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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 27.07.2005
Aktenzeichen: 20 W 280/05
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 29
FGG § 12
FGG § 126
Die Ablehnung der Bestellung eines Notgeschäftsführers für eine GmbH durch das Registergericht ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn eine zur Übernahme des Amtes geeignete und bereite Person weder vom Antragsteller vorgeschlagen noch durch die Tatsacheninstanzen auch unter Beteiligung der Organe des Handelsstandes gefunden werden kann.
Gründe:

Die Beteiligten zu 1) und 2) halten als Gesellschafter je 50% der Anteile der seit dem 09. Januar 2002 im Handelsregister eingetragenen Gesellschaft.

Sie streiten in einem Zivilprozess über die Wirksamkeit der in einer Gesellschafterversammlung vom 29. September 2004 in alleiniger Anwesenheit durch den Beteiligten zu 1) beschlossenen sofortigen Abberufung des Beteiligten zu 2) als Geschäftsführer wegen diverser behaupteter Pflichtverletzungen.

Auf den Antrag des Beteiligten zu 1), einen Notgeschäftsführer für die Gesellschaft zu bestellen, teilte die Rechtspflegerin des Amtsgerichts mit Verfügung vom 14. Oktober 2004 mit, die Wirksamkeit der Abberufung des Geschäftsführers sowie die weiteren Streitpunkte zwischen den Gesellschaftern seien im Zivilverfahren zu klären; das Gericht sehe zur Zeit keine Veranlassung, einen Notgeschäftsführer zu bestellen.

Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beteiligten zu 1) teilte das Landgericht mit Verfügung vom 15. Dezember 2004 beiden Beteiligten mit, nach Einsicht in die Akte betreffend die Anfechtungsklage gegen den Abberufungsbeschluss vom 29. September 2004 komme nach seiner Auffassung die Bestellung eines Notgeschäftsführers wegen der momentanen unklaren Lage in Betracht. Den Beteiligten wurde Gelegenheit gegeben, binnen zwei Wochen eine geeignete Person vorzuschlagen, die mit der Übernahme des Amtes einverstanden sei und als Notgeschäftsführer einen Vergütungsanspruch gegen die Gesellschaft habe; falls keine Übereinstimmung erzielt werde, müssten die Organe des Handelsstandes beteiligt werden.

Nachdem von den Beteiligten ein Vorschlag nicht unterbreitet wurde teilte die IHK X auf entsprechende Anfrage des Registergerichts am 15. März 2005 mit, es sei ihr trotz vielfältiger Bemühungen nicht gelungen, eine geeignete Person zu finden, die unter den mitgeteilten Umständen bereit sei, das Amt des Notgeschäftsführers zu übernehmen.

Das Landgericht informierte zunächst am 17. März 2005 die Beteiligten über diese Auskunft und wies darauf hin, dass der Kammer keine weiteren Möglichkeiten bekannt seien, eine Person zu finden, die als Notgeschäftsführer in Betracht komme.

Mit Beschluss vom 14. April 2005 wies das Landgericht sodann die Beschwerde zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, zwar dürften die Voraussetzungen für die Bestellung eines Notgeschäftsführers vorliegen, dies bedürfe jedoch keiner abschließenden Entscheidung, da jedenfalls keine Person habe ausfindig gemacht werden können, die zur Übernahme des Amtes angesichts der völligen Zerstrittenheit der Gesellschafter bereit gewesen sei.

Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 1) mit der weiteren Beschwerde, mit der er im Wesentlichen geltend macht, allein der Umstand, dass momentan keine zur Übernahme des Amtes als Notgeschäftsführer bereite Person gefunden werden könne, rechtfertige nicht die Zurückweisung der Beschwerde; des Weiteren sei die Anordnung der Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Beteiligten zu 2) nicht gerechtfertigt.

