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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 12.10.2009
Aktenzeichen: 20 W 116/07
Rechtsgebiete: BGB, GBO


Vorschriften:

BGB § 167
BGB § 177
BGB § 1105
GBO § 53 Abs. 1 S. 1
1. Eine Gesetzesverletzung im Sinn des § 53 Abs. 1 GBO liegt nicht vor, wenn die Auslegung einer Urkunde durch das Grundbuchamt rechtlich vertretbar ist.

2. Rechtlich vertretbar ist die Auslegung einer Vollmacht für Notariatsangestellte, alle Erklärungen, die zur Eigentumsumschreibung eines auf Rentenbasis übertragenen Grundstücks erforderlich sein sollten, dahin, dass sie zur Abänderung einer Gleitklausel ermächtigt, die sonst mangels Genehmigung der Landeszentralbank die Eintragung einer Reallast zu Gunsten der Veräußerer verhindert hätte.


Tenor:

Die weitere Beschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde.

Der Geschäftswert der weiteren Beschwerde wird auf 3.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

Der Antragsteller ist seit 1995 als Eigentümer des betroffenen Grundstücks im Grundbuch eingetragen. Eigentum an diesem Grundstück erwarb er von dem Voreigentümer A. A hat das Grundstück seinerseits 1990 von B übertragen bekommen. B wiederum erwarb das Grundstück von dem inzwischen verstorbenen Gärtnermeister Herr C und dessen Ehefrau Frau C teilweise auf Rentenbasis. Die Auflassung für den letztgenannten Eigentumserwerb wurde in dem am 03.05.1984 zu UR-Nr. .../84 des Notars D, O1, (Bl. 28-36 d. A.) protokollierten Vertrag erklärt. Unter § 11 des Vertrages war folgende Vollmacht enthalten:

"Die Erschienenen erteilen hiermit den Büroangestellten

a.) Frau E

b.) Frau F

dienstliche Anschriften H-Straße ..., O1, jede für sich selbst handelnd unter Befreiung des § 181 BGB, Vollmacht, alle Erklärungen die zur Eigentumsumschreibung erforderlich sein sollten, abzugeben."

In diesem Vertrag wurde u. a. zu Gunsten der Verkäufer die Eintragung einer Reallast bewilligt. Diese richtete sich hinsichtlich ihrer Höhe ab Juli 1990 nach einem Mittelwert aus den Änderungen der Lebenshaltungskosten eines Vierpersonenhaushaltes der mittleren Verbrauchergruppe einerseits und den vom Statistischen Bundesamt jeweils veröffentlichten Erzeugerpreisen gärtnerischer Produkte andererseits, bezogen auf den Stand 31.12.1989= 100. Das Grundbuchamt verlangte nach zunächst formlosen Hinweisen mit Zwischenverfügung vom 23.01.1987 die Genehmigung gemäß dem bis zum 01.09.1999 geltenden § 3 Währungsgesetz. Genehmigungsfähig war eine solche Wertsicherungsklausel nur dann, wenn eine Änderung sowohl nach oben als auch nach unten ausdrücklich vorgesehen war. Zu einer Nachtragsurkunde vom 27.01.1987, in der eine Veränderung nach unten nicht ausdrücklich vorgesehen war, wurde keine Genehmigung der ...-Bank vorgelegt. Die Notariatsangestellte F des Notars D erklärte daraufhin in einer Nachtragsurkunde vom 17.02.1987 die Änderung der Wertsicherungsklausel, die auch eine Ermäßigung der Rente vorsah, wobei sie sich auf die Vollmacht in der notariellen Urkunde vom 03.05.1984 berief (Bl. 49-51 d. A.). Unter dem 25.02.1987 erteilte die ...-Bank die Genehmigung gemäß § 3 Satz 2 Währungsgesetz zu der Lebenshaltungskostenindexklausel in dem Vertrag vom 03.05.1984 in der Fassung des Nachtrags vom 17.02.1987 samt der Eintragung einer entsprechenden Reallast im Grundbuch (Bl. 53 d. A.). Daraufhin erfolgten am 04.06.1987 die mit Antrag vom 12.07.1984 beantragten Eintragungen der Eigentumsumschreibung, eines Wohnrechtes und der Reallast "mit Wertsicherungsklausel ... gemäß Bewilligungen vom 3.5.1984, 27.1.1987 und 17.2.1987".

