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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 19.07.2004
Aktenzeichen: 20 W 232/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1908 i I
BGB § 1821 I Nr. 1
BGB § 1821 I Nr. 4
Die Erteilung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung zur Veräußerung eines Hausgrundstückes durch den Betreuer gegen den erklärten Willen des Betreuten ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Gebäude bereits so erhebliche Schäden aufweist, dass es nicht mehr bewohnbar ist, ein weiterer Verfall sowie Schadensersatz- und Instandsetzungsforderungen der unmittelbaren Nachbarn drohen und weder der Betreute noch ein Miteigentümer in der Lage sind, die hohen Kosten der Sanierung zu tragen.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

20 W 232/04

Entscheidung vom 19.07.2004

In dem Betreuungsverfahren

...

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die weitere und die sofortige weitere Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 6. Mai 2004 am 19. Juli 2004 beschlossen:

Tenor:

Die weitere und die sofortige weitere Beschwerde werden zurückgewiesen.

Der Antrag der Betroffenen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei ( § 131 Abs. 3 KostO ).

Beschwerdewert: 3.000,-- Euro

Gründe:

Die Rechtsmittel, mit denen sich die Betroffene weiterhin gegen die Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes und die Ablehnung einer Aufhebung der Betreuung und eines Betreuerwechsels sowie den Vorbescheid zur Genehmigung der Veräußerung des in ihrem hälftigen Eigentums stehenden Hausgrundstückes wendet, sind zulässig. In der Sache führen sie jedoch nicht zum Erfolg, weil die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechtes beruht ( §§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO ).

Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass die Voraussetzungen für eine Aufrechterhaltung der Betreuung auch gegen den Willen der Betroffenen für die im einzelnen angeordneten Aufgabenkreise nach § 1896 Abs. 1 und 2 BGB weiterhin gegeben sind, sodass eine Aufhebung der Betreuung nach § 1908 d Abs. 1 BGB nicht erfolgen kann und die Anordnung des Einwilligungsvorbehaltes für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge nach § 1903 BGB erforderlich ist.

Das Landgericht ist zu der Überzeugung gelangt, dass die Betroffene an einer schweren Persönlichkeitsstörung mit deutlichen Verwahrlosungstendenzen und auffälligem Realitätsverlust leidet und deshalb krankheitsbedingt ihren Willen nicht frei bestimmen und für die genannten Aufgabenkreise ihre Angelegenheiten nicht selbst besorgen kann. Des weiteren ist das Landgericht davon ausgegangen, dass ohne die Anordnung des Einwilligungsvorbehaltes eine erhebliche Gefahr für das Vermögen der Betroffenen durch unkontrollierbare finanzielle Transaktionen gegeben wäre. Diese tatrichterlichen Würdigungen beruhen im wesentlichen auf den beiden Gutachten des Facharztes für psychotherapeutische Medizin Dr. med A B, den Angaben der Betroffenen im bisherigen Verfahren, insbesondere bei der Anhörung durch den Amtsrichter am 18. März 2004 und den aus der Akte ersichtlichen bisherigen Transaktionen der Betroffenen bezüglich ihres Vermögens. Danach ist die Betroffene nicht in der Lage, das Ausmaß der Schäden an dem mittlerweile unbewohnbaren Haus, in dem sie früher gemeinsam mit der Familie ihrer Tochter gelebt hat, zu erkennen und sich adäquat um ihre finanziellen Angelegenheiten, die eigenständige Haushaltsführung und ihre Korrespondenz auch in Bezug auf das im Eigentum einer Erbengemeinschaft stehende Grundvermögen in C zu kümmern. Des weiteren hat sie konkrete Anstrengungen zum Abschluss eines für sie wirtschaftlich unsinnigen Bausparvertrages unternommen. Die Feststellungen des Landgerichts sind nachvollziehbar, werden durch in der Akte befindliche Unterlagen sowie das bisherige Verhalten der Betroffenen bestätigt und tragen die tatrichterliche Würdigung. Angesichts der nachvollziehbaren Ausführungen des Sachver-ständigen über den Fortbestand und das Ausmaß der Persönlichkeitsstörung der Betroffenen und der desolaten Verhältnisse, in denen die Betroffene bis zur Bestellung der Betreuerin lebte, ist nicht ersichtlich, dass sie allein auf Grund des Umzuges in eine andere Wohnung nunmehr zu einer eigenverantwortlichen Erledigung der in der Vergangenheit nicht von ihr bewältigten Angelegenheiten in der Lage sein soll. Eine Beschränkung des Einwilligungsvorbehaltes hat das Landgericht zu Recht abgelehnt, zumal bereits das Amtsgericht eine besondere Anordnung nach § 1903 Abs. 3 S. 2 BGB nicht erlassen hat und die Betroffene deshalb an der Erledigung kleinerer Einkäufe für ihren Haushalt nicht gehindert ist.

