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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 02.06.2009
Aktenzeichen: 20 W 187/07
Rechtsgebiete: AktG


Vorschriften:

AktG § 67
AktG § 315
1. Es bleibt offen, ob das Recht zur Stellung eines Antrags gem. § 315 AktG auf Sonderprüfung gegenstandslos wird sobald die Unternehmen verschmolzen sind und dadurch die Möglichkeit eines Spruchverfahren eröffnet ist.

2. Voraussetzung für die Antragsberechtigung ist aber jedenfalls, dass der den Antrag nach § 315 AktG stellende Aktionär weiterhin die statt der Aktien des übertragenden Rechtsträgers erhaltenen Aktien des aufnehmenden Rechtsträgers hält.


Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und der Antragsgegnerin die im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 100.000 € festgesetzt.

Gründe:

I. Der Antragsteller war Aktionär der A-AG (A-AG). Auf der Hauptversammlung am 28. und 29.04.2005 wurde die Verschmelzung mit der Hauptaktionärin, der B-AG (B-AG), welche über 90% der Anteile hielt, bei einem Aktienumtausch von auf den Namen lautende Stückaktien der A-AG in auf den Namen lautende Stückaktien der B-AG beschlossen. Die Verschmelzung wurde am 06.06.2006 in das Handelsregister eingetragen, nachdem rechtskräftig festgestellt worden war, dass die dagegen erhobenen Anfechtungsklagen der Eintragung nicht entgegenstünden. Auf der Hauptversammlung am 04.05.2006 hat der Antragsteller neben anderen Aktionären Sonderprüfungsanträge gestellt, die mit den Stimmen der Hauptaktionärin und jetzigen Antragsgegnerin abgelehnt wurden.

Mit einem am 26.05.2005 bei Gericht eingegangenen und gegen die A-AG gerichteten Antrag hat der Antragsteller die Bestellung eines Sonderprüfers beantragt und zwar zu Pflichtverletzungen des Vorstands und des Aufsichtsrats im Hinblick auf ein zu geringes Umtauschverhältnis der Aktien, einen verspäteten Einstieg in IP basierte Telekommunikationsdienstleistungen aus Rücksichtnahme auf die Geschäfte der nunmehrigen Antragsgegnerin sowie hinsichtlich der Vergabe von Darlehen an die Antragsgegnerin. Insoweit hat er die Prüfung der Geschäftsbeziehungen der A-AG zur B-AG als herrschendem Unternehmen begehrt.

Den Antrag auf Sonderprüfung hat der Antragsteller schließlich auf die Antragsgegnerin umgestellt, deren Vorstand und Aufsichtsrat er Anfang August 2006 zugestellt worden ist. Der Antragsteller hat die Ansicht vertreten, dass das Gericht zu den von ihm genannten Punkten einen Sonderprüfer bestellen müsse. Die Antragsgegnerin hat den Antrag für unzulässig gehalten.

Das Landgericht hat den Antrag durch Beschluss vom 13.02.2007 (ausgefertigt am 24.04.2007) zurückgewiesen. Es hat den Antrag als unzulässig angesehen, da der Antragsteller durch die Verschmelzung zum Aktionär der Antragsgegnerin geworden sei. Er halte auch nicht die notwendigen Anteile an der Antragsgegnerin. Deshalb fehle es an einer gesetzlichen Voraussetzung für ein Verfahren zur Bestellung eines Sonderprüfers. Selbst wenn man dem nicht folgen wolle, so fehle dem Antrag doch das Rechtsschutzbedürfnis, denn abfindungswertbezogene Prüfungen seien allein dem gerichtlichen Spruchverfahren zugewiesen. Dies gelte auch für Verschmelzungen. Eines Rückgriffs auf das Institut eines Sonderprüfers, das für eine unverändert fortbestehende Gesellschaft geschaffen worden sei, bedürfe es nicht.

