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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 19.07.2002
Aktenzeichen: 20 W 241/02
Rechtsgebiete: BVormVG


Vorschriften:

BVormVG § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2
Der erfolgreiche Abschluss an der Hedwig-Heyl-Schule (Fachschule für Heilpädagogik) zur staatlich anerkannten Heilpädagogin vermittelt Fachkenntnisse, die einer abgeschlossenen Fachhochschulausbildung vergleichbar sind und die Eingruppierung in die Vergütungsstufe des § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BVormVG rechtfertigen.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main Beschluss

20 W 241/02

Verkündet am 19.07.2002

In dem Betreuungsverfahren ... an dem hier beteiligt sind: ...

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 08. Mai 2002 am 19. Juli 2002 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die Beteiligte zu 1) wurde mit Beschluss vom 04. April 2001 zur vorläufigen Betreuerin und mit Beschluss vom 12. Oktober 2001 zur Betreuerin für die Betroffene bestellt.

Die Beteiligte zu 1) hat die Fachschule für Heilpädagogik (Hedwig-Heyl-Schule in Frankfurt am Main) besucht und nach bestandener Prüfung die Berechtigung erworben, die Berufsbezeichnung einer staatlich anerkannten Heilpädagogin zu führen.

Das Amtsgericht bewilligte der Betreuerin mit Beschluss vom 14. August 2001 für ihre Tätigkeit in der Zeit vom 04. April 2001 bis 30. Juni 2001 Aufwendungsersatz und Vergütung in Höhe von insgesamt 2.707,14 DM (= 1.384,14 EUR) und mit Beschluss vom 06. Februar 2002 für die Tätigkeit in der Zeit vom 01. Oktober 2001 bis zum 31. Dezember 2001 Aufwendungsersatz und Vergütung in Höhe von insgesamt 506,-- EUR. Hierbei wurde jeweils ein Stundensatz von 45,-- DM bzw. 23,01 EUR zugrunde gelegt.

Auf die hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerden der Betreuerin änderte das Landgericht mit Beschluss vom 08. Mai 2002 die amtsgerichtlichen Entscheidungen dahingehend ab, dass die Festsetzung im ersten Beschluss auf insgesamt 1.797,08 EUR (= 3.514,78 DM) und die Festsetzung im zweiten Beschluss auf insgesamt 654,12 EUR (= 1.279,35 DM) erhöht wurde. Das Landgericht legte hierbei einen Stundensatz von 60,-- DM bzw. 30,68 EUR zugrunde, wobei es davon ausging, dass die von der Betreuerin absolvierte Ausbildung mit einer Fachhochschulausbildung zum Diplom-Heilpädagogen, Diplom-Sozialarbeiter bzw. Diplom-Sozialpädagogen vergleichbar sei.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beteiligte zu 2) mit der sofortigen weiteren Beschwerde.

Die kraft Zulassung im angefochtenen Beschluss gemäß § 56 g Abs. 5 Satz 2 FGG statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte sofortige weitere Beschwerde ist zulässig. Sie führt in der Sache jedoch nicht zum Erfolg, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§§ 27 FGG, 546 ZPO).

Nach §§ 1908 i Abs. 1, 1836 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2, 1836 a BGB bemisst sich die Vergütung des Berufsbetreuers, die bei Mittellosigkeit des Betreuten aus der Staatskasse zu zahlen ist, nach § 1 BVormVG.

