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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 11.06.2008
Aktenzeichen: 20 W 178/08
Rechtsgebiete: BGB, VBVG


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 1899 Abs. 4
BGB § 1908 c
VBVG § 7
Führt nach dem Tod des zum Betreuer bestellten Mitarbeiters eines Betreuungsvereins ein zum Ersatzbetreuer bestellter anderer Mitarbeiter die Betreuung fort, weil der Vormundschaftsrichter auf Anfrage unzutreffend mitgeteilt hat, es bedürfe zunächst keiner neuen Betreuerbestellung, so kann dem Betreuungsverein aus Billigkeitsgründen eine Vergütung nicht mit dem Hinweis auf die fehlende Betreuerbestellung versagt werden.
Gründe:

I.

Für die mittellose Betroffene wurde durch Beschluss des Amtsgerichts vom 6. August 2004 Herr A als Mitarbeiter des zu 1) beteiligten Betreuungsvereins zum Berufsbetreuer bestellt; zugleich wurde für den Fall seiner Verhinderung Frau B ebenfalls als Mitarbeiterin dieses Betreuungsvereins zur Berufsbetreuerin bestellt.

Nachdem der Berufsbetreuer A im April 2006 verstorben war, teilte auf Nachfrage des Beteiligten zu 1) zur weiteren Vorgehensweise ein in Betreuungssachen tätiger Richter des Amtsgerichts Fritzlar mit, in allen Betreuungen, in denen für den verstorbenen Berufsbetreuer kein Vertretungsbetreuer bestellt sei, werde nunmehr der Verein als Betreuer bestellt werden; in den übrigen Fällen, in welchen für den verstorbenen Berufsbetreuer ein Verhinderungsbetreuer bestellt sei, habe dieser wegen der durch den Tod eingetretenen Verhinderung die Angelegenheiten zu übernehmen und die Bestellung eines neuen Betreuers werde jeweils erst erfolgen, wenn der Termin zur Überprüfung der Betreuung anstehe. Entsprechend dieser Ankündigung wurde in der Folgezeit in den durch den Tod des Berufsbetreuers A betroffenen Betreuungsverfahrens des Amtsgerichts Fritzlar verfahren. Im vorliegenden Fall wurde erst mit Beschluss vom 16. November 2006 eine weitere Mitarbeiterin des Beteiligten zu 1) zur neuen Berufsbetreuerin bestellt und zugleich die Betreuung verlängert.

Mit zwei fristgerecht eingereichten Schreiben beantragte der Beteiligte zu 1) die Festsetzung der Betreuervergütung im vorliegenden Verfahren für die Zeit vom 01. Juli 2006 bis zum 16. November 2006.

Der zu den Vergütungsanträgen angehörte Bezirksrevisor wies darauf hin, dass nach dem Tod des bestellten Vereinsbetreuers lediglich für einen Übergangzeitraum von einem Verhinderungsfall hätte ausgegangen werden dürfen und im Übrigen die Bestellung eines neuen Betreuers notwendig gewesen wäre. Da es hieran fehle, könne dem Betreuungsverein eine Vergütung allenfalls bis zum Ende des 2. Quartal 2006 zugebilligt werden, während für den hier betroffenen nachfolgenden Zeitraum die Festsetzung einer Vergütung nicht in Betracht komme.

Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts setzte mit Beschluss vom 30. November 2007 die aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung für die Tätigkeit der Ersatzbetreuerin für den Beteiligten zu 1) für die Zeit vom 01. Juli 2006 bis 16. November 2006 antragsgemäß auf 400,40 EUR fest.

Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2) wies das Landgericht mit Beschluss vom 09. April 2008 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, zwar habe der Bezirksrevisor zutreffend darauf hingewiesen, dass nach dem Tod des zunächst bestellten Vereinsbetreuers von einem Verhinderungsfalle allenfalls für einen Übergangszeitraum hätte ausgegangen werden dürfen, da die Vorschrift des § 1899 Abs. 4 BGB weder nach ihrem Wortlaut noch ihrem Regelungszweck die Auslegung erlaube, dass ein Ersatzbetreuer auch nach dem Tod des ursprünglich bestellten Betreuers jedenfalls für längere Zeit zur Besorgung der Angelegenheiten des Betroffenen befugt sein könnte. Gleichwohl komme eine Versagung der von dem Beteiligten zu 1) beanspruchten Betreuervergütung im vorliegenden Falle nicht in Betracht, weil dies gegen den auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Grundsatz von Treu und Glauben verstoße. Das Vormundschaftsgericht sei über den Tod des ursprünglich bestellten Vereinsbetreuers informiert gewesen und habe gleichwohl die an sich gebotene unverzügliche Bestellung eines neuen Betreuers unterlassen. Darüber hinaus sei die fortdauernde Tätigkeit der Ersatzbetreuerin gebilligt worden und dem Beteiligten zu 1) auf Befragen mitgeteilt worden, dass eine neue Betreuerbestellung nicht notwendig sei. Dem entsprechend sei eine neue Betreuerin hier auch erst nach Ablauf der Überprüfungsfrist bestellt worden. Im Einklang hiermit stehe des weiteren ein in einer anderen Akte befindlicher Vermerk einer Vormundschaftsrichterin, wonach nach dem Tode des auch dort ursprünglich bestellten Betreuers vermerkt wurde, die Verhinderungsbetreuerin "solle ihre Tätigkeit erst mal fortsetzen". Nachdem die Ersatzbetreuerin auch in der Folgezeit durch das Vormundschaftsgericht nicht auf die fehlende rechtliche Grundlage ihrer Tätigkeit hingewiesen worden sei, hätten sich dem Betreuungsverein Bedenken an der Unzulässigkeit des gewählten Vorgehens nicht aufdrängen müssen.

