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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 22.10.2009
Aktenzeichen: 20 W 175/09
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 928
BGB § 1821 Abs. 1 S. 1
BGB § 1908 Abs 1
BGB § 2100
BGB § 2113
BGB § 2120
FGG § 20 Abs. 1
FGG § 69g Abs. 1
Erteilt das Vormundschaftsgericht einen Vorbescheid, mit dem die Genehmigung zur Aufgabe des Eigentums durch den Betreuer an einem Hausgrundstück angekündigt wird, welches der Betreute als nicht befreiter Vorerbe erhalten hat und dessen Unterhaltungskosten er aus seinem Einkommen und Vermögen nicht finanzieren kann, so ist eine Beschwerdeberechtigung des Nacherben, der die Zustimmung zur Veräußerung des Grundstückes verweigert, zur Anfechtung dieses Vorbescheides nicht gegeben.
Tenor:

Rechtsanwalt A wird der Betroffenen auch für das Verfahren der weiteren Beschwerde als Verfahrenspfleger beigeordnet; die Verfahrenspflegschaft wird berufsmäßig geführt.

Der angefochtene landgerichtliche Beschluss wird aufgehoben.

Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Vorbescheid des Amtsgerichts Bad Hersfeld vom 02. Dezember 2008 wird als unzulässig verworfen.

Beschwerdewert: 3.000,-- EUR.

Gründe:

I.

Die 79jährige pflegebedürftige Betroffene, für die seit dem Jahre 2000 eine Betreuung eingerichtet ist, die sich u.a. auf den Aufgabenkreis der Vermögenssorge bezieht, lebt seit mehreren Jahren in dem eingangs bezeichneten Altenheim. Da ihre monatlichen Renteneinkünfte in Höhe von ca. 600,-- EUR zur Deckung der Heimpflegekosten nicht ausreichen, werden diese ergänzend vom Landkreis X als Sozialhilfeträger finanziert, der ihr auch ein monatliches Taschengeld von 90,-- EUR zahlt. Die Betroffene, deren sonstiges Vermögen lediglich aus einem Sparguthaben in Höhe von ca. 600,-- EUR besteht, ist Eigentümerin eines Grundstücks in O1, welches mit einem älteren und erheblich sanierungsbedürftigen Einfamilienhaus bebaut ist. Das Grundstück stand ursprünglich im Miteigentum zu je 1/2 der Betroffenen und ihres im Jahre 1986 verstorbenen Ehemanns. Nach dem Tode des Ehemanns wurde die Betroffene aufgrund eines Erbvertrages beschränkte alleinige Vorerbin; als Nacherbin nach dem Tod der Betroffenen ist deren einzige Tochter - die Beschwerdeführerin - eingesetzt.

Ausweislich der Eintragung im Grundbuch ist das Nacherbenrecht der Beschwerdeführerin seit dem Jahre 2002 an eine Bank verpfändet. Wegen der verauslagten Sozialhilfe für den Heimaufenthalt, die sich bis April 2008 auf insgesamt ca. 32.000,-- EUR aufsummierte, ist im Grundbuch eine Hypothek eingetragen.

Da die Betreuerin sich seit längerer Zeit außer Stande sieht, aus den nur noch aus dem Taschengeld bestehenden Einkünften der Betroffenen die laufenden Unterhaltungskosten für das Grundstück in Höhe von monatlich ca. 130,-- EUR aufzubringen, trat sie mehrfach vergeblich an die Beschwerdeführerin heran, um deren Zustimmung zur Veräußerung des Hauses bzw. zur Bewilligung der Löschung des Nacherbenvermerkes zu erlangen. Die Betreuerin hatte zwischenzeitlich einen Interessenten gefunden der für das Hausgrundstück, dessen Wert von einem Sachverständigen auf ca. 32.500 EUR geschätzt worden war, einen Kaufpreis von 25.000 EUR geboten hatte.

Schließlich stellte die Betreuerin im September 2008 beim Vormundschaftsgericht den Antrag, ihr die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung zum Verzicht auf das Eigentum an dem Grundstück B -Straße ... in O1 zu erteilen, da die Betroffene nicht mehr in der Lage sei, die Kosten für das Hausgrundstück zu tragen und die Tochter und Beschwerdeführerin einem Verkauf weiterhin nicht zustimme.

