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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 28.05.2009
Aktenzeichen: 20 W 24/09
Rechtsgebiete: FGG, VBVG


Vorschriften:

FGG § 56 g
FGG § 69 a
FGG § 69 e
FGG § 69 f
VBVG § 5
Endet die Bestellung einer ehrenamtlichen vorläufigen Betreuerin durch Zeitablauf und wird 7 Wochen und 3 Tage später endgültig eine Berufsbetreuerin bestellt, so kann diese für die Bemessung ihrer Vergütung den erhöhten Stundenansatz der Anfangsbetreuung beanspruchen.
Gründe:

I.

Für die vermögende und in ihrem eigenen Haushalt lebende Betroffene wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Friedberg vom 26. Juni 2007 deren Tochter befristet bis zum 25. Dezember 2007 zur vorläufigen Betreuerin bestellt.

Nachdem die Tochter unter dem 28. Dezember 2007 mitgeteilt hatte, dass sie wegen innerfamiliärer Konflikte nicht bereit sei die Betreuung fortzuführen und es in Bezug auf die Erstattung des Gutachtens zu Verzögerungen gekommen war, bestellte das Amtsgericht mit Beschluss vom 15. Februar 2008 die eingangs genannte Berufsbetreuerin. Die Betreuung wurde auf Antrag der Betroffenen und nach Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens mit Beschluss vom 10. Juni 2008 aufgehoben.

Die ehemalige Betreuerin beantragte unter dem 17. August 2008 die Festsetzung ihrer Betreuervergütung für die Zeit vom 20. Februar 2008 bis 11. Juni 2008 in Höhe von 1.350,80 EUR, wobei sie den Beginn der Betreuung für die Berechnung nach § 5 VBVG mit dem 20. Februar 2008 zugrunde legte.

Die Rechtspflegerin setzte mit Beschluss vom 23. September 2008 jedoch lediglich eine Vergütung in Höhe von 994,40 EUR fest, da sie von einem Beginn der Betreuung bereits mit Wirksamkeit des Beschlusses über die Bestellung der vorläufigen Betreuerin am 27. Juni 2007 ausging.

Gegen den Vergütungsbeschluss legten sowohl die Betroffene als auch die ehemalige Betreuerin fristgerecht sofortige Beschwerde ein. Das Landgericht wies mit Beschluss vom 19. Januar 2009 die nicht näher begründete sofortige Beschwerde der Betroffenen zurück und änderte auf die sofortige Beschwerde der Betreuerin den amtsgerichtlichen Beschluss dahingehend ab, dass die Vergütung entsprechend deren Antrag auf 1.350,80 EUR festgesetzt wurde.

Hiergegen wendet sich die Betroffene mit der fristgerecht eingegangenen sofortigen weiteren Beschwerde, mit welcher sie geltend macht, dass sich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen sowie ihr Lebensmittelpunkt in der Interimszeit von nur etwa sieben Wochen zwischen dem Ablauf der vorläufigen Betreuung und der Bestellung der Betreuerin nicht geändert hätten und Anhaltspunkte für die Erforderlichkeit eines erneuten Einarbeitens, das einer Erstbetreuung gleichzusetzen wäre, nicht ersichtlich seien. Deshalb müsse für die Vergütungsberechnung auf den Zeitpunkt des Beginns der vorläufigen Betreuung abgestellt werden.

Die ehemalige Betreuerin verteidigt die angefochtene landgerichtliche Entscheidung und macht geltend, eine ordnungsgemäße Übergabe von Unterlagen durch die ehrenamtlich bestellte ehemalige vorläufige Betreuerin habe nicht stattgefunden, so dass sie bei Beginn ihrer Tätigkeit alle bei einer neuen Betreuung zu verrichtenden Arbeiten habe ausführen und sich komplett neu einarbeiten müssen.

II.

Die kraft Zulassung im angefochtenen Beschluss gemäß §§ 69 e Abs. 1 Satz 1, 56 g Abs. 5 Satz 2 FGG statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige weitere Beschwerde führt in der Sache nicht zum Erfolg, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO). Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht für die Berechnung der Vergütung der Berufsbetreuerin den Beginn der Betreuung nicht mit dem Wirksamwerden der vorläufigen Betreuung, sondern mit dem Wirksamwerden des Beschlusses über die Bestellung der Betreuerin gemäß § 69 a Abs. 3 Satz 1 FGG am 20. Februar 2008 zugrunde gelegt.

Nach § 5 VBVG ist der dem Berufsbetreuer zu vergütende Zeitaufwand nach pauschalierten Stundenansätzen zu bemessen, die in zeitlicher Hinsichtlich in vier Stufen einen kontinuierlich abnehmenden Zeitaufwand für die ersten drei Monate der Betreuung, den Zeitraum vom 1. bis 6. Monat, vom 7. bis 12. Monat und die danach folgende Zeit differenzieren. In sachlicher Hinsicht werden innerhalb dieser Zeitraster unterschiedliche Stundenansätze danach vorgegeben, ob der Betreute vermögend oder mittellos ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in oder außerhalb eines Heimes hat.