Die zulässige weitere Beschwerde führt in der Sache nicht zum Erfolg, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO). Die Entscheidung des Landgerichts, mit der die Bestellung eines Notgeschäftsführers abgelehnt wurde, lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

Allerdings kann das Gericht am Sitz des Handelsregisters in entsprechender Anwendung des § 29 BGB für eine GmbH einen Notgeschäftsführer bestellen, wenn ein für die organschaftliche Vertretung der GmbH unentbehrlicher Geschäftsführer fehlt und ein dringender Fall gegeben ist (vgl. BayObLG FGPrax 1997, 235; OLG Hamm GmbHR 1996, 210; OLG Frankfurt NJW 1966, 504 und GmbHR 2001, 436; BGH MDR 1982, 386; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 29 Rn. 1; Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Aufl., § 6 Rn. 19; Gustavus GmbHR 1992, 15 jeweils m. w. N.). Von einem dringenden Fall kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Gesellschaftsorgane selbst nicht in der Lage sind, innerhalb einer angemessenen Frist den Mangel zu beseitigen und der Gesellschaft oder einem Beteiligten ohne Notgeschäftsführerbestellung Schaden drohen würde oder eine alsbald erforderliche Handlung nicht vorgenommen werden könnte. Dabei ist es allerdings im Grundsatz nicht Aufgabe des Verfahrens nach § 29 BGB, Differenzen zwischen den verschiedenen Gesellschaftern zu entscheiden, da der Gesetzgeber die Autonomie der Gesellschaften schützt, indem er deren rechtliche Verhältnisse weitgehend der vertraglichen Gestaltung und der Entscheidung der Gesellschaftsorgane überlässt, so dass die Ernennung eines Notgeschäftsführers durch das Registergericht als schwerwiegender hoheitlicher Eingriff nur in enger Auslegung der Ermächtigungsvorschrift erfolgen darf (vgl. BayObLG GmbHR 1998, 1123 und Rpfleger 1983, 74; OLG Frankfurt NJW 1966, 504 und GmbHR 1986, 432).

Nach diesen Maßstäben erscheint es bereits zweifelhaft, ob die rechtlichen Voraussetzungen für die Notwendigkeit der Bestellung eines Notgeschäftsführers im vorliegenden Falle gegeben sind. Eine solche kommt zwar grundsätzlich in Betracht, wenn in einer erheblich zerstrittenen Zweimann-GmbH mit einer baldigen einverständlichen Bestellung eines Geschäftsführers nicht zu rechnen ist (vgl. BayObLG GmbHR 1999, 1291). Vorliegend erscheint es jedoch zweifelhaft, ob zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Landgerichts ein dringendes Bedürfnis für ein hoheitliches Einschreiten durch Bestellung eines Notgeschäftsführers gegeben war. Denn der allgemeine Hinweis des Beteiligten zu 1) auf die Notwendigkeit der Erfüllung der Geschäftsführerpflichten nach §§ 41, 43 Abs. 3 und 64 GmbHG allein dürfte hierzu nicht ausreichend sein. Zusätzliche konkrete Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der kurzfristigen Vornahme bestimmter Handlungen vor Entscheidung über die bereits seit geraumer Zeit anhängige Zivilklage sind nicht dargetan oder ersichtlich. Diese Frage bedarf jedoch im vorliegenden Fall keiner abschließenden Entscheidung.

Denn das Landgericht hat die Bestellung eines Notgeschäftsführers rechtsfehlerfrei jedenfalls deshalb abgelehnt, weil trotz Ausschöpfung der gebotenen Ermittlungsmöglichkeiten keine zur Übernahme dieses Amtes bereite Person zur Verfügung steht (vgl. OLG Hamm FGPrax 1996, 70). Da das Registergericht bei der Bestellung des Notgeschäftsführers anstelle des für die Bestellung von Geschäftsführern zuständigen Gesellschaftsorgans der Gesellschafterversammlung (vgl. § 46 Nr. 5 GmbHG) handelt, kommt durch die Annahme der Bestellung zwischen dem Notgeschäftsführer und der Gesellschaft ein Geschäftsbesorgungsvertrag zustande, der einen Vergütungsanspruch des Notgeschäftsführers gegen die Gesellschaft begründet. Da keine gesetzliche Verpflichtung zur Annahme des Amtes eines gerichtlichen Notgeschäftsführers besteht (vgl. BGH GmbHR 1985, 149; KG FGPrax 2000, 155 m.w.N.; Balser/ Bokelmann/Piorreck, Die GmbH, 13. Aufl., Rn. 213;) ist es zweckmäßig und geboten, dass das Registergericht vor der Bestellung einer Person zum Notgeschäftsführer klärt, ob Bereitschaft zur Übernahme des Amtes besteht (vgl. BayObLG DB 1975, 1500; Keidel/Stoeber, Registerrecht, 5. Aufl., Rn. 759; OLG Hamm FGPrax 1996, 70).