Nach Anhörung der Beschwerdeführerin und des Verfahrenspflegers erließ der Rechtspfleger des Vormundschaftsgerichts mit Beschluss vom 02. Dezember 2008 einen Vorbescheid, mit welchem er ankündigte, der Betreuerin die Genehmigung für die Erklärung des Verzichts auf das Eigentum an dem näher bezeichneten Grundstück gegenüber dem Amtsgericht - Grundbuchamt - sowie die Beantragung der entsprechenden Eintragung im Grundbuch zu erteilen, sofern nicht innerhalb einer Frist von 10 Tagen Einwände erhoben oder Beschwerde eingelegt werde.

Gegen diesen Vorbescheid legte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 18. Dezember 2008 "Widerspruch" ein, ohne diesen näher zu begründen. Nach Nichtabhilfe durch den Rechtspfleger hob das Landgericht mit Beschluss vom 30. April 2009 den Vorbescheid auf und wies den Antrag der Betreuerin auf Erteilung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung zum Verzicht auf das Eigentum für das Hausgrundstück ab. Zur Begründung führte das Landgericht im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin sei beschwerdeberechtigt, weil sie durch die angekündigte Genehmigung in ihrem Nacherbenrecht als subjektivem Recht im Sinne des § 20 Abs. 1 FGG beeinträchtigt werde. Die Beschwerde sei auch begründet, da der Eigentumsverzicht betrachtet aus dem Interesse der Betroffenen als unverhältnismäßig anzusehen sei. Auch wenn der als milderes Mittel zunächst in Betracht kommende Verkauf des Grundstücks an der verweigerten Zustimmung der Beschwerdeführerin scheitere, komme als weiteres milderes Mittel die Geltendmachung des Einwilligungsanspruchs gemäß § 2120 BGB, der notfalls im Klagewege durchgesetzt werden müsse, gegen die Beschwerdeführerin in Betracht, da diese zur Erteilung ihrer Einwilligung als Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung angesichts der finanziellen Situation der Vorerbin verpflichtet sei.

Gegen diesen ihm am 14. Mai 2009 zugestellten Beschluss hat der Verfahrenspfleger für die Betroffene am 25. Mai 2009 weitere Beschwerde eingelegt, mit der er im Wesentlichen geltend macht, die angekündigte vormundschaftsgerichtliche Genehmigung sei rechtlich nicht zu beanstanden und deshalb zu Unrecht aufgehoben worden. Angesichts der fehlenden Bereitschaft der Beschwerdeführerin, einem Verkauf des Hausgrundstücks zuzustimmen, sei es nicht zumutbar, der Betroffenen nunmehr angesichts ihrer problematischen finanziellen Situation aufzuerlegen, gegen ihre Tochter als Nacherbin einen Prozess zur Geltendmachung des Einwilligungsanspruchs gemäß § 2120 BGB zu führen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass ein jeweiliger Kaufinteressent nicht auf längere Zeit und die gesamte Dauer eines etwaigen Prozesses zur Verfügung stehe, was die Geltendmachung eines Anspruches zu einer konkreten Veräußerung erschwere. Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass ein etwaiger Prozess sich möglicherweise über mehrere Jahre hinziehen könne und in dieser Zeit erhebliche weitere Kosten für das Grundstück bei der Betroffen auflaufen würden oder diese - etwa im Falle der Nichtzahlung von Versicherungsprämien - einem erhöhten Haftungsrisiko ausgesetzt sei, was ihrem Wohl eindeutig widerspreche.

Die Beschwerdeführerin macht geltend, es habe dem Willen ihrer Eltern bei Abfassung des Erbvertrages entsprochen, dass das Haus nicht verkauft werde und sie es später in einem guten Zustand bekommen solle. Des Weiteren schildert sie ihre Konflikte mit dem früheren Lebensgefährten ihrer Mutter sowie der Betreuerin und macht geltend, ihren Vorstellungen, bereits zu Lebzeiten der Mutter in das Haus einzuziehen und diese dort zu pflegen, sei aus ihr nicht verständlichen Gründen nicht entsprochen worden.

II.

Die von dem Verfahrenspfleger eingelegte weitere Beschwerde ist zulässig.

