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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 08.01.2000
Aktenzeichen: 20 W 243/00
Rechtsgebiete: FGG, BGB, KostO


Vorschriften:

FGG § 56 g Abs. 1 Nr. 1
FGG § 56 g Abs. 1 Nr. 2
FGG § 56 g Abs. 5
FGG § 13 a Abs. 1 Satz 1
FGG § 18
BGB § 1908 i
BGB § 1836 Abs. 2
BGB § 1836 Abs. 1 S. 2
BGB § 1908 i Abs. 1
BGB § 1836 Abs. 1 Satz 3
BGB § 1836 Abs. 1 Satz 4
BGB § 1836 Abs. 1 Satz 1
BGB § 1836 Abs. 2 a. F.
BGB § 1836 Abs. 1 n. F
BGB § 1898 Abs. 1
BGB § 1836 a. F.
KostO § 131 Abs. 2
KostO § 30 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

20 W 243/00

5 T 89/00 LG Darmstadt

5 XVII 75/98 AG Dieburg

Entscheidung vom 8.1.2001

In dem Betreuungsverfahren

für ..., Betroffener,

an dem hier beteiligt sind:

1. Herr ..., Betreuer, Beschwerdeführer und weiterer Beschwerdeführer,

2. die Staatskasse des Landes Hessen, ..., Beschwerdegegnerin und weitere Beschwerdegegnerin,

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die weitere Beschwerde des Betreuers gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 28. März 2000 am 08. Januar 2001

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des Amtsgerichts Dieburg vom 13. Januar 2000 werden aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass der Betreuer ... die Betreuung berufsmäßig führt.

Beschwerdewert: 5.000,-- DM.

Gründe:

Die weitere Beschwerde ist zulässig. Sie hängt insbesondere nicht von einer Zulassung durch das Beschwerdegericht ab, da es sich nicht um eine Vergütungsfestsetzung im Sinne des § 56 g Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 5 FGG handelt. Da die gerichtliche Anerkennung der berufsmäßigen Führung der Betreuung für die Vergütung des Betreuers nach §§ 1908 i, 1836 Abs. 2 BGB konstitutive Wirkung hat (vgl. BayObLG BtPrax 2000, 34; HK-BUR Bauer/Deinert, § 1836 BGB Rn. 22), ist die diesbezügliche Feststellung oder deren Ablehnung mit einfacher und weiterer Beschwerde selbständig anfechtbar (so bereits Senatsbeschlüsse vom 29. Februar 2000 ­ 20 W 565/99 und vom 22. September 2000 ­ 20 W 246/2000; ebenso Palandt/Diederichsen, BGB, 60. Aufl., § 1836 Rn. 4; a. A. Bienwald, Betreuungsrecht, 3. Aufl., Vorbem. vor §§ 65 ff FGG Rn. 145). Es kann dahin stehen, ob für bereits vor dem 1. Januar 1999 erfolgte Betreuerbestellungen die formale Feststellung der Berufsmäßigkeit im Sinne des § 1836 Abs. 1 S.2 BGB n. F. zwingende Voraussetzung für die Bewilligung einer Vergütung ist (ablehnend OLG Zweibrücken FGPrax 2000, 63). Jedenfalls kann ein Rechtsschutzinteresse des Betreuers für einen derartigen Feststellungsantrag im vorliegenden Fall nicht verneint werden, weil hiermit für die Zukunft eine eindeutige Klärung der Vergütungsfrage, wie sie nunmehr in § 1836 Abs. 1 S. 2 BGB vorgesehen ist, zum Zwecke der Rechtsklarheit und Kalkulierbarkeit auch für bereits bestehende Betreuungen erreicht werden kann.

Die weitere Beschwerde führt auch in der Sache zum Erfolg, da die Entscheidungen der Vorinstanzen auf einer Verletzung des Gesetzes beruhen (§§ 27 FGG, 550 ZPO). Die Vorinstanzen haben die seit Geltung des BtÄndG gemäß § 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit § 1908 i Abs. 1 BGB bereits bei der Bestellung des Betreuers zu treffende Feststellung über die berufsmäßige Führung der Betreuung, die nach § 18 FGG insbesondere für bereits vor dem 01. Januar 1999 angeordnete Betreuungen auch nachträglich erfolgen kann (vgl. hierzu BayObLG a.a.O.; Palandt/Diederichsen, a.a.0., m. w. N.; Staudinger/Engler, BGB, 13. Bearb. § 1836 Rn. 52; Bienwald, a.a.0., Rn. 146), zu Unrecht abgelehnt. Da der Sachverhalt einer weiteren Aufklärung nicht bedarf, kann der Senat die erforderlichen Feststellungen auf der Grundlage des gesamten Akteninhaltes treffen, eigenständig würdigen und in der Sache selbst entscheiden.