Dieser Beschluss ist dem Antragsteller am 26.04.2007 zugestellt worden. Dieser hat dagegen sofortige Beschwerde eingelegt, die am 09.05.2007 eingegangen ist. Der Antragsteller bringt vor, es sei im Falle der Verschmelzung in Bezug auf die Inhaberschaft auf die Aktien abzustellen, die er anstelle der alten Aktien erhalten habe. Diese befänden sich bis zur Verfahrensbeendigung in seinem Depot. Es könne nicht gefordert werden, dass nunmehr für die Stellung eines Sonderprüfungsantrags 100.000 B Aktien erforderlich seien. Andernfalls könnte der Antragsgegner bewusst Strukturmaßnahmen wie die Verschmelzung nutzen, um unliebsame Sonderprüfungsanträge zu beseitigen. Es müssten hier die Erwägungen des § 265 Abs. 2 ZPO analog gelten. Im Ergebnis müsse hier eine einmal zulässige Sonderprüfung auch trotz des unfreiwilligen Verlusts der Aktien zulässig bleiben. Außerdem ginge es hier um Pflichtverstöße der Organe des übertragenden Rechtsträgers A, nicht um solche der B-Verwaltung. Im Übrigen halte er nach wie vor 100.000 B Aktien, die er im Zuge der Verschmelzung für seine A-Aktien erhalten habe und die er bis zur Beendigung des Verfahrens besitzen werde. Zweck der Sonderprüfung nach § 315 AktG sei insbesondere der Aktionärsschutz im faktischen Beherrschungsverhältnis. Die Sonderprüfung solle der Erleichterung der Durchführung von Schadensersatzansprüchen aus §§ 317, 318 AktG sowie der Beschaffung von entsprechend notwendigen Informationen dienen. Etwaige Nachteilsausgleichsansprüche i. S. v. § 311 AktG seien nicht Gegenstand des Spruchverfahrens. Dies gelte ebenfalls für individuelle Schadensersatzansprüche von Aktionären gegen Vorstand und Aufsichtsrat. Gegenstand des Spruchverfahrens sei auch nicht, ob der Vorstand bzw. der Aufsichtsrat fehlerhaft gehandelt hätten. Das Rechtsschutzbedürfnis sei auch nicht wegen §§ 25, 26 UmwG ausgeschlossen, da diese Normen nicht das gerügte pflichtwidrige Verhalten im Vorfeld der Verschmelzung bzw. Vorgänge beträfen, die mit der Verschmelzung nichts gemein hätten.

Die Antragsgegnerin verteidigt den angegriffenen Beschluss. Auf jeden Fall habe der Antragsteller seine Antragsberechtigung dadurch verloren, dass er seine Stellung als Aktionär der B-AG aufgegeben habe. Seit dem 10.09.2006 sei er nicht mehr im Aktienregister der B eingetragen. Damit gelte die unwiderlegliche Vermutung, dass er im Verhältnis zur B nicht als Aktionär anzusehen sei. Im Übrigen gelte der Vorrang des Spruchverfahrens, das einer umfassenden Angemessenheitskontrolle diene. Darüber hinaus habe der Antragsteller auch nicht hinreichend genau bezeichnet, welche Geschäftsführungsmaßnahmen von dem Sonderprüfer überprüft werden sollten. Der Antragsteller habe auch keine Tatsachen vorgetragen, die den Verdacht von Unredlichkeiten oder groben Verletzungen von Gesetz oder Satzung oder den Verdacht einer pflichtwidrigen Nachteilszufügung rechtfertigten. Solche Tatsachen lägen auch nicht vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst ihren Anlagen verwiesen.

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Das Landgericht hat den Antrag jedenfalls im Ergebnis zu Recht als unzulässig zurückgewiesen.

Das Gericht hat nach § 315 S. 2 AktG auf Antrag von Aktionären, die einen bestimmten Schwellenwert erreichen, einen Sonderprüfer zu bestellen, wenn Tatsachen vorliegen, die den Verdacht einer pflichtwidrigen Nachteilszufügung rechtfertigen. Weitere Voraussetzung ist ebenso wie bei einem Antrag auf Bestellung eines Sonderprüfers nach § 142 Abs. 2 AktG, dass die Antragsteller ihre Aktien bis zur Entscheidung über den Antrag halten, da die Sonderprüfung nur eine besonders ausgestaltete Variante der allgemeinen Sonderprüfung ist (OLG Hamm, FGPrax 2000, S. 208 ff).

Der Antragsteller hat hier gleich nach Einreichung des Antrags seine Stellung als Aktionär der A-AG verloren, denn mit der Eintragung im Handelsregister am 06.06.2006 ist die A-AG als übertragende Gesellschaft erloschen (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG). Die Anteilsinhaber der A-AG sind Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers, also der B-AG, geworden (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG). Die Anteilsrechte an der B-AG sind ein Ersatz für die Rechte an der A-AG.

Das Landgericht ist deshalb davon ausgegangen, dass mit dem Erlöschen der A-AG auch die gesetzliche Grundlage für ein Verfahren zur Bestellung eines Sonderprüfers entfallen ist, das Recht auf Sonderprüfung also gegenstandslos geworden ist. Für diese Ansicht spricht, dass die Mitgliedschaftsrechte der bisherigen Anteilsinhaber der übertragenden Gesellschaft nach einer Verschmelzung nicht unverändert fortbestehen, sondern nach den gesetzlichen Vorgaben auf Ausgleichsansprüche beschränkt sind. Der praktisch wichtigste Anspruch ist der im Spruchverfahren geltend zu machende Anspruch auf Verbesserung des Umtauschverhältnisses bzw. Erhöhung der Barabfindung (§§ 15, 34 UmwG, § 1 Nr. 4 SpruchG). Ferner besteht die Möglichkeit gem. §§ 24 ff UmwG gegen die Mitglieder des Vertretungsorgans und des Aufsichtsorgans des übertragenden Rechtsträgers Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Sorgfaltspflichten beim Abschluss des Verschmelzungsvertrags durch einen besonderen Vertreter geltend zu machen, wobei auch diese Möglichkeit dem Spruchverfahren in dem Sinne nachrangig ist, dass die fehlende Inanspruchnahme des Spruchverfahrens dem Ersatzanspruch gem. § 254 Abs. 2 BGB als Mitverschulden entgegengehalten werden kann (Semler/ Stengel-Kübler, Umwandlungsgesetz, 2. Aufl. 2007, § 25 Rn 23). Daraus könnte abgeleitet werden, dass die Rechte aus der jeweiligen Strukturmaßnahme das Recht eines Anteilsinhabers auf die Antragstellung nach § 315 AktG verdrängen. So hat auch der Bundesgerichtshof im Rahmen einer Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitsklage gegen einen Squeeze-out-Beschluss der Hauptversammlung ausgeführt, dass eine Sonderprüfung in Bezug auf die Bewertung der Angemessenheit der den Minderheitsaktionären zustehenden Abfindung nicht geboten sei, weil abfindungswertbezogene Überprüfungen allein dem gerichtlichen Spruchverfahren zugewiesen seien (BGH, ZIP 2006, 2080 ff = NZG 2006, 905 ff).