Gemäß § 1 Abs. 1 BVormVG ist für jede Stunde der für die Führung der Betreuung aufgewandten und erforderlichen Zeit ein der Qualifikation des Betreuers entsprechender vom Gesetzgeber in einer typisierten dreistufigen Skala verbindlich festgelegter Betrag zuzüglich Mehrwertsteuer vorgesehen. Der Mindestsatz beträgt gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 BVormVG 35,-- DM ( ab 1. Janaur 2002: 18 EUR ). Verfügt der Betreuer über besondere Kenntnisse, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, so erhöht sich die Vergütung auf 45,-- DM ( ab 1. Januar 2002: 23 EUR ), wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Lehre erworben sind, und auf 60,-- DM ( ab 1. Januar 2002: 31 EUR), wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule erworben sind. Hierbei zählen nach dem Willen des Gesetzgebers zu den Hochschulen im Sinne dieser Vorschrift auch Fachhochschulen (vgl. BT-Drucks. 13/758 S. 28; BayObLG BtPrax 2001, 36; OLG Braunschweig BtPrax 2000, 130). Abgeschlossene Ausbildungen, die diesen beiden Qualifikationen vergleichbar sind, werden ihnen gleichgestellt (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 B VormVG).

Besondere, für die Führung einer Betreuung nutzbare Fachkenntnisse sind solche, die bezogen auf ein bestimmtes Fachgebiet über ein Grundwissen deutlich hinausgehen und geeignet sind, die Geschäftsführung des Betreuers zu erleichtern, weil sie ihn befähigen, seine Aufgaben zum Wohle des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen (vgl. BT-Drucks. 13/1758 S. 14; Palandt/Diederichsen, BGB, 61. Aufl., § 1836 Rn. 14; BayObLG BtPrax 2000, 81). Angesichts der gesetzlichen Betonung der rechtlichen Betreuung (§ 1901 Abs. 1 BGB) kommt rechtlichen Kenntnissen hierbei eine besonders grundlegende Bedeutung zu. Betreuungsrelevant sind im allgemeinen ferner Kenntnisse in den Bereichen Medizin, Psychologie, Sozialarbeit, Sozialpädagogik, Soziologie und Wirtschaft, wobei die Ausbildung in ihrem Kernbereich und nicht nur am Rande auf die Vermittlung derartiger Kenntnisse ausgerichtet sein sollte (vgl. BayObLG BtPrax 2000, 80 und 124/125).

Durch eine einer abgeschlossenen Hochschulausbildung vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind Fachkenntnisse, wenn sie im Rahmen einer Ausbildung vermittelt wurden und diese Ausbildung in ihrer Wertigkeit einer Hochschulausbildung entspricht sowie einen formalen Abschluss aufweist (vgl. BayObLG BtPrax 2000, 31 = JurBüro 2000, 93; Barth/Wagenitz, Bt Prax 1996, 118). Einer Hochschulausbildung gleichwertig ist eine Ausbildung, wenn sie staatlich reglementiert oder zumindest staatlich anerkannt ist und der durch sie vermittelte Wissensstand nach Art und Umfang dem eines Hochschulstudiums entspricht (vgl. BayObLG a.a.0. und EzFamR 2000, 104; OLG Braunschweig BtPrax 2000, 130). Als Kriterien für die Vergleichbarkeit können insbesondere der mit der Ausbildung verbundene Zeitaufwand, der Umfang und Inhalt des Lehrstoffes sowie die Ausgestaltung der Abschlussprüfung herangezogen werden (vgl. BayObLG BtPrax 2001, 36; OLG Köln FamRZ 2001, 1398; OLG Braunschweig, FamRZ 2000, 1307). Daneben kann auch auf die durch die Abschlussprüfung erworbene Qualifikation abgestellt werden. Wenn sie den Absolventen den Zugang zu beruflichen Tätigkeiten und den entsprechenden Besoldungs- bzw. Vergütungsgruppen eröffnet, die sonst üblicherweise Hochschulabsolventen vorbehalten sind, so spricht dies für eine Annahme der Vergleichbarkeit (vgl. BayObLG BtPrax 2001, 36).