Ausweislich der Gesetzesbegründung wollte der Gesetzgeber mit der Neuregelung der Vergütung durch das VBVG eine konsequente Pauschalierung des Zeitaufwandes für die Betreuung schaffen und ein "einfaches, Streit vermeidendes und an der Realität orientiertes, für die Betreuer auskömmliches Abrechnungssystem" einführen, welches gerade keine Ausnahmen durch eine Einzelfallbetrachtung mehr zulassen und auf der durch eine empirische Untersuchung bestätigten Erkenntnis beruhen soll, dass im Regelfall der Betreuungsaufwand nach Spitzenwerten während der ersten drei Monate kontinuierlich bis zum Ablauf des ersten Jahres der Betreuung abnimmt (vgl. BT-Drucks. 15/4874 S. 73 und 15/2494 S. 31 ff.). Für die Ermittlung der Stundenansätze stellt § 5 VBVG jeweils auf die nach Monaten gestaffelte Dauer der Betreuung ab, so dass für den Beginn maßgeblich die erstmalige Einrichtung der Betreuung durch Bestellung eines Betreuers ist, während ein späterer Wechsel des Betreuers, eine Änderung der Aufgabenkreise oder der Übergang von einer vorläufigen zu einer endgültigen Betreuung auf die Berechnung der Monate keinen Einfluss haben sollen. In Umsetzung dieses starren Pauschalierungssystems, das durch gesetzlich nicht vorgesehene Ausnahmen oder Einzelfallbetrachtungen nicht ausgehöhlt werden soll, hat sich in der obergerichtlichen Rechtsprechung zwischenzeitlich die einhellige Auffassung herausgebildet, dass für die Einordnung in die jeweiligen Zeitraster des § 5 VBVG auf die erstmalige Begründung des Betreuungsverhältnisses abzustellen ist und dies auch dann gilt, wenn zunächst ein ehrenamtlicher Betreuer bestellt war und sodann ein Wechsel zu einem Berufsbetreuer erfolgt (vgl. OLG München BtPrax 2006, 73; OLG Schleswig FGPrax 2006, 120; OLG Hamm FGPrax 2006, 209; OLG Karlsruhe OLG-Report 2006, 667; OLG Köln OLG-Report 2006, 792 und FamRZ 2006, 1876; OLG Frankfurt BtPrax 2007, 136).

Das VBVG enthält keine ausdrückliche Regelung für den Fall, dass eine Betreuung endet, abläuft oder aufgehoben wird und sodann nach einer gewissen Zeit erneut ein Betreuer bestellt wird. In der Begründung des Entwurfes des VBVG im Rahmen des 2. BtÄndG wird jedoch ausgeführt, dass in Fällen, in welchen eine Betreuung aufgehoben und kurze Zeit später wieder ein Betreuer bestellt wird, im Einzelfall zu klären sei, ob es sich jeweils wieder um eine Erstbetreuung mit der Folge der erhöhten Anfangsvergütung handele; dabei sei grundsätzlich von einer Erstbetreuung auszugehen, Missbräuchen werde das Vormundschaftsgericht begegnen können (vgl. BT-Drucks. 15/2494 S. 35). Diese Begründung beruht auf der Systematik der gesetzlichen Regelung, welche an das formale Kriterium des Beginns der Betreuung durch Bestellung eines Betreuers unabhängig von Einzelfallerwägungen anknüpft und vermeidet deren Aufweichung durch ausdrücklich nicht vorgesehene Ausnahmen auch für derartige Fallgestaltungen.

Im Anschluss an diese Erwägung des Gesetzgebers hat bereits das OLG Zweibrücken (NJW-RR 2006, 775) entschieden, dass von einer (erneuten) Erstbetreuung mit der Folge der Zubilligung der erhöhten Anfangsvergütung auszugehen ist, wenn nach Beendigung einer zunächst vorläufig angeordneten Betreuung durch Zeitablauf erst neun Monate später erneut ein Betreuer bestellt wird. Des Weiteren hat das OLG Karlsruhe (NJW-RR 2007, 1086) ebenfalls die erhöhte Anfangsvergütung des § 5 VBVG zugrunde gelegt, wenn zwischen der Beendigung der vorläufigen Betreuung durch Zeitablauf und der späteren Bestellung eines Betreuers ein Zeitraum von 21/2 Monaten liegt.

Die Anwendung der formalen Kriterien des § 5 VBVG führen nach Auffassung des Senates auch im vorliegenden Fall - in welchem zwischen der durch Zeitablauf beendeten Bestellung einer Familienangehörigen zur vorläufigen Betreuerin und der späteren Bestellung einer Berufsbetreuerin ein Zeitraum von sieben Wochen und drei Tagen liegt - dazu, dass vergütungsrechtlich von einem Neubeginn der Betreuung mit der Folge der Zubilligung der erhöhten Anfangsvergütung auszugehen ist. Der zeitliche Abstand von mehr als sieben Wochen ist nicht unerheblich und kann für sich betrachtet eine Abweichung von den gesetzlichen Vorgaben der vorausgegangenen formalen Beendigung der vorläufigen Betreuung nicht rechtfertigen. Irgendwelche Anhaltspunkte für einen Missbrauch, welcher nach der Vorstellung des Gesetzgebers eine abweichende Auslegung im Ausnahmefall im Sinne einer fortgeführten Betreuung erfordern könnten, sind nicht ersichtlich.