In dem am 10.08.1994 zu UR-NR. .../94 der Notarin K, O1, protokollierten Kaufvertrag hat der Antragsteller das Wohnrecht und die Reallast übernommen, "so wie sie bewilligt und eingetragen wurden."

Mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 11.05.2006 hat der Antragsteller die Berichtigung des Grundbuchs begehrt (Bl. 176 d. A), mit dem Ziel, die bisherige Eintragung der Wertsicherungsklausel bei der Reallast zu löschen.

Der Antragsteller hat vorgetragen, dass die Notariatsangestellte bei den Abänderungen der Wertsicherungsklausel ohne Vollmacht gehandelt habe. Die vorgenommene Änderung der Wertsicherungsklausel sei nicht von der Vollmacht in Ziffer 11 des Vertrags vom 03.05.1984 erfasst, vielmehr berechtige diese nur zur Beseitigung von Hindernissen bei der Eigentumsumschreibung, nicht jedoch zur Abänderung anderer Inhalte des Kaufvertrags.

Mit Schreiben vom 17.05.2006 und 14.06.2006 hat das Grundbuchamt dem Antragsteller mitgeteilt, dass es keine Veranlassung sehe, die Wertsicherungsklausel aufgrund Unrichtigkeit zu löschen oder einen entsprechenden Amtswiderspruch einzutragen. Im letztgenannten Schreiben hat die Rechtspflegerin ausgeführt, die Vollmacht für die Notariatsangestellten müsse hier großzügiger ausgelegt werden. Da die Eigentumsumschreibung nicht ohne gleichzeitige Eintragung der Reallast erfolgen sollte, habe es dem Willen der Vertragsbeteiligten entsprochen, die Notariatsangestellten insoweit zu bevollmächtigen, sämtliche zur Eintragung der Umschreibung und der Reallast erforderlichen Erklärungen abzugeben. Mit Beschluss vom 21.06.2006 (Bl. 188 d. A.) hat das Grundbuchamt den Antrag auf Löschung der Wertsicherungsklausel unter Bezugnahme auf die Schreiben vom 17.05. und 14.06.2006 zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss des Grundbuchamtes hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt. Wegen des Vortrags des Antragstellers wird auf die Beschwerdeschrift des Verfahrensbevollmächtigten vom 24.08.2006 (Bl. 192-225 d. A.) Bezug genommen. Das Grundbuchamt hat der Beschwerde mit Verfügung vom 29.08.2006 nicht abgeholfen und die Akten dem LG zur Entscheidung vorgelegt.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 07.03.2007 die Beschwerde zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das Grundbuch sei nicht unrichtig. Die vorliegende Vollmacht im Kaufvertrag vom 03.05.1984 decke die von den bevollmächtigten Notariatsangestellten vorgenommenen Erklärungen ab mit der Folge, dass die vom Antragsteller beanstandete Eintragung zu Recht erfolgt sei.

Die Vollmacht der Notariatsangestellten umfasse im Außenverhältnis alle zur Eigentumsumschreibung erforderlichen Erklärungen. Zwischen den drei in der Kaufvertragsurkundeabgegebenen Bewilligungen und Anträgen (Eigentumsumschreibung, Einräumung eines Wohnrechts und Bewilligung einer Reallast) habe ein innerer Zusammenhang wirtschaftlicher und rechtlicher Natur bestanden, der die Einheitlichkeit der Erledigung als gewollt vermuten lasse. Die Verbindung der Anträge ergebe sich zudem aus der gemeinsamen Stellung der Anträge durch den Notar D am 12.07.1984 sowie der gemeinsamen Erledigung durch das Grundbuchamt mit Eintragungsverfügung vom 27.03.1987. Eine solche Verbindung mehrerer Eintragungsanträge nach § 16 Abs. 2 GBO führe aber dazu, dass die gestellten Anträge grundsätzlich inhaltlich nur einheitlich behandelt werden dürften, also nur gemeinsam vollzogen oder zurückgewiesen werden können

Die Übertragung des Eigentums habe demgemäß nur erfolgen sollen, wenn im Gegenzug zugunsten der Verkäufer die Reallast und das Wohnrecht eingeräumt würden. Damit sei es erforderlich gewesen, die Änderung der Wertsicherungsklausel herbeizuführen, um überhaupt eine Durchführung der Eigentumsumschreibung zu erreichen. Dies wiederum habe zur Folge gehabt, dass aufgrund der Vollmacht die Notariatsangestellten bevollmächtigt gewesen seien, die der Eigentumsumschreibung aufgrund der Wertsicherungsklausel im Weg stehenden Hindernisse auszuräumen, um die von den Käufern begehrte Eigentumsumschreibung zu erreichen.