Im vorliegenden Falle ergibt sich aus der Registerakte sowie den Schriftsätzen der Beteiligten, dass zwischen den beiden Gesellschaftern ganz erhebliche Streitigkeiten bestehen, die Gesellschaft ihren Geschäftsbetrieb im Hinblick auf die zwischenzeitlich verlorene Fluglizenz weitgehend eingestellt hat und die ordnungsgemäße Fortführung der Buchführung und der Erstellung der Jahresabschlüsse sich wohl ebenfalls aufgrund der Zerstrittenheit der Gesellschafter schwierig gestaltet. Diese Gesamtumstände sowie die Ungewissheit, ob von der Gesellschaft eine angemessene Vergütung zu erhalten ist, erschweren ganz erheblich das Auffinden einer Person, die zur Übernahme des Notgeschäftführeramtes bereit wäre.

Das Landgericht hat zunächst den beiden mit der Situation der Gesellschaft am Besten vertrauten Gesellschaftern die Möglichkeit eingeräumt, dem Gericht eine zur Übernahme dieses Amtes bereite Person zu benennen. Hierzu war der an der Bestellung eines Notgeschäftsführers interessierte Antragsteller jedoch nicht in der Lage, obwohl ihm die Möglichkeit offen gestanden hätte, gegebenenfalls durch die Zusage der Zahlung einer Vergütung eine geeignete Person zur Übernahme des Amtes des Notgeschäftsführers zu veranlassen. Auch die vom Gericht vorgenommene Einschaltung des zuständigen Organs des Handelsstandes gemäß § 126 FGG hat nicht zum Erfolg geführt, da es der örtlich zuständigen IHK nach eigenen Angaben trotz vielfältiger Bemühungen ebenfalls nicht gelungen ist, eine geeignete und zur Übernahme des Amtes bereite Person zu finden. Damit hatte das Landgericht seine Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft, so dass von einem Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht des § 12 FGG nicht ausgegangen werden kann, zumal auch der Beteiligte zu 1) weder auf die diesbezügliche Mitteilung des Landgerichts noch in der Begründung seiner weiteren Beschwerde aufzeigt, welche weiteren erfolgversprechenden Möglichkeiten für das Gericht bei der Suche nach einem Notgeschäftsführer noch in Betracht gekommen wären.

Ein weiteres Zuwarten des Gerichts war ebenfalls nicht angezeigt, da keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass dieses Hindernis zur Bestellung eines Notgeschäftsführers in absehbarer Zeit hätte behoben werden können.

Damit erweist sich die Entscheidung des Landgerichts, die Entscheidung des Amtsgerichts über die Ablehnung eines Notgeschäftsführers zu bestätigen, als rechtsfehlerfrei (vgl. auch OLG Hamm FGPrax 1996, 70). Die weitere Beschwerde war deshalb zurückzuweisen.

Ebenso wie bereits im landgerichtlichen Verfahren war gemäß § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beteiligten zu 2) durch den Beteiligten zu 1) auszusprechen, da der Beteiligte zu 2) dem Antrag auf Bestellung eines Notgeschäftsführers in beiden Instanzen entgegen getreten war und der Beteiligte zu 1) mit seinem Rechtsmittel jeweils keinen Erfolg hatte.

Den Geschäftswert hat der Senat in Übereinstimmung mit der unbeanstandet gebliebenen Wertfestsetzung des Landgerichts gemäß §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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