Der Verfahrenspfleger war durch das Landgericht jedenfalls durch dessen Hinzuziehung zum Erstbeschwerdeverfahren konkludent bestellt worden und damit nach § 67 Abs. 2 FGG zur Einlegung der weiteren Beschwerde für die Betroffene berechtigt. Er war auch für das weitere Beschwerdeverfahren beizuordnen, da dies zur Wahrnehmung der Interessen der Betroffenen nach § 67 Abs. 1 FGG geboten ist. Die Betroffene ist durch die Aufhebung des Vorbescheids und die Versagung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung für die Eigentumsaufgabe in der Ausübung des ihr zustehenden Eigentumrechtes als subjektivem Recht im Sinne des § 20 Abs. 1 FGG unmittelbar und gegenwärtig beeinträchtigt und damit beschwerdeberechtigt (vgl. Jansen/Briesemeister, FGG, 3. Aufl., § 20 Rn. 47; Keidel/Kuntze/Kahl, FGG, 15. Aufl., § 20 Rn. 58 jeweils m. w. N.).

Die weitere Beschwerde führt auch in der Sache zum Erfolg, da die Entscheidung des Landgerichts auf einer Verletzung des Rechts beruht, §§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO.

Die Entscheidung des Landgerichts, mit welcher auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin der Vorbescheid aufgehoben und der Antrag der Betreuerin auf Erteilung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung zurückgewiesen wurde, kann bereits deshalb keinen Bestand haben, weil eine Beschwerdeberechtigung der Beschwerdeführerin zur Anfechtung der vom Vormundschaftsgericht mit dem Vorbescheid in Aussicht gestellten vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung für die Aufgabe des Eigentums an dem Grundstück nicht gegeben ist.

Bei der Aufgabe des Eigentums, die nach § 928 Abs. 1 BGB durch Erklärung des Verzichts des Eigentümers gegenüber dem Grundbuchamt und Eintragung dieses Verzichts in das Grundbuch vollzogen wird, handelt es sich um die Verfügung über ein Grundstück, für welche der Betreuer gemäß §§ 1908 i Abs. 1, 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bedarf. Dabei dient das Genehmigungsverfahren der §§ 1908 i Abs. 1, 1821 BGB dem Interesse und dem Wohl des Betreuten, wie es sich zur Zeit der Entscheidung unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände des Einzelfalles darstellt (vgl. BGH NJW 1986, 2829; BayObLG FamRZ 1998, 455). Das Gesetz gestaltet dieses Genehmigungsverfahren als eine innere Angelegenheit zwischen Vormund bzw. Betreuer und Vormundschaftsgericht aus, bei welchem es ausschließlich auf das Interesse des Mündels bzw. Betreuten ankommt und in welche ein Dritter zur Wahrnehmung seiner eigenen Rechte nicht eingreifen darf. Auch wenn sich das zur Genehmigung des Vormundschaftsgericht gestellte Rechtsgeschäft auf die Rechte einer dritten Person auswirken kann, ist diese in das Genehmigungsverfahren nicht einzubeziehen und gegen die in diesem Verfahren ergehende Entscheidung nicht beschwerdeberechtigt (vgl. Jansen/Briesemeister, a.a.O., § 20 Rn. 47 und Keidel/Kuntze/Kahl, a.a.O., § 20 Rn. 58 jeweils m. w. N.).

Danach ist im vorliegenden Falle eine Berechtigung der Beschwerdeführerin zur Anfechtung des Vorbescheides nicht gegeben.

Eine derartige Beschwerdeberechtigung ergibt sich zunächst trotz ihrer Stellung als Tochter nicht aus § 69 g Abs. 1 FGG, da diese Vorschrift nahen Angehörigen nur in Bezug auf Entscheidungen über den Bestand einer Betreuung bzw. in ihrer Gewichtung vergleichbaren Entscheidungen ausdrücklich ein eigenes Beschwerderecht einräumt. Einer der in dieser Vorschrift aufgeführten Tatbestände liegt bezüglich der Ankündigung oder Erteilung einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung nicht vor; die Vorschrift selbst ist abschließend und kann in ihrem Anwendungsbereich auch nicht durch eine Analogie ausgedehnt werden (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, a.a.O., § 69 g Rn. 9).

