ist oder ein anderer wichtiger Grund vorliegt. Dabei kommt es für die Beurteilung der mangelnden Eignung des Betreuers auf ein Verschulden nicht zwingend an. Die mangelnde Eignung kann sich insbesondere aus Pflichtverletzungen des Betreuers, einer Überforderung etwa im Zusammenhang mit einer Vermögensverwaltung (vgl. hierzu BayObLG FamRZ 2000, 514) oder der Gefahr erheblicher konkreter Interessenkonflikte (vgl. hierzu OLG Zweibrücken BtPrax 1997, 64) ergeben. Bezieht sich die mangelnde Eignung eines Betreuers nur auf einen von mehreren Aufgabenkreisen, so kann im Wege einer teilweisen Entlassung nur dieser betroffene Aufgabenkreis entzogen und hierfür ein weiterer Betreuer gemäß § 1899 Abs. 1 BGB bestellt werden (vgl. OLG Zweibrücken FGPrax 1998, 57; BayObLG FamRZ 1995, 1232; Palandt-Diederichsen, BGB, 61. Aufl., § 1908 b Rn. 7). Hiernach sind die Vorinstanzen zutreffend davon ausgegangen, dass die Bet zu 1) als Betreuerin für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge ungeeignet ist.

Erhebliche Bedenken gegen die Eignung der Bet. zu 1) ergeben sich bereits aus dem vom Landgericht in seiner Entscheidung herausgestellten Umständen, dass diese in der Vergangenheit entweder nicht willens oder aber nicht in der Lage war, trotz mehrfacher gerichtlicher Aufforderungen und Erinnerungen sowie Androhung von Zwangsgeldern die ihr als Betreuerin für die Vermögenssorge selbst obliegenden Aufgaben der ordnungsgemäßen Rechnungslegung und fristgerechten Einreichung von Vermögensverzeichnissen zu erfüllen und für eine übersichtliche und von ihrem eigenen Vermögen sauber getrennte Führung der Konten des Betroffenen und des weiteren Mitbewohners D. zu sorgen. Dabei lässt der Senat dahinstehen, ob diese Gründe allein eine mangelnde Eignung zur Erledigung der Vermögenssorge tragen.

Denn jedenfalls ergibt sich ein solcher Eignungsmangel aus der Gesamtschau bei zusätzlicher Berücksichtigung der konkreten Gefahr der Interessenkollision im Vermögensbereich, auf den bereits das Amtsgericht zutreffend abgestellt hat. Der Betroffene und dessen Cousin Johannes D., der ebenfalls der Unterstützung durch einen Betreuer bedarf, sind Miteigentümer des Hausanwesens Lange Ortsstraße 18 in Gießen, für dessen Erwerb ganz erhebliche Kreditverpflichtungen zu bedienen sind. Für die Beteiligte zu 1) ist im Grundbuch eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht) eingetragen. Sie hat sich nach eigenen Angaben gegenüber der Bank ebenfalls zur Bedienung der Darlehensverbindlichkeiten verpflichtet. Das Anwesen wird neben den Eigentümern von der Beteiligten zu 1), deren Kindern und ihrem Lebensgefährten bewohnt. Während die Beteiligte zu 1) in der Vergangenheit auf entsprechende Nachfragen und Beanstandungen des Kontrollbetreuers und auch noch im Anhörungstermin des Amtsrichters vom 04. Dezember 2002 behauptete, es gebe keine schriftlichen Mietverträge oder Vereinbarungen über Gegenleistungen für die Gewährung des Wohnrechtes, Verteilung der Nebenkosten und Kreditverbindlichkeiten, machte sie mit der Beschwerde erstmals geltend, sich in einer notariellen Vereinbarung, die sie jedoch nicht vorgelegt hat, zur Zahlung einer monatlichen Miete von 1.050,-DM und pauschalen Nebenkosten von 450,-- DM verpflichtet zu haben und seit 1999 darüber hinaus 100,-- DM Miete mehr zu zahlen. Zwar macht die Beteiligte zu 1) geltend, die notarielle Vereinbarung sei getroffen worden, als für den Betroffenen und dessen Cousin D. noch keine Betreuung bestanden habe. Die Ausführungen des Sachverständigen B. in der Betreuungsakte, wonach der Betroffene aufgrund des diagnostizierten hirnorganischen Psychosyndroms bezüglich der Geld- und Vermögensangelegenheiten als geschäftsunfähig anzusehen ist, geben jedoch Anlass zur Überprüfung der Rechtswirksamkeit und Angemessenheit dieser Vereinbarung durch einen neutralen Betreuer im Rahmen der Vermögenssorge. Des weiteren haben die Vorinstanzen zutreffend berücksichtigt, dass in der Vergangenheit durch die gemeinsame Kontenführung und Vermischung der Einkünfte der Hausbewohner eine unübersichtliche Situation geschaffen wurde, die nicht eindeutig erkennen lässt, welcher Hausbewohner welche Beiträge zu der gemeinsamen Haushaltsführung sowie zur Tilgung der Darlehensverpflichtungen geleistet hat. Hinzu kommen die widersprüchlichen Angaben der Betroffenen zu den zu Grunde liegenden Vereinbarungen. Diese Gesamtumstände begründen die konkrete Gefahr einer Interessenkollision im Bereich der Vermögenssorge und tragen die Annahme der fehlenden Eignung der Bet. zu 1) als Betreuerin für die Vermögenssorge. Dem in der Anhörung vor dem Amtsrichter geäußerten Wunsch des Betroffenen, die Bet. zu 1) als Betreuerin für diesen Aufgabenkreis zu belassen, konnte deshalb aus Rechtsgründen nicht entsprochen werden.

Letztlich beruht die Entscheidung des Landgerichts auch nicht auf einem Verfahrensfehler, da eine Wiederholung der persönlichen Anhörung des Betroffenen durch das Beschwerdegericht gesetzlich nicht zwingend geboten war. Gemäß § 69 i Abs. 7 FGG hat das Gericht den Betroffenen und den Betreuer persönlich anzuhören, wenn der Betroffene ­ wie im vorliegenden Verfahren ­ der Entlassung des Betreuers widerspricht. Diese Anhörung hat der Amtsrichter vor seiner Entscheidung vorgenommen. Allerdings wird eine persönliche Anhörung des Betroffenen in aller Regel auch in der Beschwerdeinstanz geboten sein (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., § 69 i Rn. 14). Im vorliegenden Falle war dem Beschwerdegericht bereits aufgrund des Protokolls der persönlichen Anhörung des Betroffenen durch den Amtsrichter bekannt, dass dieser sich gegen eine Entlassung der Beteiligten zu 1) als Betreuerin für die Vermögenssorge ausgesprochen hatte. Diesen Wunsch des Betroffenen und die von ihm hierzu vorgebrachten Gründe hat das Landgericht somit gesehen und berücksichtigt, aufgrund des in materieller Hinsicht gegebenen Eignungsmangels der Beteiligten zu 1) jedoch einen Betreuerwechsel gleichwohl für nötig erachtet. Auch im Falle einer erneuten persönlichen Anhörung wäre deshalb mit einer anderen Entscheidung nicht zu rechnen gewesen.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe konnte mangels Erfolgsaussicht der beabsichtigtenRechtsverfolgung gemäß §§ 14 FGG, 114 ZPO nicht erfolgen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 131 Abs. 3 KostO.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes ergibt sich aus §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO.

Ende der Entscheidung

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