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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 30.06.2008
Aktenzeichen: 20 W 222/06
Rechtsgebiete: BGB, WEG
Vorschriften:
BGB § 1004 | |
WEG § 14 Nr. 1 | |
WEG § 22 Abs. 1 |
Gründe:
Die Beteiligten sind Miteigentümer des Grundstücks X in ..., das mit einem Doppelhaus bebaut ist. Im Sondereigentum der Antragsteller steht die südlich gelegene Wohnung Nr. A mit der Hausnummer ...a und im Sondereigentum des Antragsgegners die nördlich gelegene Wohnung Nr. B mit der Hausnummer ....
In der durch Urkunde des Notars ..., ..., vom ...1998 neugefassten und am 17.12.1998 im Grundbuch gewahrten Teilungserklärung (Bl. 51-56 d. A.) heißt es in § 4 (1):
" Für Nutzungen und Lasten einschließlich Herstellungs- und Unterhaltungsaufwand werden die Wohnungseigentümer so behandelt, als ob sie Einzeleigentümer der Baulichkeiten, Räumlichkeiten, Teile und Anlagen wären, die entweder ihr Sondereigentum sind oder ihrem Sondernutzungsrecht unterliegen.
Dies gilt insbesondere
a) für Fundamente, die Außenmauern und die Innenmauern, die ein Gebäude und sein Dach tragen,
b) die Decken und das Dach.
Dies gilt weiter auch bezüglich aller baulichen Veränderungen, die ein Wohnungseigentümer an seinem Haus bzw. an der Doppelhaushälfte vornimmt."
Unter der Überschrift "Anwendung des Wohnungseigentumsgesetzes" ist in § 5 (1) der Teilungserklärung bestimmt:
" Bei der Anwendung des Wohnungseigentumsgesetzes und Auslegung der vorstehenden Teilungserklärung ist in jedem Fall zu berücksichtigen, das die Sondereigentümer der beiden Doppelhaushälften so behandelt werden, als ob die Gebäude auf zwei rechtlich selbständigen Grundstück stünden."
In 2005 baute der Antragsgegner ohne Zustimmung der Antragsteller eine neue Hauseingangstür bei seiner Wohnung ein. Wegen der Einzelheiten des Eingangsbereichs wird auf die Lichtbilder Blatt 82, 83 der Akten Bezug genommen.
Die Antragsteller haben erstinstanzlich die Verpflichtung des Antragsgegners begehrt, den ursprünglichen Zustand dergestalt wieder herzustellen, dass die eingebaute Haustür durch die ursprünglich vorhandene Haustür ersetzt wird. Der Antrag ist damit begründet worden, dass der Antragsgegner eine bauliche Veränderung ohne den erforderlichen einstimmigen Beschluss der Gemeinschaft bzw. ihre Zustimmung vorgenommen hätte, durch die sie über das nach § 14 Nr. 1 WEG zulässige Maß beeinträchtigt seien.
Der Antragsgegner hat demgegenüber geltend gemacht, es liege keine bauliche Veränderung im Sinn des § 22 WEG vor, da die ursprünglich vorhandene Haustür verzogen gewesen sei und nicht mehr den Sicherheitskriterien entsprochen habe. Außerdem entspreche die neue Haustür der der Teilungserklärung vom 19.12.1990 beigefügten Objektbeschreibung im Gegensatz zu der eigenen Haustür der Antragsteller. Es fehle auch an einer optischen Beeinträchtigung.
Schließlich sei die Zustimmung der Antragsteller auch auf Grund der Bestimmungen in § 4 (1) und § 5 (1) der Teilungserklärung nicht erforderlich.
Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 21.11.2005 (Bl. 129-132 d. A.), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, den Antragsgegner antragsgemäß zur Wiederherstellung des früheren Zustands verpflichtet. Zur Begründung hat die Amtsrichterin ausgeführt, es liege eine über das Maß des § 14 Nr. 1 WEG hinausgehende optisch beeinträchtigende bauliche Veränderung vor. Der Teilungserklärung sei mangels eindeutiger Formulierung keine Abbedingung des § 22 WEG zu entnehmen, so dass es bei den für eine Wohnungseigentümergemeinschaft geltenden Grundsätzen bleiben müsse.
Dagegen hat der Antragsgegner sofortige Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, den Beschluss des Amtsgerichts aufzuheben und den Antrag der Antragsteller zurückzuweisen. Außer der Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens hat der Antragsgegner geltend gemacht, auf Grund der Regelung in § 5 (1) der Teilungserklärung bestehe jedenfalls eine Verpflichtung zur Duldung der neuen Haustür.