Der gesetzlichen Regelung des § 69 f FGG über die einstweilige Anordnung der Bestellung eines vorläufigen Betreuers liegt die Vorstellung zu Grunde, dass die in § 69 f Abs. 2 FGG vorgesehene Dauer von sechs Monaten ausreicht, um die Notwendigkeit der Einrichtung einer dauerhaften Betreuung zu klären und die vorläufige Betreuung - gegebenenfalls unter Ausschöpfung der Möglichkeit der zwischenzeitlichen Verlängerung um weitere sechs Monate - erforderlichenfalls in eine dauerhafte Betreuung zu überführen. Kommt es während der Dauer der vorläufigen Betreuung nicht zu einer endgültigen Bestellung eines Betreuers, so endet nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung des § 69 f FGG wegen der zeitlichen Befristung die vorläufige Betreuung mit dem Zeitablauf. Im vorliegenden Falle beruht der zeitliche Abstand zwischen der Beendigung der vorläufigen Betreuung und der späteren Bestellung der Berufsbetreuerin darauf, dass das Vormundschaftsgericht zunächst zwei andere Sachverständige nacheinander beauftragt hatte, bevor es schließlich zur Erstattung des Gutachtens über die Betreuungsnotwendigkeit durch eine dritte Sachverständige Ende Januar 2008 kam. Die zeitliche Verzögerung liegt somit weder im Verantwortungsbereich der vorläufigen Betreuerin noch der später bestellten Berufsbetreuerin, so dass unter weiterer Berücksichtigung des nicht unerheblichen Zwischenzeitraumes irgendwelche Anhaltspunkte für einen Missbrauch nicht vorhanden sind. Auf den Einzelfall bezogene darüber hinaus gehende nähere Erwägungen über die Frage, ob und inwieweit die vorausgegangene Tätigkeit der vorläufigen Betreuerin die Amtsführung der später bestellten Berufsbetreuerin entlastet haben, verbieten sich nach der Systematik des § 5 VBVG und der Mischkalkulation, die der Bemessung der einzelnen Stundenansätze zugrunde liegt.

Das Landgericht hat deshalb rechtlich zutreffend der Berufsbetreuerin entsprechend ihrem rechnerisch im Übrigen nicht zu beanstandenden Antrag die erhöhte Anfangsvergütung zugebilligt.

Dem steht nicht entgegen, dass das OLG München (MDR 2006, 932) das Vorliegen einer Erstbestellung mit entsprechend erhöhtem Stundenansatz für den Fall verneint hat, dass nach dem Tod eines Betreuers ein neuer Betreuer bestellt wird, wenn die zeitliche Lücke innerhalb der Betreuung drei Monate nicht überschreitet. Im Unterschied zur Beendigung einer vorläufigen Betreuung durch Zeitablauf führt der Tod eines Betreuers gerade nicht zur Beendigung der Betreuung, sondern erfordert nach § 1908 c BGB lediglich die Bestellung eines neuen Betreuers, so dass es sich bereits nach den formalen Kriterien des § 5 VBVG in diesem Falle nicht um eine erneute Erstbetreuung handelt (so bereits OLG Karlsruhe, a.a.O.). Eine Abweichung im Sinne des § 28 Abs. 2 FGG, die eine Vorlage an den Bundesgerichtshof erfordern würde, ist somit nicht gegeben. Gleiches gilt, soweit das OLG München in einem anderen Einzelfall (FamRZ 2006, 647) einer Berufsbetreuerin, die zunächst zur vorläufigen Betreuerin bestellt war und sodann nach einer zeitlichen Lücke von sechs Monaten endgültig zur Betreuerin bestellt wurde, vergütungsrechtlich nicht von einer erneuten Betreuung ausgegangen war. Denn dort war die Betreuerin nach dem Ende der vorläufigen Betreuung bis zu ihrer späteren erneuten Bestellung ununterbrochen weiter tätig gewesen und hatte für die Zwischenzeit, in welcher rechtlich keine Betreuung bestand, eine Vergütung beantragt, die ihr durch das Vormundschaftsgericht auch bewilligt worden war. An diese vergütungsrechtliche Behandlung musste die Betreuerin sich nach Ansicht des OLG München auch für den Folgezeitraum konsequenterweise festhalten lassen, da eine andere Behandlung in diesem Sonderfall eine missbräuchliche Handhabung des Vergütungsrechtes dargestellt hätte.

Die sofortige weitere Beschwerde der Betroffenen war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 131 Abs. 3 KostO.

Ende der Entscheidung

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