Des weiteren ist auch die Entscheidung des Landgerichts über die Zurückweisung der Beschwerde gegen den Vorbescheid, mit dem die Genehmigung zur Veräußerung des Hausgrundstückes ...str. ... in D in Aussicht gestellt wurde, rechtlich nicht zu beanstanden. Das Landgericht ist zu der Einschätzung gelangt, dass die Veräußerung trotz des von der Betroffenen geäußerten Wunsches auf Erhaltung der Eigentumsposition nach deren objektiv verstandenem Wohl und Interesse nicht nur wirtschaftlich sinnvoll, sondern auch notwendig ist und deshalb die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung nach §§ 1908 i Abs. 1, 1821 Abs. 1 Nr. 1 und 4 BGB zu erteilen ist. Die Ermessensentscheidung des Landgerichts stützt sich auf den aus der Akte ersichtlichen Umstand, dass das Haus ganz erhebliche Schäden aufweist, die bereits zu seiner Unbewohnbarkeit geführt haben und einen weiteren baldigen Verfall sowie drohende Schadensersatz- oder Instandsetzungsforderungen der Nachbarn befürchten lassen. Des weiteren hat das Landgericht sachgerecht berücksichtigt, dass die Betroffene nur Miteigentümerin des Hausgrundstückes ist und angesichts ihres Alters sowie der Höhe ihres Renteneinkommens ebenso wie ihre Tochter nicht in der Lage ist, die hohen Kosten der Sanierung zu tragen. Bei dieser Sachlage hat das Landgericht die von der Betroffenen erstrebte Erhaltung der Eigentumsposition in dem jetzigen Zustand im Hinblick auf die ständige Verschlechterung der Bausubstanz nachvollziehbar als nicht dem Wohl der Betroffenen entsprechend erachtet. Insgesamt lassen somit die tatrichterlichen Erwägungen zur Frage der Genehmigung der Veräußerung Rechtsfehler nicht erkennen.

Letztlich hat das Landgericht auch einen Betreuerwechsel mit zutreffender Begründung abgelehnt. Ein konkreter Interessenskonflikt der Betreuerin, die dieses Amt auch für die Tochter der Betroffenen versieht, ist im Hinblick auf die beabsichtigte Veräußerung des Hausgrundstückes nicht gegeben, weil diese Maßnahme nach den obigen Ausführungen dem Wohl beider Eigentümerinnen entspricht.

Somit ist die landgerichtliche Entscheidung insgesamt in verfahrensfehlerfreier Weise zustande gekommen und erweist sich auch in materieller Hinsicht als rechtsfehlerfrei.

Da das Verfahren der weiteren Beschwerde sich auf die Überprüfung der Entscheidung des Landgerichts als letzter Tatsacheninstanz auf Rechtsfehler beschränkt, hat der Senat den im Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten der Betreuerin vom 25. Juni 2004 unterbreiteten neuen Tatsachenvortrag nicht berücksichtigt. Deshalb bedurfte es auch keiner weiteren Frist zur Stellungnahme hierzu für den Bevollmächtigten der Betroffenen.

Die weitere und die sofortige weitere Beschwerde waren somit zurückzuweisen.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war nach §§ 14 FGG, 114 ZPO mangels Erfolgsaussicht abzulehnen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 131 Abs. 3 KostO.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO.

Ende der Entscheidung

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