Die Antragsteller sind der Beschwerde entgegengetreten und haben bestritten, dass die vom Antragsgegner entfernte Tür schadhaft gewesen sei. Sie haben den Beschluss des Amtsgerichts verteidigt und die Auffassung vertreten, die Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes seien uneingeschränkt anzuwenden, auch wenn die rechtliche Gestaltung als Wohnungseigentümergemeinschaft vorliegend lediglich aus bauplanerischen Gründen gewählt sein möge.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 27.04.2006 (Bl. 198-202 d. A.) die amtsgerichtliche Entscheidung aufgehoben und den Antrag der Antragsteller zurückgewiesen. In der Begründung der Entscheidung wird ausgeführt, auch bei Anwendung des § 22 WEG sei keine Beeinträchtigung gegeben, die über das nach § 14 WEG zumutbare Maß hinausgehe, denn aus § 5 (1) der Teilungserklärung ergebe sich ein erhöhter Gestaltungsspielraum des einzelnen Wohnungseigentümers hinsichtlich des in seiner Sphäre befindlichen Gemeinschaftseigentums, der von den anderen Wohnungseigentümern hinzunehmen sei. Nichts anderes ergebe sich, wenn aus § 4 (1) der Teilungserklärung die Abbedingung des § 22 Abs. 1 WEG folgen sollte. Dann sei aus § 14 Nr. 1 WEG ein Verbot verunstaltender Maßnahmen zu entnehmen, diese Grenze sei aber angesichts der vorgelegten Lichtbilder erst Recht nicht überschritten.
Gegen den ihrem Verfahrensbevollmächtigten laut Empfangsbekenntnis am 10.05.2006 zugestellten landgerichtlichen Beschluss haben die Antragsteller mit am 24.05.2006 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz weitere Beschwerde eingelegt und die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung beantragt. Die Antragsteller wiederholen und vertiefen ihren bisherigen Vortrag. Weiter verweisen sie darauf, dass die Auffassung des Landgerichts dazu führe, dass das Wohnungseigentumsgesetz durch die Regelung in § 5 (1) der Teilungserklärung ausgehebelt werde. Da jedoch das Gebäude nicht auf rechtlich selbständigen Grundstücken errichtet worden sei, müsse das Wohnungseigentumsgesetz eingehalten werden. Zutreffend sei das Landgericht von einer nicht unerheblichen optischen Beeinträchtigung ausgegangen, unzutreffend sei jedoch, dass die Antragsteller diese Beeinträchtigung hinzunehmen hätten.
Der Antragsgegner ist der weiteren Beschwerde entgegengetreten und hat den angefochtenen Beschluss verteidigt. Zwar liege eine sichtbare Veränderung vor, dadurch werde das optische Bild des Gebäudes aber in ästhetischer Sicht nicht im Geringsten tatsächlich verschlechtert oder gar verunstaltet. Darüber hinaus komme es darauf nicht an, da nach den Regelungen der Teilungserklärung bauliche Veränderungen nicht zustimmungsbedürftig seien.
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Sie hat in der Sache aber keinen Erfolg, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§§ 43 WEG a. F., 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).
Zu Recht sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass der Einbau der streitgegenständlichen Haustür eine zustimmungsbedürftige bauliche Veränderung im Sinn des § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG darstellt, wobei davon auszugehen ist, dass es sich bei der Wohnungsabschlusstür als Abgrenzungseinrichtung zwischen Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum zwingend um Gemeinschaftseigentum handelt (Palandt/Bassenge: WEG, 67. Aufl., § 5, Rdnr. 6)
Nach § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG in Verbindung mit § 14 Nr. 1 WEG hat ein Wohnungseigentümer eine bauliche Veränderung hinzunehmen, durch die ihm kein Nachteil erwächst, der über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgeht. Unter einem Nachteil in diesem Sinn ist jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung zu verstehen. Nur konkrete und objektive Beeinträchtigungen gelten als solcher Nachteil.
Es kann hier aber dahingestellt bleiben, ob die von den Vorinstanzen insoweit übereinstimmend festgestellte Veränderung des optischen Eindrucks durch die abweichende Ausführung der neuen Haustür die Annahme eines derartigen Nachteils rechtfertigen könnte. Auch bei Fällen vermeidbarer Nachteile kann sich aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer untereinander sowie den überall geltenden Grundsätzen von Treu und Glauben ein Duldungsanspruch ergeben.