Mit seiner weiteren Beschwerde gegen diesen Beschluss macht der Antragsteller geltend, das Landgericht habe sich nicht damit auseinandergesetzt, dass die der Notariatsangestellten für die Eintragung des Eigentümerwechsels eingeräumte Vollzugsvollmacht nicht die Befugnis umfasst habe, eine inhaltliche Änderung der schuldrechtlichen Wertsicherungsklausel vorzunehmen und nachträglich eigenmächtig die Willensbildung der Vertragsparteien zu gestalten. Auch wenn es erforderlich gewesen sei, die Änderung der Wertsicherungsklausel herbeizuführen, habe dies nicht zur Folge, dass die Notariatsangestellte bevollmächtigt gewesen sei, zur Ausräumung des Eintragungshindernisses völlig frei die Gegenleistung des Käufers zu bestimmen.

Die gemäß § 80 Abs. 1 Satz 2 GBO a. F. formgerecht eingelegte weitere Beschwerde ist zulässig. Auf das vorliegende Verfahren ist gemäß Art. 111 FG-RG die GBO in der vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit am 01.09.2009 geltenden Form anzuwenden.

Der Antragsteller ist auch beschwerdebefugt. Für die beschränkte Beschwerde gegen eine Grundbucheintragung mit dem Ziel der Eintragung eines Amtswiderspruchs ist derjenige beschwerdeberechtigt, der nach § 894 BGB einen Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs hätte, wenn die angefochtene Eintragung unrichtig wäre und zu dessen Gunsten der Widerspruch einzutragen wäre (KG Rpfleger 1972, 174; BayObLG Rpfleger 1987, 450; OLG Hamm FGPrax 1996, 210; Demharter, GBO, 26. Aufl., § 71, Rdnr. 69). Da der Antragsteller im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung der aus der streitgegenständlichen Reallast Verpflichtete ist, würde er durch die Eintragung mit einem nicht der materiellen Rechtslage entsprechenden Inhalt der Belastung im Sinn des § 894 BGB beeinträchtigt.

Die weitere Beschwerde hat in der Sache aber keinen Erfolg, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einem Rechtsfehler beruht (§§ 78 GBO a. F., 546 ZPO). Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen für die Eintragung eines Amtswiderspruchs gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO, nämlich die Vornahme einer Eintragung unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften mit der Folge der Unrichtigkeit des Grundbuchs, verneint. Auch wenn eine Eintragung, an die sich gutgläubiger Erwerb anschließen kann, wegen ursprünglicher Unrichtigkeit auf Grund Unrichtigkeitsnachweises berichtigt werden soll, greift die Beschränkung des § 71 Abs. 2 GBO ein, weil sich die Beschwerde in Wahrheit gegen eine angeblich von Anfang an unrichtige Eintragung richtet (Bauer/von Oefele: GBO, 2. Aufl., § 71, Rdnr. 57-59; Demharter: GBO, 26. Aufl., § 71, Rdnr. 30 m. w. H.).

Das Grundbuchamt hatte, da die Bewilligung der Eintragung der streitgegenständlichen Reallast auf Grund der in dem notariellen Vertrag vom 03.05.1984 den Notariatsangestellten erteilten Vollmacht erfolgt ist, das Vorliegen der Vertretungsmacht selbständig zu prüfen ohne Bindung an die Auslegung des Notars (Demharter, aaO., § 19, Rdnr. 74; Hügel: GBO, Rdnr. 108; Schöner/Stöber: Grundbuchrecht, 14. Aufl., Rdnr. 3580). Im Rahmen dieser Überprüfung oblag dem Grundbuchamt auch die Auslegung der Vollmacht, auf Grund derer die Notariatsangestellte F für die Vertragsbeteiligten bei der Beurkundung der Nachtragsurkunde vom 17.02.1987 handelte.