Gemäß § 1836 Abs. 1 Satz 3 BGB ist die Feststellung über die berufsmäßige Führung einer Betreuung zu treffen, wenn dem Betreuer in solchem Umfang Betreuungen übertragen sind, dass er sie nur im Rahmen seiner Berufsausübung führen kann oder zu erwarten ist, dass ihm in absehbarer Zeit Betreuungen in diesem Umfang übertragen werden. § 1836 Abs. 1 Satz 4 BGB bestimmt weiter, dass diese Voraussetzungen im Regelfall erfüllt sind, wenn von dem Betreuer mehr als 10 Betreuungen geführt werden oder die für die Führung der Betreuungen erforderliche Zeit voraussichtlich 20 Wochenstunden nicht unterschreitet. Mit dieser Regelung wurde durch das BtÄndG erstmals eine Regelung für die gerichtliche Feststellung der berufsmäßigen Führung von Vormundschaften und Betreuungen eingeführt. Bei § 1836 Abs. 1 Satz 4 BGB handelt es sich ­ wie bereits aus der Bezeichnung der dort genannten Alternativen als Regelfall des vorausgegangenen Satzes 3 folgt ­ nicht um eine abschließende Regelung. Des weiteren darf auch § 1836 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht isoliert betrachtet werden. Zwar wird dort auf den Umfang der übertragenen Betreuungen abgestellt. Ihrer Zielrichtung nach soll die Vorschrift jedoch zunächst die Abgrenzung zu der weiterhin als gesetzliches Leitbild in § 1836 Abs. 1 Satz 1 BGB vorgesehenen ehrenamtlichen und damit unentgeltlichen Führung der Vormundschaft und Betreuung gewährleisten.

Insbesondere durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 01. Juli 1980 (NJW 1980, 2179) zur Entschädigung von Berufsvormündern war bereits vor Inkrafttreten des BtÄndG klargestellt, dass eine unentgeltliche Führung von Vormundschaften und Betreuungen nur dann in Betracht kommt, wenn dies dem Leitbild der echten Einzelbetreuung, die als allgemeine staatsbürgerliche Pflicht in der Freizeit zu erfüllen ist, entspricht. Deshalb wurde mit dem BtG in § 1836 Abs. 2 BGB a. F. eine Regelung für die Vergütung beruflich tätiger Betreuer und Vormünder geschaffen. Schon nach dieser Regelung war anerkannt, dass bei Übernahme auch nur einer einzigen Betreuung von einer Führung im Rahmen der Berufsausübung auszugehen ist, wenn deren Übernahme von dem Betreuer nur im Rahmen seiner Berufstätigkeit erwartet werden kann und sie ihm gerade im Hinblick auf seine berufliche Ausbildung und Kenntnisse übertragen wurde, wie dies insbesondere häufig bei Rechtsanwälten und Steuerberatern der Fall ist (vgl. hierzu BayObLG FamRZ 1999, 462 (nur Leitsatz), mit Gründen abgedruckt in BayObLG-Report 1998, 85).

Aus der Gesetzesbegründung des BtÄndG zu § 1836 Abs. 1 BGB n. F., die auf der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (vgl. BTDrucks. 13/10331, S. 41) beruht, ergibt sich, dass auch der Gesetzgeber des BtÄndG unabhängig vom Umfang und Anzahl der im übrigen übertragenen Betreuungen von einer berufsmäßigen Führung jedenfalls dann ausgeht, wenn der Aufgabenkreis einer übertragenen Betreuung zu der ohnehin ausgeübten Berufstätigkeit des Betreuers gehört, die auch andere Geschäfte als Betreuungen umfassen kann. Danach ist etwa bei einem Rechtsanwalt oder Steuerberater zwar nicht generell von der berufsmäßigen Führung einer Betreuung auszugehen, wohl aber dann, wenn ihm diese gerade im Hinblick auf seine berufliche Qualifikation übertragen wurde (vgl. ebenso HK-BUR, Bauer/Deinert, a.a.0., Rn. 52, 59 und 66; Zimmermann, FamRZ 1999, 630, 632; Erman/Holzhauer, BGB, 10. Aufl., § 1836 Rn. 4; Staudinger/Engler, a.a.0., Rn. 53).