Inwieweit diese Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall übertragbar ist und ob ein Antragsteller mit den Möglichkeiten des Spruchverfahrens ebenso viel erreichen kann wie durch die hier beantragte Sonderprüfung mit etwaigen Ansprüchen nach §§ 317, 318 AktG, braucht hier nicht abschließend entschieden zu werden. Selbst wenn man dem Ansatz des Landgerichts nicht uneingeschränkt zustimmen und das Fortbestehen eines Rechts auf Sonderprüfung nicht von vornherein ausschließen wollte, so kann das nicht dazu führen, dass wegen der Verschmelzung das Erfordernis der fortbestehenden Mitgliedschaftsrechte entfällt, denn es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die Voraussetzungen für eine Sonderprüfung im Falle der Verschmelzung erleichtern wollte. Der Antragsteller würde aber gegenüber Anteilseignern ohne Strukturmaßnahme besser gestellt, wenn er die Aktien, die den letzten Anknüpfungspunkt an die erloschene Gesellschaft bilden, ohne Rechtsnachteil für das Fortbestehen seiner Mitgliedschaftsrechte veräußern könnte. Dafür gibt es keine Rechtfertigung.

Der Antragsteller hat hier sein Recht jedenfalls dadurch verloren, dass er hinsichtlich der ihm durch die Verschmelzung zuteil gewordenen Aktien an der Antragsgegnerin als dem übernehmenden Rechtsträger zumindest seit dem 10.09.2006 nicht mehr im Aktienregister der Antragsgegnerin eingetragen ist, wie aus der bereits in der Vorinstanz vorgelegten Bescheinigung der C-GmbH hervorgeht und vom Antragsteller auch nicht bestritten worden ist. Insoweit gilt auch für dieses Verfahren die unwiderlegliche Vermutung des § 67 Abs. 2 AktG, dass nur Aktionär ist, wer als solcher im Aktienbuch eingetragen ist (so auch schon Senat, AG 2006, 290 ff; OLG München, AG 2006, 167 ff). Einer Aufklärung der vom Antragsteller gemachten anderweitigen Angaben bedarf es wegen der unwiderleglichen Vermutung nicht. Es bedarf auch keiner weiteren Ausführungen, ob das Halten der Aktien durch Hinterlegung der Aktien bis zur Entscheidung zu erfolgen hat oder ob eine entsprechende Bescheinigung oder Versicherung des Antragstellers genügt (vgl. Hüffer, Aktiengesetz, 8. Aufl. 2007, § 315 Rn 3b).

Keiner abschließenden Entscheidung bedarf es deshalb auch, ob beim Fortbestand des Aktienbesitzes die gestellten Anträge dem Bestimmtheitserfordernis genügt hätten und ob das Vorliegen eines Rechtschutzbedürfnisses für die gestellten Anträge noch hätte bejaht werden können. Das Rechtschutzinteresse steht hier schon deshalb in Frage, weil der Antragsteller nicht nachvollziehbar dargelegt hat, welche konkreten Ansprüche er ausschließlich mit Hilfe der Ergebnisse der Sonderprüfung verfolgen kann. Solche Ansprüche liegen nicht offensichtlich auf der Hand (vgl. zur Berücksichtigung von Schadensersatzansprüchen aus §§ 117, 317 AktG im Spruchverfahren: OLG Düsseldorf, AG 1991, 106 ff = ZIP 1990, 1474 ff). Wenn aber aus der Sonderprüfung keine rechtlichen Konsequenzen mehr erwachsen könnten, dürften die Gerichte zu deren Durchsetzung nicht weiter in Anspruch genommen werden. Ein nur vorbeugendes, das Spruchverfahren stützendes Aufklärungsinteresse wäre nicht ausreichend (BGH, ZIP 2006, 2080 ff = NZG 2006, 905 ff).

Die Kostenentscheidung beruht auf der zwingenden Vorschrift des § 13a Abs. 1 S. 2 FGG, der für Sonderprüfungsanträge nicht ausgeschlossen worden ist (§§ 315, 142 AktG).

Die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 131 Abs. 2, 30 KostO; sie entspricht der unbeanstandet gebliebenen Wertfestsetzung durch das Landgericht.

Ende der Entscheidung

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