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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 30.11.2004
Aktenzeichen: 20 W 223/04
Rechtsgebiete: BGB, GBO


Vorschriften:

BGB § 2100
BGB § 2150
BGB § 2247
BGB § 2289
GBO § 35 I 2
Hat ein Erblasser nach Abschluss eines Erbvertrages ein privatschriftliches Testament errichtet, das nicht offenbar ungültig, widerrufen oder für die Erbfolge ohne Bedeutung ist, kann das Grundbuchamt für den Nachweis der Erbfolge einen Erbschein verlangen.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN Beschluss

20 W 223/04

Entscheidung vom 30.11.2004

In der Grundbuchsache

betreffend das beim Amtsgericht Darmstadt im Grundbuch von Jugenheim Blatt 1908 unter laufender Nr. ... eingetragene Grundstück Gemarkung O1 Flur ..., Flurstück ..., Hof- und Gebäudefläche, ...straße ...,

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die weitere Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 26. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 29.04.2004 am 30.11.2004 beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde.

Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 3.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die im Grundbuch als Grundstückeigentümerin des eingangs aufgeführten Grundbesitzes eingetragene Ehefrau des Antragstellers (im weiteren: die Erblasserin), die mit dem Antragsteller in zweiter Ehe verheiratet war, ist am ...08.2001 verstorben. Sie und der Antragsteller hatten sich durch notariellen Erbvertrag vom 09.11.1998 ( URNr. .../1998 des Notars N1 N2, O2) gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt, wobei der Antragsteller nur befreiter Vorerbe und Nacherben die Abkömmlinge der Erblasserin sein sollten. Der Erbvertrag enthält weiter die Klausel, dass die Erblasserin dieses Testament einseitig ändern, insbesondere Vermächtnisse errichten kann, die der Erbe erfüllen muss. In einer mit "Vermächtnis" überschriebenen und als Ergänzung zu dem Erbvertrag vom 09.11.1998 bezeichneten privatschriftlichen letztwilligen Verfügung vom 14.04.2000 zählte die Erblasserin u. a. den hier betroffenen Grundbesitz als Bestandteil des auf den Antragsteller übergehenden Erbes auf. Weiter heißt es in der Verfügung: " Mein Ehemann kann zu seinen Lebzeiten nach eigenem Gutdünken und Bedürfnis mit diesem Erbe verfahren; dazu gehört auch, daß er das Haus in O3-O1, sowie das Grundstück in O2 veräußern kann." Zu dem Vermögen der Erblasserin gehörte außer den in der Verfügung vom 14.04.2000 aufgeführten Gegenständen weiterer Grundbesitz in O2, der ihr durch notarielle Urkunde des Verfahrensbevollmächtigten vom ...12.1995 -UR.- Nr. .../1995- von ihrem Vater übertragen worden war. In dieser Urkunde hat die Erblasserin ferner den ihr übertragenen Grundbesitzes ihren beiden Kinder aus erster Ehe als Vermächtnis zugewendet. Diese wiederum ordneten sowohl hinsichtlich der ihnen von ihrem Großvater übertragenen als auch von der Erblasserin vermachten Anteile an dem Grundbesitz Vermächtnisse zu Gunsten ihrer Abkömmlinge an. Wie in einer Ergänzung dieses Erbvertrags in notarieller Urkunde des Notars N1 N2 vom ...11.1997, die die Anordnung einer Testamentsvollstreckung hinsichtlich der Vermächtnisse enthält, ausgeführt wird, sollte das 1995 übertragene Vermögen nicht durch Erbfolge auf Schwiegerkinder übergehen, sondern innerhalb der Blutsverwandtschaft zu den Großeltern übertragen werden.

Das Grundbuchamt forderte den Antragsteller mit Schreiben vom ...11.2001 zur Beantragung der Berichtigung auf und verlangte die Vorlage einer Erbscheinsausfertigung, da wegen des privatschriftlichen Testamentes vom 14.04.2000 offen sei, ob der Antragsteller unbeschränkter Vollerbe geworden oder entsprechend dem Erbvertrag Vor- und Nacherbschaft eingetreten sei. Dies könne nur im Erbscheinsverfahren festgestellt werden. Der Antragsteller hat unter dem 13.06.2002 Grundbuchberichtigung unter Verweis auf die Nachlassakten beantragt. Mit Zwischenverfügung vom 21.08.2002 hat das Grundbuchamt die Grundbuchberichtigung von der Vorlage eines Erbscheins nach der Erblasserin abhängig gemacht.