Bei Übertragung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall erfüllt der Betreuer zwar nicht die Regelfallvoraussetzungen des § 1836 Abs. 1 Satz 4 BGB, da er derzeit lediglich fünf Betreuungen führt und die hierfür erforderliche Zeit 20 Wochenstunden nicht überschreitet. Die Feststellung der berufsmäßigen Führung der vorliegenden Betreuung ist jedoch gerechtfertigt, da entgegen der Auffassung der Vorinstanzen für die Übertragung der Betreuung die berufliche Qualifikation des Betreuers den Ausschlag gab und es sich bei der Übernahme dieser weiteren Betreuung nicht um die Erfüllung einer allgemeinen staatsbürgerlichen Pflicht im Sinne des § 1898 Abs. 1 BGB handelt. Zwar beinhaltet der Beschluss des Amtsgerichts vom 07. September 1998 über die Bestellung des Betreuers keine nähere Begründung zu dessen Auswahl. Aus der Akte ergibt sich jedoch, dass wegen besonderer Probleme bereits die Ehefrau des Betroffenen bei Anregung der Betreuung vorgeschlagen hatte, eine nicht zur Familie gehörende männliche Person zum Betreuer zu bestellen. Der vom Gericht beauftragte Sachverständige Dr. med. P. gelangt in seinem Gutachten vom 05. August 1998 zu der psychiatrischen Diagnose einer chronischen disorganisierten Psychose vermutlich organischer Genese. Er stellt fest, dass der Betroffene in seiner Kritik- und Urteilsfähigkeit erheblich beeinträchtigt ist und ein umtriebiges, uneinfühlsames und dissoziales Verhalten sowie paranoide Ideen, Verfolgungswahn und immer wieder Erregungszustände zeigt. Er weist darauf hin, dass die Ehefrau und die beiden Kinder des Betroffenen zum damaligen Zeitpunkt ein weiteres Zusammenleben ablehnten und hierdurch erhebliche Irritationen für den Betroffenen, die sich auch für die Betreuung auswirken werden, zu erwarten waren. Des weiteren ergibt sich sowohl aus dem Gutachten, als auch aus dem Protokoll der richterlichen Anhörung vom 04. September 1998, dass die sprachliche Verständigung mit dem Betroffenen sehr schwierig ist. Der Betroffene selbst hat der Einrichtung einer Betreuung zugestimmt und die Auswahl des Betreuers dem Gericht überlassen, da er eine geeignete Person nicht benennen konnte. Aus diesen Gesamtumständen wird deutlich, dass aufgrund der Erkrankung, Sprachschwierigkeiten und der zu erwartenden Veränderungen in der Lebenssituation des Betroffenen sowie des Umfanges der angeordneten Aufgabenkreise an die Person des Betreuers hinsichtlich seiner Qualifikation erhöhte Anforderungen zu stellen waren.

Der Betroffene ist von Beruf Diplom-Sozialarbeiter und bei der Caritas als Berufsbetreuer angestellt. Neben seiner beruflichen Tätigkeit führte er im September 1998 bereits vier Betreuungen, wobei ihm in der Vergangenheit Vergütungen bewilligt wurden. Der Betreuer hat unwidersprochen vorgetragen, dass er sich zur zusätzlichen Übernahme der vorliegenden Betreuung auf dringliche Bitten bereit erklärt habe, da er bei der Betreuungsbehörde seit vielen Jahren als Betreuer bekannt gewesen sei. Seine Auswahl beruhe auf seinen fundierten Kenntnissen und der sich aus seiner bisherigen Tätigkeit ergebenden Geeignetheit zur Führung dieser schwierigen Betreuung, die vielfältige Kenntnisse erfordere. Die Rechnungslegung und der Tätigkeitsbericht des Betreuers belegen, dass zeitaufwändige und umfangreiche Tätigkeiten vielfältiger Art mit einem Betreuungsaufwand von 113 Stunden in 13 Monaten erforderlich waren. Diese Gesamtumstände belegen, dass die Auswahl des Betreuers, der zuvor in keinerlei persönlichen Beziehungen zu dem Betroffenen stand, wegen dessen beruflicher Erfahrungen und Kenntnissen erfolgte, da mit besonderen Schwierigkeiten und erheblichem Zeitaufwand zu rechnen war.