Ein Duldungsanspruch des Antragsgegners und damit der Ausschluss des Beseitigungsanspruchs der Antragsteller gemäß § 1004 Abs. 2 BGB ergibt sich aber aus den Regelungen in § 4 (1) und § 5 (1) der Teilungserklärung. Zwar betrifft der § 4 (1) der Teilungserklärung lediglich die Kostentragung für bauliche Veränderungen an einer Doppelhaushälfte und würde für sich gesehen mangels Eindeutigkeit wohl nicht als eine Abbedingung des § 22 WEG auszulegen sein. Dagegen ist die Regelung in § 5 (1) der Teilungserklärung durchaus vergleichbar mit einer Bestimmung, dass die einzelnen Wohnungseigentümer so behandelt werden sollen, als liege eine Realteilung des Grundstücks vor. In einer derartigen Bestimmung hat das BayObLG in ständiger Rechtsprechung eine wirksame Abbedingung des § 22 Abs. 1 WEG gesehen, mit der Folge, dass sich die Zulässigkeit der baulichen Veränderung nach den allgemeinen nachbarrechtlichen Vorschriften des Privatrechts und des öffentlichen Rechts richtet (BayObLG WuM 1993, 565; BayObLGZ 2001, 41, 45; BayObLG ZfIR 2004, 867). Es kann aber dahingestellt bleiben, ob die Regelung in § 5 (1) der Teilungserklärung als Abbedingung von § 22 Abs. 1 WEG auszulegen wäre, wozu der Senat als Rechtsbeschwerdegericht ohne Bindung an die Auslegung der Tatsacheninstanzen befugt wäre (Niedenführ/Schulze: WEG, 7. Aufl., § 48, Rdnr. 41).
Jedenfalls wird, wie auch bereits das Landgericht ausgeführt hat, durch die Regelung in § 5 (1) der Teilungserklärung dem einzelnen Wohnungseigentümer ein weiterer Gestaltungsspielraum auch im Rahmen von baulichen Veränderungen eingeräumt als sonst bei der Anwendung des WEG gelten würde. Deshalb berücksichtigt die schlichte Anwendung des § 22 Abs.1 WEG, wie sie das Amtsgericht vorgenommen hat, nicht ausreichend die nach der Teilungserklärung gewollte Annäherung an Alleineigentum im Rahmen des rechtlich Zulässigen. Da es aber rechtlich zulässig ist, Bestimmungen des § 22 Abs. 1 WEG durch Vereinbarung, also auch in der Teilungserklärung ab zu ändern (Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten: WEG, 8. Aufl., § 22, Rdnr. 140), muss es als ein Minus demgegenüber auch zulässig sein, für die Auslegung der §§ 22 Abs. 1, 14 Nr. 1 WEG einen Maßstab vorzusehen, durch den ein Wohnungseigentümer auch bauliche Veränderungen hinnehmen muss, die sich ohne diese Modifikation als nachteilig im Sinn des § 14 Nr. 1 WEG darstellen würde. Zwar bedeutet dies nicht, dass dieser erweiterte Gestaltungsspielraum keinerlei Einschränkungen unterliegen würde, verunstaltende bauliche Veränderungen sind jedenfalls nicht erlaubt (vgl. OLG Düsseldorf ZMR 2006, 142,144, vom Landgericht bereits zitiert). Diese Grenze hat der Antragsgegner, wie das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, aber nicht überschritten, da sich die neue Haustür zwar im Stil und durch den Glaseinsatz, aber nicht in den wesentlichen Merkmalen wie z. B. Farbe und Größe von der Haustür der Antragsteller unterscheidet und bereits in der Objektbeschreibung, die nach dem unwidersprochenen Vortrag des Antragsgegners der Teilungserklärung vom 19.12.1990 beigefügt war, die Ausführung mit einem eingebauten Glasfenster vorgesehen war.
Die Entscheidung über die Gerichtskosten beruht auf § 47 Satz 1 WEG a. F., § 97 Abs. 1 ZPO analog.
Zu einer Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten bestand angesichts der unterschiedlichen Entscheidungen in den Instanzen keine Veranlassung, § 47 Satz 2 WEG a. F..
Die Wertfestsetzung erfolgte nach § 48 Abs. 3 WEG a. F. in Anlehnung an die unbeanstandet gebliebene Festsetzung durch das Landgericht.
Ende der Entscheidung
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