Demgegenüber kommt ein rein schematisches Abstellen auf die Schulbezeichnung ohne eine inhaltliche Bewertung der Vergleichbarkeit nicht in Betracht. So liegt die an einer Fachschule vermittelte Qualifikation zwar in aller Regel unterhalb des für die Bewilligung der höchsten Besoldungsstufe erforderlichen Fachhochhochschulniveaus (vgl. OLG Schleswig BtPrax 2000, 172; BayObLG FamRZ 2000, 1307; LG Neubrandenburg, BtPrax 2000, 221; OLG Dresden FamRZ 2000, 316, BayObLG Rpfleger 2000, 392 und BayObLG-Report 2000, 35, Senatsbeschluss vom 8. April 2002 ­ 20 W 503/01). Nach der jeweils gebotenen inhaltlichen Bewertung kann jedoch im Einzelfall auch eine als Fachschule bezeichnete Ausbildungsstätte eine Ausbildung vermitteln, die mit einem Fachhochschulstudium gleichgesetzt werden kann ( vgl. OLG Hamm FamRZ 2001, 1398 ).

Im vorliegenden Falle besteht an der Nutzbarkeit der von der Betreuerin im Rahmen ihrer Ausbildung in den Pflichtfächern Heilpädagogik, Medizin, Psychologie und Recht erworbenen Kenntnisse für die Führung von Betreuungen kein Zweifel.

Das Landgericht hat des weiteren die Ausbildung der Betreuerin zutreffend mit einem Fachhochschulabschluss für vergleichbar angesehen. Allerdings rügt in diesem Zusammenhang die Beteiligte zu 2) zu Recht, dass das Landgericht sich hierbei auf eine telefonisch erteilte Auskunft des Hessischen Kultusministeriums gestützt hat, wonach die Ausbildung eines staatlich anerkannten Heilpädagogen im Hinblick auf die Ausbildungszeiten dem Abschluss an einer Fachhochschule vergleichbar sein soll. Denn diese Auskunft wurde in einem anderen Beschwerdeverfahren von dem Landgericht Hanau eingeholt und im hiesigen Verfahren vom Landgericht Darmstadt lediglich aus der Entscheidung des Landgerichts Hanau zitiert, ohne zur Akte gelangt und inhaltlich den Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis gegeben worden zu sein.

Daneben stützt sich die landgerichtliche Entscheidung aber auch auf die von der Betreuerin bereits beim Amtsgericht eingereichten Unterlagen, die die Annahme einer Vergleichbarkeit mit einer Fachhochschulausbildung zu den Berufen der Diplom-Sozialarbeiter und Diplom-Sozialpädagogen, die häufig als Berufsbetreuer tätig werden, und der Diplom-Heilpädagogen stützen. So ist nach der Verordnung über die Ausbildung und Abschlussprüfung an Fachschulen für Heilpädagogik in Hessen vom 13. März 1992 (Amtsblatt des HKM S. 254 ff) Voraussetzung für die Aufnahme in die Fachschule für Heilpädagogik der vorherige Abschluss einer einschlägigen Berufsausbildung ­ in der Regel als staatlich anerkannter Erzieher ­ auf Fachschulniveau und eine mindestens zweijährige Berufserfahrung in diesem Beruf. Danach kann die Fachschulausbildung zum Heilpädagogen erst im Anschluss an eine vorausgegangene besondere Fachschulausbildung absolviert werden und liegt gegenüber dieser auf einem höheren Niveau. Des weiteren belegt die von der Betreuerin vorgelegte Bescheinigung der Schule mit der inhaltlichen Angabe der Rahmenstundentafel und der vergleichenden Gegenüberstellung der einzelnen Abschnitte der Gesamtausbildung in praktischer, zeitlicher und berufstheoretischer Hinsicht, dass eine Vergleichbarkeit mit den vorgenannten Fachhochschulabschlüssen angenommen werden kann, die sich zusätzlich auch durch die von der Betreuerin vorgelegten Arbeitsverträge im Hinblick auf berufliche Verwendung und Eingruppierung bestätigt.

Deshalb ist die vom Landgericht vorgenommene Festsetzung der Vergütung der Betroffenen auf der Grundlage eines Stundensatzes nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 2 BVormVG rechtlich nicht zu beanstanden, so dass die sofortige weitere Beschwerde zurückzuweisen war.

Ende der Entscheidung

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