Des Weiteren kann auch aus der allgemeinen Vorschrift des § 20 Abs. 1 FGG eine Beschwerdeberechtigung der Beschwerdeführerin nicht abgeleitet werden. Nach dieser Vorschrift steht die Beschwerde jedem zu, dessen Recht durch eine gerichtliche Verfügung beeinträchtigt ist. Im vorliegenden Falle ist die Beschwerdeführerin aufgrund des mit ihren Eltern im Jahre 1986 abgeschlossenen Erbvertrages bezüglich des Nachlasses ihres Vaters Nacherbin gemäß § 2100 BGB geworden. Zum Nachlass des Vaters gehört auch der hälftige Miteigentumsanteil an dem Hausgrundstück in O1, welchen die Betroffene durch den Anfall der Vorerbschaft zusätzlich zu dem bereits zuvor in ihrem Eigentum stehenden Miteigentumsanteil erworben hat und somit Alleineigentümerin geworden ist.

Als solche kann die Betroffene bzw. die für sie tätige Betreuerin gemäß § 2113 Abs. 1 BGB über den zum Nachlass gehörigen Miteigentumsanteil zwar wirksam verfügen. Mit Eintritt des Nacherbfalles wird jedoch unabhängig von der Frage einer zuvor erteilten vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung jede Verfügung im Verhältnis zu der Nacherbin insoweit unwirksam, als sie deren Recht vereiteln oder beeinträchtigen würde. Zu den dinglichen Verfügungen eines Vorerben, die im Falle des Eintritts der Nacherbfolge dem Nacherben gegenüber relativ unwirksam werden, gehört auch die Dereliktion gemäß § 928 BGB (vgl. Staudinger/ Avenarius, BGB, Bearb. 2003, § 2113 Nr. 51). Die Rechte der Nacherbin sind somit durch die Vorschrift des § 2113 BGB und die dort vorgesehene relative Unwirksamkeit etwaiger Verfügungen hinreichend und abschließend gewährleistet. Demgegenüber ist es nicht Aufgabe des vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungsverfahrens nach §§ 1908 i Abs. 1, 1821 BGB, dem Nacherben eine über diesen Schutz durch die relative Unwirksamkeit der Verfügung hinaus gehende Verbesserung seiner Rechtsposition zu verschaffen.

Hieraus folgt, dass die Beschwerdeführerin als Nacherbin nicht in das vormundschaftsgerichtliche Genehmigungsverfahren nach §§ 1908 i Abs. 1, 1821 BGB als Beteiligte einzubeziehen war und ihr gegen die diesbezügliche Entscheidung des Rechtspflegers - auch in Gestalt eines Vorbescheides - keine Beschwerdeberechtigung eingeräumt werden kann, da der gesetzliche Genehmigungsvorbehalt nicht auf die Wahrung ihrer Rechte als Nacherbin abzielt, die durch die gesetzliche Regelung des § 2113 BGB hinreichend und abschließend geschützt sind.

Die von der Beschwerdeführerin gegen den Vorbescheid eingelegte Beschwerde erweist sich damit als unzulässig, so dass der der Erstbeschwerde stattgebende Beschluss des Landgerichts aufzuheben und die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Vorbescheid durch den Senat zurückzuweisen war.

Im Hinblick auf diese Verfahrenssituation ist dem Senat im Rahmen des weiteren Beschwerdeverfahrens nicht die Entscheidung über die materiell-rechtliche Frage angefallen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der beantragten vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung für die von der Betreuerin beabsichtigte Dereliktion erfüllt sind und die Eigentumsaufgabe dem insoweit allein maßgeblichen Interesse der Betroffenen entspricht, die allerdings als nicht befreite Vorerbin nicht berechtigt ist, die Substanz der Nachlassgegenstände für ihren Lebensunterhalt zu verwenden und gegenüber der Nacherbin zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses verpflichtet ist (vgl. hierzu Staudinger/Avenarius, a.a.O., § 2113 Rn. 78 f und § 2130 Rn. 2 und 7 ff.). Des Weiteren kann dahin stehen, wie sich die Verpfändung des Nacherbenrechtes als Anwartschaftsrecht auf eine etwaige Einwilligungspflicht der Nacherbin nach § 2120 BGB auswirken würde.

Die Entscheidung über die Gebührenfreiheit des Verfahrens der weiteren Beschwerde folgt aus § 131 Abs. 1 Satz 2 KostO.

Die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten ist gemäß § 13 Abs. 1 FGG nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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