Wenn das Grundbuchamt vor der Eintragung eine Urkunde auszulegen hat, so liegt keine Gesetzesverletzung im Sinne des § 53 Abs.1 Satz 1 GBO vor, solange die Auslegung nach dem zur Zeit der Eintragung dem Grundbuchamt unterbreiteten Sachverhalt rechtlich vertretbar ist. Eine nachträgliche andere Auslegung von Eintragungsunterlagen rechtfertigt für sich nie einen Amtswiderspruch (OLG Hamm DNotZ 1967, 686 und DNotZ 1968, 631, 533; KG DNotZ 1972, 176, 178; OLG Frankfurt am Main-20. ZS- Rpfleger 1976, 132 und 1979, 106; Senat, Beschl. v. 07.09.2009-20 W 157/2008-; Bauer/von Oefele/Meincke: GBO, 2. Aufl., § 53, Rdnr. 57; Meikel-Streck: Grundbuchrecht, 10. Aufl., § 53 Rdnr. 78).

Dem Antragsteller ist darin zu folgen, dass die am 03.05.1984 den Notariatsangestellten erteilte Vollmacht sich nach ihrem Wortlaut nicht auf die inhaltliche Änderung der Anpassungsklausel erstreckte. Offenbar hatten weder der beurkundende Notar, noch die Vertragsbeteiligten bedacht, dass diese in der vereinbarten Form zwar genehmigungsbedürftig nach § 3 Abs. 2 Währungsgesetz, aber nicht genehmigungsfähig war. Nach einer in der Rechtsprechung im Vordringen begriffenen Auffassung wird aber jedenfalls für die rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung des Urkundsnotars - und auch die Bevollmächtigung von Notariatsangestellten kann nur rechtsgeschäftlich erfolgen, da § 15 GBO nur für den Notar gilt - eine weitergehende Auslegung des Vollmachtsumfangs bei vergleichbaren Sachgestaltungen vertreten. Danach soll auch eine Vollzugsvollmacht ihrem Sinn nach gerade diejenigen typischerweise notwendigen Erklärungen zur Vertragsabwicklung abdecken, die von den Beteiligten oder vom Notar bei Vertragsunterzeichnung übersehen wurden (BGHReport 2006, 147 zit. nach juris; Oberlandesgericht München Rpfleger 2006, 392, 393; Landgericht Saarbrücken Rpfleger 2000, 109; Bauer/von Oefele, aaO., § 15, Rdnr. 35). Insoweit ist der Antragsteller auch den Ausführungen des Landgerichts zu der inhaltlichen Verknüpfung der Eigentumsumschreibung mit der Eintragung der Reallast, zu deren Erreichung wiederum die Beurkundung eines genehmigungsfähigen Inhalts erforderlich war, nicht entgegengetreten. Die Auslegung der Vollmacht dahingehend, dass auch eine inhaltliche Abänderung der Wertsicherungsklausel umfasst sein sollte, wenn ansonsten mangels Genehmigung durch die ...-Bank keine Eintragung hätte erfolgen können, ist jedenfalls rechtlich vertretbar. Dass die nach dem Tod ihres Ehemannes jetzt noch allein eingetragene Berechtigte der Reallast in dem von ihr betriebenen Verfahren auf Zahlung der Differenzbeträge, in dem der Antragsteller durch Urteil des Landgericht Darmstadt vom 20.01.2004 -3 O 557/03- (Bl. 215-219) zur Zahlung verurteilt worden ist, die Auffassung vertreten hat, eine Befugnis zur inhaltlichen Abänderung der Gleitklausel habe nicht vorgelegen, steht dem nicht entgegen. Nach dem Akteninhalt wurden den Vertragsbeteiligten auch jeweils eine Abschrift der Nachtragsurkunden vom 27.01. und 17.02.1987 sowie die Eintragungsnachrichten bezüglich der Eintragungen vom 04.06.1987 übersandt, ohne dass sie erkennbar diesen Mitteilungen entgegengetreten wären. Es kann auch nicht angenommen werden, dass den Vertragsbeteiligten der Grund für die Verzögerung des Vollzugs des Vertrages vom 03.05.1984 bis zum 04.06.1987 verborgen geblieben wäre.

Die Entscheidung über die Gerichtskosten beruht auf § 131 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KostO.

Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde richtet sich nach den §§ 131 Abs. 2, 30 KostO.

Ende der Entscheidung

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