Angesichts der zu diesem Zeitpunkt von dem Betreuer bereits geführten 4 anderen Betreuungen und der in der Vergangenheit erfolgten Bewilligung von Vergütungen konnte bei Übernahme dieser weiteren Betreuung nicht davon ausgegangen werden, dass es sich hierbei um die Erfüllung einer allgemeinen und zumutbaren staatsbürgerlichen Pflicht handelte. Vielmehr wurde dieses zusätzliche Betreueramt nach den Gesamtumständen im Rahmen einer (neben- ) beruflichen Tätigkeit übertragen.

Dies wird mittelbar auch bestätigt durch den Beschluss des Vormundschaftsrichters vom 13. Januar 2000, mit welchem der Antrag auf Feststellung der berufsmäßigen Führung der Betreuung zurückgewiesen wurde. Dort wurde zur Begründung lediglich auf die Ausführungen der Beteiligten zu 2) in ihrer Stellungnahme verwiesen, die im wesentlichen darauf abgestellt hatte, dass der Betreuer die Regelfallvoraussetzungen des zum 01. Januar 1999 in Kraft getretenen § 1836 Abs. 1 Satz 4 BGB nicht erfüllt. Des weiteren wurde ausgeführt, aus der früheren Zuerkennung einer Vergütung könne kein Anspruch für die Zukunft abgeleitet werden, da § 1836 BGB a. F. eine jederzeitige Änderung der Vergütung zulasse. Hieraus ergibt sich, dass bei der Bestellung des Betreuers mit Beschluss vom 07. September 1998 aufgrund des Anforderungsprofils der Betreuungsaufgabe für die Auswahl des Betreuers dessen beruflichen Kenntnisse und Erfahrungen ausschlaggebend waren und davon ausgegangen wurde, dass die Betreuung aufgrund der damaligen gesetzlichen Regelung im Rahmen einer nebenberuflichen Tätigung gegen entsprechende Vergütung ausgeübt werden sollte.

Aus dem Umstand, dass mit dem BtÄndG zum 01. Januar 1999 in § 1836 Abs. 1 Satz 4 BGB erstmals quantitative Merkmale zur Konkretisierung einer Tätigkeit als Berufsbetreuer im Gesetz verankert wurden, kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass damit eine zuvor im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit geführte Betreuung stillschweigend in eine ehrenamtliche Betreuung umgewandelt wird und somit ab dem 01. Januar 1999 unentgeltlich fortzuführen ist. Vielmehr behält eine als Berufsbetreuer ursprünglich bestellte Person ihren Vergütungsanspruch in einem laufenden Betreuungsverfahren auch dann, wenn sie aufgrund des geringeren Umfanges ihrer Tätigkeit die Voraussetzungen des § 1836 Abs. 1 Satz 4 BGB n. F. nicht erfüllt und deshalb in neuen Verfahren als Berufsbetreuer nicht mehr ohne weiteres in Betracht kommt.

Einer diesbezüglichen Übergangsvorschrift im Gesetz bedurfte es nicht, da § 1836 Abs. 1 Satz 4 BGB lediglich Regelfallanforderungen nennt und eine berufsmäßige Führung einer Betreuung somit ausnahmsweise auch ohne Erfüllung dieser Voraussetzungen ermöglicht. Dies ist für den hier gegebenen Fall anzuerkennen, dass bei der Übernahme der Betreuung von einer Führung im Rahmen einer Berufsausübung ausgegangen wurde und die Übertragung gerade im Hinblick auf die vorhandene berufliche Ausbildung und Kenntnisse erfolgte, so dass angesichts der Gesamtumstände, insbesondere der zu diesem Zeitpunkt bereits mit Vergütung geführten vier sonstigen Betreuungen von dem Betreuer nicht erwartet werden konnte, dass er das Betreueramt unabhängig von seiner sonstigen beruflichen Tätigkeit und als Ehrenamt unentgeltlich übernahm.

Eine Kostenerstattungsanordnung gemäß § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG war nicht veranlasst.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 Kost0.



Ende der Entscheidung

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