Mit seiner Beschwerde hat der Antragsteller demgegenüber vorgetragen, ein Erbschein als Grundlage der Eigentumsumschreibung dürfe nicht verlangt werden, da die privatschriftliche Erklärung der Erblasserin keine Änderung des Erbvertrages darstelle. Dass der Antragsteller danach zu Lebzeiten nach Gutdünken und Bedürfnis mit dem Erbe verfahren, insbesondere auch den Grundbesitz veräußern dürfe, bedeute keine Abweichung zur befreiten Vorerbschaft entsprechend dem Erbvertrag.

Das Landgericht hat nach Nichtabhilfe des Grundbuchrechtspflegers die Beschwerde zurückgewiesen und ausgeführt, bei der Prüfung, ob der Erbvertrag für die Erbfolge maßgeblich sei, müsse auch die als " Vermächtnis" bezeichnete Verfügung der Erblasserin berücksichtigt werden. Diese könne auch dahin ausgelegt werden, dass der Antragsteller unbeschränkter Vollerbe werden solle, wofür schon die bloße Existenz der Verfügung spreche. Wenn darin keine Abweichung von dem Erbvertrag liegen sollte, hätte die Erblasserin sie nicht treffen müssen. Es bedürfe daher weiterer Ermittlungen über den Willen der Erblasserin, die nur im Erbscheinsverfahren mögliche seien.

Mit seiner weiteren Beschwerde hat der Antragsteller vorgetragen, er sei selbst nicht der Auffassung, Vollerbe geworden zu sein, da die Erblasserin gewünscht habe, dass das von ihr geschaffene Vermögen im Stamm ihrer Familie habe bleiben sollen. Die Erblasserin habe nur klarstellen wollen, dass der Antragsteller bei bestimmten Gegenständen berechtigt sein sollte, diese zu veräußern und den Erlös zu verbrauchen. Wenn die Erblasserin den Antragsteller habe als Vollerben einsetzen wollen, hätte sie dies auch so formuliert, da ihr die Unterschiede auf Grund der Erläuterungen im Rahmen des Erbvertrages bekannt gewesen seien. Weiterer Ermittlungen bedürfe es nicht.

Die zulässige weitere Beschwerde ist nicht begründet, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Rechtsverletzung beruht ( §§ 78 GBO, 546 ZPO). Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der beantragten Eintragung ein Hindernis entgegensteht und hat die angegriffene Zwischenverfügung bestätigt.

Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO ist der Nachweis der Erbfolge gegenüber dem Grundbuchamt grundsätzlich durch einen Erbschein zuführen. Beruht jedoch die Erbfolge auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, so genügt die Vorlage dieser Urkunde und der Eröffnungsniederschrift, wobei die Vorlegung ersetzt werden kann durch die Verweisung auf die die Urkunden enthaltenden Akten desselben Amtsgerichts (Demharter: GBO, 24. Aufl., § 35 Rdnr. 45 m.w.H. ). Bei Vorliegen einer in öffentlicher Urkunde errichteten Verfügung von Todes wegen kann das Grundbuchamt nur einen Erbschein verlangen, wenn sich bei der Prüfung des Erbrechts begründete (konkrete) Zweifel ergeben, die nur durch weitere Ermittlungen über den tatsächlichen Willen des Erblassers oder sonstige tatsächliche Verhältnisse geklärt werden können, denn zu solchen Ermittlungen ist das Grundbuchamt nicht befugt (BayObLG Rpfleger 2000, 266; OLG Köln Rpfleger 2000, 157; Demharter: GBO, 24. Aufl., § 35, Rdnr. 39; Schöner /Stöber: Grundbuchrecht, 12. Aufl., Rdnr. 788; Schaub in Bauer/von Oefele: Grundbuchordnung, § 35, Rdnr. 126, 137; Meikel/Roth: Grundbuchrecht, § 35, Rdnr. 111). Derartige Zweifel hinsichtlich der Erbeinsetzung des Antragstellers ergeben sich bereits aus dem Erbvertrag vom 09.08.1998 selbst. Darin wird eine erbrechtliche Regelung nur für das übrige, also nicht für das der Erblasserin von ihrem Vater mit Urkunde vom ...12.1995 übertragene Vermögen getroffen. Für das übertragene Vermögen enthält die Urkunde vom ...12.1995 aber keine Erbeinsetzung durch die Erblasserin, sondern lediglich Vermächtnisanordnungen zu Gunsten ihrer Kinder aus erster Ehe. Es bestehen also schon Zweifel, ob die erbvertraglich vereinbarte Nacherbschaft auch für das der Erblasserin 1995 übertragene Vermögen gilt oder vielmehr insoweit gesetzliche Erbfolge eintritt (§ 2088 Abs. 1 BGB). Dies ist auch nicht deshalb unerheblich, weil das betroffene Grundstück nicht zu dem 1995 übertragenen Grundbesitz gehört, sondern von der Erblasserin 1982 durch Kaufvertrag erworben wurde, denn es gilt der Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge. Ein Fall der Sondererbfolge wie für den Geschäftsanteil von persönlich haftenden Gesellschaftern einer Personengesellschaft und im Hoferbrecht liegt hier nicht vor. Im übrigen kann die Nacherbfolge nicht lediglich für einzelne Nachlassgegenstände angeordnet, wohl aber auf Bruchteile des Nachlasses beschränkt werden (Palandt/Edenhofer: BGB, 63. Aufl., § 2100, Rdnr. 3). Darüber hinaus enthält der Erbvertrag den Vorbehalt der einseitigen Änderung durch die Erblasserin, ohne dass der Umfang dieses Vorbehalts im einzelnen eindeutig bestimmt wäre, außer insoweit, dass die Erblasserin Vermächtnisse anordnen darf. Um ein derartiges Vermächtnis könnte es sich bei der letztwilligen Verfügung vom 14.04.2000 handeln. Ein solches Vermächtnis wäre auch zu Gunsten eines Alleinerben rechtlich möglich und gerade beim Vorerben im Hinblick auf § 2110 Abs. 2 BGB auch praktisch nicht bedeutungslos. Im Gegensatz zu der bloß schuldrechtlichen Wirkung des normalen Vermächtnisses gemäß § 2174 BGB erwirbt der alleinige Vorerbe den ihm durch ein Vorausvermächtnis nach § 2150 BGB zugewendeten Gegenstand ohne weiteres mit dem Erbfall, unbeschwert mit der Nacherbschaft ( Palandt/Edenhofer, aaO., § 2110, Rdnr. 2; BGH NJW 1960, 959, 960). Dann aber ist auch die Eintragung eines Nacherbenvermerks unzulässig. Wie sich zwar nicht aus dem Berichtigungsantrag, aber aus der Begründung der weiteren Beschwerde ergibt, begehrt der Antragsteller aber die Eintragung hinsichtlich des betroffenen Grundstücks als befreiter Vorerbe mit Nacherbenvermerk gemäß § 51 GBO. Der Auffassung des Antragstellers, in der letztwilligen Verfügung vom 14.04.2000 werde lediglich die mit dem Erbvertrag vereinbarte Anordnung der befreiten Vorerbschaft bestätigt, kann schon bei einer Auslegung als Vorausvermächtnis nicht gefolgt werden. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die von den Vorinstanzen vorgenommene Auslegung als Anordnung einer unbeschränkten Vollerbschaft des Antragstellers möglich ist. Bei dieser Auslegung würde sich die Frage stellen, ob die Erblasserin nach dem Vorbehalt in dem Erbvertrag überhaupt wirksam eine Vollerbschaft anordnen könnte, was von den Vorinstanzen nicht geprüft worden ist. Da demnach neben dem Erbvertrag eine eigenhändige letztwillige Verfügung vorliegt, die nicht offenbar ungültig, widerrufen oder für die Erbfolge unerheblich ist, hat der Erbvertrag seine Eigenschaft als alleinige Eintragungsgrundlage im Sinn des § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO verloren und es bleibt bei der Regel nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO, dass der Nachweis der Erbfolge nur durch einen Erbschein geführt werden kann (Kuntze/Ertl/Herrmann/Eickmann: Grundbuchrecht, 5. Aufl., § 35, Rdnr. 65). Weil das Grundbuchamt die Erbfolge des Antragstellers bzw. seine Beschränkung durch Bestehen einer Nacherbfolge demnach zu Recht anders beurteilt hat als der Antragsteller, musste es einen Erbschein verlangen (Schöner/Stöber, aaO.) und durfte nicht von sich aus eine Eintragung entsprechend seiner Auffassung vornehmen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 131 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KostO.

Die Festsetzung des Geschäftwertes des Verfahrens der weiteren Beschwerde beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 Satz 1 KostO. Danach waren die geschätzten Kosten für den Erbschein zugrunde zu legen, da für den Geschäftswert einer Beschwerde gegen eine Zwischenverfügung die für die Beseitigung des Hindernisses zu überwindende Schwierigkeit, hier also die Erbscheinsbeschaffung, maßgeblich ist (vgl. Demharter: GBO, 24. Aufl., § 77 Rnr. 37).

Ende der Entscheidung

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