Mit der hiergegen gerichteten sofortigen weiteren Beschwerde verweist die Beteiligte zu 2) auf ihr bisheriges Vorbringen und macht insbesondere weiterhin geltend, der Beteiligte zu 1) als Betreuungsverein hätte die Rechtslage erkennen müssen. Auf die Auskunft des Vormundschaftsrichters hätte er nicht vertrauen dürfen, sondern sei gehalten gewesen, nach dem Tode des ursprünglich bestellten Berufsbetreuers auf eine unverzügliche Neubestellung hinzuwirken.

Der Beteiligte zu 1) ist unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens der sofortigen weiteren Beschwerde entgegengetreten.

II.

Die kraft Zulassung im angefochtenen Beschluss gemäß § 56 g Abs. 5 Satz 2 FGG statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige weitere Beschwerde führt in der Sache nicht zum Erfolg.

Mit zutreffender rechtlicher Begründung, auf die der Senat zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen zunächst ausdrücklich Bezug nimmt, hat das Landgericht entschieden, dass dem Betreuungsverein im vorliegenden Falle eine Vergütung nicht versagt werden kann.

Zwar setzt ein Vergütungsanspruch des Betreuungsvereins nach § 7 Abs. 1 S. 1 VBVG grundsätzlich die wirksame Bestellung eines Mitarbeiters zum Berufsbetreuer voraus. Auch hat das Landgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die Vorgehensweise des Vormundschaftsgerichtes, nach dem Tod des ursprünglich bestellten Betreuers von der Neubestellung eines Betreuers Abstand zu nehmen und die für den Fall der Verhinderung bestellte Betreuerin als Mitarbeiterin des Betreuungsvereines die Tätigkeit fortsetzen zu lassen, nicht den gesetzlichen Bestimmungen entspricht, da nach dem Tod des ursprünglich bestellten Betreuers gemäß § 1899 Abs. 4 BGB allenfalls für einen kurzen Übergangszeitraum von einem Verhinderungsfall noch hätte ausgegangen werden dürfen und die unverzügliche Bestellung eines neuen Betreuers nach § 1908 c BGB geboten gewesen wäre.

Zutreffend hat das Landgericht jedoch zugleich darauf abgestellt, dass im vorliegenden Falle der auch im Recht der Betreuervergütung anzuwendende allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. hierzu insbesondere Senatsbeschlüsse vom 09.07.2001 - 20 W 522/00 = FGPrax 2001, 205 und vom 17.07.2001 - 20 W 527/00 = FamRZ 2002, 1510 sowie zuletzt Beschluss vom 29. Mai 2008 - 20 W 339/05 - noch nicht veröffentlicht) eine Versagung der Betreuervergütung nicht zulässt, da das Vormundschaftsgericht die von der für den Fall der Verhinderung bestellten Betreuerin fortgesetzt entfaltete Tätigkeit nach dem ihm mitgeteilten Tod des ursprünglich bestellten Betreuers ausdrücklich gebilligt und durch den von dem Vormundschaftsrichter erteilten unzutreffenden Hinweis auf die Rechtslage sowie die seitens des Gerichtes beabsichtigte weitere Verfahrensweise maßgeblich hervorgerufen hat . Hieran vermag auch der Einwand der Beteiligten zu 2), der Betreuungsverein habe trotz der durch den Vormundschaftsrichter mitgeteilten beabsichtigten weiteren Vorgehensweise seinerseits die Rechtslage richtig einschätzen und auf eine unverzügliche neue Betreuerbestellung hinwirken müssen, nichts zu ändern. Denn hiermit werden in treuwidriger Weise überspitzte Anforderungen an den Betreuungsverein gestellt.

Der Betreuungsverein hat den ihm in der konkreten Situation obliegenden Sorgfaltspflichten dadurch genügt, dass er alsbald den Tod seines zum Betreuer bestellten Mitarbeiters mitgeteilt und um Mitteilung bezüglich der weiteren Verfahrensweise gebeten hat. Im Hinblick auf den hierauf von dem Vormundschaftsrichter als zur Umsetzung der gesetzlichen Vorschriften über die Betreuung berufenen Person erteilten Hinweis auf die beabsichtigte und sodann auch umgesetzte weitere Verfahrensweise des Vormundschaftsgerichts kann dem Betreuungsverein eine Vergütung für die von seinen Mitarbeitern ohne Unterbrechung geleisteten Betreuungstätigkeiten aus Billigkeitsgründen nicht versagt werden.

Da gegen die Höhe der festgesetzten Betreuervergütung Einwände nicht erhoben wurden und eine fehlerhafte Berechnung auch nicht ersichtlich ist, war somit der sofortigen weiteren Beschwerde der Erfolg zu versagen.

Ende der Entscheidung

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